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In Sinnen vertieft, saß Waverley in einer Nische der Halle, unbehelligt von dem hier herrschenden Durcheinander, als er plötzlich einen Tartan hinter sich rauschen hörte. Ein Arm legte sich auf seine Schulter, und eine freundliche Stimme sagte:
»Nun? hat der hochländische Prophet die Wahrheit gesagt, oder gilt er nichts als Seher?«
Waverley drehte sich um, und Fergus Mac-Ivor lag in seinen Armen.
»Tausendmal willkommen in Holyrood, wo jetzt wieder sein rechtmäßiger Besitzer wohnt. Sagte ich nicht, das Glück würde uns hold sein, und Ihr würdet, wenn Ihr uns verließet, in die Hände der Philister fallen?«
»Lieber Freund, schon lange habe ich keine Freundesstimme gehört. Wo ist Flora?«
»In guter Hand. Sie freut sich unsrer Siege.«
»Hier im Palast?«
»Nun, doch wenigstens in der Stadt. Ihr werdet sie schon sehen. Aber vor allen Dingen muß ich Euch mit einem Freunde bekannt machen, an den Ihr gewiß wenig gedacht habt, der aber schon oft nach Euch gefragt hat.«
Bei diesen Worten zog er Waverley aus der Halle und befand sich im Handumdrehen in einem Audienzzimmer, das man versucht hatte, mit königlichem Aplomp zu dekorieren.
Ein Jüngling, ausgezeichnet durch den edlen Ausdruck seiner wohlgebildeten und regelmäßigen Züge und durch die Würde seiner Haltung, trat aus einem Kreise von Militär und Häuptlingen. In seinem edlen, einnehmenden Wesen hätte Waverley, selbst wenn ihn der Stern auf der Brust und der goldne Hosenbandorden nicht darüber belehrt hätten, die hohe Geburt und den königlichen Rang erkennen müssen.
»Eure königliche Hoheit erlauben wohl ...« sprach Fergus, indem er sich tief verbeugte.
»Daß Ihr mir den Abkömmling eines der getreuesten Geschlechter Englands vorstellt?« fiel ihm der junge Chevalier ins Wort. »Verzeiht mir, bitte, diese Unterbrechung, mein lieber Mac-Ivor, aber um einen Waverley einem Stuart vorzustellen, dazu bedarf es keines Zemonienmeisters.«
Mit diesen Worten reichte er Edward die Hand, und Edward hatte, auch wenn es in seinem Willen gelegen hätte, ihm die seinem Range von Geburt her gebührende Ehrerbietung nicht weigern können. »Ich bedaure, hören zu müssen, Mr. Waverley, daß gewisse, zurzeit noch nicht aufgeklärte Umstände Euch auf Eurer Reise hierher einen Zwang auferlegt haben, wir befinden uns aber leider in einer Situation, die uns noch kein sicheres Urteil zwischen Freund und Feind gestattet. Ich bin ja auch in diesem Augenblick noch ungewiß darüber, ob ich mich werde freuen dürfen, Mr. Waverley zu den Meinigen zu rechnen oder nicht.«
Er schwieg, aber ehe Edward noch eine passende Antwort finden konnte, ja ehe er noch im stande war, sich zu sammeln, nahm der Prinz ein Papier aus der Tasche und fuhr fort:
»Dürfte ich freilich nach diesem Erlaß aus dem gegnerischen Lager urteilen, in welchem den Anhängern des Kurfürsten von Hannover bekannt gegeben wird, daß zu den Personen aus dem Adel, die mit der Strafe des Hochverrats bedroht werden, auch Mr. Waverley gehört, dann sollte der Zweifel für mich wohl ausgeschlossen sein. Ich wünsche mir jedoch nur solche Parteigänger, die meiner Sache dienen aus Liebe und aus Ueberzeugung, und falls Mr. Waverley es vorziehen sollte, die Reise nach den südlichen Landesteilen fortzusetzen, oder sich zu den Truppen des Kurfürsten von Hannover zu begeben, so werde ich ihm den Paß und die Erlaubnis dazu nicht weigern. Ich hätte dann allein zu bedauern, daß meine Macht nicht so weit reicht, Euch vor den mutmaßlichen Folgen solches Schrittes zu bewahren. Sollte hingegen,« fuhr Karl Edward fort, »Mr. Waverley sich, gleich seinem Ahnherrn Sir Nigel entschließen, sich für eine Sache zu erklären, über deren Loyalität Zweifel nur bei ihren Feinden vorhanden sein dürften, und sich einem Fürsten anzuschließen, der sich der Liebe seines Volks in die Arme wirft, um sich in den Wiederbesitz des Thrones seiner Väter zu setzen oder bei diesem Wagnis unterzugehen, so kann ich ihm freilich vorderhand nichts weiter verheißen, als daß er Genossen für das kühne Unternehmen in diesen würdigen Herren hier finden und einem Führer folgen wird, der zwar unglücklich sein kann, aber niemals undankbar sein wird.«
Der kluge Häuptling Mac-Ivor verstand seinen Vorteil recht zu wahren, indem er diese Zusammenkunft Waverleys mit dem königlichen Abenteurer veranlaßte. Die huldvolle Sprache des mit den zeremoniellen und höfischen Sitten ungemein vertrauten Prinzen mußte sich tief in das Herz unsers Helden einprägen und seine Bedächtigkeit leicht überwinden. Sein Empfang hier und die Wichtigkeit, die man ihm beimaß, im Gegensatz zu dem Schimpf, den man ihm von der andern Seite angetan, mußte Anlaß für ihn werden, daß er sich zu ihrer Sache hingezogen fühlte, die ihm durch Vorurteile der Erziehung, durch die in seiner Familie herrschenden Anschauungen und Grundsätze ohnehin von vornherein als die gerechtere erscheinen mußte. All diese Gedanken wogten durch seine Seele und verjagten alle Rücksichten entgegengesetzter Art. Zudem gestatteten ihm die Umstände keine Zeit zur Ueberlegung ... und Waverley beugte sein Knie vor Karl Edward dem Stuart, und weihte Herz und Schwert der Sache desselben zu Schutz und Wehr!...
Der Prinz – wir geben ihm hinfort, wenngleich er zufolge der Sünden und Irrtümer seiner Väter und, dem alten Bibelwort gemäß, daß sich die Sünde der Väter an den Kindern rächt bis ins dritte und vierte Glied, in seinem Beginnen vom Unglück verfolgt wurde, den Titel, der ihm zufolge der Rechte seiner Geburt zusteht – der Prinz hob Waverley vom Boden auf und umarmte ihn mit einer Wärme, die unmöglich als künstlich aufgefaßt werden konnte. Dann dankte er Fergus Mac-Ivor, daß er ihm solchen Parteigänger zugeführt hätte, und stellte Waverley den anwesenden Edelleuten, Häuptlingen und Offizieren vor als einen Edelmann, in dessen kühner, schwärmerischer Ergebenheit er einen erfreulichen Beweis für die Gesinnungen der hohen Adelsgeschlechter Englands in solch schwerer und an Umtrieben so reicher Zeit erblicken zu dürfen meine. Und in der Tat war der Uebertritt eines Waverley zu der Sache der Stuarts auch ein Fall, der leicht zu einer Wendung führen konnte, denn Mißtrauen gegen das Verhalten der jakobitischen Partei Englands hielt noch immer viele Jakobiten im schottischen Adel davon ab, sich offen für die Sache Karl Edwards zu bekennen. So konnte dem »Chevalier" nichts erwünschter kommen, als solche offne Beitrittserklärung eines Waverley. Und das war es, was Fergus vorausgesehen hatte. Ihm war als Mensch wie als Politiker an Waverley unendlich viel gelegen: er hoffte nicht allein, ihn noch mit Flora vereint zu sehen, sondern fühlte recht gut, wie sehr er selbst hierdurch in seiner persönlichen Bedeutung gewinnen mußte. Karl Edward seinerseits schien viel daran zu liegen, daß sich seine Anhänger darüber klar wurden, welchen hohen Wert er auf den neuen Anhänger legte. Darum hielt er es für angezeigt, ihn von den Einzelumständen seiner Lage zu unterrichten.
»Ihr seid von allen Nachrichten abgeschnitten gewesen, Mr. Waverley, aus Ursachen, die mir selbst noch nicht recht klar ersichtlich sind; ich vermute jedoch, daß Euch daran liegen wird, über die wichtigeren Umstände meiner Lage Kenntnis zu erhalten. Ihr dürftet von meiner im fernen Distrikt Moidart erfolgten Landung gehört haben, und daß mich dort, wo ich nur mit sieben Begleitern ankam, eine große Anzahl von Häuptlingen und Clans an die Spitze eines mutigen Heeres stellte, das voll loyaler Begeisterung den Kampf gegen das wohlgerüstete Heer aufgenommen hat, das der Kurfürst von Hannover, in der Absicht, uns eine Schlacht anzubieten, gegen uns aufgeboten und in die Hochlande hat ausrücken lassen, daß sein Feldherr aber einer Schlacht mit uns ausgewichen und nach Aberdeen marschiert ist, uns dadurch im unbestrittenen Besitze der von uns besetzt gehaltenen Distrikte lassend. Da das Unterland infolgedessen für unsere Armee offen lag, habe ich den Entschluß gefaßt, in Edinburg einzurücken, und während noch Magistrat und Bürgerschaft in Zwietracht darüber waren, ob sie sich zur Wehr setzen oder sich ergeben sollten, erhob sie mein wackrer Freund Lochiel aller weiteren Unannehmlichkeiten dadurch, daß er mit fünfhundert Kameroniern in die Tore eindrang. Indessen ist inzwischen die Nachricht eingelaufen, daß der englische Feldherr gestern in Dunbar gelandet sei, offenbar zu dem Zwecke, sich in den Rückbesitz der Landeshauptstadt zu setzen. In meinem Kriegsrat sind nun zwei Meinungen vertreten: die eine Partei vertritt den Standpunkt, daß es für uns, da wir Mangel an Artillerie haben und auch unsre Reiterei nicht sonderlich stark sei, geraten sein möchte, wieder in das Gebirge hinauf zu rücken und uns dort so lange zu verhalten, bis Unterstützung aus Frankreich eingetroffen sei. Die andre Partei will in einer Aufgabe der Hauptstadt ohne Schwertstreich eine Schädigung alles weiteren Ansehens unserer Armee erblicken und befürchtet, daß nicht bloß solche, die vielleicht bereit sein würden, sich uns anzuschließen, hierdurch abgeschreckt, sondern mancher von denen, die sich bereits für unsre Sache erklärten, zum Rücktritt bestimmt werden möchte. Die Offiziere, die diesen Standpunkt vertreten, und zu denen auch Euer Freund Fergus Mac-Ivor gehört, lassen wohl gelten, daß die Hochländer nicht vertraut sind mit europäischer Disziplin, machen aber anderseits geltend, daß die Soldaten, die gegen sie im Felde stehen werden, mit der furchtbaren Angriffsweise von Hochländern noch weniger bekannt seien, daß in die Treue und in den Mut der Häuptlinge kein Zweifel gesetzt werden dürfe, und daß keiner aus ihren Clans zurückbleiben werde, wenn sie sich in den Kampf stürzen ... Würde Mr. Waverley geneigt sein, sich in dieser heiklen Angelegenheit zu äußern?«
Waverley errötete tief ob der in solcher Frage liegenden Auszeichnung und erwiderte entschlossen und schnell, daß er es nicht auf sich nehmen werde, in solcher Sache eine Meinung zu äußern, da er sich nicht im Besitz der hierzu notwendigen Kriegserfahrung zu sein dünke; es werde ihm aber derjenige Rat der genehmere sein, der ihm Gelegenheit gebe, sich mit Eifer für den Dienst königlicher Hoheit zu betätigen.
»Gesprochen wie ein Waverley!« rief Karl Edwards »und nun erlaubt mir, Euch mit derjenigen Würde zu bekleiden, die ich in meinem Heere Euch vorbehalten habe, ich grüße Euch, Herr Major Waverley!«
»Königliche Hoheit wollen verzeihen, wenn ich so lange, bis mir Zeit und Ort erlauben, ein Korps, stark genug, daß es sich im Dienst auch nützlich erweisen kann, zu werben, auf jeden Rang verzichte und mich mit dem Posten eines Freiwilligen in dem Kommando meines Freundes Fergus bescheide.«
Augenscheinlich erfreut über diese Aeußerung Waverleys, erwiderte der Prinz: »Aber dagegen werdet Ihr nichts einzuwenden haben, daß Ihr als Hochländer eingekleidet werdet?«
Mit diesen Worten knüpfte er sich das Schwert los, das ihm an der Hüfte hing und dessen Gehenk mit Silber platiert war, und hing es Waverley um. Dann reichte er ihm ein paar Pistolen und beurlaubte Mac-Ivor für den Abend, der daraufhin mit Waverley aus dem Audienzsaale schritt.