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Achtes Kapitel.
Der Gesandte.

Sei du ein Wetterstrahl in Frankreichs Augen;
Doch eh' du kannst berichten, will ich dort sein,
Soll man Kanonendonner von mir hören –
Drum fort! Sei die Trompete meines Zorns!

König Johann.

Wäre Trägheit auch eine Versuchung gewesen, von der Durward leicht hätte bezwungen werden können, so hätte doch der Lärm, wovon die Kaserne der Leibwachen nach dem ersten Geläute der Primen widerhallte, gewiß diese Sirene von seinem Lager verscheucht; aber die Disciplin in seines Vaters Burg und im Kloster von Aberbrothick hatte ihn gelehrt, mit der Morgenröthe wach zu sein; fröhlich kleidete er sich an unter dem Klang der Hörner und dem Waffengeräusch, welches die Ablösung der wachhabenden Garden verkündigte, deren einige nach dem nächtlichen Dienst zu ihren Baracken zurückkehrten, während andere dazu für den Morgen auszogen, und noch andere, unter denen auch sein Oheim war, sich waffneten, um unmittelbar bei der Person Ludwig's den Dienst zu versehn. Quentin Durward legte alsbald, mit den Gefühlen eines jungen Mannes bei solcher Gelegenheit, die glänzenden Kleider und Waffen an, die für seine Lage paßten; und sein Oheim, der mit großer Genauigkeit und Theilnahme darauf sah, daß er in jeder Hinsicht wohl ausgerüstet wäre, konnte seine Zufriedenheit nicht verbergen, als er fand, daß seines Neffen Aeußeres so stattlich aussah. »Wenn du dich so treu und tapfer zeigst, als du gut aussiehst, so werde ich an dir einen der hübschesten Knappen in der Garde haben, der seiner Mutter Familie nur zur Ehre gereichen kann. Folge mir jetzt nach dem Vorzimmer und halte dich dicht an meiner Seite.«

So sagend ergriff er eine Partisane, groß, gewichtig und schön ausgelegt und verziert, und ließ seinen Neffen eine leichtere Waffe derselben Art nehmen; darauf begaben sie sich in den innern Hof des Palastes, wo ihre Kameraden, die den Dienst in den innern Gemächern zu versehen hatten, bereits aufgezogen und unter den Waffen waren, so daß die Knappen hinter ihren Herren standen und eine zweite Reihe bildeten. Hier befanden sich im Gefolge auch viele Jägerbursche mit stattlichen Pferden und Hunden, welche Quentin mit so großem Vergnügen betrachtete, daß sein Oheim ihn mehrmals erinnern mußte, die Thiere wären nicht zu seinem, sondern zu des Königs Vergnügen da, welcher eine große Leidenschaft für die Jagd hatte; eine von den wenigen Neigungen, denen er nachhing, selbst wenn sie seiner Politik im Wege waren; und daher war er ein so strenger Beschützer des Wildes in den königlichen Forsten, daß man zu sagen pflegte: du kannst einen Menschen weit ungestrafter tödten, als einen Hirsch.

Auf ein gegebenes Zeichen setzten sich die Garden unter dem Befehle des Balafré, der bei dieser Gelegenheit die Stelle des Offiziers versah, in Bewegung, und nach einigen geringfügigsten Worten und Zeichen, die nur dazu dienten, die außerordentliche pünktliche Genauigkeit zu zeigen, mit welcher sie ihren Dienst versahen, zogen sie in das Audienzgemach, wo der König selber erwartet wurde.

Waren glänzende Scenen für Quentin auch neu, so entsprach das, was er nun sah, doch nicht einmal den Erwartungen, die er sich von dem Glanze eines Hofes gebildet hatte. Es befanden sich zwar allerdings reich gekleidete Hausbeamte hier; deßgleichen stattlich bewaffnete Wachen und Bediente aller Art; aber er sah keine der alten Räthe des Königreichs, keinen der hohen Kronbeamten, hörte keinen von den Namen, die in jenen Tagen zum Ruhme des Ritterthums genannt wurden; sah keinen von den Feldherrn und Anführern, die, im Besitze der vollen Manneskraft, die Stärke Frankreichs ausmachten, oder von dem jüngern und feurigeren Adel, der früh schon nach der Ehre strebte, und Frankreichs Stolz war. Das eifersüchtige Wesen, die gemessenen Manieren, die tiefe und künstliche Politik des Königs, hatten dem Throne diesen glänzenden Kreis entfremdet, und sie wurden blos herbeigerufen, wenn es gewisse feierliche Gelegenheiten erforderten, wo sie widerstrebend erschienen und froh wieder gingen, gleich den Thieren in der Fabel, die auf solche Weise sich der Höhle des Löwen näherten und sie wieder verließen.

Die wenigen Personen, die dort in der Eigenschaft von Räthen erschienen, waren gemein aussehende Männer, deren Miene zwar zuweilen Scharfsinn ausdrückte, deren Sitten jedoch bewiesen, daß sie in eine Sphäre gerufen worden waren, wofür sie ihre Erziehung und Gewohnheiten gar nicht geschickt machten. Indeß schienen Durward eine oder zwei Personen ein edleres Ansehen zu besitzen, und die Strenge des gegenwärtigen Dienstes war nicht so groß, daß sie den Oheim verhindert hätte, ihm die Namen derer mitzutheilen, die ihm so ausgezeichnet erschienen.

Mit dem Lord Crawford, der sich hier befand, gekleidet in die reiche Tracht seines Amtes, einen Commandostab von Silber in der Hand tragend, war Quentin sowohl, als der Leser, bereits bekannt. Unter Andern, die von Bedeutung schienen, war der bemerkenswertheste der Graf von Dunois, Sohn jenes berühmten Dunois, bekannt unter dem Namen des Bastard v. Orleans, der, unter der Fahne der Jeanne d'Arc fechtend, zur Befreiung Frankreichs aus englischem Joch so Ausgezeichnetes beitrug. Sein Sohn behauptete den hohen Ruhm sehr wohl, den er von einem solchen Vater geerbt hatte, und trotz seiner Verbindung mit der königlichen Familie und seiner erblichen Popularität bei dem Adel und beim Volke, hatte Dunois bei allen Gelegenheiten eine solche Offenheit und Freimüthigkeit des Charakters bekundet, daß er jedem Verdachte entgangen zu sein schien, selbst auf Seiten des eifersüchtigen Ludwig, der ihn gern in seiner Nähe sah und zuweilen sogar in seine Rathssitzungen berief. Obwohl er in allen Geschicklichkeiten des Ritterthums für vollendet galt, und alles das besaß, was damals zu einem vollkommenen Ritter gehörte, so war die Person des Grafen doch nichts weniger, als ein Muster romantischer Schönheit. Er war unter der gewöhnlichen Größe, obwohl sehr stark gebaut, und seine Beine waren auswärts gekrümmt, wodurch sie passender für einen Reiter wurden, als schön für einen Fußgänger. Seine Schultern waren breit, sein Haar schwarz, seine Gesichtsfarbe gebräunt, sein Arm außerordentlich lang und kräftig. Seine Gesichtszüge waren unregelmäßig, sogar häßlich; bei alledem lag jedoch etwas von bewußtem Werth und Edelsinn im ganzen Wesen des Grafen von Dunois, welches auf den ersten Anblick den Charakter eines hochgebornen Edelmanns und eines unerschrockenen Soldaten bezeichnete. Seine Haltung war kühn und aufrecht, sein Gang frei und männlich, und die Härte seines Gesichts ward durch einen Adlerblick und eine Löwenstirn geadelt. Seine Kleidung war ein Jagdgewand, mehr kostbar als gefällig, und er zeigte sich bei den meisten Gelegenheiten als Großjägermeister, wiewohl wir nicht zu glauben geneigt sind, daß er wirklich dieses Amt versah.

Am Arm seines Verwandten Dunois hangend, mit so langsamem, melancholischem Schritte einhergehend, daß er fast auf seinem Vetter und Führer zu ruhen schien, kam Ludwig, Herzog von Orleans, der erste Prinz aus königlichem Blute (nachmals König unter dem Namen Ludwig XII.), dem auch die Wachen und Diener die gebührende Huldigung erwiesen. Dieser mißtrauisch bewachte Gegenstand von Ludwig's Argwohn war, da der König keinen Nachkommen hatte, Erbe des Thrones und durfte sich nicht vom Hofe entfernen, und so lange er sich daselbst befand, blieb ihm auch eine eigne Hofhaltung versagt. Die Niedergeschlagenheit, welche sein entwürdigender Zustand, der dem eines Gefangenen glich, natürlich auch in dem ganzen Benehmen dieses unglücklichen Prinzen blicken ließ, wurde in diesem Augenblicke bedeutend durch das Bewußtsein gesteigert, daß der König in Bezug auf ihn eine der grausamsten und ungerechtesten Handlungen, die ein Tyrann nur begehen konnte, im Sinne habe, indem er ihn zwingen wollte, seine Hand der Prinzessin Johanna von Frankreich, der jüngern Tochter Ludwig's, zu geben, der er in der Kindheit verlobt worden war, und deren häßliche Persönlichkeit das Bestehen auf einer solchen Uebereinkunft zu einer Handlung von abscheulicher Härte machte.

Das Aeußere dieses unglücklichen Prinzen war in keiner Hinsicht vortheilhaft ausgezeichnet; sein Gemüth jedoch war sanft, mild und wohlwollend, Eigenschaften, die selbst durch den Flor der äußersten Niedergeschlagenheit sichtbar waren, die seinen natürlichen Charakter gegenwärtig verdunkelte. Quentin bemerkte, daß er es sogar sorgfältig vermied, nur einen Blick auf die königlichen Garden zu werfen, und daß er, wenn er ihren Gruß erwiderte, den Blick fest an den Boden heftete, als ob er fürchtete, des Königs Eifersucht möchte selbst die Miene gewöhnlicher Höflichkeit so deuten, als entspringe sie aus der Absicht, irgend eine besondere und persönliche Theilnahme für sich unter ihnen zu erregen.

Sehr anders war das Benehmen des stolzen Cardinals und Prälaten, Johann von Balue, zur Zeit Lieblingsminister Ludwig's, dessen Erhebung und Charakter so große Aehnlichkeit mit denen Wolsey's hatte, als die Verschiedenheit zwischen dem listigen politischen Ludwig und dem hitzigen und vorschnellen Heinrich VIII. von England überhaupt erlaubte. Der erstere hatte seinen Minister aus dem niedrigsten Stande zu der Würde, oder wenigstens zu den Emolumenten eines Groß-Almoseniers von Frankreich erhoben, überhäufte ihn mit Würden und hatte ihm sogar den Cardinalshut verschafft, und war er auch zu vorsichtig, um dem ehrgeizigen Balue die unbeschränkte Macht und das Zutrauen zu schenken, welches Heinrich XIII. dem Wolsey lieh, so hatte dieser Mann doch mehr Einfluß auf ihn, als irgend einer seiner anerkannten Räthe. Der Cardinal war daher auch in den Irrthum verfallen, der denjenigen eigen ist, die plötzlich aus einer niedern Sphäre zu Macht und Ansehen gelangen; er nährte nämlich, jedenfalls durch seine schnelle Erhebung verblendet, die feste Ueberzeugung, daß ihn seine Fähigkeiten in den Stand setzten, sich in Geschäfte jeder Art zu mengen, selbst in solche, die seinem Beruf und seinen Studien völlig fremd waren. Groß und nicht einnehmend von Person, strebte er nach einer gewissen Galanterie und Bewunderung des schönen Geschlechtes, obwohl seine Sitten diese Ansprüche albern machten, die sein Stand überhaupt als unziemlich für ihn darstellte. Einige männliche und weibliche Schmeichler hatten ihm in bösen Stunden die Einbildung beigebracht, daß ein Paar große und starke Beine, die er von seinem Vater, einem Fuhrmann zu Limoges, oder nach andern Nachrichten, einem Müller zu Verdun, ererbt hatte, vorzüglich schön in ihren Umrissen wären. Diese Idee hatte ihn dergestalt bethört, daß er stets sein langes Cardinalgewand an einer Seite ein wenig aufhob, damit die stämmige Proportion seiner Glieder der Beobachtung nicht entgehen möchte. Wie er nun im carmoisinrothen Gewande und der reichen Capuze durch das prächtige Zimmer dahinschritt, blieb er mehrmals stehen, um die Waffen und den Schmuck der dienstthuenden Ritter zu betrachten, fragte sie das und jenes in gebieterischem Tone, und nahm sich heraus, sie darüber zu tadeln, was er Unregelmäßigkeiten in der Disciplin nannte, und zwar in einer Sprache, worauf diese erfahrnen Krieger nichts zu erwidern wagten, obwohl es deutlich war, daß sie ihm nur mit Unmuth und Verachtung zuhörten.

»Ist dem König berichtet,« sagte Dunois zum Cardinal, »daß der burgundische Gesandte beharrlich eine Audienz verlangt?«

»Es ist,« antwortete der Cardinal; »und hier, denk' ich, kommt der allgenügende Oliver Dain Oliver's Name oder Spitzname war Le Diable, den ihm der öffentliche Haß beilegte, statt Le Daim oder Dain. Er war eigentlich des Königs Barbier, ward aber später sein begünstigter Rath., der uns den königlichen Willen wissen lassen wird.«

Bei diesen Worten trat eine merkwürdige Person, die damals Ludwig's Gunst mit dem Cardinal theilte, aus dem innern Zimmer, ohne jedoch jenes wichtige, anmaßende Benehmen zu zeigen, welches die aufgeblasene Würde des Geistlichen markirte. Er war im Gegentheil ein kleiner, blasser, magerer Mann, dessen schwarzseidnes Wamms und Beinkleid ohne irgend ein anderes Oberkleid eine Tracht war, die sich schlecht eignete, eine ganz gemeine Persönlichkeit vortheilhaft zu kleiden. Er trug ein silbernes Becken in der Hand und ein Handtuch hing ihm über den Arm, welches seine niedere Beschäftigung genügend bezeichnete. Sein Gesicht hatte etwas Durchdringendes und Bewegliches, obwohl er versuchte, einen solchen Ausdruck daraus zu verbannen, indem er die Blicke zu Boden heftete, während er mit leisen, verstohlenen Schritten, gleich einer Katze, mehr hinzugleiten, als durch das Zimmer zu wandeln schien. Aber obwohl Bescheidenheit leicht innern Werth verdunkeln kann, so vermag sie doch nicht, Hofgunst zu verbergen; und alle Versuche, sich unbemerkt durch das Zimmer zu stehlen, waren vergebens bei einem Manne, der, wie man wußte, das Ohr des Fürsten dergestalt besaß, wie dieser berühmte Barbier und Kammerdiener, Oliver Le Dain, zuweilen auch Oliver Le Mauvais genannt, oder Oliver Le Diable, lauter Beiworte, gegründet auf die gewissenlose Schlauheit, womit er die Plane bei seines Herrn verwickelter Politik zu unterstützen pflegte. Jetzt sprach er einige Augenblicke ernstlich mit dem Grafen Dunois, der augenblicklich das Zimmer verließ, während der Bartscheerer ruhig zurück nach dem königlichen Gemach glitt, woher er gekommen war, wobei Jedermann ihm Platz machte; diese Höflichkeit erwiderte er nur durch eine bescheidene Neigung des Körpers, außer in sehr wenigen Fällen, wo er ein paar Personen dadurch zum Gegenstande des Neides der übrigen Höflinge machte, daß er ihnen ein einziges Wort in's Ohr flüsterte; und zu gleicher Zeit etwas von den Pflichten seines Amtes murmelnd, entschlüpfte er ihren Antworten, sowie den dringenden Bitten Anderer, die seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken suchten. Ludwig Lesly war so glücklich, einer von denen zu sein, welche bei dieser Gelegenheit durch ein einziges Wort von Oliver begünstigt wurden, wodurch dieser versicherte, daß seine Angelegenheit geendet sei.

Gleich nachher ward ihm noch eine andere gute Zeitung; denn Quentin's alter Bekannter, Tristan l'Hermite, Generalprofoß und Hausmarschall des Königs, betrat das Zimmer und schritt gerade auf die Stelle zu, wo Balafré stand. Die Kleidung dieses furchtbaren Beamten, die sehr reich war, hatte bloß die Wirkung, das düstre, unheilverkündende Gesicht und die unangenehmen Züge desselben noch mehr hervorzuheben; auch war der Klang seiner Stimme, den er für sehr einnehmend hielt, beinahe eben so, wie das Brummen eines Bärs. Der Inhalt seiner Worte war indeß diesmal freundlicher, als die Stimme, womit sie ausgesprochen wurden. Er bedauerte das Mißverständniß, welches Tags zuvor zwischen ihnen stattgefunden hatte, und bemerkte, daß es eigentlich nur daher entstanden sei, daß Herrn Balafré's Neffe die Uniform seines Corps nicht getragen, und sich auch nicht als zu demselben gehörig angekündigt habe: dies allein hätte den Irrthum verursacht, für den er jetzt um Verzeihung bitte.

Ludwig Lesly gab die nöthige Erwiderung, und sobald Tristan hinweggegangen war, sagte er zu seinem Neffen, daß sie nun die Auszeichnung hätten, in der Person dieses gefürchteten Beamten einen tödtlichen Feind zu besitzen. »Aber wir sind über seinem Bereich – ein Soldat,« sagte er, »der seine Pflicht thut, kann den Generalprofoß auslachen.«

Quentin mußte schon der Meinung seines Oheims beistimmen, denn als Tristan von ihnen schied, that er es mit einem solchen Blick düstern Mißtrauens, wie ihn der Bär auf den Jäger wirft, dessen Speer ihn verwundet hat. In der That ließ auch, selbst wenn er minder heftig erregt war, sein düsteres Auge jenes bösartige Uebelwollen lesen, welches machte, daß man seinem Blicke nur mit Schauder begegnete, und dieser war bei dem jungen Schotten um so tiefer und heftiger, als er selbst noch auf seiner Schulter den Griff jener todtbringenden Gehülfen dieses schrecklichen Beamten zu fühlen glaubte.

Indeß begab sich Oliver, nachdem er auf diese leise schleichende Art, die wir zu schildern suchten, sich im Zimmer umher bewegt hatte, – wo alle, selbst die höchsten Beamten, ihm auswichen und ihn mit ceremonieller Artigkeit überhäuften, die seine Bescheidenheit immer eifrig vermeiden zu wollen schien, – wieder in das innere Gemach, dessen Thüren sich jetzt aufthaten, und König Ludwig betrat das Empfangzimmer.

Quentin richtete, wie alle andern, den Blick auf ihn; aber wie erstarrte er plötzlich, so daß ihm fast die Waffe entsank, als er in dem Könige von Frankreich jenen Kaufmann, den Meister Peter, erkannte, der der Gefährte seiner Morgenwanderung gewesen war. Besonderer Argwohn in Bezug auf den wirklichen Rang dieses Mannes war verschiedene Mal in seinem Innern erwacht; aber diese Wirklichkeit überstieg seine wunderlichsten Vermuthungen.

Der ernste Blick seines Oheims, der einen Verstoß gegen das, was sich beim Dienste ziemte, rügte, rief ihn zu sich selbst zurück; doch nicht wenig erstaunte er, als der König, dessen schneller Blick ihn sogleich entdeckte, gerade nach der Stellung hintrat, wo er stand, ohne selbst von Jemand Notiz zu nehmen. »Junger Mann,« sagte er, »ich hörte, Ihr hättet gleich bei Eurer Ankunft in Touraine Händel begonnen; aber ich verzeihe Euch, da es hauptsächlich die Schuld eines thörichten alten Kaufmanns war, welcher meinte, Euer caledonisches Blut müsse des Morgens erst durch vin de Beaune erwärmt werden. Wenn ich ihn finden kann, will ich an ihm ein Beispiel für diejenigen geben, die meine Garden zur Ausschweifung verleiten. – Balafré,« fügte er hinzu, indem er Lesly anredete, »Euer Vetter ist ein hübscher junger Mann, obwohl ein Hitzkopf. Wir haben solche Leute gern und wollen die braven Männer, die uns umgeben, mehr denn sonst berücksichtigen. Laßt das Jahr, den Tag, Stunde und Minute von Eures Neffen Geburt aufschreiben und Oliver Dain übergeben.«

Balafré verbeugte sich bis auf den Boden und nahm dann seine aufrechte militärische Stellung wieder ein, als Einer, der durch sein Benehmen zeigen will, wie er bereit sei, in des Königs Unternehmungen und zu dessen Vertheidigung zu handeln. Quentin, der sich unterdessen von seinem ersten Erstaunen erholt hatte, betrachtete nun des Königs Aeußeres aufmerksamer, und war erstaunt, zu finden, wie verschieden er jetzt sein Benehmen und seine Züge gestaltete, als es bei ihrer ersten Zusammenkunft geschehen war.

Im Aeußern war wenig Veränderung zu bemerken, denn Ludwig, der stets sein äußeres Aussehen verachtete, trug bei dieser Gelegenheit ein altes dunkelblaues Jagdkleid, nicht viel besser, als die schlichte Bürgertracht vom vorigen Tage, und einen großen Rosenkranz von Elfenbein, den ihm Niemand Geringeres als der Großherr gesandt hatte, und zwar mit der Versicherung, daß ihn ein koptischer Eremit auf dem Libanon, ein Mann von großer Heiligkeit, getragen habe, und statt der Mütze mit einem einzigen Bilde trug er einen Hut, dessen Band mit wenigstens einem Dutzend kleiner, schlichter, aus Blei geformter Heiligenbilder geschmückt war. Aber diese Augen, die Quentin's früherer Empfindung zu Folge, nur Liebe zum Gewinn zeigten, hatten nun, da er wußte, sie gehörten einem geschickten und mächtigen Monarchen, einen durchdringenden und majestätischen Blick; und diese Runzeln der Stirn, die er als Folge einer langen Reihe kleinlicher Handelspläne angesehen hatte, schienen nun die Furchen, welche der Scharfsinn, beschäftigt mit dem Schicksale von Völkern, gezogen hatte.

Gleich nach des Königs Auftreten erschienen die Prinzessinnen von Frankreich, mit den Damen ihres Gefolges, im Zimmer. Mit der ältern, später an Peter von Bourbon verheiratheten und in Frankreichs Geschichte unter dem Namen der Dame von Beaujeu bekannten, hat unsre Erzählung wenig zu thun. Sie war groß und ziemlich hübsch, besaß Beredsamkeit, Talent und viel von ihres Vaters Scharfsinn, welcher großes Vertrauen auf sie setzte und sie liebte, wie er überhaupt nur Jemand lieben konnte.

Die jüngere Schwester, die unglückliche Johanna, die bestimmte Braut des Herzogs von Orleans, trat schüchtern an der Seite ihrer Schwester einher, sich des völligen Mangels jener Eigenschaften bewußt, welche die Weiber eifrig zu besitzen wünschen, oder zu besitzen glauben. Sie war blaß, hager und von kränklicher Gesichtsfarbe; ihre Gestalt neigte sich sichtbar nach einer Seite, und ihr Gang war so ungleich, daß sie lahm heißen konnte. Schöne Zähne und Augen mit melancholischem Ausdruck, Sanftmuth und Entsagung, mit einer Fülle lichtbrauner Locken, waren die einzigen versöhnenden Punkte, welche auch selbst die Schmeichelei aufzuzählen wagen konnte, um der allgemeinen Unscheinbarkeit ihres Gesichts und ihrer Gestalt das Gegengewicht zu halten. Um das Gemälde zu vollenden, so ließ sich an der Nachlässigkeit in der Prinzessin Kleidung, und an ihrem schüchternen Benehmen, leicht bemerken, daß sie ein ungewöhnliches und niederschlagendes Bewußtsein ihres eigenen unscheinbaren Aeußern besaß, und nicht einmal wagte, einen jener Versuche zu machen, um durch Benehmen oder durch Kunst das zu ersetzen, was ihr die Natur versagt hatte, oder auf andere Weise sich beliebt zu machen. Der König (der sie nicht liebte,) ging hastig auf sie zu, als sie eintrat. – »Nun?« sagte er, »unsre weltverachtende Tochter – seid Ihr zu einer Jagdparthie, oder für's Kloster gekleidet, heute Morgen? Sprich – antworte!«

»Für Alles, was Eurer Hoheit beliebt, Sire,« sagte die Prinzessin, und zwar so, daß ihre Worte fast nicht lauter als ihr Athem waren.

»Ja, wahrscheinlich möchtest du mich überreden, es sei dein Verlangen, den Hof zu verlassen, Johanna, und der Welt mit ihrer Eitelkeit zu entsagen. – Ha! Mädchen meinst du wohl, daß wir, der erstgeborene Sohn der Kirche, unsere Tochter dem Himmel verweigern würden? – Unsere Frau und St. Martin verhüte, daß wir ein solches Opfer ausschlagen sollten, wenn es des Altars würdig wäre, oder käme der Ruf in Wahrheit von oben!«

So sagend bekreuzte sich der König andächtig, während er, wie es Quentin vorkam, einem höchst schlauen Vasallen glich, der den Werth irgend einer Sache herabgesetzt, die er selber gern behalten möchte, in der Absicht, entschuldigt dazustehn, wenn er sie seinem Oberhaupte nicht opfert. »Wagt er so gegen den Himmel den Heuchler zu spielen,« dachte Durward, »und mit Gott und den Heiligen zu scherzen, wie mag er es nicht mit den Menschen thun, die seine Natur nicht so genau durchschauen können?«

Ludwig begann, nach dieser momentanen frommen Anwandlung, von Neuem: »Nein, liebe Tochter, ich und ein Anderer kennen deine wirkliche Gesinnung besser – ha! lieber Neffe von Orleans, ist's nicht so? Heran, lieber Herr, und geleitet diese fromme Vestalin zu ihrem Rosse.«

Orleans erschrak bei diesen Worten des Königs und eilte ihm zu gehorchen; aber dies geschah mit solcher Hast und Verwirrung, daß Ludwig ausrief: »Ei, Vetter, zügelt Eure Galanterie, und seht Euch vor! – Welch' hitziges Ding ist doch eines Ritters Eile bei manchen Gelegenheiten! – Beinahe hättet Ihr Anna's Hand statt der ihrer Schwester genommen. – Sir, muß ich Euch Johannens Hand selbst geben?«

Der unglückliche Prinz blickte auf und schaute wie ein Kind, wenn es gezwungen wird, etwas zu berühren, wogegen es einen natürlichen Abscheu hat – dann that er sich Gewalt an, und nahm die Hand, welche die Prinzessin weder gab noch zurückhielt. Als sie da standen, ihre kalten feuchten Finger von seiner bebenden Hand umschlossen, mit dem Blick am Boden haftend, wäre es schwierig zu sagen gewesen, wer von den beiden jungen Wesen elender sei – der Herzog, der sich an den Gegenstand seiner Abneigung durch Bande gekettet fühlte, die er nicht zerreißen durfte, oder die unglückliche Jungfrau, die allzudeutlich sah, daß sie ein Gegenstand des Abscheues für ihn war, dessen Zuneigung zu gewinnen, sie gern gestorben sein würde.

»Und nun zu Pferde, ihr Herren und Damen. – Wir werden unsere Tochter von Beaujeu selbst führen,« sagte der König; »und Gott und St. Hubert segne uns diese Morgenjagd!

»Ich bin, wie ich fürchte, bestimmt, sie zu unterbrechen, Sir,« sagte der Graf von Dunois – »der burgundische Gesandte ist vor den Thoren des Schlosses und verlangt eine Audienz.«

» Verlangt Audienz, Dunois?« erwiederte der König – »habt Ihr ihm nicht geantwortet, wie ich Euch durch Oliver sagen ließ, wir hätten nicht Zeit, ihn heute zu sehen, – und morgen sei das St. Martinsfest, welches wir, gefällt es dem Himmel, nicht durch irdische Gedanken stören wollten, – und daß wir den folgenden Tag nach Amboise zu reisen gedächten – daß wir aber gewiß nach unserer Rückkehr ihm so zeitig Audienz geben wollten, als es die drängenden Geschäfte nur immer gestatten würden?«

»Alles dieß ward gesagt,« antwortete Dunois; »aber trotz dem, Sire –«

» Pasques-dieu! Mann, warum ist dir die Kehle wie zugeschnürt?« sagte der König. »Diese burgundischen Ausdrücke müssen schwer zu verdauen gewesen sein.«

»Hätte mich nicht meine Pflicht, Eure Befehle, und sein Charakter als Gesandter abgehalten,« sagte Dunois, »er sollte versucht haben, sie selbst zu verdauen; denn bei unserer Frau von Orleans, ich hatte mehr Lust, ihn seine eigenen Worte verschlucken zu lassen, als sie selber Eurer Majestät zu bringen.«

»Bei meinem Leben, Dunois,« sagte der König, »es ist seltsam, daß du, einer der ungeduldigsten Burschen von der Welt, so wenig Sympathie mit der nämlichen Schwachheit bei unserm groben und heftigen Vetter, Karl von Burgund, empfindest. Ei, Mann, mich kümmern seine polternden Gesandtschaften nicht mehr, als sich die Thürme dieses Schlosses um den Nordostwind kümmern, der von Flandern kommt, so gut als dieser prahlerische Gesandte.«

»Wißt denn, Sire,« antwortete Dunois, »daß der Graf von Crèvecoeur mit seinem Gefolge und Trompetern unten harrt, und sagt, da Eure Majestät ihm die Audienz verweigert, die ihm sein Herr aufgetragen zu verlangen, und zwar über dringende Angelegenheiten, so werde er dort bis Mitternacht warten, und Eure Majestät angehen, zu welcher Stunde sie auch immer sich aus dem Schlosse begeben möchten, sei es in Geschäften, zur Erholung oder zur Andachtsübung; und daß keine Rücksicht, außer die Anwendung offenbarer Gewalt, ihn zwingen werde, von diesem Entschlusse abzustehen.«

»Er ist ein Narr,« sagte der König mit vieler Ruhe. »Meint der hitzköpfige Hennegauer, es sei eine Strafe für einen Mann von Verstand, vierundzwanzig Stunden ruhig innerhalb der Mauern seines Schlosses zu bleiben, wenn er sich mit den Angelegenheiten eines Königreiches beschäftigen kann? Diese ungeduldigen Thoren glauben, alle Menschen müßten sich, wie sie selber, schlecht befinden, wenn sie nicht im Sattel und Steigbügel sind. Laßt die Hunde loskuppeln und gut beaufsichtigen, lieber Dunois. – Wir wollen heute Rath halten, statt zu jagen.«

»Mein Lehensherr,« antwortete Dunois, »Ihr werdet den Crèvecoeur so nicht loswerden; denn seines Herrn Auftrag ist, daß er, wo er diese verlangte Audienz nicht erhält, seinen Handschuh an die Pallisaden vor dem Schlosse heften soll, als ein Zeichen von Fehde auf Leben und Tod von Seiten seines Herrn; daß er Frankreich des Herzogs Lehensherrschaft aufkündigen und sogleich den Krieg erklären soll.«

»Ja,« sagte Ludwig, ohne die Stimme merklich zu verändern, aber die Stirn so runzelnd, daß seine stechenden dunkeln Augen unter den schattigen Brauen fast unsichtbar wurden – »ja, ist es so? Will unser alter Vasall den Herrn so spielen? unser lieber Vetter behandelt uns so unfreundlich? Nun denn, Dunois, so müssen wir die Oriflamme entfalten und rufen Denis Montjoie!«

»Ja und Amen, und zur glücklichsten Stunde!« sagte der kriegerische Dunois; und die Garden im Saale, die unmöglich demselben Antriebe widerstehen konnten, rührten sich gleichfalls jeder auf seinem Posten, so daß ein leiser aber deutlicher Klang klirrender Waffen gehört wurde. Der König warf sein Auge stolz umher und zeigte sich für einen Augenblick seinem heldenmüthigen Vater gleich.

Aber die Aufregung des Augenblicks wich alsbald dem Heere politischer Betrachtungen, welche, in diesem Falle, einen offenen Bruch mit Burgund vorzüglich gefahrvoll erscheinen ließen. Edward IV., ein tapferer und siegreicher König, der in eigner Person in dreißig Schlachten gefochten hatte und jetzt auf dem Throne von England saß, war der Bruder der Herzogin von Burgund und wartete, wie sich vermuthen ließ, nur auf einen Bruch zwischen seinem nahen Verwandten und Ludwig, um durch das immer offene Calais jene Waffen nach Frankreich zu tragen, die in den englischen Bürgerkriegen siegreich gewesen waren, und so die Erinnerung an den einheimischen Zwiespalt durch die populärste aller Unternehmungen bei den Engländern, durch einen Einfall in Frankreich, vergessen zu machen. Zu dieser Betrachtung kam noch die ungewisse Treue des Herzogs der Bretagne und andere wichtige Gegenstände der Ueberlegung. Als daher, nach einer tiefen Pause, Ludwig wieder sprach, so geschah es zwar in dem nämlichen Tone, aber in anderm Geiste. »Gott verhüte,« sagte er, »daß etwas Geringeres als die Nothwendigkeit uns, den allerchristlichsten König, veranlassen sollte, Christenblut zu vergießen, wenn noch irgend etwas ohne Entehrung solch' Unglück abzuwenden vermag. Das Wohl unserer Unterthanen ist uns theurer, als die Beleidigung, die unsrer eignen Würde das rohe Wort eines ungeschickten Gesandten zufügen könnte, der vielleicht die Gränzen seines Auftrags überschritten hat. – Laßt den Gesandten von Burgund vor.«

» Beati pacifici,« sagte der Cardinal Balue.

»Wahr; und Eure Eminenz wissen, daß, die sich selbst erniedrigen, erhöht werden sollen,« fügte der König hinzu.

Der Cardinal sprach ein Amen, dem Wenige beistimmten; denn selbst die bleiche Wange Orleans' erglühte vor Schaam, und Balafré unterdrückte seine Gefühle so wenig, daß er das untere Ende seiner Partisane schwer auf den Boden fallen ließ, eine Bewegung der Ungeduld, wofür er einen bittern Tadel vom Cardinal empfing, nebst einer Vorlesung über die Art mit Waffen umzugehn in Gegenwart des Fürsten. Der König selber schien ungewöhnlich betroffen von dem Schweigen ringsum. »Ihr seid nachdenkend, Dunois,« sagte er – »Ihr mißbilligt, daß wir diesem hitzköpfigen Gesandten nachgeben.«

»Keineswegs,« sagte Dunois; »ich mische mich nicht in Sachen, die über meiner Sphäre sind. Ich dachte nur daran, von Eurer Majestät eine Gnade zu erbitten.«

»Eine Gnade, Dunois – was betrifft es? Ihr seid ein seltener Bittsteller und dürft auf meine Gunst rechnen.«

»Dann wünscht' ich, Eure Majestät sendeten mich nach Evreux, um dort die Geistlichkeit zu kommandiren,« sagte Dunois mit militärischem Freimuth.

»Das wäre wahrhaftig über deiner Sphäre,« erwiderte der König lächelnd.

»Ich könnte so gut Priester befehligen,« sagte der Graf, »als Mylord Bischof von Evreux, oder Mylord Cardinal, wenn er den Titel lieber hört, die Soldaten von Ew. Majestät Leibwache exerciren kann.«

Der König lächelte wieder, und noch geheimnißvoller, indem er Dunois zuflüsterte: »die Zeit kann kommen, wo du und ich die Priester kommandiren werden. – Aber dieser ist für den Augenblick doch ein recht gutes Thier von Bischof. Ach, Dunois! Rom – Rom legt ihn und noch andre Bürden auf uns. – Aber Geduld, Vetter, mische nur die Karten, bis unsere Hand stärker ist.«

Der Schall der Trompeten im Hofraum verkündigte nun die Ankunft des burgundischen Edelmanns. Alle im Empfangzimmer beeilten sich die Plätze einzunehmen, die ihnen ihr Rang vorschrieb, der König und seine Töchter blieben in der Mitte der Versammlung.

Der Graf von Crèvecoeur, ein berühmter und unerschrockener Krieger, betrat das Zimmer, und, gegen den Gebrauch bei Gesandten befreundeter Mächte, erschien er völlig gewaffnet, das Haupt ausgenommen, in einer prächtigen Rüstung von der besten Mailänder Arbeit, aus Stahl mit Gold eingelegt und verziert, und zwar in dem phantastischen Geschmack des Arabesken. Um seinen Hals und über dem blanken Harnisch hing seines Herrn Orden vom goldnen Vließ, einer der gerühmtesten Rittergesellschaften in der ganzen Christenheit. Ein hübscher Page trug ihm den Helm nach, ein Herold ging vor ihm her, sein Beglaubigungsschreiben tragend, welches er knieend dem König darreichte; unterdessen blieb der Gesandte selbst in der Mitte des Zimmers stehn, als wolle er Allen Zeit lassen, seinen stolzen Blick, seine gebietende Gestalt und die unerschrockene Ruhe seines Gesichts und seines Benehmens zu bewundern. Der Rest seines Gefolges wartete im Vorzimmer oder im Hofe.

»Kommt näher, Herr Graf von Crèvecoeur,« sagte Ludwig, nachdem er einen Blick in das Schreiben geworfen hatte; »es bedarf unsers Vetters Beglaubigungsbrief nicht, weder um einen so wohlbekannten Krieger bei uns einzuführen, noch uns des wohlverdienten Ansehns zu versichern, in dem Ihr bei Eurem Herrn steht. Wir hoffen, Eure schöne Gemahlin, in deren Adern auch vom Blut unserer Ahnen fließt, befindet sich wohl. Hättet Ihr sie mit Euch gebracht, Herr Graf, so würden wir geglaubt haben, Ihr trügt Eure Rüstung bei dieser ungewohnten Gelegenheit, um die Ueberlegenheit ihrer Reize gegen die verliebte Ritterschaft Frankreichs zu behaupten. Wie ist es damit, wir können den Grund dieser vollständigen Waffenrüstung nicht errathen?«

»Sire,« erwiderte der Gesandte, »der Graf von Crèvecoeur muß sein Mißgeschick beklagen, und Eure Verzeihung erflehen, daß er bei dieser Gelegenheit die königliche Artigkeit, mit der ihn Ew. Majestät beehrt haben, nicht mit der geziemenden Unterwürfigkeit erwidern kann. Aber obwohl es nur die Stimme Philipp Crèvecoeur de Cordes ist, die da spricht, so müssen seine Worte doch die seines gnädigen Herrn und Fürsten, des Herzogs von Burgund sein.«

»Und was hat Crèvecoeur in den Worten Burgunds zu sagen?« sagte Ludwig, indem er all' seine Würde in Anwendung brachte. »Doch halt – bedenkt, daß hier Philipp Crèvecoeur de Cordes zu dem spricht, der seines Fürsten Fürst ist.«

Crèvecoeur verbeugte sich und sprach dann laut: »König von Frankreich, der mächtige Herzog von Burgund sendet Euch nochmals ein Schreiben, betreffend das Unrecht und die Bedrückungen, die Ew. Majestät Soldaten und Beamte auf seinen Gränzen begangen haben; und der erste Punkt der Untersuchung ist der, ob es Ew. Majestät Absicht ist, ihn für dieses Unrecht zu entschädigen?«

Nachdem der König flüchtig das Memorial überblickt hatte, welches ihm der Herold knieend reichte, sagte er: »Diese Dinge sind bereits längst vor unserm Rathe gewesen. Von den Verletzungen, worüber man sich beklagt, sind einige nur Wiedervergeltung derer, die meine Unterthanen erlitten haben, einige sind nicht durch Beweise bekräftigt, andere sind durch des Herzogs Garnisonen und Soldaten erwidert; sollten noch einige übrig sein, die zu keinen von den genannten zu rechnen wären, so sind wir, als ein christlicher Fürst, nicht abgeneigt, Genugthuung für Unrecht zu geben, das unser Nachbar wirklich erlitten, obwohl es nicht nur ohne unser Wissen, sondern gegen unsern ausdrücklichen Befehl begangen ward.«

»Ich will Ew. Majestät Antwort,« sagte der Gesandte, »meinem gnädigsten Herrn überbringen; laßt mich jedoch sagen, daß, da sie sich in nichts von den ausweichenden Antworten unterscheidet, die bereits auf seine gerechten Beschwerden erfolgten, ich nicht hoffen kann, es werde dadurch Friede und Freundschaft zwischen Frankreich und Burgund hergestellt werden.«

»Gottes Wille geschehe,« sagte der König. »Es ist nicht aus Furcht vor deines Herrn Waffen, sondern allein um des Friedens willen, daß ich eine so gemäßigte Antwort auf seine beleidigenden Vorwürfe gebe. Fahre nun in deiner Botschaft fort.«

»Meines Herrn nächste Forderung,« sagte der Gesandte, »ist die, daß Ew. Majestät aufhören geheime Verbindungen mit den Städten Gent, Lüttich und Mecheln zu unterhalten. Er verlangt, daß Ew. Majestät die geheimen Agenten zurückberufe, durch welche das Mißvergnügen seiner guten Bürger von Flandern erregt wird; und daß Ew. Majestät aus ihrem Gebiete entfernen, oder der gerechten Strafe ihres Lehnsherrn diejenigen flüchtigen Verräther überantworten, die, nachdem sie dem Schauplatz ihrer Umtriebe entflohen, nur allzubereitwillig in Paris, Orleans, Tours und andern französischen Städten Zuflucht gefunden haben.«

»Sage dem Herzog von Burgund,« erwiederte der König, »daß ich von solchen indirekten Umtrieben, deren er mich so beleidigend anklagt, nichts weiß; daß meine französischen Unterthanen wohl häufigen Verkehr mit den guten Bürgern Flanderns pflegen, und zwar wegen der gegenseitigen Vortheile eines freien Handels, den zu unterbrechen ebensosehr gegen des Herzogs, wie gegen mein Interesse sein würde; und daß allerdings einige Flamänder in meinem Reiche wohnen, und des Schutzes meiner Gesetze genießen; doch auch nur in der nämlichen Absicht; keiner aber, unsers Wissens, aus Verrätherei oder Meuterei gegen den Herzog. Fahrt in Eurer Botschaft fort – Ihr hörtet meine Antwort.«

»Wie früher, Sire, nur mit Schmerz,« erwiederte der Graf von Crèvecoeur; »da sie nicht so direkter und bestimmter Art ist, wie sie mein Herr, der Herzog, zur Vergütung für eine lange Reihe geheimer Machinationen, die deßhalb nicht minder gewiß sind, obwohl sie von Ew. Majestät desavouirt werden, erhalten will. Doch ich fahre in meiner Botschaft fort. Der Herzog von Burgund verlangt ferner, der König von Frankreich solle ohne Verzug auf sein Gebiet zurücksenden, und zwar unter genügender Sicherheitswache, die Personen der Isabelle, Gräfin von Croye, und ihrer Verwandten und Aufseherin, der Gräfin Hameline aus derselben Familie, in Betracht, daß besagte Gräfin Isabelle, die nach den Gesetzen des Landes und den Lehensverhältnissen ihrer Besitzungen, der Vormundschaft des Herzogs von Burgund unterworfen ist, aus seinem Gebiet und Obhut entflohen wäre, die er als sorgfältiger Beschützer gern über sie erstreckt hätte, und die nun hier in Geheim vom Könige von Frankreich aufgehalten und durch ihn im Ungehorsam gegen den Herzog, ihren natürlichen Herrn und Beschützer, bestärkt wird, und das gegen alle menschlichen und göttlichen Gesetze, die je im civilisirten Europa anerkannt wurden. – Ich erwarte Ew. Majestät Antwort zu hören.«

»Ihr thatet wohl, Graf von Crèvecoeur,« sagte der König spöttisch, »daß Ihr Eure Botschaft zu so früher Stunde begonnen habt; und wenn Eure Absicht ist, mich wegen der Flucht jedes Vasallen zur Rechenschaft zu ziehen, den Eures Herrn heftige Leidenschaft aus seinem Gebiete vertrieben haben mag, so dürfte die Liste vor Sonnenuntergang nicht enden. Wer kann behaupten, daß diese Damen in meinem Gebiete sind? Wer untersteht sich, wenn dem so wäre, zu sagen, daß ich ihre Flucht hierher begünstigt, oder sie mit dem Anerbieten meines Schutzes empfangen habe? Wer will behaupten, daß, wenn sie in Frankreich sind, mir ihr Zufluchtsort bekannt sei?«

»Sire,« sagte Crèvecoeur, »Ew. Majestät erlauben, ich war in dieser Hinsicht mit einem Zeugen versehn; er hatte die flüchtigen Damen in dem Wirthshause, genannt Fleur-de-lys, nicht weit von diesem Schlosse gesehn – er hatte auch Ew. Majestät in ihrer Gesellschaft, wiewohl unter der unwürdigen Maske eines Bürgers von Tours gesehn – einer, der in Eurer königlichen Gegenwart Botschaften und Briefe an ihre Freunde in Flandern empfing; die er aber alle in Hand und Ohr des Herzogs von Burgund ablieferte.«

»Bringt ihn herbei,« sagte der König; »stellt mir den Menschen gegenüber, der es wagt, solche offenbare Unwahrheiten zu behaupten.«

»Ihr sprecht triumphirend, Sire; denn Ihr wißt genau, daß dieser Zeuge nicht mehr lebt. Als er lebte, hieß er Zamet Magraubin, von Geburt einer der wandernden Zigeuner. Er ist gestern, wie ich hörte, von Leuten des Generalprofoß Ew. Majestät hingerichtet worden, wahrscheinlich um zu verhindern, daß er nicht hier stehen könne, um zu bestätigen, was er in dieser Angelegenheit dem Herzoge von Burgund sagte, in Gegenwart seiner Räthe und meiner, Philipp Crèvecoeur von Cordes.«

»Nun, bei unsrer Frau von Embrun!« sagte der König; »diese Beschuldigungen sind so arg, und ich weiß mich so frei von aller Mitwissenschaft von irgend etwas, was damit zusammenhängt, daß ich, bei meiner königlichen Ehre, mehr dazu lache, als mich erzürne. Meine Profoßwache bringt täglich, wie es ihre Pflicht ist, Diebe und Landstreicher zum Tode; und Verläumdung meiner Krone ist es, was auch immer diese Diebe und Landstreicher meinem hitzigen Vetter von Burgund und seinen weisen Räthen hinterbracht haben mögen. Ich bitt' Euch, sagt meinem lieben Vetter, wenn er solche Gesellen liebt, soll er sie doch lieber in seinem eigenen Staate behalten; denn hier finden sie nichts, als kurze Beichte und einen tüchtigen Strick.«

»Mein Herr braucht solche Unterthanen nicht, Herr König,« antwortete der Graf, in einem minder ehrerbietigen Tone, als er sich bis jetzt erlaubt hatte, – »denn der edle Herzog pflegt nicht Hexen, wandernde Zigeuner, oder dergleichen, nach dem Schicksale und Lose seiner Nachbarn und Verbündeten zu befragen.«

»Wir haben Geduld genug gehabt, und wollen sie sparen,« sagte der König, ihn unterbrechend; »und da die ganze Botschaft uns bloß verhöhnen zu sollen scheint, so wollen wir Jemand in unserm Namen an den Herzog von Burgund senden, – überzeugt, daß du in diesem deinem Betragen gegen uns deinen Auftrag, was immer er betreffen mochte, überschritten hast.«

»Im Gegentheil,« sagte Crèvecoeur, »ich habe mich seiner noch nicht völlig entledigt. – Hört, Ludwig von Valois, König von Frankreich – hört, all' Ihr edlen und redlichen Männer – und du, Toison d'Or,« (indem er sich an den Herold wandte,) »mache die Verkündigung nach mir. – Ich, Philipp Crèvecoeur von Cordes, Graf des Kaiserreiches und Ritter des ehrenvollen und fürstlichen Ordens vom goldnen Vließ, im Namen des mächtigen Herrn und Fürsten, Karl, von Gottes Gnaden Herzog von Burgund und Lothringen, von Brabant und Limburg, von Luxemburg und Geldern, Grafen von Flandern und Artois, Pfalzgrafen von Hennegau, von Holland, Zeeland, Namur und Zutphen; Markgrafen des heiligen Reiches, Herrn von Friesland, Salines und Mecheln, thue Euch, Ludwig, König von Frankreich, kund und zu wissen, daß, da Ihr Euch geweigert habt, den vielen Ungerechtigkeiten, Beschwerden und Beleidigungen abzuhelfen, die durch Euch, oder durch Eure Beihilfe, Eingebung und Anreizung gegen besagten Herzog und seine theuren Unterthanen begangen worden, – er durch meinen Mund alle Verbindung und Lehenspflicht gegen Eure Krone und Würde aufkündigt, Euch für falsch und treulos erklärt, und Euch als Fürsten und als Mann heraus fordert. Da liegt mein Handschuh, als Beweis dessen, was ich gesagt habe.«

So sagend zog er den Handschuh von seiner rechten Hand und warf ihn nieder auf den Boden des Zimmers.

Bis zu dieser letzten Steigerung der Kühnheit hatte in dem königlichen Gemache, während dieser außerordentlichen Scene, tiefste Stille gewaltet; aber kaum war der Schall des geworfenen Handschuhes erklungen, und durch die tiefe Stimme des Toison d'Or, des burgundischen Herolds mit dem Rufe » Vive Bourgogne!« begleitet worden, als ein allgemeiner Aufruhr entstand. Während Dunois, Orleans, der alte Lord Crawford und noch ein Paar Andre, deren Rang eine solche Einmischung gestattete, darum stritten, wer den Handschuh aufheben sollte, riefen die übrigen im Gemache, »Schlagt ihn nieder! Haut ihn in Stücke! Kommt er her, den König von Frankreich in seinem eignen Palaste zu verhöhnen?«

Aber der König besänftigte den Aufruhr, indem er mit donnergleicher Stimme, die alles Andre übertäubte und zum Schweigen brachte, rief: »Still, meine Vasallen! legt nicht Hand an diesen Mann und keinen Finger an den Handschuh! Und Ihr, Herr Graf, woraus besteht Euer Leben, oder wodurch ist es verbürgt, daß Ihr es auf ein so gefährliches Spiel setzt? Oder ist Euer Herzog von anderm Metall als andre Fürsten gemacht, da er seine vorgeblichen Beschwerden auf eine so ungewöhnliche Art geltend macht?«

»Er ist allerdings aus anderm und edlerm Metall gebildet, denn die andern Fürsten Europas,« sagte der unerschrockne Graf von Crèvecoeur; »denn als keiner von ihnen Euch Schutz zu geben wagte, – Euch sag' ich, König Ludwig – als Ihr noch Dauphin waret, aus Frankreich verbannt, und verfolgt von Eures Vaters bitterstem Hasse und der ganzen Macht seines Reichs, wurdet Ihr aufgenommen und beschützt, wie ein Bruder, von meinem edlen Herrn, dessen großmüthigen Sinn Ihr so gröblich gemißbraucht habt. Lebt wohl, Sire, mein Auftrag ist erledigt.«

So sagend verließ der Graf von Crèvecoeur plötzlich das Zimmer und ohne weitern Abschied zu nehmen.

»Ihm nach! ihm nach! Nehmt den Handschuh, und ihm nach!« sagte der König. – »Ich meine nicht Euch, Dunois, auch Euch nicht, Mylord von Crawford, der, dünkt mich, für solch einen heißen Strauß doch zu alt ist, und auch Euch nicht, Vetter von Orleans, der Ihr zu jung dazu seid. – Mylord Cardinal, Mylord Bischof von Auxerre, es ist Euer heiliges Amt, Frieden unter den Fürsten zu stiften, – hebt Ihr den Handschuh auf, und stellt dem Grafen von Crèvecoeur die Sünde vor, die er begangen hat, indem er einen großen Monarchen an seinem eignen Hofe so beleidigte, und ihn zwingt, das Elend des Krieges auf sein Reich und auf das seines Nachbars zu bringen.«

Auf diesen bestimmten persönlichen Aufruf trat der Cardinal Balue hinzu, den Handschuh aufzuheben, und zwar mit solcher Vorsicht, wie Jemand, der eine Natter berühren will, – so groß war scheinbar sein Abscheu vor diesem Symbol des Kriegs, – und gleich darauf verließ er das königliche Gemach, um dem Herausforderer nachzueilen.

Ludwig schwieg und blickte im Kreise seiner Höflinge umher, von denen die meisten, außer den bereits von uns ausgezeichneten, von niederer Herkunft waren, zu ihrem Range in des Königs Hofstaat erhoben wegen ganz anderer Gaben, als Muth oder Waffenthaten; diese sahen einander bleich an, und hatten einen sehr unangenehmen Eindruck von der Scene empfangen, die eben gespielt worden war. Ludwig blickte sie mit Verachtung an, und sagte dann laut: »Obwohl der Graf von Crèvecoeur höchst anmaßend und eingebildet ist, so muß man doch bekennen, daß der Herzog von Burgund in ihm einen kühnen Diener hat, wie je einer für einen Fürsten Botschaft übernahm. Ich möchte wissen, wo ich einen so treuen Gesandten finden könnte, der ihm meine Antwort brächte.«

»Ihr thut Euren französischen Edeln Unrecht, Sire,« sagte Dunois; »jeder von ihnen würde dem Herzoge von Burgund eine Ausforderung auf der Spitze seines Schwertes bringen.«

»Und, Sire,« sagte der alte Crawford, »Ihr beleidigt auch die schottischen Herren, die Euch dienen. Ich, oder jeder meiner Gefährten von passendem Range, würde keinen Augenblick zögern, den stolzen Grafen zur Rechenschaft zu ziehen; mein eigener Arm ist noch stark genug für diesen Zweck, wenn ich nur Eurer Majestät Erlaubniß erhalte.«

»Aber Eure Majestät,« fuhr Dunois fort, »will uns in keinem Dienste verwenden, durch welchen wir Ehre für uns, für Eure Majestät oder für Frankreich gewinnen könnten.«

»Sagt vielmehr, Dunois,« erwiderte der König, »ich möge der ungestümen Hitze nicht Raum geben, die, eines nichtssagenden Ehrenpunktes wegen, Euch, den Thron, Frankreich und Alles zertrümmern könnte. Es ist Keiner unter Euch, der nicht wüßte, wie kostbar jede Stunde des Friedens in diesem Augenblick ist, wo die Wunden eines zerrütteten Landes geheilt werden sollen; aber es ist auch nicht Einer unter Euch, der sich nicht in den Krieg stürzen würde, wegen irgend einer umherstreichenden Zigeunerin, oder eines irrenden Fräuleins, deren Ruf vielleicht kaum höher steht. – Hier kommt der Cardinal, und wir hoffen, mit friedlichen Nachrichten. – Wie steht's, Mylord, – habt Ihr den Grafen zur Vernunft und Mäßigung gebracht?«

»Sire,« sagte Balue, »mein Geschäft war schwierig. Ich stellte jenem stolzen Grafen vor, daß der anmaßende Vorwurf, womit er die Audienz abgebrochen habe, von Euch so angesehen werden müsse, als rühre er nicht von seinem Herrn, sondern von seinem eignen hochfahrenden Benehmen her, und daher hänge es nun ganz von Eurer Majestät Gnade ab, welche Buße Ihr für ihn passend finden möchtet.«

»Gut gesagt,« erwiderte der König; »und was war seine Antwort?«

»Der Graf,« fuhr der Cardinal fort, »hatte so eben den Fuß im Steigbügel, um aufzusitzen. Als er meine Anrede vernahm, wandte er das Haupt, ohne seine Stellung zu verändern. ›Wäre ich,‹ sagte er, ›fünfzig Meilen fern gewesen, und hätte durch das Gerücht vernommen, daß der König einen Tadel gegen meinen Fürsten zur Sprache gebracht habe, so würde ich augenblicks aufgestiegen und zurückgekehrt sein, um meine Seele der Antwort zu entladen, die ich ihm so eben gegeben habe.‹«

»Ich sagte, Ihr Herren,« sagte der König, ohne einen Schein von Gemüthsbewegung um sich blickend, »daß im Grafen Philipp von Crèvecoeur unser Vetter, der Herzog, einen so würdigen Diener besitze, als je einer zur rechten Hand eines Fürsten ritt. – Aber Ihr vermochtet ihn, noch zu bleiben?«

»Noch vier und zwanzig Stunden zu bleiben; und unterdessen seine Ausforderung zurückzunehmen,« sagte der Cardinal; »er ist im Gasthofe zur Fleur-de-Lys abgestiegen.«

»Sorgt, daß er auf unsre Kosten anständig bedient und verpflegt werde,« sagte der König; »solch' ein Diener ist ein Juwel in eines Fürsten Krone. – Vier und zwanzig Stunden?« fügte er hinzu, für sich murmelnd, und mit einem Blicke, als wolle er die Zukunft durchschauen, »vier und zwanzig Stunden? – es ist sehr kurz! Doch, vier und zwanzig Stunden wohl und geschickt benutzt, sind ein Jahr werth in den Händen eines unbegabten und unfähigen Agenten. – Wohl. – Zum Walde! zum Walde! meine wackern Herren! Orleans, mein lieber Vetter, legt Eure Bescheidenheit bei Seite, obwohl sie Euch gut steht; denkt nicht an meiner Johanna Sprödigkeit. Die Loire wird eher aufhören, sich mit dem Cher zu vereinen, als sie, Eure Bewerbung zu begünstigen, oder Ihr, sie fortzusetzen,« fügte er noch hinzu, während der unglückliche Prinz langsam seiner verlobten Braut folgte. – »Und nun die Eberspeere zur Hand, ihr Herren! denn Alegre, mein Förster, hat einen gehegt, der Hunde und Menschen auf die Probe stellen wird. – Dunois, leiht mir Euren Speer, – nehmt den meinigen, er ist mir zu schwer; aber wann habt Ihr Euch über einen solchen Fehler an Eurer Lanze beklagt? – Zu Pferde – zu Pferde, meine Herren!«

Und die ganze Jagd begab sich hinaus.



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