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Kapitel XXIII

Vom Schlachtfeld zog ein Ritter werth
Von Blut und Regen troff sein Pferd.

Finlay.

Wir müssen nun zu der Veste Tillietudlem und deren Bewohnern zurückkehren. Der erste Morgen nach der Schlacht von Loudonhill dämmerte über ihren Zinnen und die Vertheidiger hatten bereits die Arbeit begonnen, durch welche sie den Platz haltbar zu machen hofften, als der Wärter auf der Warte das Zeichen gab, daß ein Reiter sich nähere. Bald verrieth sein Kleid den Offizier der Leibwache. Die langsamen Schritte des Pferdes wie die vorgebeugte Haltung des Reiters bekundeten deutlich, daß er krank oder verwundet sei. Das Pförtchen ward sogleich zu seinem Empfange geöffnet, und Lord Evandale ritt in den Hofraum, so sehr von Blutverlust erschöpft, daß er ohne Beistand nicht abzusitzen vermochte. Als er, auf einen Diener gelehnt, in die Halle trat, schrieen die Damen vor Erstaunen und Schreck laut auf, denn bleich wie der Tod, von Blut befleckt, die Uniform beschmutzt und zerrissen, das Haar in wilder Unordnung, glich er mehr einem Gespenst als einem menschlichen Wesen. Aber der nächste Ausruf galt dem Ausdruck der Freude über seine Rettung.

»Gott sei Dank,« rief Lady Margarethe, »daß Ihr hier seid, entronnen den Händen der blutdürstigen Mörder, die so viel treue Diener des Königs hingewürgt.«

»Gott sei Dank,« fügte Editha hinzu, »daß Ihr sicher hier seid. Wir haben das Schlimmste gefürchtet. Aber Ihr seid verwundet, und ich fürchte, wir haben nur wenig Mittel, Euch beizustehen.«

»Es sind nur Hiebwunden,« antwortete der junge Edelmann, indem er sich niederließ, »der Schmerz ist nicht der Rede werth, und nur der Blutverlust hat mich erschöpft. Aber es war nicht meine Absicht, Eure Gefahr und Noth durch meine Schwäche zu vermehren, sondern womöglich Euch Erleichterung zu verschaffen. Was kann ich für Euch thun? Erlaubt mir, Lady Margarethe, als Euer Sohn zu denken und zu handeln, und Ihr, Editha, als Euer Bruder!«

Die letzten Worte sprach er mit einigem Nachdruck, gleichsam fürchtend, seine Ansprüche als Bewerber möchten seine angebotenen Dienste für Editha lästig machen. Editha war nicht unempfindlich gegen dies Zartgefühl, aber man hatte nicht Zeit zum Austausch von Gefühlen.

»Wir rüsten uns zur Vertheidigung,« sagte die alte Dame mit vieler Würde, »mein Schwager hat den Befehl über die Besatzung übernommen, und so Gott will, werden wir die Rebellen so empfangen, wie sie es verdienen.«

»Wie gern,« sagte Evandale, »würde ich an der Vertheidigung des Schlosses Theil nehmen! Aber in meiner jetzigen Lage wäre ich Euch eine Last, wo nicht Schlimmeres; denn die Nachricht, daß ein Offizier der Leibgarden im Schlosse sei, wäre für die Schurken genug, mit um so größerer Verwegenheit gegen dasselbe anzustürmen. Finden sie das Schloß nur von den Hausgenossen verteidigt, so ziehen sie vielleicht weiter nach Glasgow, ohne einen Sturm zu wagen.«

»Und könnt Ihr so klein von uns denken, Herr Graf?« sagte Editha, indem jenes edle Gefühl bei ihr hervorbrach, das Frauen oft an den Tag legen, und das ihnen so wohl ansteht, indeß ihre Stimme bebte und ihre Wange von jener Glut gefärbt wurde, welche ihr die Worte eingegeben. »Könnt Ihr so klein von Euren Freunden denken, daß sie solchen Betrachtungen nachhingen, wenn es darauf ankommt, Euch Schutz und Obdach zu gewähren in einem Augenblicke, wo Ihr unfähig seid, Euch zu vertheidigen, und wo das ganze Vaterland mit Feinden angefüllt ist? Gibt es wohl eine Hütte in Schottland, deren Besitzer einem Freunde erlauben würde, dieselbe unter solchen Umständen zu verlassen? Und könnt Ihr glauben, wir würden Euch aus einem Schlosse scheiden lassen, welches wir für unsere eigene Vertheidigung stark genug halten?«

»Lord Evandale braucht nie an so etwas zu denken,« sagte Lady Margarethe. »Ich selbst will seine Wunden pflegen, das ist alles, wozu eine alte Frau in Kriegszeiten taugt; aber das Schloß Tillietudlem jetzt verlassen, wo das Schwert des Feindes gegen ihn gezückt ist, das dürfte der geringste Soldat nicht, der je des Königs Rock getragen, viel weniger also der junge Graf Evandale. – Unser Haus hat nicht nöthig, solche Schmach zu dulden. Das Schloß Tillietudlem ist zu sehr ausgezeichnet worden durch den Besuch Seiner geheiligten – – – –«

Hier ward sie durch den Eintritt des Majors unterbrochen.

»Wir haben einen Gefangenen gemacht, lieber Oheim,« sagte Editha, »einen verwundeten Gefangenen, aber er will uns entfliehen. Ihr müßt uns helfen, ihn zurückzuhalten.«

»Lord Evandale!« rief der Veteran. »Ich freue mich so sehr wie damals, als ich mein erstes Patent bekam. Claverhouse berichtete, Ihr wäret gefallen oder würdet wenigstens vermißt.«

»Ich würde gewiß auch gefallen sein, wenn nicht Euer Freund es verhindert hätte,« sagte Lord Evandale mit einiger Bewegung und niedergeschlagenen Blicken, als wünsche er den Eindruck nicht zu sehen, den seine Worte auf Editha machen würden. »Ich war abgeworfen und wehrlos, und schon war das Schwert über mir geschwungen, das mir den Garaus machen sollte, als der junge Morton, der Gefangene, dessen Ihr Euch gestern Morgen so sehr annahmt, auf die edelmüthigste Weise dazwischen trat, mir das Leben rettete und mich mit den Mitteln zur Flucht versah.«

Als er geendet, überkam ihn die Neugier, er blickte auf Edithas Antlitz und glaubte in der Gluth ihrer Wangen und ihrem glänzenden Blicke die Freude über ihres Geliebten Rettung und Freiheit, und den Triumph zu lesen, daß er in dem Wettstreite des Edelmuths nicht zurückgeblieben. Dies waren auch wirklich ihre Gefühle, aber sie waren vermischt mit der Bewunderung über die offene Freimüthigkeit, mit der Lord Evandale sich beeilte, das Verdienst eines begünstigten Nebenbuhlers anzuerkennen und eine Verbindlichkeit auf sich zu nehmen, die er gewiß gegen jeden andern lieber als gegen Morton gehabt hätte.

Major Bellenden, der die Gefühle beider nicht bemerkt haben würde, selbst wenn sie viel deutlicher ausgedrückt worden wären, begnügte sich zu sagen: »Da Heinrich Morton Einfluß auf die Schurken hat, so freut's mich, daß er ihn so benutzt; aber ich hoffe, er wird sich von ihnen losmachen, sobald er kann. Ich kenne seine Grundsätze und weiß, er verabscheut ihr Geplärre und ihre Heuchelei. Ich habe ihn tausend mal über die Pedanterie des alten presbyterianischen Schurken Pfundtext lachen hören, der, nachdem er die Indulgenz der Regierung Jahre lang genossen, jetzt sich in seiner wahren Gestalt zeigt und sich mit drei Viertheilen seiner stutzöhrigen Gemeinde auf den Weg gemacht hat, um zu dem Heere der Fanatiker zu stoßen. – Aber wie seid Ihr entkommen, nachdem Ihr das Schlachtfeld verlassen hattet?«

»Ich ritt um des lieben Lebens willen wie ein abtrünniger Ritter,« antwortete Evandale lächelnd. »Ich schlug den Weg ein, auf welchem ich am wenigsten fürchten durfte einen Feind zu treffen, und fand mehrere Stunden lang Obdach. Ihr werdet schwerlich errathen, wo?«

»Im Schlosse Bracklan vielleicht,« sagte die Lady, »oder im Hause irgend eines andern loyalen Edelmanns?«

»Nein, gnädige Frau. Ich ward in mehr als einem Hause dieser Art unter manchem erbärmlichen Vorwande abgewiesen, aus Furcht, der Feind möchte meiner Spur folgen, aber ich fand Zuflucht in der Hütte einer armen Wittwe, deren Gatte vor kaum drei Monaten von einer Abtheilung unserer Schaar erschossen worden war und deren beide Söhne sich in diesem Augenblicke unter den Insurgenten befinden.«

»Wirklich,« sagte Lady Margarethe Bellenden, »war ein fanatisches Weib solcher Großmuth fähig? Sie mißbilligte vielleicht die Glaubensmeinungen ihrer Familie?«

»Durchaus nicht, gnädige Frau,« fuhr der junge Edelmann fort, »sie war in ihren Grundsätzen eine strenge Dissidentin, aber sie sah mein Unglück und meine Gefahr, erblickte in mir nur den Nebenmenschen und vergaß, daß ich Ritter und Soldat war. Sie verband meine Wunden, ließ mich auf ihrem Bett ruhen, verbarg mich vor einer Abtheilung Insurgenten, welche Nachzügler aufsuchte, gab mir Speise und duldete nicht, daß ich eher den Zufluchtsort verließ, als bis sie erfahren, daß ich ohne Gefahr mich nach diesem Schlosse begeben könne.«

»Das war edel gehandelt,« sagte Fräulein Bellenden, »und ich hoffe, Ihr werdet noch Gelegenheit haben, solche Großmuth zu belohnen.«

»Ich gerathe überall in Verbindlichkeiten, Fräulein Bellenden, während dieser unglücklichen Zeitläufte, aber sobald ich die Mittel erlange, meine Erkenntlichkeit zu beweisen, wird es am guten Willen nicht fehlen.«

Alle drangen nun vereint in Lord Evandale, auf seine Absicht, das Schloß zu verlassen, Verzicht zu leisten, aber der Grund des Majors war der wirksamste.

»Eure Gegenwart im Schlosse,« sagte er, »wird äußerst nützlich, wo nicht unumgänglich nöthig sein, Mylord, damit Ihr durch Euer Ansehen die gehörige Mannszucht unter den von Claverhouse zurückgelassenen Leuten haltet, die schon gezeigt haben, daß sie nicht zu der besten Sorte von Hausgenossen gehören. Ueberdies haben wir auch noch vom Obersten Vollmacht, jeden Offizier seines Regiments anzuhalten, der etwa hierher kommen möchte.«

»Das,« sagte Lord Evandale, »ist ein unwiderlegbarer Grund, denn er beweist mir, daß ich selbst in meinem jetzigen Zustande hier von Nutzen sein kann.«

»Was Eure Wunden betrifft, Herr Graf,« sagte der Major, »so stehe ich dafür, wenn meine Schwägerin es übernimmt, einem etwaigen Fieberanfall entgegenzukämpfen, daß mein alter Knappe Gideon Pike eine Fleischwunde so gut verbindet wie irgend ein Heilgehilfe. An Uebung hats ihm zu Montroses Zeit nicht gefehlt, denn wir hatten wenig geschulte Regimentschirurgen, wie Ihr leicht denken könnt. – Also, Ihr bleibt bei uns?«

»Meine Gründe, das Schloß zu verlassen,« sagte Lord Evandale auf Editha blickend, »schienen zwar wichtig genug, müssen aber nunmehr denen weichen, die mich in Stand setzen, Euch zu dienen. – Darf ich Euch nach den Mitteln, die Ihr habt, und dem Vertheidigungsplan fragen, den Ihr entworfen, Major? Oder darf ich Euch begleiten, um die Festungswerke zu untersuchen?«

Es entging Editha nicht, daß Lord Evandale körperlich und geistig sehr erschöpft war. »Ich denke, da Graf Evandale eingewilligt hat, ein Offizier unserer Besatzung zu werden,« sagte sie zum Major, »so müßt Ihr damit beginnen, ihn Eurer Autorität zu unterwerfen, und ihm befehlen, auf sein Zimmer zu gehen, um einige Erfrischungen zu nehmen, ehe er sich in militärische Untersuchungen einläßt.«

»Editha hat Recht,« sagte die alte Dame, »Ihr müßt sogleich zu Bette, Mylord, und etwas gegen das Fieber einnehmen, was ich mit eigner Hand zubereiten will, und meine Kammerfrau, Frau Martha Wedell, soll Euch ein Backhühnchen oder sonst was Leichtes zurichten. Zu Wein möchte ich nicht rathen. – John Gudyill, heißt die Haushälterin das Baldachinzimmer zurichten, Lord Evandale muß sich sogleich niederlegen. Pike wird den Verband abnehmen und den Zustand der Wunden untersuchen.«

»Das sind traurige Vorbereitungen, gnädige Frau,« sagte Lord Evandale, indem er der Dame dankte und im Begriff war, den Saal zu verlassen, »aber ich muß mich ihnen unterwerfen, und ich hoffe, Ihre Geschicklichkeit wird mich bald zu einem tauglicheren Vertheidiger Ihrer Burg machen, als ich jetzt bin. Ihr müßt meinen Körper sobald als möglich dienstfähig machen, denn meines Kopfes bedürft Ihr nicht, so lange Major Bellenden da ist.«

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

»Ein trefflicher und bescheidener junger Mann!« sagte der Major.

»Nichts von der Einbildung,« sagte die Dame, »die junge Leute oft glauben macht, sie wüßten Krankheiten besser zu behandeln als erfahrene Leute.«

»Und ein so edelmüthiger und schmucker junger Herr,« sagte Jenny Dennison, die während des letzten Theils der Unterhaltung eingetreten war und nun mit ihrer Gebieterin in der Halle allein gelassen wurde, da sich der Major zu seinen militärischen Geschäften, und Lady Margarethe zu ihren medizinischen Vorbereitungen wegbegeben hatten.

Editha beantwortete diese Lobeserhebungen mit einem Seufzer, aber trotz ihres Schweigens wußte sie doch besser als irgend ein anderer, wie sehr das Lob dem Gepriesenen wirklich zukomme. Jenny versäumte nicht nach ihrer Weise fortzufahren.

»Am Ende hatte die gnädige Frau doch Recht, wenn sie sagte, den Presbyterianern sei nicht zu trauen, sie sind meineidige treulose Lumpe. Wer hätte denken sollen, daß der junge Milnwood und Cuddie Headrigg sich zu dem rebellischen Gesindel schlagen würden!«

»Was meinst Du mit diesem unsinnigen Gefasel, Jenny?« sagte das Fräulein höchst unwillig.

»Ich weiß, Ihr hörts nicht gern an,« antwortete Jenny dreist, »und mir ists auch nicht eben angenehm, davon zu sprechen, aber am Ende kommts Euch ja doch zu Ohren, denn das ganze Schloß ist voll davon.«

»Voll davon, wovon voll, Jenny? Willst Du mich toll machen?« sagte Editha ungeduldig.

»Nun eben davon, daß Heinrich Morton von Milnwood bei den Rebellen und einer von den Anführern ist.«

»Das ist eine Lüge,« sagte Editha, »eine unverschämte Verleumdung! Und Du nimmst Dir sehr viel heraus, da Du es mir ins Gesicht sagst. Heinrich Morton ist unfähig, eine solche Verrätherei zu begehen an König und Vaterland, solche Grausamkeit gegen mich, gegen alle unschuldigen wehrlosen Opfer, wollte ich sagen, die im Bürgerkriege leiden müssen. Ich sage Dir, er ist dessen unfähig.«

»Ach, theures Fräulein,« erwiderte Jenny, noch immer nicht überzeugt, »Sie müssen besser bekannt sein mit den jungen Männern, als ich es bin oder je sein möchte, um genau zu wissen, wozu sie fähig oder unfähig sind. Aber da ist der alte Soldatentom und ein anderer Kamerad dagewesen, in Mützen und grauen Plaids, wie Landleute, um zu recog – recognosciren, wie's John Gudyill, glaube ich, nannte, und die sind unter den Rebellen gewesen und haben ausgesagt, sie hätten den jungen Milnwood auf einem erbeuteten Dragonerpferd reiten sehen, bewaffnet mit Schwert und Pistolen wie die andern, ein Herz und eine Seele mit den Anführern, und er habe die Leute einexercirt und kommandirt, der Cuddie immer hinterdrein in einer Spitzenweste Bothwells, des Sergeanten, und einen aufgekrempten Hut mit blauer Schleife auf dem Kopfe, wegen der alten Covenantsgeschichte, Cuddie hatte zwar immer die blauen Bänder gern, und in einem gefältelten Hemde, just wie ein Edelmann, das ziemt sich für seines Gleichen wahrhaftig!«

»Jenny,« sagte Editha hastig, »der Bericht dieser Leute kann nicht wahr sein, mein Oheim hat ja bis auf diesen Augenblick noch nichts davon gehört.«

»Weil Tom Halliday,« antwortete die Zofe, »fünf Minuten später als Lord Evandale ankam, und als er hörte, Seine Herrlichkeit sei im Schlosse, vermaß er sich hoch und theuer, der gottlose Rüpel, er wolle dem Major keinen Rapport bringen, wie ers nannte, da ein Offizier von seinem eigenen Regimente da sei. So wollte er durchaus nichts sagen, bis Lord Evandale am nächsten Morgen erwachte, nur mir hat er etwas davon gesagt« – hier blickte Jenny zu Boden – »um mich Cuddies wegen zu ärgern.«

»Siehst Du, einfältiges Ding,« sagte Editha, wieder Muth fassend, »das ist ein bloßer Kniff von dem Burschen, um Dich zu necken.«

»Nein, nein, gnädiges Fräulein, das kann nicht sein, denn John Gudyill nahm den andern Dragoner – 's ist ein alter häßlicher Kerl, ich weiß nicht, wie er heißt – mit in den Keller und gab ihm ein Glas Branntwein, um ihn zum Schwatzen zu bringen, und da erzählte er denn alles, so wie's der Tom Halliday gesagt hatte, Wort für Wort, und Herr Gudyill war in solcher Wuth, daß ers uns gleich wieder erzählte und sagte, die ganze Rebellion wäre nur der Lady, dem Major und Lord Evandale zu verdanken, die gestern Morgen den jungen Milnwood und Cuddie losgebettelt hätten; denn wenn sie gehängt worden wären, so wäre jetzt Ruhe im Lande, und wahrhaftig, ich glaubs selbst.«

Diese letzte Erklärung setzte Jenny aus Unwillen über die äußerst hartnäckige Ungläubigkeit ihrer Gebieterin hinzu. Sie wurde aber augenblicklich durch die Wirkung beunruhigt, die ihre Nachricht auf das Fräulein hervorbrachte, eine um so heftigere Wirkung, als Fräulein Bellenden in den Grundsätzen und Vorurtheilen der bischöflichen Kirche erzogen war. Sie wurde leichenblaß, ihr Athem stockte, ihre Glieder bebten, und halb ohnmächtig sank sie auf einen Sessel. Jenny versuchte es mit kaltem Wasser, verbrannten Federn, dem Lösen der Schnürbänder und allen in solchen Fällen gewöhnlichen Mitteln, doch ohne Erfolg.

»Gott sei mir gnädig, was hab ich gethan!« rief die reuige Zofe. »Wäre mir doch lieber die Zunge ausgeschnitten! Wer hätte geglaubt, daß sie's so aufnimmt, und das alles um einen jungen Menschen? Ach, liebes Fräulein, fasset doch nur Muth, am Ende ist doch trotz alledem nichts daran. Wäre mir doch die Zunge verdorrt, die Leute habens immer gesagt, sie brächte mich noch ins Unglück. Wenn nun gar die Lady käme oder der Major! Und sie sitzt noch dazu auf dem Throne, wo keine Menschenseele gesessen hat seit dem leidigen Morgen, wo der König hier war. Ach, was soll ich thun? Was soll aus uns werden?«

Während Jenny so jammerte, erholte sich Editha langsam von dem Anfall, den die unerwartete Nachricht ihr zugezogen.

»Wäre er unglücklich gewesen,« sagte sie, »ich hätte ihn nie verlassen. Ich thats auch nie, selbst als es Gefahr und Unglück brachte, seine Sache zu vertheidigen. Wäre er gestorben, ich hätte ihn bedauert, wäre er treulos geworden, ich hätte ihm vergeben; aber ein Empörer gegen seinen König, ein Verräther an seinem Vaterlande, ein Gefährte und Spießgeselle von Kehlabschneidern und Mördern, ein Verfolger alles Anständigen, ein offener lästerlicher Feind alles Heiligen, ich will ihn aus meinem Herzen reißen, und sollt es darob verbluten.«

Sie trocknete die Augen und erhob sich hastig von dem großen Sessel, während das erschrockene Mädchen die Kissen aufrüttelte, um jede Spur zu tilgen, daß jemand diesen heiligen Sitz eingenommen, obgleich ihn König Karl selbst nicht für entweiht gehalten hätte, wenn er die Jugend und Schönheit derjenigen gesehen, die seinen heiligen Stuhl sich angemaßt, sowie den Schmerz, in dem sie sich befand. Darauf eilte sie dienstfertig hin, Editha ihre Hilfe aufzudrängen, als diese, wie in tiefe Gedanken versunken, durch die Halle schritt.

»Nehmt meinen Arm, Fräulein, nehmt lieber meinen Arm, der Kummer will ausgesprochen sein und ohne Zweifel – –«

»Nein, Jenny,« sagte Editha fest, »Du hast meine Schwäche gesehen, nun sollst Du auch meine Stärke sehen.«

»Aber Ihr stütztet Euch doch neulich auf mich, als Ihr so betrübt waret.«

»Uebel angebrachte, verirrte Neigung mag der Stütze bedürfen, Jenny, das Pflichtbewußtsein ist an sich Stütze genug; doch ich will nicht zu schnell handeln. Ich will den Grund seines Benehmens kennen und dann – ihn für immer aufgeben.«

Betroffen über ein Benehmen, dessen Gründe sie nicht begriff, und woran sie das Verdienstliche nicht zu würdigen verstand, murmelte Jenny zwischen den Zähnen: »Wahrhaftig, wenn der erste Husch vorüber ist, nimmts das Fräulein eben so leicht wie ich, und noch leichter, und doch habe ich mir nicht halb so viel aus Cuddie gemacht, als sie sich aus dem jungen Milnwood. Außerdem ists doch gut, auf beiden Seiten einen Freund zu haben, denn wenn die Whigs das Schloß einnehmen sollten, wie's leicht geschehen kann, da wir so wenig Lebensmittel haben, und die Dragoner ganz gehörig zulangen, sodann haben Milnwood und Cuddie die Oberhand, und ihre Freundschaft ist dann Gold werth – daran hab ich schon heute Morgen gedacht, als ich die Nachricht hörte.«

Mit diesem Trostgedanken ging die Zofe an ihre gewöhnliche Beschäftigung und überließ es ihrer Gebieterin, sich zu beherrschen und die Gefühle zu bekämpfen, die sie bis jetzt gegen Heinrich Morton gehegt hatte.


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