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Kapitel XXI

Und seht! so viele Griechenzelte hohl
Stehn auf dem Feld, so viel Parteien-Hohlheit.

Troilus und Cressida.
(Shakespeare, I. Aufz., 3. Sc.)

In einer Vertiefung des Berges, ungefähr eine Viertelmeile vom Schlachtfelde, war eine Schäferhütte, ein armseliges Gebäude, das, als der einzig umfriedigte Platz in der Nähe, von den Führern der Presbyterianer zum Versammlungsorte gewählt worden war. Dorthin wurde Morton von Burley geführt, der, als er näher kam, nicht wenig über die verworrenen Töne erstaunt war, die von dem Orte aus erschallten. Der ruhige sorgenvolle Ernst, der voraussichtlich bei der Berathung über so wichtige Angelegenheiten und in einer so gefahrvollen Zeit herrschen mußte, schien wilder Zwietracht und lautem Aufruhr gewichen zu sein, der dem neuen Bundesgenossen wie eine üble Vorbedeutung ins Ohr tönte. Bei ihrer Ankunft fanden sie zwar die Thüre offen, aber von zahlreichen Landleuten dicht besetzt, die, obgleich sie nicht Mitglieder des Rathes waren, doch ohne weiteres sich zu den Berathungen drängten, bei denen sie so sehr interessirt waren. Durch Schelten, Drohungen und selbst durch Gewalt nöthigte Burley, dessen finsteres, strenges Gemüth ein gewisses Uebergewicht über diese regellosen Mächte behauptete, die Eindringenden zum Rückzuge, und nachdem er Morton eingelassen, sicherte er die Thüre vor der zudringlichen Neugier. In einem ruhigeren Augenblicke würde der junge Mann in dieser eigenthümlichen Scene einen Gegenstand der Unterhaltung gefunden haben. Das Innere der düstern verfallnen Hütte ward durch einiges auf dem Herde brennende Reisig erhellt, da aber der Rauch keinen gehörigen Ausweg hatte, wirbelte er umher und bildete über den Häuptern des Raths einen Wolkenhimmel, so dunkel wie ihre metaphysische Theologie, durch welchen ein paar Lichter, oder vielmehr in Talg getauchte Binsen, trüb wie Sterne durch den Nebel schimmerten, nachdem man sie mit nassem Lehm an den Wänden befestigt hatte. Dieses gebrochene düstere Licht ließ so manches von geistlichem Stolze aufgeblähte oder von wilder Schwärmerei verfinsterte Gesicht erblicken, so wie auch einige, deren ängstliche, umherirrende und scheue Blicke verriethen, daß sie sich übereilt in eine Sache eingelassen, zu deren glücklicher Durchführung sie weder Muth noch Charakter genug besaßen, und die sie doch aus Scham nicht aufgeben mochten. Es war wirklich eine unentschlossene, uneinige Körperschaft. Die Thätigsten waren diejenigen, die mit Burley an der Ermordung des Primas Theil genommen, von denen vier oder fünf ihren Weg nach Loudonhill eingeschlagen, nebst einigen andern von eben so beharrlichem, unbeugsamem Eifer, die bei verschiedenen Gelegenheiten die Regierung schwer und unverzeihlich verletzt hatten.

Unter diesen befanden sich die Prediger, welche die ihnen von der Regierung angebotene Duldung verschmäht hatten, und die ihre Heerde lieber in der Wildniß versammelten, als daß sie in Tempeln, von Menschenhänden erbaut, Gott verehrt hätten, damit es nicht heißen sollte, daß sie ihren Beherrschern das Recht einräumten, sich ins Kirchenregiment zu mischen. Die andere Classe im Kriegsrath bestand aus Edelleuten von geringem Vermögen und aus wohlhabenden Pächtern, die der unerträgliche Druck ihrer Lehnsherren dahin gebracht hatte, die Waffen zu ergreifen und sich den Insurgenten anzuschließen. Auch diese hatten ihre Geistlichen bei sich, aber da viele unter ihnen die Indulgenz benutzt hatten und geneigt waren sich den Maßregeln ihrer heftigeren Amtsbrüder zu widersetzen, so schlugen letztere eine Erklärung vor, in welcher sie Zeugniß ablegten gegen die Verordnungen und Befehle hinsichtlich der Indulgenz, als gegen sündliche und ungesetzliche Beschlüsse. Diese delikate Frage war in dem ersten Entwurf des Manifestes mit Stillschweigen übergangen worden, aber während Balfours Abwesenheit hatte man sie wieder angeregt, und er fand nun zu seinem großen Verdrusse beide Parteien in heftigem Streite über diesen Punkt. Macbriar, Pauker und einige andere Lehrer der Wandernden befanden sich auf der Höhe einer polemischen Diskussion mit Peter Pfundtext, dem Indulgenzpfarrer des Kirchspiels von Milnwood, der, wie es schien, sich ebenfalls das Schwert umgegürtet hatte, aber ehe er aufgerufen war, für die gute Sache der Presbyterianer zu fechten, sein Dogma mannhaft im Rathe vertheidigte. Dieser lärmende Streit, den hauptsächlich Pfundtext und Pauker hielten, war es hauptsächlich, der, von dem Geschrei ihrer Anhänger begleitet, Mortons Ohr begrüßte, als er sich der Hütte näherte. Da beide geistliche Herren in der That mit Worten und Lungen gar wohl ausgerüstet waren, und jeder von ihnen sich hitzig, eifrig und unduldsam in der Verfechtung der eigenen Lehre zeigte; da sie zugleich die Texte vollkommen beherrschten, mit denen sie sich schonunglos bekämpften, und jeder von der Wichtigkeit des Streites in tiefster Seele überzeugt war, so wurde der Wortstreit beinahe so lärmend wie ein wirkliches Handgemenge.

Burley, empört über die Uneinigkeit, die sich in diesem Zungenkriege kund gab, trat sogleich zwischen die Streitenden, und es gelang ihm endlich durch ein paar allgemeine Bemerkungen über die unzeitige Zwietracht, durch schmeichelhafte Aeußerungen, die auf die Eitelkeit der beiden Parteien gemünzt waren, und durch das Ansehen, welches ihm sein Antheil am heutigen Siege verschaffte, sie zur Vertagung des Streites zu vermögen. Obgleich nun aber Pauker und Pfundtext für den Augenblick zum Stillschweigen gebracht waren, blickten sie sich doch an wie zwei Hunde, die durch den Befehl ihrer Herren getrennt, sich zwar jeder unter den Stuhl des seinigen zurückgezogen haben, aber sich gegenseitig bewachend, durch ein abgebrochenes Knurren, durch die gesträubten Haare des Rückens und der Ohren und durch den feurigen Glanz der Augen bekunden, daß ihr Zwist noch nicht beigelegt ist und daß sie nur auf eine Gelegenheit warten, sich nochmals an der Kehle zu packen.

Balfour benutzte die augenblickliche Pause, dem Kriegsrathe Heinrich Morton von Milnwood vorzustellen, als einen Mann, der, von den Uebeln der Zeit tief ergriffen, bereit sei, Gut und Leben für die herrliche Sache zu wagen, für welche sein Vater, der berühmte Silas Morton, seiner Zeit ein erschütterndes Zeugniß abgelegt. Sofort wurde Morton von seinem ehemaligen Pfarrer Pfundtext und von den Insurgenten der gemäßigten Partei mit brüderlichem Handschlag als der ihrige aufgenommen. Die andern murmelten etwas von Erastinianismus und flüsterten sich zu, daß Silas Morton, weiland ein tapferer und würdiger Diener des Covenants, ein Abtrünniger geworden sei an dem Tage, wo Männer der Revolution den Grund zur Anerkennung Karl Stuarts legten und dadurch einen Riß gemacht hatten, durch welchen der jetzige Tyrann eingedrungen sei zur Unterdrückung der Kirche und des Landes. Doch setzten sie hinzu, sie wollten an diesem großen Tage des Aufrufs nicht die Gemeinschaft zurückweisen mit irgend einem, der die Hand an den Pflug legen wolle; so ward denn Morton in sein Amt als Führer und Rathsmitglied eingesetzt, wenn auch nicht mit allgemeiner Zustimmung seiner Collegen, so doch ohne Widerspruch.

Auf Burleys Antrag schritten sie nun dazu, sich in den Befehl über die Mannschaft zu theilen, die sich bereits versammelt hatte und die täglich wuchs. Bei dieser Vertheilung wurden natürlich die Insurgenten aus Pfundtexts Kirchspiel und Gemeinde unter Mortons Befehl gestellt, eine Verfügung, die beiden Theilen genehm war, da er durch seine persönlichen Eigenschaften und weil er unter ihnen geboren war, ihr Vertrauen besaß.

Nach Beendigung dieser Angelegenheit war zu erwägen, wie der Sieg auszunutzen sei. Gewaltig schlug Mortons Herz, da das Schloß Tillietudlem als einer der wichtigsten Punkte genannt ward, dessen man sich bemächtigen müsse. Es beherrschte, wie bereits erwähnt, den Paß zwischen dem wilderen und dem fruchtbarern Lande und mußte, wie leicht einzusehen war, den Adligen und Uebelgesinnten der Gegend einen festen Punkt und Versammlungsplatz gewähren, wenn die Insurgenten, ohne es anzugreifen, weiter marschirten. Dies ward besonders von Pfundtext und denjenigen seiner Anhänger empfohlen, deren Wohnungen und Familien jeglicher Gefahr ausgesetzt waren, wenn dieser feste Platz im Besitz der Royalisten gelassen wurde.

»Meine Meinung ist,« sagte Pfundtext, denn wie die andern Geistlichen jener Zeit stand er nicht an, auch in militärischen Angelegenheiten Rath zu ertheilen, obschon er nicht das Geringste davon verstand, »meine Meinung ist, daß wir nehmen und niederreißen diese Veste Frauen Margarethe Bellendens, und müßten wir auch ein Bollwerk dagegen bauen und einen Berg dagegen aufführen, denn das Geschlecht ist ein rebellisches blutiges Geschlecht, und ihre Hand hat schwer gelegen auf den Kindern des Covenants in frühern und spätern Zeiten. Ihre Ringe haben gesteckt in unseren Nasen und ihr Zaum zwischen unsern Kinnbacken.«

»Was für Mittel und Mannschaft haben sie, sich zu vertheidigen?« fragte Burley. »Der Platz ist fest; aber ich begreife nicht, wie ihn zwei Weiber gegen ein Heer behaupten können.«

»Dort befindet sich auch noch,« sagte Pfundtext, »Harrison, der Verwalter, und John Gudyill, der Frauen Oberkellermeister, der sich rühmet, ein Kriegsmann gewesen zu sein von Jugend auf, da er das Banner entfaltet gegen die gute Sache mit dem Belials-Sohne, Jakob Graham von Montrose.«

»Pah!« erwiderte Balfour verächtlich, »ein Kellermeister.«

»Auch ist dort der alte Uebelgesinnte,« fuhr Pfundtext fort, »Ritter Bellenden von Charnwood, dessen Hände sich gebadet haben im Blute der Heiligen.«

»Wenn es Ritter Bellenden, der Bruder Sir Arthurs ist,« sagte Balfour, »so ist es einer, dessen Schwert sich nicht abwenden wird vom Kampfe, aber der muß jetzt schon sehr bejahrt sein.«

»Es ging ein Gerücht im Lande, als ich vorbeiritt,« sagte ein anderer, »sie hätten auf die Nachricht von dem Siege, der uns gewährt worden, sogleich die Thore schließen lassen, Mannschaft einberufen und Munition eingesammelt. Es war von jeher ein grausames, bös gesinntes Haus.«

»Mit meinem Willen,« sagte Burley, »werden wir uns in keine Belagerung einlassen, welche Zeit erfordert. Wir müssen schnell vorwärts und unsern Vortheil verfolgen, indem wir Glasgow besetzen, denn ich fürchte nicht, daß die Truppen, die wir heute geschlagen, selbst wenn das Regiment Lord Roß' sich mit ihnen vereinigt, es für sicher halten, unsere Ankunft abzuwarten.«

»Wie dem auch sei,« sagte Pfundtext, »wir müssen ein Banner entfalten vor diesem Schlosse, in die Trompete blasen und sie auffordern, herauszukommen. Vielleicht übergeben sie den Platz auf Gnade und Ungnade, obwohl sie ein aufrührerisches Volk sind. Und wir wollen die Weiber auffordern, hervorzukommen aus ihrer Veste, nämlich Frau Margarethe Bellenden und ihre Enkelin, und Jenny Dennison, welche ein Mädchen ist mit verlockenden Augen, und die andern Mädchen, und wir wollen ihnen ein sicheres Geleit geben und sie in Frieden nach der Stadt schicken, wäre es auch nach Edinburg. Aber John Gudyill und Hug Harrison und den Ritter Bellenden wollen wir halten in eisernen Banden, so wie er selbst weiland gethan mit den heiligen Märtyrern.«

»Wer spricht von sicherem Geleit und Frieden?« rief eine gellende, gebrochene und überschnappende Stimme aus der Menge.

»Still, Bruder Habakuk,« sagte Macbriar zum Sprecher in begütigendem Tone.

»Ich will nicht still sein,« wiederholte die seltsame unnatürliche Stimme, »ist es Zeit, von Frieden zu sprechen, wenn die Erde bebt und die Berge bersten und die Flüsse sich wandeln in Blut und das zweischneidige Schwert gezogen ist aus der Scheide, um das Blut zu trinken, als wäre es Wasser, und Fleisch zu fressen, gleichwie das Feuer verzehrt die dürren Stoppeln?«

Unter diesen Worten drängte sich der Redner in die Mitte des Kreises und vor Mortons erstaunten Augen stand eine Gestalt, die einer solchen Stimme und einer solchen Sprache würdig war. Die Fetzen einer Kleidung, die einst schwarz gewesen, verbunden mit den zerlumpten Ueberresten eines Schäferplaids, gewährten eine Bedeckung, die kaum den Forderungen des Anstandes genügte, geschweige denn Wärme und Bequemlichkeit gewährte. Ein langer schneeweißer Bart hing ihm bis über die Brust und mischte sich mit struppigem, ungekämmtem, greisem Haupthaar, das in zerzausten Zotteln um das wilde, glotzende Gesicht hing. Seine Züge schienen durch Hunger und Entbehrungen so ausgemergelt, daß sie nicht mehr denen eines Menschen glichen. Die grauen, wilden und unstäten Augen verriethen deutlich eine verwirrte Einbildungskraft. In der Hand hielt er ein rostiges Schwert, das mit Blut gefärbt war, wie seine langen dürren Hände, an deren Fingerspitzen die Nägel wie Adlersklauen hervorragten.

»Um Gottes willen, wer ist das?« sagte Morton leise zu Pfundtext, überrascht, betroffen und entsetzt über die gräßliche Erscheinung, die mehr einem grabentstiegenen Kannibalenpriester oder einem Druiden glich, der noch blutig war von Menschenopfern, als einem Sterblichen dieser Erde.

»Es ist Habakuk Wütheviel,« antwortete Pfundtext eben so leise, »den der Feind so lange in Festungen und Burgen gefangen gehalten, bis sein Verstand von ihm gewichen und er, wie ich fürchte, von einem bösen Geiste besessen ist. Dessen ungeachtet behaupten unsere heftigen Brüder, daß der Geist aus ihm spreche, und daß sie von seinem Erguß befruchtet würden.«

Hier wurde er von Wütheviel unterbrochen, der mit einer Stimme, welche den Dachstuhl zittern machte, ausrief: »Wer spricht von Frieden und sicherem Geleite? Wer spricht von Gnade gegen das blutige Haus der Bösen? Ergreift die Kinder, sag ich, und schleudert sie an die Steine, die Töchter nehmet und die Mütter des Hauses und werft sie von den Zinnen, auf die sie sich verlassen, daß sich von ihrem Blute die Hunde mästen, wie einst von dem Blute der Jesabel, der Gattin Ahabs, und daß ihre Gebeine die Felder düngen, selbst auf dem Erbe ihrer Väter.«

»Er hat Recht,« riefen mehrere dumpfe Stimmen aus dem Hintergrunde; »wir werden mit geringem Dienst geehrt werden in der großen Sache, wenn wir jetzt schon glimpflich auftreten gegen die Feinde des Himmels.«

»Das ist abscheulich, das ist gottlos,« sagte Morton, unfähig, seinen Unwillen zu unterdrücken. »Welch Heil könnt ihr erwarten in einer Sache, in der ihr nur auf Raserei und Blutdurst hört?«

»Still, junger Mann,« sagte Pauker, »und spare Deinen Tadel, für den Du keinen Grund vorzubringen hast. Dir ziemt es nicht, zu beurtheilen, in welche Gefäße der Geist ausgegossen werden mag.«

»Wir beurtheilen den Baum nach seinen Früchten,« sagte Pfundtext, »und wollen nicht als göttliche Eingebung erkennen, was den göttlichen Gesetzen widerspricht.«

»Ihr vergesset, Bruder Pfundtext,« sagte Macbriar, »daß dies jene letzten Tage sind, da Zeichen und Wunder vervielfältigt werden sollen.«

Pfundtext trat vor, um zu antworten, aber bevor er noch ein Wort hervorbringen konnte, brach der wahnsinnige Priester mit einem Geschrei aus, das jeden Widerspruch übertönte.

»Wer spricht von Zeichen und Wundern? Bin ich nicht Habakuk Wütheviel, dess' Name umgewandelt worden in Magor-Missabib, weil ich zu einem Schrecken gemacht worden bin für mich selbst und alle, die um mich sind? Ich hab es gehört. Wann hab ich es gehört? War es nicht in der Burg Baß, die da hinausragt über die weite wilde See? Und es heulte in den Winden, und es brüllte in den Wogen, und es kreischte und es pfiff und es klang mit dem Geschrei und dem Pfeifen und dem Kreischen der Seevögel, da sie schwammen und flogen und sich niederließen und untertauchten in den Schoß der Gewässer. Ich sah es. Wo sah ich es? War es nicht von den hohen Felsspitzen von Dumbarton, als ich westwärts blickte auf das fruchtbare Land und nordwärts auf die wilden Hügel des Hochlands, als sich die Wolken sammelten und der Sturm näher kam, und die Blitze des Himmels zuckten, breit wie eines Heeres Banner? Was hab ich gesehen? Leichname und verwundete Pferde, tobenden Anprall der Schlachtreihen und Gewänder im Blute gewälzt? Was hab ich gehört? Die Stimme, die da rief: schlage, schlage, wirf zu Boden, mache alles nieder, laß dein Auge kein Erbarmen haben! Erschlage alles, alt und jung, die Jungfrau, das Kind und das Weib, dessen Haupt greis ist. Verdirb das Haus und fülle die Höfe mit Erschlagenen!«

»Wir empfangen den Befehl,« riefen mehrere aus der Versammlung. »Sechs Tage hat er nicht geredet, noch Brod gebrochen, nun aber ist seine Zunge gelöset. – Wir empfangen den Befehl! Wie er gesprochen, also wollen wir thun!«

Erstaunt, empört und entsetzt über das, was er gesehen und gehört, entfernte sich Morton aus dem Kreise und verließ die Hütte. Ihm folgte Burley, der seine Bewegungen beobachtete.

»Wohin geht Ihr?« fragte er, ihn beim Arme fassend.

»Wohin es sei, gilt mir gleich, aber hier bleib ich nicht länger.«

»Bist Du so bald ermattet, junger Mann?« sagte Burley. »Kaum, daß Du die Hand an den Pflug gelegt, willst Du ihn schon wieder verlassen? Ist das Deine Anhänglichkeit an die Sache Deines Vaters?«

»Keine Sache,« erwiderte Morton unwillig, »keine Sache kann gelingen, die so geleitet wird. Die eine Partei erklärt sich für die Raserei eines blutdürstigen Tollhäuslers; ein anderer Führer ist ein scholastischer Pedant; ein dritter,« hier hielt er ein und sein Gefährte ergänzte den Satz, »ist ein verzweifelter Mörder, wie John Balfour von Burley, wolltest Du sagen. – Ich kann Mißdeutung ohne Zorn ertragen. Du erwägst nicht, daß es keine Menschen von nüchternen, selbstsüchtigen Gemüthern sind, die da aufstehen in diesen Tagen des Zornes, Gericht zu halten und die Befreiung durchzuführen. Hättest Du nur die Heere von England gesehen während des Parlaments von 1640, deren Reihen gefüllt waren mit Sektirern und Schwärmern, unbändiger als die Wiedertäufer von Münster, Du würdest mehr Ursache gehabt haben, Dich zu verwundern, und doch waren diese Leute unbesiegbar im Felde und ihre Hände haben Wunder verrichtet für die Freiheit des Landes.«

»Aber ihre Angelegenheiten,« erwiderte Morton, »wurden klug geleitet, und die Gluth ihres Eifers erschöpfte sich in ihren Ermahnungen und Predigten, ohne Spaltungen in ihren Rath oder Grausamkeit in ihre Handlungen zu bringen. Ich habe dies oft meinen Vater behaupten und ihn erklären hören, über nichts habe er sich mehr gewundert als über den Contrast zwischen ihren ausschweifenden Religionsbegriffen und der Weisheit und Mäßigung, mit welcher sie häusliche und militärische Angelegenheiten leiteten. Aber unsere Rathsversammlungen scheinen nur ein chaotisches Durcheinander.«

»Du mußt Geduld haben, Heinrich Morton,« antwortete Burley; »Du mußt nicht die Sache Deiner Religion und Deines Vaterlandes verlassen wegen eines wilden Wortes oder einer ausschweifenden Handlung. Hör mich an! Ich habe bereits die Bedächtigen unserer Freunde überzeugt, daß der Rathgeber zu viel sind, und daß wir nicht erwarten können, die Midianiter würden durch eine so große Anzahl uns überliefert werden. Sie haben auf meine Stimme gehört, und bald werden unsere Versammlungen auf eine solche Zahl beschränkt sein, daß wir gemeinsam berathschlagen und handeln können; da sollst Du nun eine freie Stimme haben, sowohl über die Kriegsangelegenheiten, als in der Beschützung derer, denen Gnade erzeigt werden soll. – Bist Du zufrieden?«

»Sicherlich wird es mich freuen,« antwortete Morton, »durch Vermittelung zur Milderung des schrecklichen Bürgerkrieges beizutragen, und ich werde den Posten ausfüllen, den ich übernommen, bis ich Maßregeln ergreifen sehe, gegen die mein Gewissen sich empört. Aber zu blutigen Hinrichtungen nach erflehter Gnade, zu Metzeleien ohne Verhör werde ich nie meine Zustimmung geben, ja Ihr könnt darauf rechnen, daß ich mich mit Herz und Hand widersetzen werde, wenn sie von unsern eigenen Leuten begangen werden, ebenso wie wenn sie das Werk des Feindes sind.«

Balfour bewegte ungeduldig seine Hand.

»Du wirst finden,« sagte er, daß das widerspenstige, hartherzige Geschlecht, mit dem wir es zu thun haben, mit Skorpionen gezüchtigt werden muß, ehe sein Herz gedemüthigt wird, und ehe es die Strafe für seine Sünden empfängt. Das Wort ist gegen sie ergangen: »Ich will ein Schwert über euch bringen, das da rächen soll den Streit meines Bundes.« Aber was gethan wird, soll ernst gethan werden und mit Vorsicht, wie der würdige Jacob Melvin handelte, da er Gericht hielt über den Tyrannen und Unterdrücker, den Kardinal Beaton.«

»Ich gestehe,« erwiderte Morton, »daß ich noch mehr Abscheu gegen kaltblütige, vorherbedachte Grausamkeit fühle, als gegen das, was in der Gluth des Eifers und des Zornes ausgeführt wird.«

»Du bist noch ein Jüngling,« entgegnete Balfour, »und hast noch nicht gelernt, wie leicht in der Wagschale einige Tropfen Blutes sind im Vergleich mit dem Gewicht und der Bedeutung dieses großen Zeugnisses im Volke. Aber fürchte nicht, Du selbst sollst in diesen Dingen stimmen und richten, und vielleicht werden wir wenig Veranlassung zum Streit finden.«

Mit diesem Versprechen mußte sich Morton für den Augenblick begnügen, und Burley verließ ihn mit dem Rathe, sich niederzulegen, da das Heer wahrscheinlich früh am Morgen aufbrechen werde.

»Und Ihr,« sagte Morton, »geht Ihr nicht auch zur Ruhe?«

»Nein,« sagte Burley, »meine Augen dürfen noch nichts von Schlummer wissen. Dies ist kein leicht zu vollbringendes Werk. Ich muß noch den Ausschuß der Führer wählen lassen und will Euch bei Zeiten rufen, damit Ihr der Berathung beiwohnt.«

Er ging und überließ Morton der Ruhe.

Der Ort, an dem er sich befand, war zur Ruhe nicht ungeeignet, da es ein gegen den Wind gedeckter Winkel unter einem großen Felsen war. Ein Haufen Moos, mit dem man den Boden bedeckt hatte, bildete ein Lager, das weich genug für den war, der so viel Drangsal und Sorgen erduldet. Morton hüllte sich in den Reitermantel, den er noch immer trug, streckte sich nieder und überließ sich noch lange melancholischen Betrachtungen über den Zustand des Landes und über seine eigene Lage, bis ihn ein tiefer und gesunder Schlaf von denselben befreite.

Die übrigen Krieger schliefen in zerstreuten Gruppen auf dem Boden, denn sie hatten sich auf dem Schlachtfelde Lagerstätten gewählt, wo sie am besten Schutz und Bequemlichkeit fanden. Einige der vornehmsten Anführer blieben auf und hielten noch Berathungen mit Burley; mehrere Wachtposten waren ausgestellt, die sich dadurch munter erhielten, daß sie Psalmen sangen oder den Andachtsübungen derjenigen zuhörten, die mit höheren Gaben ausgerüstet waren.


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