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Neununddreißigstes Kapitel.

Viele, die bei dem beschriebenen Verhör zugegen waren, hielten es für wahrscheinlich, daß der Streit, der zwischen dem Oberrichter und dem Sachwalter der Krone entstanden zu sein schien, aus einem geheimen Verständniß hervorgehen mochte, das zur Absicht hatte, die Anklage fruchtlos zu machen. Aber der große Haufe, der vor den Thüren wartete, betrachtete die Verbindung zwischen dem Richter und dem Generalfiscal zur Rettung der Gefangenen in einem ganz andern Lichte.

Oates, den weniger Aufreizung, als er diesen Tag erfahren hatte, oft verleitete, sich wie ein Wüthender in seiner Leidenschaft zu betragen, stürzte sich unter die Menge, und wiederholte, bis er heiser war: »Sie ersticken das Comploot! – sie unterdrücken das Comploot! – Der Herr Oberrichter und der Herr Fiscal sind im Bunde mit einander, die Entwischung der Verschwörer und Papisten in's Werk zu setzen! –«

»Das ist der Anschlag der papistischen Hure von Portsmouth,« sagte Einer.

»Des alten Rowley selber,« sagte ein Anderer.

»Wenn er durch sich selber ermordet werden könnte, warum soll man die aufhängen, die es hindern wollten?« sagte ein Dritter.

»Er sollte gerichtet werden,« sagte ein Vierter, »daß er sich zu seinem eigenen Tode verschwört, und erhängt zur Abschreckung.«

Unterdessen verließen Ritter Peveril, sein Sohn und der Zwerg den Saal, um nach der Wohnung der Lady Peveril zu gehen. Sie war (wie der Ritter seinem Sohne sagte) durch einen Engel, in Gestalt einer jungen Freundin, aus großer Angst befreit worden, und erwartete sie nun ohne Zweifel mit Ungeduld. Menschenfreundlichkeit bewog den Ritter, den Zwerg zu bitten, mit ihnen zu gehen.

Unterdessen verstärkte sich der Tumult, und unter den Verwegenen fing das Geschrei an sich zu verbreiten: »Schlagt sie todt, schlagt sie todt.«

Julian fing ziemlich unruhig zu werden an, und bedauerte, daß sie nicht den Weg zur Stadt zu Wasser genommen hatten. Es war nun zu spät auf diese Art des Rückzugs zu denken, und er bat daher seinen Vater heimlich, geradezu und standhaft nach Charingcroß zu gehen, ohne sich um die Beleidigungen, die ihnen etwa zugefügt werden möchten, zu bekümmern, während die Festigkeit ihres Schrittes und ihres Betragens den Pöbel von wirklichen Gewaltthätigkeiten abhalten dürfte. Die Ausführung dieser klugen Entschließung aber wurde, nachdem sie bei dem Schlosse vorbei waren, durch das heftige Temperament des Ritter Peveril und das nicht minder cholerische Naturell Gottfried des Kleinen verhindert.

»Nun der Henker hole die Schurken mit ihrem Geschrei und Gespötte!« sagte der Ritter; »so wahr ich lebe, wenn ich nur eine Waffe haben könnte, ich wollte ihnen Vernunft und Treue in ihre Knochen einprügeln.«

»Und ich auch,« sagte der Zwerg, der sich abmühte, mit seinen Gefährten gleichen Schritt zu halten, und daher in keuchendem Tone sprach. »Auch ich will die pöbelhaften Schurken über die Maaßen durchprügeln.«

Unter dem Haufen, der sich um sie herdrängte, sie aufhielt, und, bis auf den wirklichen Angriff, sich Alles gegen sie erlaubte, war ein schadenfroher Schuhmacherlehrling, der, als er die Prahlerei des tapfern Zwergs hörte, ihn zur Vergeltung, mit einem Stiefel, den er nach Hause zu dem Besitzer tragen wollte, auf den Kopf schlug, so daß dem kleinen Mann der Hut über die Augen fuhr. Der Zwerg, so außer Stand gesetzt, den Buben, der ihn so beleidigt hatte, zu entdecken, stürzte mit instinktmäßigem Ehrgeize auf den dicksten Kerl in dem Haufen los; dieser empfing aber den Anfall mit einem Stoß auf dessen Unterleib, und der kleine Held taumelte zu seinen Gefährten zurück. Sie wurden nun von allen Seiten angefallen; aber das dem Wunsche Ritter Gottfrieds günstige Glück fügte es, daß das Gefecht an der Bude eines Messerschmieds vorfallen mußte, unter dessen öffentlich ausgestellten Waaren Gottfried Peveril ein breites Schwert ergriff, welches er nun mit der Gewandtheit eines Mannes um sich schwang, der manchen Tag mit der Handhabung einer solchen Waffe sich vertraut erwiesen hatte. Julian, der zu gleicher Zeit laut nach einem Polizeidiener rief, und den Angreifenden vorstellte, daß sie unschuldige Vorübergehende anfielen, wußte nichts Besseres zu thun, als dem Beispiele seines Vaters zu folgen, und ergriff auch eine von den Waffen, die sich so gelegen darboten.

Bei diesen Demonstrationen zur Vertheidigung, war der Andrang des Pöbels so stark, daß der unglückliche Zwerg niedergeworfen wurde, und in dem Getümmel zu Tode getreten worden wäre, wenn nicht sein rüstiger alter Namensvetter mit einigen Hieben den Schwarm um ihn her vertrieben, sich des gefallenen Kämpfers bemächtigt, und ihn (Wurfwaffen ausgenommen) dadurch außer Gefahr gebracht hätte, daß er ihn oben auf das platte hölzerne Dach der vorragenden Bude des Waffenschmieds setzte.

Steine und Stöcke fingen nun an in Menge umher zu fliegen, und der Haufen schien, ungeachtet der Bemühungen der beiden Peverile, ihn mit so wenig Verletzung als möglich zu zerstreuen, auf seinen Gewaltthätigkeiten zu bestehen, als einige Herren, die dem Verhör beigewohnt hatten, bei der Wahrnehmung, daß die eben befreiten Gefangenen in Gefahr wären vom Pöbel ermordet zu werden, ihre Schwerter zogen, und ihre Rettung zu bewirken suchten, bis eine kleine Compagnie der königlichen Leibgarde, die auf erhaltene Nachricht von ihrem gewöhnlichen Wachtposten abgeschickt war, ihre Befreiung vollendete.

Der Messerschmied, von dessen Waaren sie so freien Gebrauch machten, bot ihnen einen Zufluchtsort bei seinem Hauswirth an, an dessen Hause sein Laden stand, und gab ihnen freundlich zu verstehen, er hoffte, die Herren würden ihn wegen des Gebrauchs seiner Waffen bedenken. Julian überlegte schnell, ob sie klüglich die Einladung dieses Mannes annehmen sollten, wohl aus Erfahrung wissend, wie vielerlei List damals zwischen zwei streitenden Parteien angewandt wurde, als der Zwerg seine gebrochene Stimme auf's Aeußerste anstrengend, sie ermahnte, das Anerbieten des Mannes anzunehmen. »Er selbst,« sagte er, als er sich, nach dem glorreichen Siege, an dem er einigen Antheil hatte, zur Ruhe setzte, »sei mit einer holdseligen Erscheinung beglückt worden, zu glänzend, um gemeinen und bloß sterblichen Ohren beschrieben zu werden, die ihm aber mit einer Stimme, der sein Herz wie einem Trompetenschall entgegengeklopft, befohlen habe, bei dem Hausbesitzer Zuflucht zu nehmen, und seine Freunde zu dem Nämlichen aufzufordern.«

»Erscheinung!« sagte der Ritter vom Gipfel, – »Trompetenschall! – der kleine Mann hat den Verstand verloren.«

Aber der Messerschmied erklärte ihnen in größter Eile, ihr kleiner Freund habe von einem Frauenzimmer seiner Bekanntschaft, die aus dem Fenster sprach, während er auf der Bude stand, die Mittheilung erhalten, sie würden einen sichern Zufluchtsort bei seinem Hauswirth finden, und machte sie zugleich auf ferneres Geschrei aufmerksam, zum Beweise, daß der Pöbel noch im Aufruhr wäre, und bald mit verstärkter Gewalt und Anzahl gegen sie losbrechen würde.

Vater und Sohn dankten daher eilig dem Officier und seiner Compagnie, so wie den andern Herren, die freiwillig zu ihrem Beistande gekommen waren, hoben den kleinen Gottfried Hudson von seinem erhabenen, während des Scharmützels so rühmlich behaupteten Posten, und folgten dem Inhaber der Bude, der sie einen dunkeln Gang hinab und durch einige Höfe führte, im Fall, wie er sagte, Jemand sie belauern möchte, wo sie hinschlüpften, und so in eine Hinterthüre begleitete. Dieser Eingang brachte sie an eine sorgfältig mit Strohmatten gegen die Feuchtigkeit bedeckte Treppe, von deren oberster Stufe sie in ein ziemlich großes Zimmer traten, das mit grobem, grünem, mit vergoldetem Leder eingefaßten Serge behängt war, dessen sich damals die ärmeren Bürger statt der Tapeten oder des Tafelwerks bedienten.

Hier empfing der Messerschmied von Julian eine solche Belohnung für die geliehenen Schwerter, daß er dieselben den Herren, die sie so gut gebraucht hatten, edelmüthig überließ; »um so lieber,« sagte er, »da er aus der Art, wie sie ihre Waffen führten, wohl sähe, daß sie Männer von Muth, und rüstige Leute wären.«

Hier lächelte der Zwerg höflich, verbeugte sich, und steckte zugleich die Hand in seine Tasche, zog sie jedoch nachlässig wieder heraus, wahrscheinlich, weil er fand, daß er nicht im Stande war, sich mit einer kleinen Gabe, wie er wollte, abzufinden.

Der Messerschmied entfernte sich, während der Zwerg ihm die Treppe hinab nachschrie, er möchte ihn bald besuchen, und mit einem längern und zum Gefechte tauglichern Schwerte versehen, obgleich (sagte er) die kleine Waffe, die er hatte, zu einem Spazierdegen, oder in einem Scharmützel mit solchem Pöbel, als mit dem sie zu thun gehabt, ziemlich gute Dienste gethan hätte.

Jener kam auf diese Erinnerung zurück, und ließ sich willig finden, den kleinen Mann mit einer für seine Seelengröße passendern Waffe zu bedienen; darauf sagte er, als wäre ihm der Gedanke plötzlich eingefallen: »Aber meine Herren, es wird nur Aufsehen machen, wenn Ihr mit Euren bloßen Schwertern über den Strand gehet, und es dürfte leicht den Pöbel wieder in Aufruhr bringen. Ist es Euch gefällig, indessen hier zu bleiben, bis ich die Klingen mit Scheiden versehe?«

Der Vorschlag schien so vernünftig, daß Julian und sein Vater ihre Waffen dem freundlichen Messerschmied übergaben, und der Zwerg folgte, nach augenblicklichem Bedenken, ihrem Beispiel. Der Messerschmied ging mit den Waffen unter dem Arm fort; und beim Zumachen der Thüre hörten sie den Schlüssel drehen.

»Hörtest du das?« sagte Ritter Gottfried zu seinem Sohn; »und wir sind entwaffnet.«

Julian untersuchte, ohne zu antworten, die Thüre, welche fest verschlossen war; und sah dann nach den Fenstern, die einen Stock hoch vom Boden und außerdem mit Eisen vergittert waren. »Ich kann nicht glauben,« sagte er nach einer Pause, »daß der Kerl uns überlisten will; und auf alle Fälle, hoff' ich, werden wir keine Schwierigkeit haben, die Thüre zu sprengen, oder sonst einen Ausweg zu finden. Aber, ehe wir zu solchen gewaltsamen Maaßregeln greifen, denk' ich, ist es besser, dem Pöbel Zeit zu lassen, sich zu zerstreuen, indem wir warten, bis der Mann mit unsern Waffen in einer annehmlichen Zeit zurückkommt; und, erscheint er nicht wieder, so hoff' ich, wir werden es nicht sehr schwer finden, uns zu befreien.« Als er so sprach, wurden die Tapeten auf die Seite geschoben, und aus einer hinter derselben verborgenen schmalen Thüre trat Major Bridgenorth in die Stube.



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