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Zehntes Kapitel.

Hin ist sein Leben! Glüh'nde Leidenschaft,
Lebhafte Neigung, der Gedanken Spiel,
Empfindung äuß'rer Uebel, inn'ren Gram's;
Entflohn ist Alles aus dem blassen Leichnam.
Was einstens handelte, sprach, dachte, litt,
Ist jetzt durch mich 'ne grausige Gestalt
Von blutbeflecktem Fleisch und wird nun bald
Der edle Fraß von Würmern.

Altes Schauspiel.

Ich glaube, Wenige, die Glück im Zweikampf hatten, (wenn das Wort Glück bei einem so unseligen Vortheil angewandt werden darf) haben ihren todten Gegner zu ihren Füßen niedergestreckt gesehen, ohne den Wunsch, mit ihrem eignen Blute dasjenige wieder zu erkaufen, welches zu vergießen ihnen beschieden war. Am allerwenigsten konnte Gleichgültigkeit die Sache eines jungen Menschen sein, wie Halbert Glendinning, welcher, des Anblicks von Menschenblut ungewohnt, nicht nur mit Schmerz, sondern auch mit Schrecken erfüllt ward, als er Herrn Piercie Shafton vor sich auf dem Rasen liegen sah, Blut aus dem Munde ausströmend, als würde es ausgepumpt. Er warf sein blutiges Schwert auf den Boden, knieete nieder, suchte ihn aufzurichten und bemühte sich, jedoch vergebens, seine Wunde zu verstopfen, welche mehr innerlich als äußerlich zu bluten schien.

Der unglückliche Ritter sprach von Zeit zu Zeit, wenn die Ohnmacht es ihm verstattete, und seine Worte, so weit sie vernehmlich waren, beurkundeten noch immer sein gezwungenes und geziertes Wesen, aber keineswegs eine unedle Gesinnung.

»Höchst ländlicher Jüngling,« sprach er, »dein Glück hat obgesiegt über ritterliche Geschicklichkeit – und Verwegenheit hat Herablassung überwunden, gleichwie der Geier auch jezuweilen wohl auf den Edelfalken stößt und ihn stürzt. – Fliehe und rette dich! – Nimm meine Börse – sie befindet sich in der unteren Tasche meiner fleischfarbenen Hosen – sie ist der Mühe werth für einen Bauern, sie zu nehmen. Sorge, daß mein Felleisen mit meinen Kleidern in das Kloster S. Marien geschickt werden« – (hier ward seine Stimme schwach und Besinnung und Gedächtniß schienen schwinden zu wollen) – »Ich vermache die geschlitzte Sammetjacke mit dergleichen engen Hosen – zum – oh! – Besten meiner Seele.«

»Seid getrost, Herr Ritter,« sprach Halbert außer sich vor Leid und Reue. »Ich hoffe, Ihr sollt noch genesen. Ach wenn doch ein Arzt da wäre!«

»Wären zwanzig Aerzte da, o großmüthige Verwegenheit – und das wäre ein ernstes Schauspiel – sie würden mir das Leben nicht fristen – es schwindet eilends. Empfehle mich der ländlichen Nymphe, die ich meine Verständigkeit nannte. O Claridiana, wahre Beherrscherin dieses blutenden Herzens – welches nun in bitterem Ernste blutet! Lege mich der Länge nach auf den Boden, höchst ländlicher Sieger, geboren zu verlöschen den Stolz des strahlenden Lichtes des glückseligsten Hofes von Felicia. – O Heilige und Engel – Ritter und Frauen – Maskeraden und Theater – sinnreiche Sprüche – Kettenarbeit und Stickerei – Liebe, Ehre und Schönheit!« – – –

Während er diese letzten Worte flüsterte, welche ihm gleichsam unbewußt entschlüpften bei der Erinnerung an die Herrlichkeiten des englischen Hofes, streckte der ritterliche Herr Piercie Shafton seine Glieder aus, ächzte tief, schloß die Augen und regte sich nicht mehr.

Der Sieger raufte sich das Haar vor Schmerz, als er das blasse Antlitz seines Opfers betrachtete. Das Leben, dachte er, dürfte noch nicht entflohen sein, allein ohne bessere Hülfe, als die seinige, sah er nicht ab, wie es erhalten werden konnte.

»Warum,« rief er in vergeblicher Reue aus, »warum habe ich ihn zu einem so traurigen Ende gebracht! O Gott, hätte ich doch lieber den ärgsten Hohn ertragen, den ein Mensch von dem andern erdulden kann, als so das blutige Werkzeug dieser blutigen That zu werden! – Zwiefach verflucht sei dieser unheilvolle Ort, welchen ich zum Kampfplatz gewählt habe, obwohl ich wußte, daß hier eine Hexe oder ein Teufel spukt! An jedem anderen Ort wäre Hülfe zu erlangen gewesen durch Schnelle des Fußes oder durch Erhebung der Stimme, – aber hier ist Niemand ausfindig zu machen, Niemand, der mein Rufen hörte, ausgenommen der böse Geist, welcher durch seinen Rath dieß Unheil herbeigeführt hat. Es ist jetzt nicht ihre Stunde – dennoch will ich den Zauber versuchen, und wenn sie mir helfen kann, so soll sie es, oder sie soll erfahren, was ein Wahnsinniger vermag, selbst gegen Wesen einer anderen Welt!«

Er schleuderte seinen blutigen Schuh vom Fuße und sprach die dem Leser bekannte Zauberformel. Allein es ließ sich Nichts sehen noch hören. In der Ungeduld seiner Verzweiflung und mit der ihm eigenthümlichen Verwegenheit schrie der Jüngling: »Hexe – Zauberin – Teufel! – bist du taub gegen meinen Hülferuf, und so bereit, zu erscheinen und Antwort zu geben auf den Ruf nach Rache? Erscheine und sprich zu mir, oder ich will deine Quelle verschütten, deinen Eichenbusch ausreißen und deine Stätte so öde machen, wie dein heilloser Rath mein Herz verödet hat!« Dieser rasende Ausruf ward unterbrochen durch ein Holloh vom Eingang der Höhle her. »Nun, gelobt sei Unsere Liebe Frau,« sprach er und befestigte eilends seinen Schuh am Fuße; »ich höre die Stimme eines Menschen, welcher mir vielleicht in dieser schrecklichen Noth rathen und helfen kann.«

Nachdem er seinen Schuh angezogen, eilte er fort und rief von Zeit zu Zeit Holloh als Antwort auf den Ruf, welchen er gehört hatte. Er rannte die unebene Höhle hinab mit der Schnelligkeit eines gehetzten Hirsches, als ob vor ihm das Paradies wäre, hinter ihm die Hölle mit ihren Furien, und als ob seine ewige Seligkeit oder Verdammniß von seiner Eile abhingen. In unglaublich kurzer Zeit, wie es nur einem Bergschotten möglich war, und einem Menschen, dessen Nerven durch den leidenschaftlichsten Eifer gespannt waren, erreichte er den Eingang der Höhle, durch welchen das Bächlein der Corrie-nan-schian in den Bach des Thales von Glendearg ausmündet.

Hier machte er Halt, blickte umher, aufwärts und abwärts in der Schlucht, bemerkte aber keine menschliche Gestalt. Sein Herz verzagte. Aber die Krümmungen der Schlucht hinderten die Fernsicht, und der Mensch, dessen Stimme er gehört hatte, konnte demnach in der Nähe sein, ohne daß er ihn sah. Die Zweige eines Eichbaumes, welcher aus einem Felsen hervorgewachsen war, boten seiner Entschlossenheit, Besonnenheit und Gewandheit das Mittel einen Hochpunkt zu erklimmen, obwohl der Weg dahin von der Art war, daß die Meisten davor zurückgebebt haben würden. Aber mit einem Sprung erfaßte er den niedrigsten Zweig, schwang sich hinauf in den Baum und eine Minute später war er auf der Spitze des Felsens, von welcher aus er die Gestalt eines, die Schlucht herabkommenden Menschen erspähte. Es war nicht die Gestalt eines Hirten oder Jägers oder sonst eines Menschen, wie sie durch diese Wildniß zu gehen pflegten, besonders vom Norden her, wo, wie der Leser sich erinnern wird, ein weitläufiger gefährlicher Morast lag, in welchem der Bach entsprang.

Halbert indeß verlor keine Zeit mit Ueberlegen, wer der Wanderer und was der Zweck seiner Reise sein möchte. Zu wissen, daß er ein menschliches Wesen sah, zu denken, daß er in seiner Noth Rath und Beistand von einem Mitgeschöpf empfangen könnte, war ihm für den Augenblick genug. Er sprang von dem Gipfel des Felsens in den Baum, dessen Aeste in die Luft hinaushingen, und dessen Wurzeln in der Felsspalte ruhten. Den nächsten Zweig fassend, ließ er sich von der beträchtlichen Höhe hinabfallen, und so groß war die Federkraft seiner jugendlichen Glieder, daß er nicht unsanfter und eben so unversehrt auf dem Boden anlangte, wie der herabschießende Falke.

Sich wieder in vollen Lauf von dem oberen Theil der Schlucht setzen, war das Werk eines Augenblickes. Um eine Ecke nach der anderen bog er neben den Krümmungen des Baches herum, und immer wollte sich die Gestalt noch nicht zeigen, welche er suchte. Er begann zu fürchten, die aus der Ferne gesehene Erscheinung möchte in der Luft verschwunden und entweder ein Trug seiner Einbildungskraft oder eine Täuschung der im Thal spukenden Elementargeister gewesen sein. Endlich beim Umbiegen um einen gewaltigen Felsen erblickte er zu seiner unaussprechlichen Freude gerade vor sich und in ganz geringer Entfernung einen Menschen, dessen Kleidung nach einem flüchtigen Blick ihm die eines Pilgers zu sein schien.

Es war ein bejahrter Mann mit einem langen Bart, einem großen Hut mit niederhängenden Krämpen ohne Band noch Verzierung auf dem Kopfe. Sein Gewand war ein Leibrock von schwarzem Rasch, mit einem die Arme bedeckenden Kragen. Auf dem Rücken trug er eine Tasche und eine Flasche, in der Hand einen derben Stock. Sein Schritt war schwach, wie der eines erschöpften Wanderers.

»Grüß' Euch Gott!« redete der Jüngling ihn an. »Gott und Unsere Liebe Frau haben Euch zu meinem Beistand hergeführt.«

»Und worin kann ein so schwaches Geschöpf, wie ich, Euch dienen?« fragte der Greis, nicht wenig betroffen, sich so angeredet zu finden von einem hübschen Jüngling mit gestörten Zügen, glühendem Gesicht, blutbefleckten Händen und Kleidern.

»Ein Mann blutet sich zu Tode hier in dem Thal, ganz in der Nähe. Kommt mit mir – kommt mit mir! Ihr seid bejahrt – Ihr habt Erfahrung – Ihr seid wenigstens bei Sinnen – ich habe fast den Verstand verloren.«

»Ein Mann? – zu Tode blutend? – hier an diesem einsamen Ort?« fragte der Fremde.

»Haltet Euch nicht auf mit Fragen, Vater,« sprach der Jüngling, »sondern eilt, ihn zu retten. Folgt mir – folgt mir, ohne einen Augenblick zu verlieren.«

»Nein, mein Sohn,« versetzte der Greis, »wir folgen nicht so leichthin Führern, welche uns inmitten einer gräulichen Wildniß aufstoßen. Ehe ich dir folge, mußt du mir deinen Namen, deine Absicht und die Veranlassung sagen.«

»Dazu ist keine Zeit,« rief Halbert; »ein Menschenleben steht auf dem Spiel, du mußt mitkommen, zu helfen, oder ich schleife dich hin!«

»Nein, das ist nicht nöthig,« sprach der Reisende; »wenn es wirklich so ist, wie du sagst, dann will ich dir folgen, zumal da ich nicht ganz unerfahren in der Heilkunde bin, und in meiner Tasche Etwas habe, was deinem Freunde wohl thun kann. Aber, ich bitte, gehe langsamer, denn ich bin von der Reise gänzlich erschöpft.«

Mit der Ungeduld eines feurigen Rosses, welches der Reiter nöthigt, mit einem trägen Karrengaul auf der Landstraße Schritt zu halten, begleitete Halbert den Wanderer, verzehrt von Angst, welche er seinem Gefährten zu verhehlen suchte, um dessen augenscheinliches Mißtrauen nicht noch zu vermehren. Als sie die Stelle erreichten, wo der Weg aus der Hauptschlucht in die Corrie einbog, machte der Reisende bedenklich Halt, als ob er nicht geneigt wäre, den breiteren Weg zu verlassen.

»Junger Mensch,« sagte er, »wenn du Unheil gegen diese grauen Haare im Schilde führst, wirst du wenig durch deine Grausamkeit gewinnen – ich habe keine irdischen Schätze, welche Räuber und Mörder anlocken könnten.«

»Und ich,« versetzte der Jüngling, »bin weder das Eine noch das Andere – und doch – Gott im Himmel! könnte ich ein Mörder sein, wenn Eure Hülfe nicht zeitig genug für den verwundeten Unglücklichen erscheint.«

»Also so ist es?« sprach der Wanderer. »Stören menschliche Leidenschaften die Ruhe der Natur selbst in ihrer tiefsten Einsamkeit? – Doch was wundere ich mich, daß, wo Finsterniß wohnt, die Werke der Finsterniß wuchern? – An seinen Früchten erkennt man den Baum. – Gehe voran, unglücklicher Jüngling; ich folge dir!«

Und gutwilliger, als bisher, strengte sich der Wanderer an, seine eigne Müdigkeit vergessend, mit seinem ungeduldigen Führer Schritt zu halten.

Wie groß war Halberts Erstaunen, als er bei seiner Ankunft auf dem verhängnißvollen Platze nirgends Etwas von Herrn Piercie Shafton erblickte! Die Spuren des Kampfes waren freilich noch zu sehen: der Rasen war vielfach von Blut geröthet, da, wo der Ritter gelegen hatte. Auch sein Wams lag noch auf derselben Stelle, wo er es hingelegt hatte. Dagegen war sein Mantel ebensowohl wie sein Körper verschwunden.

Während Halbert voll Staunen und Schrecken umherblickte, fielen seine Augen auf das Grab, welches vor Kurzem ein Opfer anzugähnen geschienen hatte. Es war nicht mehr offen, sondern schien den erwarteten Besitzer aufgenommen zu haben. Es erhob sich über ihm ein kleiner Hügel, sorgfältig mit den Rasenstücken bedeckt wie von der Hand eines geschickten Todtengräbers. Halbert stand wie versteinert da. Der Gedanke drang sich ihm auf, daß der Erdhügel vor ihm Dasjenige bedeckte, was noch vor Kurzem ein lebendes, sich bewegendes und empfindendes Mitgeschöpf gewesen war, welches, in Folge einer unbedeutenden Reizung seine verbrecherische Hand dem Erdenklos des Thales gleichgemacht hatte, und so kalt und gefühllos, wie der Rasen, welcher es deckte. Die Hand, welche das Grab ausgestochen, hatte ihr Werk vollendet. Wessen Hand anders konnte es sein, als die des geheimnißvollen Wesens, welches seine Unbesonnenheit angerufen und welchem er verstattet hatte, in sein Schicksal einzugreifen?

Während er so dastand mit verschlungenen Händen und emporgerichteten Augen, bitterlich seine Uebereilung bereuend, ward er aus seinem Nachsinnen aufgeweckt durch die Stimme des Fremden, dessen Argwohn von Neuem erweckt worden war dadurch, daß er den Schauplatz ganz anders fand, als Halbert ihn hatte erwarten lassen. »Junger Mann,« sagte er, »hast du auf deine Zunge den Köder der Tücke gelegt, um vielleicht nur ein paar Tage von dem Leben eines Greises zu rauben, den die Natur bald heimrufen würde, ohne daß du die Schuld auf dich lüdest, seine Fahrt zu beschleunigen?«

»Beim heiligen Himmel! – bei Unserer Lieben Frauen!« rief Halbert.

»Schwöre nicht!« unterbrach ihn der Fremde, »weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Stuhl, noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel, noch bei den Geschöpfen, welche er gemacht hat, denn sie sind nur Staub und Erde, wie wir. Laß dein Ja Ja sein und dein Nein Nein. Sage mir mit einem Wort, warum und zu welchem Ende hast du ein Mährlein erdichtet, um einen verirrten Wanderer noch weiter von seinem Wege abzuleiten?«

»So wahr ich ein Christenmensch bin,« antwortete Halbert, »ich habe ihn hier in seinem Blute schwimmend zurückgelassen – und jetzt sehe ich ihn nirgends mehr. Ich fürchte sehr, das Grab, welches du hier siehst, hat seine sterbliche Hülle aufgenommen.«

»Wer ist denn der,« fragte der Unbekannte, »um dessen Schicksal du so besorgt bist? Und wie ist es möglich, daß dieser verwundete Mann von diesem einsamen Platze weggebracht, oder daß er hier beerdigt worden wäre?«

»Sein Name,« versetzte der Jüngling, nachdem er sich einen Augenblick besonnen, »ist Piercie Shafton – hier, an dieser Stelle habe ich ihn in seinem Blute zurückgelassen, und welche Macht ihn von hier weggebracht hat, weiß ich so wenig, wie du.«

»Piercie Shafton?« wiederholte der Fremde; »Herr Piercie Shafton von Wilverton, ein Verwandter, wie es heißt, von dem großen Piercie von Northumberland? Wenn du ihn erschlagen hast, dann ist Rückkehr in das Gebiet des stolzen Abtes für dich eben so viel, wie deinen Hals dem Galgen zu überliefern. Er ist wohl bekannt, dieser Piercie Shafton, ein geschäftiges Werkzeug klügerer Verschwörer, ein tollkühner Handlanger bei Verräthereien – ein Kämpe des Papstes, benutzt wie ein verlorener Posten von schlaueren Köpfen, welche mehr Lust haben, Unheil zu stiften, als Muth, sich der Gefahr auszusetzen. – Komm mit mir, Jüngling, und rette dich vor den schlimmen Folgen dieser That. Führe mich auf Schloß Avenel und dein Lohn soll Schutz und Sicherheit sein.«

Halbert besann sich abermals und ging schnell mit sich zu Rathe. Es war nicht anders zu erwarten, als daß die Rache des Abtes für die Tödtung Shafton's, seines Freundes und Gastes, streng sein würde. Sonderbarer Weise hatte er bei Erwägung der verschiedenen Möglichkeiten, die er vor dem Kampf angestellt hatte, ganz vergessen, sich zu fragen, was er thun sollte, falls Herr Piercie durch seine Hand fiele. Kehrte er nach Glendearg zurück, so lud er sicherlich auf seine ganze Familie, Maria Avenel mit eingeschlossen, den Zorn des Abtes und der Mönche. Floh er hingegen, so ließ sich erwarten, daß der Unwille der Herrschaft lediglich auf ihn, als den Thäter, fiele. Halbert erwog dabei, daß der Subprior sich stets wohlwollend gegen die Familie, und besonders gegen Edward, gezeigt hatte, und daß er selber, von Glendearg entfernt, diesen würdigen Geistlichen von seiner Schuld benachrichtigen und seine mächtige Verwendung für die Seinen in Anspruch nehmen könne. Diese Gedanken fuhren ihm schnell durch den Kopf und bestimmten ihn zur Flucht. Die Gesellschaft des Unbekannten und die von demselben gegebene Verheißung von Schutz bestärkten ihn in seinem Entschluß. Nur konnte er die Einladung des Unbekannten, ihn nach Schloß Avenel zu begleiten und dort Schutz zu suchen nicht mit den Verhältnissen Julians, des gegenwärtigen unrechtmäßigen Besitzers dieser Burg, zusammenreimen. »Guter Vater,« sprach er, »ich fürchte, Ihr irrt Euch in dem Mann, bei welchem Ihr mich unterbringen wollt. Avenel hat Piercie Shafton nach Schottland geführt, und sein Knecht, Christie von Clinthill, hat den Südländer zu uns gebracht.«

»Das ist Alles ganz richtig,« versetzte der Greis. »Aber wenn du mir trauen willst, so wie ich dir getraut habe, so sollst du bei Julian von Avenel willkommene Aufnahme oder wenigstens Schutz finden.«

»Vater,« sprach Halbert; »ich kann freilich deine Worte schlecht mit dem zusammenreimen, was Julian Avenel gethan hat. Indeß liegt mir wenig an der Rettung meines verlorenen Lebens, und auf der andern Seite scheinen mir deine Worte die der Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit zu sein. Und da du dich vertrauensvoll meiner Führung überlassen hast, so will ich dein Vertrauen erwiedern und dich nach Schloß Avenel geleiten auf einem Weg, den du selber nie gefunden haben würdest.« Somit ging er voran, und der Greis folgte ihm, eine Zeitlang stillschweigend.



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