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Siebentes Kapitel.

Die Qualen lösche, die in's Hirn geschrieben,
Die Brust entled'ge jener gift'gen Last,
Die schwer das Herz bedrückt.

Macbeth.

Starr vor Kälte und Entsetzen stand der arme Küster vor seinem Oberen, gestützt auf den hülfreichen Arm des Klostermüllers, triefend vom Wasser und kaum im Stande, einen Laut hervorzubringen.

Nachdem er verschiedentlich versucht hatte, zu sprechen, waren seine ersten Worte:

»Schwimmen wir lustig, der Mond scheint hell.«

»Schwimmen wir lustig?« wiederholte der Abt unwillig; »eine lustige Nacht habt Ihr gewählt zum Schwimmen und einen passenden Gruß für Euren Obern.«

»Unser Bruder ist von Sinnen,« sprach Eustach. »Sprecht, Philipp, wie ist es mit Euch?«

»Glück auf zum Fischen!«

fuhr der Küster fort, indem er einen kläglichen Versuch machte, die Sangweise seiner wundersamen Gefährtin nachzuahmen.

»Glück auf zum Fischen?« wiederholte der Abt immer mehr verwundert und ärgerlich; »bei meinem Heiligthum, er ist betrunken, und kommt vor unsere Augen mit seinen lustigen Versen in der Kehle? Wenn Wasser und Brod seine Thorheit heilen kann – –«

»Mit Verlaub, ehrwürdiger Vater,« sprach der Subprior, »Wasser hat unser Bruder genug bekommen, und mir däucht, die Verwirrung in seinem Auge rührt eher von Schrecken her, als von irgend Etwas, das seinem Stande nicht ziemt. Wo habt Ihr ihn gefunden, Ruprecht Müller?«

»Erlauben Ew. Ehrwürden, ich wollte eben die Mühlschleuße zumachen, und wie ich so hinging, die Schleuße zuzumachen, da hört' ich Etwas in meiner Nähe ächzen, aber ich dachte, es wär' eins von den Schweinen des Gilg Fletcher – denn, mit Verlaub zu sagen, er macht nie sein Thor zu. Also nahm ich meinen Hebel, und wollte eben – Heilige Marie, vergieb mir – zuschlagen da, wo ich den Laut hörte; da wollten die Heiligen, daß ich das zweite Aechzen hörte, gerade wie von einem lebendigen Menschen. Also rief ich meine Knappen und fand den Pater Küster naß und besinnungslos an der Wand unseres Backofens liegen. Wie wir ihn ein bißchen zu sich gebracht hatten, bat er, wir möchten ihn zu Ew. Ehrwürden bringen; aber ich glaub', unterwegs muß es ihm im Kopf gewesen sein, als wenn eine Glocke darin nachschwirrte; erst hier hat er etwas verständlicher gesprochen.«

»Gut!« sprach Bruder Eustachius, »du hast wohl gethan, Ruprecht; jetzt geh' und merk' dir für ein ander Mal, daß du inne hältst, ehe du im Finstern zuschlägst.«

»Erlauben Ew. Ehrwürden,« sprach der Müller; »ich will mir's zur Lehre dienen lassen, nicht wieder einen heiligen Mann für ein Schwein zu halten, so lang' ich lebe.« Und er machte eine demüthige Verbeugung und entfernte sich.

»Und nun, da dieser Kerl fort ist, Pater Philipp,« hob Eustach an, »willst du unserm verehrten Oberen sagen, was dir fehlt? Bist du vino gravatus Von Wein beschwert.? Wenn das ist, wollen wir dich in deine Zelle bringen.«

»Wasser, Wasser, nicht Wein!« jammerte der Mönch mit schwacher Stimme.

»Nein,« sprach der Subprior, »wenn das deine Krankheit ist, kann Wein dich vielleicht heilen.« Und er reichte ihm einen Becher, welchen der arme Schelm sich trefflich wohl bekommen ließ.

»Und nun,« sagte der Abt, »laßt ihn die Kleider wechseln oder vielmehr laßt ihn in den Krankensaal bringen; denn es möchte unserer Gesundheit nachtheilig sein, ihn anzuhören, während er hier steht, dampfend wie ein bereiftes Feld.«

»Ich will sein Abenteuer hören,« sprach Eustach, »und Ew. Hochwürden Meldung thun.« Somit begleitete er den Küster in seine Zelle. In etwa einer halben Stunde kehrte er zum Abt zurück.

»Er kommt von Glendearg, Ehrwürdiger Herr,« berichtete Eustach. »Im Uebrigen erzählt er eine Mähr, wie sie seit langen Jahren in diesem Kloster nicht gehört worden ist.« Hierauf entwarf er dem Abt eine Skizze von des Küsters Abenteuern auf seinem Heimweg, und fügte hinzu, daß er eine Zeitlang geglaubt habe, derselbe sei geisteskrank, da er ihn in einem Athem habe singen, lachen und weinen hören.

»Wundersam däucht es Uns,« sprach der Abt, »daß dem Satan verstattet worden, dermaßen Hand an Einen Unserer Brüder zu legen.«

»Allerdings,« versetzte Pater Eustachius. »Aber für jeden Text gibt es eine Erläuterung; und ich argwohne, daß wenn die Netzung des Paters vom Bösen kommt, es vielleicht nicht ganz ohne seine Schuld geschehen ist.«

»Wie!« fuhr der Abt auf; »ich will nicht glauben, daß du bezweifelst, daß dem Satan in früheren Tagen verstattet worden ist, Trübsale über heilige Männer zu bringen, wie über den frommen Hiob?«

»Behüte Gott, daß ich es bezweifeln sollte,« sprach der Mönch, sich bekreuzend. »Allein, wenn des Küsters Erzählung sich auf eine Weise auslegen läßt, die weniger als wunderbar ist, dann halt' ich es für gerathen, diese Auslegung wenigstens in Betracht zu nehmen, wenn auch nicht dabei stehen zu bleiben. Nun hat dieser Ruprecht der Müller eine muntere Tochter. Angenommen – ich sage blos: angenommen, – der Küster traf sie an der Furt, da sie von ihres Oheims Hause jenseits zurückkam, – denn dort ist sie diesen Abend gewesen, – angenommen, daß er, aus Artigkeit und um ihr das Ausziehen von Strümpfen und Schuhen zu ersparen, sie hinter sich aufsitzen ließ und so mit herübernahm, – angenommen er trieb seine Vertraulichkeit weiter, als das Mädchen gestatten wollte – und wir können uns leicht weiter denken, daß diese Netzung die Folge davon war.«

»Uns dieses Mährlein erfunden, uns zu hintergehen?« rief der Obere mit zornglühendem Antlitz. »Das muß auf's Schärfste untersucht werden; nicht bei uns muß Pater Philipp hoffen, die Folgen seiner Uebelthaten für Werke des Satans auszugeben. Morgen entbiete der Dirne, vor Uns zu erscheinen – wir wollen untersuchen und wir wollen strafen.«

»Mit Gunst, Ew. Hochwürden,« entgegnete Eustach, »das wäre gar üble Politik. Wie unsere Sachen jetzt stehen, schnappen die Ketzer begierig jedes Gerücht auf, welches zur Verlästerung der Klerisei dient. Wir müssen dem Uebel entgegenwirken nicht bloß durch Schärfung der Kirchenzucht, sondern auch dadurch, daß wir die Stimme der Lästerung unterdrücken und ersticken. Wenn ich recht vermuthe, so wird des Müllers Tochter um ihrer selbst willen schweigen, und Ew. Hochwürden kann auch ihrem Vater und dem Küster Stillschweigen auferlegen. Gibt er nochmals Anlaß zur Entehrung seines Ordens, dann mag er mit Strenge gezüchtigt werden, aber im Geheimen. Denn was sagen die Decretale? Facinora ostendi dum punientur, flagitia autem abscondi debent Verbrechen müssen an den Tag gebracht werden, indem man sie bestraft; schimpfliche Handlungen aber müssen verborgen gehalten werden.

Ein lateinischer Satz that, wie Eustach wußte, oft große Wirkung bei dem Abt, weil ihm die Sprache nicht recht geläufig war, und er sich schämte, seine Unwissenheit zu gestehen. Hiermit schieden sie für diese Nacht.

Am folgenden Tag nahm Abt Bonifacius den Küster scharf in's Verhör wegen der wahren Ursache seines Mißgeschicks in der vorigen Nacht. Aber Philipp blieb fest bei seiner Aussage und widersprach sich nie in den Einzelheiten, obwohl seine Antworten dadurch unzusammenhängend waren, daß er zuweilen Stücke von dem Gesang der sonderbaren Jungfrau hineinmengte. Denn dieser hatte einen solchen Eindruck auf ihn gemacht, daß er ihn unwillkührlich zu wiederholten Malen im Lauf des Verhörs nachahmte. Der Abt hatte Mitleid mit der Schwäche des Küsters, die mit etwas Uebernatürlichem zusammenzuhängen schien, und kam am Ende zu der Ansicht, daß Eustach's natürliche Erklärung mehr scheinbar als richtig sei. Wir haben zwar das Abenteuer so erzählt, wie wir es niedergeschrieben finden, allein wir können nicht umhin, zu bemerken, daß im Kloster die Meinungen getheilt waren, und daß einige Brüder behaupteten, guten Grund zu haben zu der Annahme, daß des Müllers schwarzäugige Tochter doch am Ende hinter der ganzen Sache stecke. Welche Auslegung man aber auch gelten lassen wollte: darin stimmten Alle überein, daß die Geschichte zu spaßhaft klang, um sie ruchbar werden zu lassen. Deßhalb war dem Küster bei seinem Gelübde des Gehorsams auferlegt, nichts weiter von seiner Untertauchung zu erzählen, ein Gebot, welches er, nachdem er einmal sein Herz durch Erzählung seiner Geschichte erleichtert hatte, mit Freuden befolgte.

Die Aufmerksamkeit Eustach's ward viel weniger durch die Wundergeschichte des Küsters gefesselt, als durch dessen Angabe in Betreff des Buches, welches er aus dem Thurm von Glendearg mitgenommen hatte. Ein Abdruck der Bibel in der Landessprache hatte seinen Weg gefunden bis in das Grundgebiet der Kirche, und war entdeckt worden in einer der verborgensten und einsamsten Gegenden des Stiftes zu S. Marien.

Er verlangte angelegentlich das Buch zu sehen. Der Küster konnte ihm in diesem Stück nicht zu Willen sein, denn er hatte das Buch verloren, so viel er sich erinnerte, in dem Augenblick, wo das seiner Ansicht nach übernatürliche Wesen von ihm schied. Pater Eustachius begab sich in eigener Person an Ort und Stelle und suchte ringsum nach; allein seine Mühe war vergeblich. Er kehrte zu dem Abt zurück, und meldete, es müsse in den Fluß oder in den Mühlgraben gefallen sein; »denn,« setzte er hinzu, »ich kann nicht wohl glauben, daß Pater Philipp's musikalische Freundin mit einem Abdruck der heiligen Schrift davon geflogen sein sollte.«

»Da es eine ketzerische Uebersetzung ist,« entgegnete der Abt, »so ließe sich wohl annehmen, daß Satan Macht darüber hätte.«

»Freilich,« bemerkte Eustach, »ist sie sein Hauptzeughaus, wenn er vermessene und kecke Menschen antreibt, ihre eignen Meinungen und Erklärungen des Wortes Gottes bekannt zu machen. Aber, obwohl so gemißbraucht, ist die heilige Schrift doch die Quelle unseres Heiles, und darf um des Thuns solcher Menschen willen eben so wenig verworfen werden, wie eine starke Arznei gering geschätzt oder für giftig gehalten werden darf, weil verwegene und schlimme Aerzte sie zum Nachtheil ihrer Kranken angewandt haben. Wenn Ew. Hochwürden Nichts dagegen haben, so möchte ich wohl, daß über diesen Gegenstand eine genauere Nachforschung angestellt würde. Ich selber will den Thurm von Glendearg besuchen, ehe ich viele Stunden älter bin, und ich will sehen, ob irgend ein Gespenst oder weißes Weib der Wildniß es wagt, meine Hin- oder Herreise zu unterbrechen. – Hab' ich Ew. Hochwürden Erlaubniß und Segen?« fragte er in einem Ton, der zu beweisen schien, daß er auf die eine und auf den anderen kein großes Gewicht legte.

»Du hast Beides, Bruder,« sprach der Abt. Kaum aber hatte Eustach das Zimmer verlassen, so konnte Bonifacius nicht umhin, gegen den mit Wohlgefallen lauschenden Küster den Wunsch auszudrücken, daß irgend ein Geist, schwarz, weiß oder grau, dem Rathgeber eine Lection geben möchte, welche im Stande wäre, ihn von seiner Anmaßung, weiser, als der ganze Convent sein zu wollen, gründlich zu heilen.

»Ich wünsch' ihm keine schlimmere Lection,« sprach der Küster, »als den Fluß lustig hinab zu schwimmen mit einem Geist hinter sich und Nixen, Nachtraben und Aale insgesammt bereit, nach ihm zu schnappen.

Lustig wir schwimmen, der Mund scheint in Pracht,
Glück auf zum Fischen! Wem gilt es heut Nacht?«

»Bruder Philipp,« sagte der Abt, »wir ermahnen dich, deine Gebete herzusagen, dich zu sammeln und dir diesen thörichten Sang aus dem Sinn zu schlagen. Es ist nichts weiter, als Teufelstrug.«

»Ich will's versuchen, hochwürdiger Vater,« versetzte der Küster; »aber die Weise hängt in meinem Gedächtniß, wie eine Klette in den Lumpen eines Bettlers; sie vermengt sich mit dem Psalm – die Glocken des Klosters scheinen die Worte zu wiederholen und nach der Melodie zu klingen, und ich glaube, wenn Ihr mich in diesem Augenblick umbrächtet, so würde ich unter Absingung des Liedes sterben. – ›Lustig wir schwimmen‹ – ich bin wie verhext damit.«

Darauf begann er wieder zu trillern:

»Glück auf zum Fischen« – –

Nur mit Mühe hielt er inne und rief aus: »Ich bin zum Priester verdorben. ›Schwimmen wir lustig‹ – werd' ich selbst bei der Messe singen. – Ach ich geschlagener Mann! Mein ganzes Leben werd' ich singen, unvermögend, eine andere Weise anzuheben.«

Der ehrliche Abt bemerkte, er kenne manchen lustigen Bruder, dem es eben so gehe, und schloß die Bemerkung mit Ho! ho! ho! denn Seine Hochwürden liebte, wie der Leser bereits gefunden haben wird, einen trockenen Spaß. Der Küster, bekannt mit der Eigenheit seines Oberen, wollte in das Lachen einstimmen, allein sein unglücklicher Gesang fuhr ihm wieder durch den Kopf und unterbrach den fröhlichen Widerhall.

»Beim heiligen Kreuz!« rief der Abt, »Bruder Philipp, Ihr werdet unausstehlich. Ich glaube fest, daß ein solcher Zauber über einen Klosterbruder und in einem Kloster nicht walten kann, wenn dieser nicht eine Todsünde auf der Seele hat. Drum sage die sieben Bußpsalmen her – wende fleißig die Geißel und das härene Gewand an – enthalte dich drei Tage lang aller Speise außer Wasser und Brod – ich selber will deine Beichte hören – und wir wollen sehen, ob dieser Singteufel damit nicht ausgetrieben wird. Wenigstens denk' ich, Pater Eustachius selber könnte keine bessere Bannung ersinnen.«

Der Küster seufzte, wußte aber, daß keine Vorstellung fruchtete. Er zog sich darum in seine Zelle zurück, um zu sehen, inwiefern Psalmsingen im Stande sein möchte, die Töne des Sirenengesangs zu verbannen, welche in seinem Gedächtnisse spukten.

Unterdessen war Pater Eustachius auf dem Weg nach Glendearg, und kam an die Zugbrücke. In einer kurzen Unterredung mit dem groben Wärter gelang es seiner Geschicklichkeit, denselben geschmeidiger in seinem Streit mit dem Kloster zu machen. Er führte ihm zu Gemüthe, daß sein Vater Lehenmann des Stiftes gewesen, daß sein Bruder kinderlos sei, und daß Beider Besitz beim Tod des Letzteren an die Kirche zurückfallen müsse. Je nachdem alsdann die Sachen zwischen ihm und dem Kloster stünden, würde jener Besitz entweder an ihn oder an einen beim Abt in besserer Gunst Stehenden verliehen werden. Eustach schilderte ihm ferner, wie der Vortheil des Klosters und der des Brückenwartes innig verknüpft seien, – hörte geduldig seine rohen und groben Entgegnungen an, stellte ihm stets seinen eigenen Vortheil vor Augen und brachte es dahin, daß Peter allmählig seinen Ton herabstimmte und sich dazu verstand, jeden Pilger zu Fuß bis zu nächsten Pfingsten zollfrei hinüber zu lassen, wogegen die Reitenden und Fahrenden die gewöhnliche Gebühr erlegen sollten. Nachdem er auf diese Weise eine für das Kloster so wichtige Sache abgemacht hatte, setzte er seinen Weg fort.



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