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Einleitung

Es möchte schwer sein, einen triftigen Grund anzugeben, warum der Verfasser von Ivanhoe, nachdem er in diesem Werk bemüht gewesen war, die geschilderten Personen, die Handlung und die Sitten seiner Heimath fremd sein zu lassen, zum Schauplatz seines nächsten Versuches die berühmten Trümmer von Melrose wählte, in der unmittelbaren Nachbarschaft seiner Wohnung. Indeß der Grund oder die Laune, welche ihn zu diesem Wechsel bestimmte, ist ihm gänzlich entfallen, und es lohnt sich nicht der Mühe, sich auf etwas zu besinnen, was am Ende sehr gleichgültig ist.

Der, vorliegender Erzählung zum Grund liegende, Plan war, zwei Charaktere in einer stürmisch bewegten Zeit neben einander zu stellen, welche, in Folge ihrer Lebensverhältnisse die Reformation von verschiedenen Standpunkten betrachtend, mit beiderseits gleicher Aufrichtigkeit und Reinheit der Absichten, ihr Leben daran setzten, der Eine, den sinkenden Bau der katholischen Kirche aufrecht zu erhalten, der Andere, der reformirten Lehre Geltung zu verschaffen. Es schien, die Gegenüberstellung zweier solcher Enthusiasten in ihrem Leben und Streben, und der Gegensatz ihres innersten Wesens zu ihren Leidenschaften und Vorurtheilen, möchte Stoff zu einer anziehenden Erzählung bieten. Die Oertlichkeiten von Melrose paßten zum Plan der Geschichte. Die Trümmer selber bieten einen glänzenden Schauplatz für eine zu schildernde tragische Begebenheit, nicht minder die Nachbarschaft des schönen Stromes mit seinen Nebengewässern, fließend durch ein Land, in welchem manch' heiße Schlacht geschlagen worden, welches so reich ist an geschichtlichen Erinnerungen, und welches fast unmittelbar vor den Blicken des Verfassers lag, während er seine Schilderungen entwarf. Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Tweed erblickt man die Ueberreste ehemaliger Einzäunungen, umgeben von wilden Feigenbäumen und stattlichen Eschen, bezeichnend die Stelle der Gärten und Fluren eines Dorfes, von welchem nichts mehr übrig ist, als die Hütte eines Fischers und Fährmanns. Die Spuren der Wohnungen und selbst der Kirche sind kaum nachzuweisen, wenn man nicht an Ort und Stelle sucht; die Einwohner haben sich allmählig nach der blühenderen Stadt Galashiels gezogen, welche sich zwei Meilen von da erhoben hat. Dagegen hat das abergläubische Alter die einsamen Baumgänge mit luftigen Wesen bevölkert. Lange hieß es von dem verfallenen und öden Kirchhof von Boldside, daß die Feen auf demselben ihr Wesen trieben, und sieht man den tiefen, breiten Tweed sich um das steile Ufer schlängeln, auf welchem die ursprünglich als Gehege der Fluren gepflanzten Bäume jetzt zerstreute Gruppen bilden, so verwirklicht sich die Vorstellung, die man sich von dem Tummelplatz Oberons und der Königin Mab macht. Hier gibt es Abende, wo es dem Beschauer mit Vater Chaucer bedünken möchte, daß

– – – »Die Königin der Fee'n
Mit Harf' und Pfeif' und Symphonie
Wird oftmals hier geseh'n.«

Ein anderer, noch gewöhnlicherer Zufluchtsort des Elfengeschlechts (wenn man der Sage trauen darf) ist die Schlucht des Allenflusses, oder vielmehr des Baches dieses Namens, welcher von Norden her, etwa eine Meile von der jetzigen Brücke in die Tweed fällt. Da wo das Flüßchen seinen Lauf hinter Lord Sommerville's Jagdschloß, genannt der Pavillon, her nimmt, heißt das Thal in der Volkssprache der Feengrund oder vielmehr der Namenlose Grund, weil man im Alterthum glaubte, Unglück stoße Dem zu, welcher den Namen jener Wesen ausspräche, die unsere Väter als die guten Nachbarn bezeichneten, und welche bei den Hochländern Daonie Shie hießen oder Friedemänner, mehr aus Höflichkeit, als in Folge einer festen Vorstellung von freundlichem oder friedlichem Verhältniß abseiten der Hochländer oder Gränzer zu den so bezeichneten reizbaren Wesen.

Zum Beweis der Lebensthätigkeit des Feengeschlechts, selbst in dieser Zeit, findet man nach Ueberschwemmungen in dem Thal kleine Stücke von Kalkgestein, welche entweder der Kunstfleiß dieser winzigen Wesen, oder die Wirbel des Baches zu Bechern, Schalen, Becken und dergleichen wunderlich geformt hat, und in welchen die Kinder, welche sie auflesen, Feengeschirre erkennen wollen.

Abgesehen von diesen romantischen Oertlichkeiten sind mea paupera regna (wie Hauptmann Dalgetty seinen Sitz Drumthwakel bezeichnet), begränzt durch einen kleinen aber tiefen See, aus welchem Augen, die noch jetzt das Licht schauen, den Wasserochsen haben aufsteigen sehen wollen, welcher die Berge mit seinem Gebrüll erbeben machte.

In der That, die Landschaft um Melrose, wenn auch weniger romantisch schön, als andere Oertlichkeiten Schottlands, besitzt so Vieles, was die Einbildungskraft angenehm erregt, daß auch ein in weniger naher Beziehung, als der Verfasser, zu diesem Fleck stehender Schriftsteller, hätte bewogen werden können, seine Schilderungen an sie zu knüpfen. Doch würd' es ein Mißverständniß sein, wenn man eine vollkommen treue Schilderung der Oertlichkeiten erwarten wollte, darum weil Melrose im Allgemeinen für Kennaquhair gelten kann, oder weil seine Zugbrücke, sein Mühlendamm und andere Stücke zu den Beschreibungen im Kloster stimmen. Der Verfasser hatte nicht die Absicht, ein Landschaftsgemälde treu nach der Natur zu liefern, sondern ein Bild, zu welchem ihm eine Gegend, wo er heimisch ist, einzelne Hauptzüge lieferte. So ist die Ähnlichkeit des erdichteten Glendeary mit dem wirklichen Allenthal keineswegs genau, denn der Verfasser hatte nicht die Absicht, beide als Eins darzustellen. Dieß werden Alle finden, welche die wirkliche Beschaffenheit des Allenthals kennen, und sich die Mühe genommen haben, die Beschreibung des erdichteten Glendeary zu lesen. In dieser ist der Fluß dargestellt, als durchströmend ein romantisches Thal, bald links, bald rechts sich wendend, ohne einen Fleck zu berühren, der eine Spur von Anbau trüge, als entspringend in der Nähe eines einsamen Thurmes, der Wohnung eines Vasalls der Kirche und des Schauplatzes verschiedener im Roman erzählter Begebenheiten.

Der wirkliche Allen hingegen drängt sich zwar in den sogenannten namenlosen Grund einer romantischen Schlucht von einer Seite zur andern, gleich einer von den Banden wiederholt abspringenden Billardkugel, und gleicht in diesem Theil seines Laufes dem Strom von Glendeary, dagegen wieder weiter aufwärts breiter, und das Thal enthält ansehnliche Strecken wirthbaren Bodens, welcher keineswegs von den fleißigen Landleuten der Umgegend vernachlässigt wird. Was man an seinem oberen Ende erblickt, ist zwar auffallend, aber keineswegs übereinstimmend mit der Schilderung in dem Roman. Denn statt des einsamen festen Hauses oder Gränzvertheidigungsthurmes, wie ihn nach der Erzählung Dame Glendinning bewohnt haben soll, zeigen sich an der Quelle des Allen, fünf Meilen von seiner Mündung in den Tweed, die Trümmer von drei Gränzerwohnungen, verschiedenen Eigenthümern angehörig, jede zum Zweck wechselseitiger Unterstützung, wie sie in stürmischen Zeiten Bedürfniß war, am Ende des Grundstücks belegen, dessen Hauptwohnung sie war. Eine derselben ist das verfallene Herrenhaus Hillslap, einst Eigenthum der Cairncroß, jetzt von Herrn Innes von Stow; die zweite der Thurm von Colmslie, ein altes Erbgut der Familie Borthwick, wie man aus ihrem an den Trümmern befindlichen Wappen, dem Bockskopf, ersieht; die dritte das Haus von Langshaw, ebenfalls verfallen, in dessen Nähe der Besitzer, Herr Baillie von Jerviswood und Mellerstain ein kleines Schießhäuschen gebaut hat.

An alle diese, auf einer sehr einsamen Stelle wunderlich zusammengewürfelten Trümmer knüpfen sich eigenthümliche Erinnerungen und Sagen; aber keine derselben hat die entfernteste Aehnlichkeit mit den Beschreibungen in dem Roman »das Kloster«; und da der Verfasser sich schwerlich so gröblich irren konnte in Betreff einer Stelle, welche nur einen Spazierritt weit von seinem Hause entfernt ist, so läßt sich annehmen, daß keine Aehnlichkeit beabsichtigt war. Von Hillslap spricht man noch wegen den Wunderlichkeiten seiner letzten Bewohner, zweier oder dreier ältlichen Frauen von dem Schlag wie Miß Raylands in dem »alten Herrenhause«, wiewohl ihre Herkunft und ihr Vermögen nicht glänzend waren. Colmslie kommt im Gesang vor: –

Colmslie steht auf Colmsliesbühl,
Das Wasser, es läuft auf Colmslies Mühl';
Mühl' und Ofen geht spat und früh,
Besorgt die Gesellen von Colmslie.

Langshaw, obwohl größer als die andern Wohnsitze am oberen Ende des erdichteten Glendeary, hat nichts Merkwürdiges als die vom jetzigen Besitzer über sein Schießhäuschen gesetzte Inschrift – Utinam hanc etiam viris impleam amicis – ein bescheidener Wunsch, dessen Erfüllung in reichem Maaße meines Wissens Niemandem mehr zu Gebote steht, als dem Herrn, welcher ihn so anspruchslos ausgedrückt hat.

Nachdem ich so gezeigt habe, daß ich Manches von diesen verödeten Thürmen sagen könnte, welche das Bedürfniß der Geselligkeit oder wechselseitiger Vertheidigung am oberen Ende dieser Schlucht so nahe beisammen hatte aufführen lassen, brauche ich weiter nichts hinzuzufügen zum Beweise, daß keine Aehnlichkeit besteht zwischen ihnen und der einsamen Wohnung der Dame Elspeth Glendinning. Jenseits dieser Wohnungen sind einige Reste von Waldungen und viel Sumpf und Moor; doch möcht' ich Keinem, dem es um Oertlichkeiten zu thun ist, rathen, seine Zeit an Aufsuchung der Quelle und der Stechpalme der Weißen Frau zu wenden.

Da ich gerade an diesem Gegenstand bin, darf ich wohl hinzufügen, daß Hauptmann Clutterbuck, der erdichtete Herausgeber des Klosters, meines Wissens kein Vorbild in dem Dorfe Melrose oder dessen Nachbarschaft hat. Um diesem Wesen eine gewisse Persönlichkeit zu geben, ist er beschrieben als ein Charakter, wie er zuweilen wirklich im Leben vorkommt, als ein Mann, welcher, nachdem er sein Leben großentheils in Erfüllung der Pflichten seines Berufs zugebracht hat, von welchem er endlich entbunden worden ist, sich nun ohne alle Beschäftigung findet und in Gefahr ist, den Qualen der Langweile zu erliegen, die ihm endlich ein unbedeutender, seinen Fähigkeiten angemessener Gegenstand der Forschung aufstößt, der ihm in der Einsamkeit Beschäftigung gibt, während das Bewußtsein besonderer Kenntnisse ihm ein größeres Gewicht in der Gesellschaft verleiht. Ich habe oft bemerkt, daß die leichteren und geringeren Fächer der Alterthumsforschung besonders geeignet sind, Geschäftslosigkeit dieser Art erträglich zu machen, und habe gefunden, daß sie der Trost und die Zuflucht manches Hauptmanns Clutterbuck wurden. Ich war deßhalb nicht wenig verwundert, zu finden, daß der alterthümlerische Hauptmann für eine und dieselbe Person erklärt wurde mit einem meiner Nachbarn und Freunde, welcher nimmer mit ihm verwechselt werden konnte von irgend Jemanden, der das Buch gelesen und die bezeichnete Person gesehen hatte. Dieser Irrthum kommt vor in einer Schrift, betitelt: »Erklärungen zu den Werken des Verfassers von Waverley. Nachrichten von Personen, Auftritten und Begebenheiten, die in jenen Werken geschildert zu sein scheinen. Von Robert Chambers.« Diese Schrift mußte nothwendig viel Unrichtiges enthalten, wie jede Arbeit der Art, wie redlich auch der Verfasser sein mag, der es unternimmt zu erklären, was blos ein Anderer wissen kann. Verwechselung von Oertlichkeiten und leblosen Dingen haben nicht viel auf sich, allein der geistreiche Verfasser hätte doch vorsichtiger sein sollen in Verknüpfung wirklicher Namen mit erdichteten Personen. Im Spectator, so viel ich weiß, lesen wir von einem schalkhaften Bauern, welcher in einem Abdruck der Schrift »Die gesammten Pflichten des Menschen« gegenüber jedem Laster den Namen eines Nachbarn schrieb, und so dieß treffliche Werk in eine Schmähschrift auf eine ganze Gemeinde verwandelte.

Wie die Oertlichkeit dem Verfasser an die Hand gegeben war, so waren auch die in dem Land erhaltenen Erinnerungen gleich günstig. Dort, wo die Rosse fast stets gesattelt blieben, wo das Schwert selten von der Seite des Kriegers kam, wo Krieg der gewöhnliche Zustand der Bewohner war, Frieden nur in Gestalt kurzer und fieberhafter Waffenstillstände erschien, – da konnte es nicht an Mitteln fehlen, den Faden der Erzählung nach Belieben zu verschlingen und zu entwickeln. Nur ein Nachtheil war dabei, nämlich, daß diese Gränzgegend bereits von dem Verfasser selber sowohl, wie von Andern behufs ihrer Schilderungen so sehr ausgebeutet war, daß ihm leicht das Crambe bis cocta Aufgewärmter Kohl. entgegengerufen werden konnte, wofern er nicht das Ganze unter einem neuen Gesichtspunkt erscheinen ließ.

Um die unentbehrliche Eigenschaft der Neuheit zu gewinnen, mochte es vortheilhaft scheinen, den Charakter der Vasallen der Kirche in Gegensatz zu den der Lehenträger der weltlichen Herren zu stellen, von denen sie umgeben waren. Viel jedoch konnte damit nicht gewonnen werden. Allerdings bestanden Verschiedenheiten zwischen beiden Klassen, aber nur solche wie zwischen den verschiedenen Arten derselben Gattung im Pflanzen- und Mineralreich, welche gemeinen Augen als gleich erscheinen, von Kennern dagegen wohl unterschieden werden; – Verschiedenheiten, die jedenfalls zu gering sind, um einen scharfen Gegensatz zu bilden.

Nun blieb noch das große Triebwerk übrig – Einflechtung des Uebernatürlichen und Wunderbaren, der Nothbehelf der Schriftsteller seit den Tagen des Horaz; dessen Anwendbarkeit aber in neuerer Zeit angefochten, ja fast gänzlich in Abrede gestellt ist. Der Volksglauben will nicht länger die Möglichkeit des Daseins jener geheimnißvollen Wesen zugestehen, welche zwischen dieser und der unsichtbaren Welt schwebten. Die Feen haben ihren vom Mond beschienenen Rasen verlassen, die Hexe überläßt sich nicht mehr ihren finsteren Lustbarkeiten im Schierlingsthal, und selbst

Das letzte Hirngespenst, das es noch gab,
Der Kirchhofsgeist, schläft ruhig in dem Grab.

Da man von dem schottischen Volksaberglauben nichts mehr wissen will, so nahm der Verfasser seine Zuflucht zu der schönen wiewohl fast vergessenen Theorie von Sterngeistern oder Elementargeschöpfen, welche, obwohl den Menschen an Wissen und Macht überlegen, doch insofern tiefer denn diese stehen, als sie nach Ablauf einer Reihe von Jahren einem Tod unterworfen sind, welcher völlige Vernichtung ist, und keinen Theil haben an der den Söhnen Adams gemachten Verheißung. Von diesen Geistern heißt es, sie seien viererlei Art: Sylphen, Gnomen, Salamander und Najaden, nach den vier Elementen, welchen sie ihren Ursprung verdanken, der Luft, der Erde, dem Feuer und dem Wasser. Einen anziehenden Bericht von diesen Geistern kann der Leser finden in dem französischen Buch, betitelt: Entretiens du Comte de Gabalis. Unter den zahlreichen deutschen Dichtungen des geistreichen Grafen de la Motte Fouqué hat kaum eine mehr Beifall gefunden als Undine. Eine herrliche, ja erschütternde Wirkung wird hier hervorgebracht durch die Ausführung des Gedankens, daß eine Wassernymphe ihre Unsterblichkeit verliert, indem sie menschlichen Gefühlen Raum gibt und ihr Loos mit dem eines Sterblichen verknüpft, der ihr mit Undank lohnt.

Als eine Nachahmung dieses glücklichen Phantasiebildes erscheint in den folgenden Blättern die Weiße Frau. Sie ist dargestellt, als verknüpft mit der Familie Avenel durch eines jener geheimnißvollen Bande, welche nach den Ansichten der Vorzeit unter gewissen Umständen zwischen den Elementargeschöpfen und den Menschenkindern stattfanden. Solche Beispiele einer geheimnißvollen Verbindung weiset Irland auf in den Milesischen Familien, welche eine Banschie besitzen, man findet sie in den Sagen der Hochländer, welche hin und wieder ein unsterbliches Wesen, einen Geist als dienstbar gewissen Familien oder Stämmen zuweisen. Solche Dämonen, wenn man sie so nennen darf, verkündeten den mit ihnen verbundenen Familien Glück oder Unheil. Manche befaßten sich blos mit wichtigen Angelegenheiten, andere jedoch, wie die May Mollach oder Jungfrau mit den haarigen Armen, ließen sich herbei an gewöhnlichen Vergnügungen Theil zu nehmen und sogar den Häuptling im Brettspiel zu unterweisen.

Die Annahme eines solchen Wesens für die Zeit, welche an Elementargeister glaubte, hatte sonach nichts Gezwungenes. Schwieriger war es, eine Vorstellung von seinen Eigenschaften oder seiner Handlungsweise zu bilden. Shakespeare, die erste Autorität in einem solchen Fall, hat Ariel, dieß herrliche Geschöpf seiner Einbildungskraft geschildert, als nur insoweit menschlicher Natur sich nähernd, daß er verstand, was irdische Wesen wechselseitig für einander fühlten, wie der Ausdruck beweiset: – »das meine würde, wär' ich Mensch«. Die Schlüsse hieraus sind sonderbar, lassen sich aber in bester Ordnung ziehen. Ein Wesen, zwar vor dem Menschen bevorzugt in Lebensdauer, in Gewalt über die Elemente, in gewissen Kenntnissen betreffend Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, aber ohne menschliche Leidenschaften, ohne Begriff von sittlich Gut oder Schlecht, von künftiger Belohnung oder Bestrafung – gehört eher der Klasse der Thiere, als der menschlicher Geschöpfe an, und muß daher gedacht werden, als handelnd mehr nach den Eingebungen zeitweiliger Zuneigung oder Laune, denn aus vernünftiger Ueberlegung und edlerer Empfindung. Die Ueberlegenheit eines solchen Wesens an Macht läßt sich nur mit der des Elephanten oder Löwen vergleichen, welche im Besitz größerer Stärke, als der Mensch, dennoch niedriger als er stehen auf der Stufenleiter der Schöpfung. Das solchen Geistern zugeschriebene Wohlwollen muß dem des Hundes gleich sein, ihr lustiges und bösartiges Treiben dem der Katzenarten. All' ihre Neigungen sind gebunden durch die Gesetze, welche die Elementargeschöpfe menschlichem Machtgebot unterwerfen, sie ihm dienstbar machen, wenn er die dazu erforderliche Wissenschaft besitzt (so glaubten die Gnostiker und darum drehte sich die Philosophie der Rosenkreuzer), sie überwältigt werden lassen durch den höheren Muth, die größere Verwegenheit desselben, sobald er ihren Gaukeleien Trotz bietet.

Gemäß dieser Vorstellungen von Elementargeistern ist das weiße Fräulein von Avenel geschildert, als spielend eine wechselvolle, launige, ungleichmäßige Rolle; Theilnahme und Anhänglichkeit äußernd für die Familie, mit welcher ihr Schicksal verknüpft ist, wunderliche Laune hingegen und selbst Uebelwollen gegen andere Sterbliche, wie gegen den Küster und den Gränzräuber, deren unordentlicher Lebenswandel dieselben in den Fall setzte, kleine Kränkungen durch sie zu erfahren. Dagegen ist nicht angenommen, daß das weiße Fräulein die Macht oder Neigung besessen habe, mehr zu thun, als Schrecken einzujagen, oder Verlegenheit zu bereiten; immerdar wird sie überwältigt durch solche Sterbliche, welche durch tugendhafte Entschlossenheit und Willenskraft ihre Ueberlegenheit über sie bewähren konnten. So scheint sie in der Mitte zu steh'n zwischen dem esprit follet, welcher seine Lust daran findet, Sterbliche zu quälen und irre zu leiten, und der wohlwollenden Fee des Morgenlandes, welche dieselben stets leitet und unterstützt.

Indessen sei es, daß der Verfasser seine Aufgabe nicht sonderlich glücklich gelöset hat, oder daß den Lesern diese Partie nicht zusagte, genug, das weiße Fräulein hat keinen Anklang gefunden. Der Verfasser hat nicht die Absicht, den Lesern eine günstigere Meinung beizubringen, sondern will sich lediglich gegen den Vorwurf verwahren, als habe er ohne Noth in die Erzählung ein Wesen eingeschoben, dessen Kräfte und Neigungen so ungleichförmig sind.

Mit der Zeichnung eines andern Charakters hat der Verfasser kein Glück gemacht, während er sich eine günstige Wirkung davon versprach. Nichts eignet sich besser zu der Schilderung des Lächerlichen, als die Modethorheiten einer Zeit. Deßwegen dachte er, die ernsternen Scenen seiner Erzählung möchten gehoben werden durch die Wunderlichkeiten eines Cavaliero aus den Tagen der Königin Elisabeth. Zu jeder Zeit hat der Erfolg des Bestrebens, den höchsten Rang in der Gesellschaft zu gewinnen und zu behaupten, abgehangen von der Fähigkeit, eine gewisse, als vornehm geltende, Unnatürlichkeit sich anzueignen und stets zur Schau zu tragen, gewöhnlich in Verbindung mit einigen glänzenden Fähigkeiten und mit Charakterstärke neben Abweichung von gesundem Menschenverstand und vernünftiger Ueberlegung, als von Dingen, die zu gemein sind, um die Achtung eines »Auserwählten der Gegenwart« zu gewinnen. Diese in den verschiedenen Gestalten, die sie im Wechsel der Zeiten annehmen, stellen die Helden des Tages vor, stolz darauf, die tollen Launen der Mode auf's Aeußerste zu treiben.

Immerdar müssen die Eigenheiten des Herrschers, der Hof und die Zeit die besonderen Eigenschaften bestimmen, durch welche diejenigen sich auszuzeichnen bedacht sein müssen, welche als Muster des guten Tones gelten wollen. Die Regierung Elisabeths, einer jungfräulichen Königin, zeichnete sich aus durch das anständige Benehmen der Hofleute und besonders durch ein zur Schautragen tiefster Unterwürfigkeit gegen die Herrscherin. Nächst Anerkennung der unvergleichlichen Vollkommenheiten der Königin, ward gleiche Huldigung der Schönheit dargebracht, wie sie in den geringeren Sternen ihres Hofes strahlte, ein Abglanz, wie es gebräuchlich war zu sagen, von ihrem Lichte. Zwar gelobten wackere Ritter nicht mehr dem Himmel, dem Pfau und den Frauen, eine That tollen Heldenmuthes zu vollbringen, fremdes und eigenes Leben auf's Spiel setzend, zwar bewährte sich ihre Mannhaftigkeit selten anders, als auf der Stechbahn, wo Schranken, genannt Barrieren, den Zusammenstoß der Rosse verhinderten, und die Entfaltung ritterlicher Kunst auf das verhältnißmäßig gefahrlose Zusammentreffen der Lanzen beschränkten. Allein die Sprache der liebenden Herren zu ihren Damen bewegte sich noch immer in den übertriebenen Redensarten, wie sie Amadis etwa an seine Priana gerichtet haben würde, bevor er ihr zu Liebe den Kampf mit einem Drachen bestand. Dieser Ton romantischer Galanterie fand einen talentvollen aber geschmacklosen Schriftsteller, welcher ihn in ein System brachte und die Regeln des hofmäßigen Benehmens in einem pedantischen Buch niederlegte, betitelt: Euphues und sein England. In unserer Erzählung ist der Inhalt desselben angedeutet; hier möchte es passend sein, noch Einiges hinzuzufügen.

Die Uebertriebenheit des Euphuismus oder ein ähnlicher symbolischer Jargon herrscht auch in den Romanen von Calprenède und Scuderie, welche zur Unterhaltung des schönen Geschlechts während der langen Regierung Ludwigs XIV. dienten und als Muster der einzig legitimen Sprache der Galanterie und Liebe galten. Unter dieser Regierung begegnete ihnen die Satire Molière's und Boileau's. Eine ähnliche Verkehrtheit, welche sich in das Privatleben verbreitete, begründete die gekünstelte Redeweise der sogenannten Précieuses, welche die Gesellschaft des Hotel des Rambouillet bildeten und Molière Stoff zu seinem bewunderungswürdigen Lustspiel: Les Précieuses Ridicules gab. In England scheint jene Wunderlichkeit die Thronbesteigung Jakobs I. nicht lange überdauert zu haben.

Der Verfasser war eitel genug zu hoffen, daß die Schilderung des Charakters, dessen Eigenthümlichkeit auf einst im Schwung gewesenen Uebertreibungen beruhte, unterhaltend sein dürfte für das gegenwärtige Geschlecht, von welchem man glauben dürfte, daß es, so wie es gern auf die Thaten und Sitten seiner Vorfahren zurückblickt, auch deren Thorheiten seine Aufmerksamkeit schenken würde. Er gesteht offen, daß seine Erwartung getäuscht worden, und daß der Euphuist, statt als ein gut ausgeführtes, launiges Charakterbild der Zeit anerkannt zu werden, als unnatürlich und widersinnig verdammt worden ist.

Dieser schlechte Erfolg wäre leicht zu erklären durch die Annahme, daß die Schuld an des Verfassers Ungeschick liege, und manche Leser mögen wohl bei diesem Gedanken stehen bleiben. Der Verfasser hingegen, den man schwerlich geneigt glauben kann, diesen Grund gelten zu lassen, sobald sich ein anderer anführen läßt, ist des Dafürhaltens, daß er in der Wahl des Gegenstandes fehlgegriffen hat, und daß hierin, nicht in der Behandlung, der Grund des schlechten Erfolges liegt.

Die Sitten eines rohen Volkes sind stets naturgemäß, und sprechen darum das Gefühl eines gebildeteren Geschlechtes unmittelbar freundlich an. Es bedarf keiner zahlreichen Anmerkungen, keiner Abhandlungen über Alterthümer, um den Unwissendsten in Stand zu setzen, die Gedanken und Worte der homerischen Charaktere zu verstehen; wir brauchen blos, wie Lear sagt, unser Entlehntes abzustreifen, die erkünstelten Grundsätze und Schnerkeleien, welche aus unserem dermaligen geselligen Zustand herfließen, bei Seite zu setzen, und unsere natürlichen Gefühle sind im Einklang mit denen des Barden von Chios und der Helden, welche in seinen Versen leben. Dasselbe findet statt in Betreff der meisten Erzählungen meines Freundes Mr. Cooper. Wir sympathisiren mit seinen Indianischen Häuptlingen, mit seinen Hinterwaldleuten, und erkennen in den von ihm geschilderten Charakteren die nämliche reine Menschennatur, welche auch in uns walten würde, befänden wir uns in ihren Verhältnissen. So schwer, ja fast unmöglich es ist, einen von Jugend auf an Jagd und Krieg gewöhnten Wilden mit dem Zwang und den Pflichten eines civilisirten Lebens zu befreunden, so leicht und gewöhnlich ist es, daß Menschen, welche in allen Gewohnheiten und Bequemlichkeiten eines vervollkommneten geselligen Lebens erzogen sind, diese gegen die Beschäftigungen des wilden Fischers und Jägers vertauschen. Sind doch die beliebtesten Ergötzlichkeiten aller Derer, welche sich zu tüchtiger Bewegung nicht zu schwach fühlen, Jagen, Fischen, und bei Manchen, Krieg, die natürlichen und nothwendigen Geschäfte des Wilden bei Dryden, dessen Held erklärt, er sei

– – frei wie der erste Mensch im Wald,
Der wilden Schöpfung edelste Gestalt.

Wenn sonach die Beschäftigungen und selbst die Empfindungen von Menschen im Urzustand Anklang bei dem gebildeteren Theil des Geschlechtes finden, so folgt daraus noch nicht, daß der Geschmack, die Meinungen und Thorheiten eines civilisirten Zeitalters dieselbe Theilnahme erwecken, dieselbe Unterhaltung gewähren, wenn sie Menschen einer anderen Zeit vor die Augen gestellt werden. Das Uebertriebene in denselben hat seinen Grund nicht in einem der Menschheit eignen Geschmack daran, sondern in einer verkehrten Richtung, mit welcher die Menschheit überhaupt und spätere Geschlechter insbesondere sich nicht befreunden. Die Tollheiten der Modenarren sind der wahre Gegenstand einer oft mit Beifall gekrönten Satire während der Zeit ihres Bestehens. Welche günstige Aufnahme finden nicht so viele dramatische jeux d'esprit, blos darum, weil der Satiriker eine bekannte oder im Schwang gehende Thorheit zur Zielscheibe nimmt, oder, in der dramatischen Sprache zu reden, »die Narrheit im Flug schießt!« Hat aber der Unsinn seine Geltung verloren, so betrachtet man es als eine Kraftverschwendung, die Waffen der Lächerlichkeit gegen etwas zu wenden, was nicht mehr ist; und die Stücke, in welchen solche vergessene Thorheiten lächerlich gemacht sind, fallen der Vergessenheit anheim, oder sie erhalten sich nur darum auf der Bühne, weil sie noch etwas anderes enthalten, was die Aufmerksamkeit fortwährend fesselt.

Dieß mag wohl der Grund sein, warum die Schauspiele von Ben Jonson, basirt auf ein System, oder wie es damals hieß, auf Wunderlichkeiten (erkünstelte Charaktere) trotz seiner feinen Satire, seiner gründlichen klassischen Bildung und seines gesunden Urtheils, jetzt im Allgemeinen nicht mehr ansprechen und in das Gemach des Alterthumsforschers verwiesen sind, der durch seine Studien die Gewißheit erlangt hat, daß die Personen des Dramatikers zu seiner Zeit Bilder nach dem Leben waren.

Nehmen wir ein anderes Beispiel, von Shakespeare, welcher mehr als irgend ein anderer Dichter seine Portraite für alle Zeiten entwarf. Wir vergöttern ihn, und dennoch betrachtet die Masse der Leser ohne Genuß diejenigen Charaktere, welche auf die Uebertreibungen der Mode seiner Zeit gegründet sind. Der Euphuist Don Armado, der Pedant Holofernes, ja selbst Nym und Pistol sprechen das große Publikum nicht an; es sind unverständliche Bilder, weil ihre Originale sich nicht mehr vorfinden. Während das Unglück von Romeo und Julie noch immer jedes Herz erschüttert, hat Mercutio, das getreue Abbild des feinen Herrn seiner Zeit, und als solches von den Zeitgenossen mit ungetheiltem Beifall aufgenommen, so wenig Interesse für die Gegenwart, daß, nimmt man ihm seine Wortwitze, er auf der Bühne geduldet wird lediglich noch wegen seiner schönen und phantasiereichen Rede über den Traum, welche keiner besonderen Zeit angehört, und darum, weil er eine im Plan des Stückes unentbehrliche Person ist.

Wir haben vielleicht unsere Beweisführung zu weit ausgedehnt für den Satz, daß die Einführung eines humoristischen Charakters, basirt, wie Sir Piercie Shafton, auf eine vergessene und veraltete Form der Thorheit, eher den Widerwillen des Lesers erwecken dürfte, wegen seiner Unnatürlichkeit, als ihn zum Lachen stimmen. Sei es nun in Folge dieser Ansicht, oder sei es, was einfacher und wahrscheinlicher ist, weil dem Verfasser seine Charakterzeichnung mißlang, genug, der bedenkliche Einwand incredulus odi Ich glaub' es nicht, drum will ich nichts davon wissen. ist gegen die Euphuisten sowohl, wie gegen die Weiße Frau von Avenel erhoben worden. Der Erstere ward getadelt, als unnatürlich, der Letztere zurückgewiesen, als unmöglich.

Die Geschichte enthielt wenig, was Ersatz bieten könnte für das in diesen beiden Punkten Mißlungene. Die Ereignisse waren kunstlos zusammengewürfelt. Man fand nichts in der Verwicklung, an welches sich ein tieferes Interesse knüpfen konnte; der Schluß war herbeigeführt, nicht durch Umstände, die im Gang der Erzählung selber lagen, sondern durch Staatsverträge, welche mit dem früher Berichteten wenig Zusammenhang haben und welche dem Leser als etwas Fremdartiges erscheinen mußten. Dieß, wenn auch kein grober Fehler, war doch eine Mangelhaftigkeit an dem Roman. Freilich läßt sich nicht nur das Verfahren mancher großen Schriftsteller in diesem Fach, sondern selbst der gewöhnliche Lauf der wirklichen Welt zu Gunsten dieser bequemeren und kunstloseren Weise, den Gang der Erzählung zu ordnen, mit Fug und Recht anführen.

Selten bleibt derselbe Kreis von Personen, welcher ein Wesen bei seinem Eintritt in's Leben umgab, ihm stets auf seiner Laufbahn nahe, bis zu dem Punkt, wo sein Schicksal zur Entscheidung kommt. Im Gegentheil, besonders wenn die Erscheinungen seines Lebens wechselvoll und der Mittheilung werth sind, pflegen des Helden spätere Genossenschaften ganz verschieden von denen zu sein, mit welchen er seine Fahrt antrat, weil diese entweder von ihm übersegelt, oder aus seiner Nähe verschlagen worden, oder unterwegs zu Grunde gegangen sind. Diese abgedroschene Vergleichung gilt auch in einer andern Beziehung. Die zahlreichen, in Bau und Zweck so verschiedenen Fahrzeuge, welche einem und demselben gewaltigen Meer überlassen werden, stehen, obwohl jedes seinen eignen Lauf zu verfolgen strebt, mehr unter dem Einfluß der Winde und Fluthen, welche dem von ihnen allen befahrenen Element angehören, als ihrer eignen besonderen Triebkräfte. Im Leben, wenn menschliche Klugheit ihr Mögliches gethan hat, kommt eine größere, vielleicht ein ganzes Volk betreffende Begebenheit, und zerstört die Plane des Einzelnen, wie die zufällige Berührung eines stärkeren Wesens das Gewebe der Spinne wegreißt.

Viele treffliche Romane sind dieser Lebensansicht gemäß angelegt, so daß der Held durchgeführt wird durch mannigfache einzelne Auftritte, in welchen die verschiedenartigsten wirkenden Kräfte zum Vorschein kommen und verschwinden, ohne vielleicht einen dauernden Einfluß auf den Gang der Geschichte zu haben. So sind Gil Blas, Roderick Random, und Leben und Abenteuer so mancher anderen Helden gehalten. Sie durchlaufen verschiedene Lebensabschnitte, und bestehen manche Abenteuer, deren Verknüpfung blos darin liegt, daß sie derselben Person zustießen, deren Einheit sie mit einander verbindet, wie die Schnur eines Halsbandes die außerdem vereinzelten Perlen.

Indeß, obwohl solche unverknüpfte Reihen von Begebenheiten das in der Natur gewöhnlich Vorkommende sind, erwartet man doch von dem Romanschreiber, als Künstler, mehr denn bloßes Anschmiegen an die einfache Wirklichkeit, gerade so wie man von dem Kunstgärtner verlangt, er soll in artige Büsche und künstliche Beete die Blumen ordnen, welche die liebe Natur frei auf Berg und Thal vertheilt. So hat Fielding in seinen meisten Novellen, besonders aber in seinem Hauptwerk Tom Jones, das Muster einer regelmäßig angelegten und so in allen Theilen durchgeführten Geschichte geliefert, in welcher nichts vorkommt, was nicht dazu beitrüge, die Lösung des geschürzten Knotens zu fördern.

Gleiche Genauigkeit, gleiches Glück von Denen zu verlangen, welche den Spuren dieses ausgezeichneten Novellisten folgen, hieße die Fähigkeit zu unterhalten zu sehr durch peinliche Regeln fesseln. Denn in Betreff dieser Art von leichterer Literatur gilt doch besonders – tout genre est permis, hors le genre ennuyeux. Freilich, je besser die Theile einer Erzählung in einander greifen, je natürlicher die Katastrophe herbeigeführt ist, desto mehr entspricht sie den Anforderungen der Kunst, und Nachlässigkeit in diesem Stück wird stets Tadel verdienen.

Zu solchem Tadel hat das Kloster nur zu viel Anlaß gegeben. Die Intrigue des Romans ist weder an sich spannend, noch sonderlich glücklich im Einzelnen durchgeführt, und entwirrt sich am Ende durch den Ausbruch von Feindseligkeiten zwischen England und Schottland und durch die eben so plötzliche Erneuerung des Friedens. Dergleichen Umstände können in der Wirklichkeit unmöglich selten vorgekommen sein, aber sie zu benutzen zur Lösung des Knotens wie durch einen Kraftstreich, hat man als unkünstlerisch und nicht allgemein verständlich mißbilligt.

Indeß das Kloster, obwohl strenger und gerechter Beurtheilung unterworfen, hat, seiner Verbreitung nach zu schließen, nicht verfehlt, einige Theilnahme bei dem Publikum zu finden. Es war dieß dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gemäß. Selten wird schriftstellerischer Ruf durch einen einzelnen Versuch errungen, und noch seltener durch eine vereinzelte Fehlgeburt verloren.

So hat denn der Verfasser seine Respekttage gehabt und Zeit, falls es ihm gefiel, sich mit den Schlußversen des Gesanges des alten Schotten zu trösten:

Und ist es nie wohl zugestutzt,
So stutzen wir's noch ein Mal.

Abbotsford, 1. November 1830.


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