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Vierzehntes Kapitel.

Say's-Hof wurde bewacht, wie eine belagerte Festung; und Argwohn beherrschte zu damaliger Zeit die Gemüter in so hohem Maße, daß Tressilian und seine Begleiter, als sie in die Nähe des kranken Grafen gelangten, wiederholt von Schildwachen angehalten und ausgefragt wurden, von berittnen sowohl wie von solchen zu Fuß. Wirklich machte auch der hohe Rang, den Sussex in der Gunst der Königin einnahm, wie auch seine Rivalität gegen den Earl of Leicester, die in ganz England bekannt und von der Königin gelitten war, sein Wohlbefinden zu einer Sache von höchster Wichtigkeit, denn zu der Zeit, da unsere Erzählung spielt, herrschte in allen Gemütern noch Zweifel darüber, ob er oder der Earl of Leicester den höhern Rang in ihrer Gunst besitzen würde.

Königin Elisabeth liebte es, wie manch andre ihres Geschlechts, die Parteien gegen einander auszuspielen und, je nachdem es das Staatsinteresse erheischte, manchmal wohl auch, wie es ihrer weiblichen Eitelkeit gefiel, denn sie war von dieser Schwäche durchaus nicht frei, bald diese, bald jene ans Ruder kommen zu lassen. Klug zu erwägen, die Karten nicht aus der Hand zu geben, das eine Interesse gegen das andre zu setzen, den Höfling, der in ihrer Wertschätzung sich der höchsten Stelle sicher wähnte, durch die Furcht im Schach zu halten, es könne ein andrer, wenn auch nicht in ihrer Gunst, so doch in ihrem Vertrauen, ihm an die Seite treten, waren Künste, die sie während ihrer Regierung zu üben verstand und die ihr, so oft sie in die Schwäche der Günstlingswirtschaft sank, die Möglichkeit und die Fähigkeit ließen, die schlimmen Einwirkungen derselben auf ihr Königreich und ihre Regierung zum größten Teile zu verhindern.

Die beiden Edelleute, die sich zurzeit in ihrer Gunst als Nebenbuhler gegenüberstanden, besaßen äußerst verschiedene Ansprüche auf diesen Besitz; es möge indessen hier die allgemeine Bemerkung genügen, daß der Graf von Sussex Elisabeth als Königin die größten Dienste geleistet hatte, während Leicester ihr als Mensch näher stand. Sussex war, wie damals im britischen Königreiche gesagt wurde, ein »Martialist«, ein Mann des Krieges. Er hatte Hervorragendes geleistet in Irland sowohl als in Schottland, vor allem aber in dem großen Aufstand im Norden des Landes, der im Jahre 1569 ausgebrochen und zumeist durch seine soldatische Tüchtigkeit unterdrückt worden war. Infolgedessen scharten sich um ihn all jene Elemente, die durch das Waffenhandwerk sich zu Macht und Ansehen bringen wollten. Dazu kam, daß der Graf von Sussex aus älterm und edlerm Geschlechte stammte als sein Nebenbuhler, denn er vereinigte in seiner Person sowohl das Geschlecht der Fitz-Walters, wie das der Ratcliffes, während das Wappenschild Leicesters befleckt war durch die Degradation seines Großvaters, des herrschsüchtigen Ministers Heinrich des Siebenten, und wohl kaum wieder gereinigt durch jene andre seines Vaters, des unglücklichen, am 22. August 1553 im Tower hingerichteten Dudley, Herzogs von Northumberland. Aber in seiner Person, seiner Wohlgestalt, seinem Angesicht, seiner Haltung und Führung – Waffen, die am Hofe einer Herrscherin von so ausschlaggebender Bedeutung find – besaß Leicester Vorzüge, die mehr als ausreichend waren, die soldatischen Dienste, das edlere Blut und das freie und offne, vielleicht manchmal derbe Wesen des Grafen von Sussex in Schatten zu stellen oder doch auszugleichen. Leicester besaß auch in Hofkreisen, zum Teil sogar im Königreiche, das Ansehen, daß ihm die Gunst der Königin in höherem Maße gehöre als Sussex, wenngleich die Königin auch in diesem Falle Klugheit genug besaß, ihre Gesinnung nicht vollständig an den Tag zu legen, um den Grafen immer in der Meinung zu halten, daß zuletzt doch vielleicht der andre an die erste Stelle gelangen könne. Die Erkrankung des Grafen von Sussex kam Leicester deshalb um so gelegner, als sich in der Bevölkerung die sonderbarsten Kombinationen daran knüpften, wahrend die, Parteigänger des einen Grafen von den tiefsten Befürchtungen, diejenigen des andern von den stärksten Hoffnungen wegen des wahrscheinlichen Ausgangs der Krankheit erfüllt wurden. Inzwischen – denn zu damaliger Zeit rechnete man immer mit der Wahrscheinlichkeit, daß solcher Zwist mit dem Schwerte beigelegt werden würde – scharten sich die Parteigänger der beiden Männer um deren Fahnen, erschienen wohlbewaffnet selbst in der Nahe des Hofes und verwirrten das Ohr der Herrscherin durch ihre häufigen und beunruhigenden Auseinandersetzungen und Streitereien, die von ihnen sogar in den engern Räumen des königlichen Palastes geführt wurden. Diese Verhältnisse zu schildern, war notwendig, um die nun folgenden Vorgänge dem Leser verständlich zu machen:

Tressilian fand bei seiner Ankunft in Say's-Hof Parteigänger des Grafen von Sussex und Edelleute, die gekommen waren, sich nach dem Befinden ihres Gönners zu erkundigen, in Scharen, so daß das Haus sie kaum zu fassen vermochte. Aller Hände waren bewaffnet, und aller Gesichter zeigten düstern Ernst, gleich als ob auf allen die Furcht vor einem sofortigen heftigen Angriffe lastete. In der Halle dagegen, wohin Tressilian von einem Diener des Grafen geführt wurde, während ein andrer sich zu dem Grafen begab, um die Ankunft Tressilians zu melden, warteten nur zwei Edelleute. In der Kleidung, Erscheinung und im Wesen derselben bestand ein auffälliger Gegensatz. Die Haltung des ältern, augenscheinlich eines hohen Standesherrn, der in, der Vollkraft des Mannesalters stand, war schlicht und soldatisch; er war von untersetzter Gestalt, von kräftigem Gliederbau; sein Wesen ermangelte jeglicher Milde, und sein Gesichtsausdruck war von jener Art, die einen kerngesunden Menschenverstand ausdrückt, ohne ein Korn von Lebhaftigkeit oder Einbildungskraft. Der jüngere, der anfangs oder Mitte der Zwanziger zu stehen schien, war in die munterste Tracht gekleidet, die zu damaliger Zeit von Standespersonen getragen wurde: hervorstechend durch ein Mäntelchen aus karmesinrotem Sammet, das reich besetzt war mit Spitzen und Stickereien, eine Kappe aus dem gleichen Stoffe, umschnürt mit einer dreifach gewundenen, durch eine Medaille befestigten, güldnen Kette. Sein Haar war frisiert, wie man es in unsrer Zeit bei manchen vornehmen Edelleuten trifft, nämlich kurz geschnitten und energisch in die Höhe gekämmt; in den Ohren trug er silberne Ringe, und in jedem der Ringe prangte eine Perle von erheblicher Größe. Das Gesicht dieses Jünglings, das übrigens von regelmäßiger Schönheit war und dessen Ausdruck durch eine elegante Erscheinung erhöht wurde, war lebhaft und munter und von einer Offenheit, daß man die Festigkeit eines entschlossenen und das Feuer eines unternehmenden Charakters zugleich mit Ueberlegungskraft und Raschheit des Entschlusses davon hätte ablesen können.

Die beiden Edelleute lehnten ziemlich in der gleichen Stellung unfern von einander auf Bänken, aber jeder schien in seine besondern Betrachtungen vertieft zu sein, jeder blickte starr auf die Wand, die ihnen gegenüber sich erhob, und keiner sprach zum andern ein Wort. Die Blicke des ältern der beiden ließen keinen Zweifel, daß er, wenn er sich die Wand ansah, nichts weiter darin sah, als den mit Waffenröcken, Geweihen, Schilden, alten Rüstungen, Partisanen und dergleichen Dingen, die gewöhnlich den Schmuck solcher Stätte bilden, behangenen Teil eines Gemachs. Die Miene des jüngern Stutzers verriet eine gewisse Phantasie: er war versunken in träumendes Sinnen, und es sah ganz so aus, als ob der leere Bodenraum zwischen ihm und der Wand die Bühne eines Theaters sei, auf der sein Geist seine eignen dramatischen Personen auftreten ließe, und ihm Szenen vorführte von ganz andrer Art und ganz anderm Charakter, als jene, die ihm sein leibliches Auge und irdisches Leben hätten zeigen können.

Bei Tressilians Eintritt fuhren beide Edelleute aus ihrem Sinnen auf und entboten ihm ihren Gruß; der jüngere vornehmlich mit großem Aufwand von Munterkeit und Herzlichkeit.

»Willkommen, willkommen, Tressilian,« sagte der Jüngling, »Deine Philosophie raubte Dich uns, als diese Stätte dem Ehrgeiz Ziele zu eröffnen schien ... aber sie ist manierlich und läßt sich ertragen, da sie Dich uns wieder zuführt zu einer Zeit, da hier bloß Gefahren zu teilen sind.«

»Ist denn mein lieber Herr so gefährlich erkrankt?« fragte der Junker.

»Wir befürchten das Schlimmste,« antwortete der ältere Edelmann, »und zwar darum, weil hier die schlimmsten Praktiken gelten.«

»Pfui,« rief da Tressilian, »der Graf von Leicester ist doch ein Ehrenmann.«

»Was will er dann mit all den Mannen, die er um sich schart?« sagte der jüngere. »Wer den Teufel weckt, mag ja ein Ehrenmann sein, aber er ist verantwortlich für das Unheil, das er stiftet, trotz allem.«

»Versteht Ihr unter diesem »trotz allem« Euch selbst, meine Herren?« fragte Tressilian, »seid Ihr es allein, die meinem lieben Herrn beistehen in seiner äußersten Not?«

»Nein, nein,« versetzte der ältere Edelmann, »Tracy, Markham und manch andre mehr sind da, aber wir halten hier paarweise Wacht, und manche sind müde und schlafen oben in der Galerie.«

»Und manche,« setzte der Jüngling hinzu, »sind unterwegs nach Deptford zum Dock hinüber, um nach einem Schiff Ausschau zu halten, zu dessen Ankauf die Trümmer ihres Vermögens noch ausreichen; und sobald hier alles vorbei ist, wollen wir unsern edlen Herrn in ein edles, grünes Grab betten, dann bei schicklichem Anlaß über die herfahren, die ihn in solchen Zustand gejagt haben, und dann mit schwerem Herzen und leichtem Beutel nach Indien segeln.«

»Meinetwegen,« versetzte Tressilian, »und sobald ich mein Geschäft am Hofe erledigt habe, will ich mich Eurem Vorhaben gern anschließen.«

»Du hast Geschäfte bei Hofe?« riefen beide, wie aus einem Munde, »und machst die Reise mit nach Indien?«

»Ey ei, Tressilian,« rief der jüngere Mann, »bist Nu nicht versprochen, verlobt? Und hinweg über jene Glücksfahrten, die andres junges Volk hinaus auf hohe See treiben, wenn ihre Barke bloß ein paar Ruderschläge noch bis zum Hafen hatte? ... Was ist aus der holden Indamira geworden, die meinem Amoret in Treue und Schönheit sollte vereinet sein?«

»Sprich von ihr nicht!« sagte, sich abwendend, Tressilian.

»Ei, ei, steht es so mit Euch beiden?« rief der Jüngling, indem er mit aller Herzlichkeit und Liebe des andern Hand ergriff; »dann fürchte nicht, daß ich den Finger wieder auf die frische Wunde lege! Aber das ist eine seltsame Kunde! Seltsam und traurig! Kann denn keiner von uns muntern, fröhlichen Gesellen in diesem jähen Gewittersturm glücklich im Hafen landen, sondern müssen alle von uns schmählichen Schiffbruch leiden? Von Dir wenigstens, mein lieber Edmund, hatte ich gehofft, Du würdest glücklich landen; aber sagt nicht ein andrer lieber Freund Deines Namens:

»Wer sieht Fortunens Rad zerstören, Ein Glück, das er für sicher hält; Der fühlt es, daß wir angehören Dem Wankelmut in dieser Welt, Der im Zertrümmern sich gefällt!«

Der ältere Edelmann war von seiner Bank aufgestanden und schritt mit merklicher Ungeduld durch die Halle, während der Jüngling mit hohem Ernst und tiefer Empfindung diese Strophen zitierte. Als er damit fertig war, hüllte der andre sich in seinen Mantel ein und streckte sich wieder hin mit den Worten:

»Mich wundert es, Tressilian, daß Ihr den albernen Kram mit anhören könnt. Was soll wohl ein vernünftiger Mensch denken von einem so tugendsamen und ehrbaren Hause, wie dem meines Herrn, wenn er hier solch weinerliches, läppisches, kindisches Gereimsel hört? Solches Gefasel, das mit Junker Walter Klingelbeutel den Weg gefunden hat in unser ehrenfestes, kernfestes Englisch? Das uns Gott geschenkt hat, damit wir uns schlicht und verständlich ausdrücken? Und das sollen wir uns verdrehen und verschnörkeln lassen in solch unreifes, unfaßliches Geplapper?«.

»Blount meint,« sagte sein Kamerad lachend, »der Teufel habe um Eva in Versen gefreit,, und die mystische Bedeutung vom Baume der Erkenntnis beziehe sich einzig und allein auf die Fertigkeit, Reime zu drechseln und Hexameter zu bilden.«

In diesem Augenblick trat der Kammerherr des Grafen in die Halle und benachrichtigte Tressilian, daß der Graf ihn zu sich entbieten lasse.

Tressilian fand Lord Sussex angekleidet, aber frei von Arm- und Beinschienen auf seinem Ruhebett. Ueber die Veränderung, die durch die Krankheit mit ihm vorgegangen war, fühlte er sich tief betroffen. Der Graf begrüßte ihn aufs herzlichste und erkundigte sich sogleich, wie es um seine Herzenssachen stände. Tressilian ging der Antwort einen Augenblick aus dem Wege und lenkte die Rede auf den Gesundheitszustand des Grafen. Zu seinem nicht geringen Erstaunen machte er die Beobachtung, daß die Symptome seiner Krankheit sich genau mit der Schilderung deckten, die der Schmied von ihr gegeben hatte. Darum zauderte er nicht, dem Grafen genau zu erzählen, wie es sich um seinen neuen Gefolgsmann verhielt, und daß sich derselbe anheischig gemacht hätte, die Krankheit zu heilen, an der der Graf litte.

Dieser hörte aufmerksam, aber ungläubig zu, bis der Name Demetrius vorkam. Da rief er plötzlich seinem Sekretär zu, ihm ein Kästchen zu bringen, worin sich Papiere von Wichtigkeit befanden.

»Nimm die Aussage heraus,« sagte er zu dem Sekretär, »die der Schurke von Koch, den wir im Verhör hatten, abgegeben hat, und sieh sorgfältig zu, ob darin nicht der Name Demetrius vorkommt.«

Der Sekretär hatte die Stelle im Nu gefunden und las:

»Und der Inkulpat, als er befragt wird, sagt aus: daß er sich erinnre, die Sauce zu dem erwähnten Stör bereitet zu haben, nach dessen Genuß der besagte edle Lord von Uebelkeit befallen wurde; und er tat die üblichen Ingredienzien und Gewürze hinzu und zwar ...«

»Uebergehe diese nebensächlichen Dinge,« sagte der Graf, »und sieh zu, ob er nicht durch einen gewissen Demetrius, seines Zeichens Kräuterhändler, mit den betreffenden Materialien versorgt worden ist.«

»Das ist durchaus richtig,« antwortete der Sekretär, »und er fügt bei, daß er seitdem besagten Demetrius nicht gesehen habe.«

»Dies stimmt überein mit der Geschichte Deines Burschen,« erwiderte der Graf, »laß ihn herholen, Tressilian!«

Vor den Grafen geführt, erzählte Wieland, der Schmied, sein Vorleben mit Festigkeit und Ruhe.

»Es kann ja sein,« sprach der Earl, »daß Du abgesandt worden bist von denen, die dies Werk begonnen haben, zu dem Zwecke, es zu vollenden. Aber bedenke, daß es Dir hart ergehen wird, wenn ich an Deiner Arznei zugrunde gehe.«

»Das wäre gestrenges Maß,« erwiderte der Schmied, »da doch die Wirkung von Arzneien und das Ende des menschlichen Lebens in Gottes Hand ruht. Aber ich will die Gefahr laufen. Ich habe nicht so lange unter der Erde gelebt, um Bange vor dem Grabe zu haben.«

»Nun denn, da Du so zuversichtlich bist, will ich die Gefahr desgleichen auf mich nehmen,« sprach der Graf, »denn die studierten Aerzte sind mit ihrem Latein bei mir zu Ende. Sage mir, wie die Arznei eingenommen werden muß.«

»Das soll sogleich geschehen,« antwortete Wieland, »erlaubt mir jedoch noch eine Bedingung, daß es, weil ich alle Gefahr der Kur auf mich nehme, keinem Arzt erlaubt sein solle, sich einzumischen.«

»Das ist nur recht und in Ordnung,« entgegnete der Graf, »und nun bereite Deine Arznei.«

Während Wieland die Befehle des Grafen zur Ausführung brachte, entkleideten die Diener auf Weisung des Schmieds den Grafen und brachten ihn zu Bett.

»Ich sage Euch im voraus,« bemerkte der Schmied, »daß die erste Wirkung dieser Arznei sich durch einen tiefen Schlaf äußern wird, und während dieser Zeit darf die Ruhe im Zimmer durch nichts gestört werden, weil sich sonst verhängnisvolle Folgen einstellen werden. Ich werde selbst bei dem Herrn Grafen, wachen mit einem der Kammerherren vom Dienste.«

»Es sollen alle das Zimmer verlassen mit einziger Ausnahme von Stanley und diesem braven Manne,« sprach der Earl.

»Und mit Ausnahme von mir,« sagte Tressilian, »denn ich nehme das lebhafteste Interesse an den Wirkungen dieses Trankes.«

»Einverstanden, mein lieber Freund,« sagte der Earl; »und nun zu unsrer Kur; aber zuvor ruft mir meinen Sekretär und meinen Kammerherrn.«

»Ihr seid Zeugen dafür,« sprach er, als diese Herren eintraten, »Ihr seid mir Zeugen dafür, daß unser ehrenwerter Freund Tressilian in keiner Weise verantwortlich ist für die Wirkungen, die diese Arznei auf mich äußern wird, denn ich nehme sie aus meinem eignen freien Willen und zufolge meiner eignen freien Wahl, aus dem Grunde, weil ich sie für eine Arznei halte, die mir mein gnädiger Gott sendet auf einem weder von mir noch von andern vermuteten Wege, zu dem Zwecke, mich von meiner Krankheit genesen zu machen. Meldet meiner edlen, fürstlichen Gebieterin meine untertänigen Empfehlungen, und beteuert ihr, daß ich lebe und sterbe als ihr getreuer Diener, und daß ich allen, die um ihren Thron sich scharen, die gleiche Herzensaufrichtigkeit, den gleich guten Willen, ihr dienstbar zu sein, wünsche im Verein mit größerer Fähigkeit und Geschicklichkeit, als verliehen war dem armen Thomas Ratcliffe.«

Er faltete, nun die Hände und schien auf die Zeit von einigen Sekunden in stilles Gebet zu versinken, dann nahm er die Medizin in die Hand, verhielt sich ein paar weitere Sekunden lang still und betrachtete Wieland mit einem Blicke, der ihm durch die Seele dringen sollte, aber in dem Benehmen des Schmieds und in seiner Handlungsweise weder Unruhe noch Zaudern bewirkte.

»Hier ist keine Ursache vorhanden zu Furcht oder Besorgnis,« sprach der Graf zu Tressilian und schluckte die Medizin ohne weitres Besinnen hinunter.

»Und nun bitte ich Eure Herrlichkeit,« sagte Wieland, »sich so bequem wie nur möglich zur Ruhe hinzustrecken; und Euch, meine edlen Herren, ersuche ich, sich so still wie möglich zu verhalten, und ganz so stumm, wie wenn Ihr am Sterbebette Euerer leiblichen Mutter verweiltet.«

Der Kammerherr und der Sekretär verließen nun das Gemach und erteilten draußen Befehl, daß alle Türen geschlossen bleiben und aller Lärm im Hause auf das strengste vermieden werden solle. Verschiedne Edelleute blieben, weil es ihr Wille war, in der Halle als Wache, aber das Gemach, in welchem der kranke Graf lag, wurde von niemand betreten, ausgenommen von seinem Leibdiener Stanley, von Wieland und von Tressilian. Die Anordnungen Wielands wurden flugs erfüllt, und ein tiefer Schlaf senkte sich auf den Grafen, ein Schlaf, so tief und fest, daß die beiden, die abwechselnd an seinem Bette wachten, Tressilian und Stanley, ernstlich zu fürchten anfingen, er möchte bei dem geschwächten Zustande, in dem er sich befand, in die Ewigkeit hinübergehen, ohne aus seiner Lethargie zu erwachen. Wieland, der Schmied, schien selbst Unruhe zu fühlen, betastete von Zeit zu Zeit mit leichtem Druck die Schläfen des Grafen – und verfolgte mit besondrer Aufmerksamkeit die Atemzüge des Patienten, die tief aus der Brust heraufkamen, aber leicht und regelmäßig waren.


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