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Neuntes Kapitel.

O Mädchen, ob Du gleich so kalt wie Eis,
Ist doch mein Herz nicht minder stolz, als Deins.

Seward.

Es war in der Abenddämmerung des Tages, wo das Verhör stattgefunden hatte, als an der Thür von Rebecca's Gefängniß ein leises Pochen gehört wurde. Sie ließ sich aber dadurch in ihrer Abendandacht nicht stören, welche sie eben mit einer Hymne schloß. Als aber die Töne ihres Gesanges verklungen waren, ließ sich das Pochen an der Thür nochmals vernehmen.

»Tritt ein!« rief sie, »wenn Du ein Freund bist, und bist Du ein Feind, so habe ich nicht die Macht, Dir den Eintritt zu verwehren.«

»Ich bin entweder Freund oder Feind, wozu mich der Ausgang dieser Unterredung machen wird,« sagte Bois-Guilbert, der ins Zimmer trat.

Erschreckt durch den Anblick dieses Mannes, dessen ausschweifende Leidenschaft die Veranlassung zu ihrem Unglück gewesen war, zog sich Rebecca in die äußerste Ecke des Gemaches zurück.

»Ihr habt keine Ursache mich zu fürchten, Rebecca,« sagte der Templer, »oder, wenn ich meine Worte genauer abwägen soll, Ihr habt wenigstens jetzt keine Ursache mich zu fürchten.«

»Ich fürchte Euch nicht, Herr Ritter,« versetzte Rebecca, obgleich ihr kurzer Athemzug den Heroismus ihrer Rede Lügen zu strafen schien; »mein Vertrauen ist stark, ich fürchte Euch nicht.«

»Ihr habt nicht Ursache dazu,« versetzte Bois-Guilbert ernst, »meine frühern wahnsinnigen Versuche habt Ihr jetzt nicht zu fürchten! Es ist eine Wache in der Nähe, über die ich keine Gewalt habe, und die zwar bestimmt, Euch zum Tode zu führen, doch nicht dulden würde, daß Euch Jemand beleidigte, selbst ich nicht, auch wenn mein Wahnsinn mich dazu treiben sollte.«

»Gott sei gelobt!« sagte die Jüdin, »der Tod ist das Geringste, was ich fürchte in dieser Höhle des Unglücks.«

»Glaube nicht, Mädchen,« sagte der Templer, »daß ich Dich absichtlich so preisgegeben habe; gern hätte ich Dich gegen jede Gefahr mit meiner eigenen Brust geschützt, so wie ich sie einst den Pfeilen darbot, die Dein Leben bedrohten.«

»Wäre Deine Absicht gewesen, die Unschuld edelmüthig zu beschützen,« sagte Rebecca, »so würde ich Dir dafür gedankt haben; allein Du hast mir so oft Dein Verdienst deshalb gerühmt, daß ich Dir sage, das Leben ist mir nichts werth um den Preis, den Du dafür fordern möchtest.«

»Halt ein mit Deinen Vorwürfen, Rebecca,« sagte der Templer; »ich habe meine eigene Ursache zum Kummer, und bedarf der Vermehrung desselben durch Deine Vorwürfe nicht.«

»Was ist denn Deine Absicht?« sagte die Jüdin, »sprich es kurz aus. Hast Du etwas Anderes vor, als das Elend mit anzusehen, welches Du veranlaßt hast, so laß mich's wissen, und dann überlaß mich mir selbst. Der Schritt von der Zeit zur Ewigkeit ist kurz, aber furchtbar, und ich habe nur wenig Augenblicke, um mich darauf vorzubereiten.«

»Ich sehe, Rebecca,« sagte Bois-Guilbert, »daß Du mir noch immer die Last des Unglücks aufbürden willst, welches ich so gerne von Dir abgewendet hätte.«

»Herr Ritter,« versetzte Rebecca, »ich möchte gern jeden Vorwurf vermeiden; aber was ist gewisser, als daß ich meinen Tod Eurer ungezügelten Leidenschaft zuschreiben muß?«

»Du irrst,« sagte der Templer schnell, »denn Du rechnest mir etwas zu, was ich weder vorherzusehen, noch auf irgend eine Weise zu verhindern vermochte. Konnte ich die unerwartete Ankunft des Mannes vermuthen, den ein Auflodern wilder Tapferkeit und das Lob einer thörichten Selbstpeinigung über sein eigenes Verdienst, über das Urtheil der Menge, über mich und über hundert unsers Ordens erhoben haben, welche als Männer denken und empfinden, die sich von solchen phantastischen Vorurtheilen frei wissen, die den Grund seiner Meinungen und Handlungen ausmachen?«

»Und doch,« sagte Rebecca, »saßet Ihr unter den Richtern über mich, die Unschuldige, wie Ihr wohl wußtet. Ihr nahmt Theil an meiner Verurtheilung, und wenn ich recht verstanden habe, wollt Ihr selbst bewaffnet erscheinen, meine Schuld zu beweisen und meine Strafe zu sichern.«

»Geduld, Mädchen,« sagte der Templer; »kein Volksstamm weiß besser als der Deinige, wie man sich in die Zeit fügen und sein Schiff so steuern muß, daß man auch den ungünstigen Wind benutzen kann.«

»Beklagenswerth ist die Stunde,« sagte Rebecca, »welche dem Hause Israels diese Kunst gelehrt hat, doch Unglück beugt das Herz, wie das Feuer Stahl biegsam macht, und diejenigen, welche sich nicht mehr selbst regieren können und aufhören Bürger eines eigenen freien Staates zu sein, müssen sich freilich vor Fremden beugen; aber Ihr, die Ihr Euch Eurer Freiheit als eines angebornen Rechtes rühmt, um wie viel größer ist Euer Unrecht, wenn Ihr Euch bequemt fremden Vorurtheilen zu schmeicheln, und zwar gegen Eure eigene Ueberzeugung.«

»Deine Worte sind bitter, Rebecca,« sagte der Templer, indem er mit hastigen Schritten durchs Zimmer ging; »aber ich kam nicht hieher, um Vorwürfe mit Dir zu wechseln. Wisse, daß Bois-Guilbert keinem erschaffenen Manne nachgibt, wenn ihn nicht die Umstände zuweilen bestimmen von seinem Plane abzuweichen. Sein Wille gleicht dem Gebirgsstrome, der zwar dem Felsen ausweicht, aber seinen Weg zum Ozean nicht verfehlt. Das Blatt, welches Dir den Wink gab einen Kämpfer zu verlangen, von wem konntest Du glauben, daß es kommen könne, als von Bois-Guilbert? Bei wem sonst konntest Du eine solche Theilnahme erregt haben?«

»Ein kurzer Aufschub des drohenden Todes,« sagte Rebecca, »der mir wenig helfen kann; war dies Alles, was Du für ein Mädchen thun konntest, auf deren Haupt Du Gram gehäuft, und die Du an den Rand des Grabes gebracht hast?«

»Nein, Mädchen,« erwiederte Bois-Guilbert, »das war nicht Alles, was ich beabsichtigte. Wäre nicht der alte fanatische Geck und der Narr von Grodarlike, der, obgleich ein Templer, nach den gewöhnlichen Gesetzen der Menschlichkeit zu denken und zu handeln fälschlich vorgibt, dazwischen gekommen, so wäre das Geschäft des vertheidigenden Kämpfers nicht auf einen Präceptor, sondern auf ein simples Mitglied des Ordens gefallen. Dann wäre ich selbst – dies war mein Plan – beim Schalle der Trompeten als Dein Kämpfer in den Schranken erschienen, verkleidet als irrender Ritter, der Abenteuer aufsucht, um seine Lanze und sein Schwert zu bewähren. Hätte dann auch Lucas Beaumanoir nicht einen, sondern zwei oder drei von den hier versammelten Brüdern ausgewählt, ich hätte sie gewiß mit meiner einzigen Lanze aus dem Sattel geworfen. So, Rebecca, hätte Deine Unschuld erwiesen werden sollen, und von Deiner Dankbarkeit allein würde ich den Lohn des Sieges erwartet haben.«

»Das ist nur eine leere Prahlerei,« sagte Rebecca; »Ihr nahmt meinen Handschuh an, und mein Kämpfer, wenn ein so verlassenes Geschöpf wie ich einen finden mag, muß sich Eurer Lanze in den Schranken stellen; und doch – doch nehmt Ihr noch die Miene meines Freundes und Beschützers an?«

»Ja, Deines Freundes und Beschützers,« versetzte der Templer sehr ernst – »ich will es sein! Doch merke Dir, mit welcher Gefahr oder vielmehr Gewißheit der Entehrung, und dann schilt mich nicht, wenn ich meine Bedingungen mache, ehe ich Alles, was ich im Leben für theuer und werth geachtet habe, aufopfere, um das Leben eines Judenmädchens zu retten.«

»Sprich, ich verstehe Dich nicht,« sagte Rebecca.

»Nun denn,« sagte Bois-Guilbert, »so will ich so frei heraus reden, als je ein reuiger Sünder im Beichtstuhl zu seinem geistlichen Vater sprach. Rebecca, wenn ich nicht in den Schranken erscheine, verliere ich Ehre und Rang, und was das Element meines Lebens ist, die Achtung, in der ich bei meinen Brüdern stehe, und die Aussicht, einst an die hohe Stelle zu kommen, die jetzt der bigotte und fanatische Lucas Beaumanoir einnimmt. Das ist mein Loos, wenn ich nicht gegen Dich in Waffen erscheine. Verwünscht sei Grodarlike, der mir diese Falle stellte – und doppelt verwünscht Albert von Malvoisin, der mich von dem Entschlusse abhielt, Deinen Handschuh dem abergläubischen alten Narren ins Gesicht zu werfen, der auf eine so alberne Klage gegen ein so hochgesinntes und reizendes Geschöpf, wie Du bist, hören konnte.«

»Wozu jetzt solche Schmeicheleien?« entgegnete Rebecca. »Du hast ja die Wahl getroffen, und willst lieber, daß das Blut eines unschuldigen Weibes vergossen werde, als Deinen eigenen irdischen Hoffnungen entsagen. Was hilft's darüber noch weiter zu reden? Deine Wahl ist ja getroffen.«

»Nein, Rebecca,« sagte der Ritter, in sanftem Tone, indem er ihr näher rückte, »meine Wahl ist keineswegs getroffen! Merke Dir's, bei mir steht die Wahl. – Wenn ich in den Schranken erscheine, muß ich meinen Ruhm in den Waffen behaupten, und thue ich das, so stirbst Du, mit oder ohne Kämpfer, am Pfahl oder auf dem Holzstoß, denn es gibt keinen lebenden Ritter, der es mit mir aufnehmen könnte, als Richard Löwenherz und sein Liebling Ivanhoe. Ivanhoe aber ist, wie Du wohl weißt, nicht im Stande seine Rüstung zu tragen und Richard im Ausland gefangen. Erscheine ich, so stirbst Du, gesetzt auch, Deine Reize entzündeten einen jungen Hitzkopf, zu Deiner Vertheidigung in den Schranken zu erscheinen.«

»Und wozu dient es, dies so oft zu erwähnen?« sagte Rebecca.

»Du sollst Dein Schicksal von jeder Seite kennen lernen,« versetzte der Templer.

»Nun, so wende denn das Blatt und zeige mir die andere Seite.«

»Wenn ich in den unglücklichen Schranken erscheine,« fuhr Bois-Guilbert fort, »so stirbst Du eines langsamen und schrecklichen Todes; erscheine ich aber nicht, so bin ich ein entehrter Ritter, der Zauberei schuldig und der Gemeinschaft mit Ungläubigen – der erlauchte Name, der sich durch mich so hoch erhoben hat, wird ein Schimpf und ein Vorwurf. Ich verliere den guten Ruf, Ehre, Aussicht auf eine Größe, wie sie kaum Kaiser erreichen. Ich opfere meine gewaltige Ehrsucht auf, ich zerstöre die Plane, die ich so hoch baute, daß sie den Bergen glichen, auf denen die Giganten einst den Himmel zu ersteigen versuchten – und doch, Rebecca,« setzte er hinzu, indem er ihr zu Füßen fiel, »doch will ich diese Größe aufopfern, will diesem Ruhme entsagen, diese Macht vergessen, selbst jetzt, wo sie schon halb in meinen Händen liegt, sobald Du sagst: Bois-Guilbert, ich nehme Dich zu meinem Geliebten an!«

»O, denkt doch nicht an solche Thorheit, Herr Ritter,« entgegnete Rebecca, »eilt lieber zu der Königin Mutter und zum Prinzen Johann, sie können um der Ehre ihrer Krone willen das Benehmen Eures Großmeisters nicht billigen. So gewährt Ihr mir Schutz, und es kostet Euch kein Opfer, Ihr habt keinen Vorwand, von mir eine Vergeltung deshalb zu verlangen.«

»Mit diesen habe ich nichts zu schaffen,« fuhr er fort, indem er die Schleppe ihres Kleides faßte, »an Dich, an Dich allein wende ich mich. Was kann Deine Wahl noch aufhalten? Besinne Dich, wäre ich Dein Feind, der Tod ist ein noch schlimmerer, und der Tod nur ist mein Nebenbuhler!«

»Ich mag diese Uebel nicht gegen einander abwägen,« sagte Rebecca, fürchtend den Ritter zu erzürnen, und doch auch entschlossen, weder seine Leidenschaften zu dulden, noch auch zu scheinen, sie zu dulden – »sei ein Mann! Sei ein Christ! Wenn dein Glaube Dir wirklich Mitleid anempfiehlt, welches mehr Eure Zungen als Eure Handlungen zeigen, dann rette mich von diesem schrecklichen Tode, ohne eine Vergeltung zu suchen, welche Deine Großmuth in einen unedeln Tausch verwandeln würde.«

»Nein, Mädchen,« sagte der Templer auffahrend, »so sollst Du mich nicht täuschen! Wenn ich dem jetzigen Ruhme und der künftigen Hoheit entsage, so geschieht es Deinetwegen, und wir entfliehen gemeinschaftlich! Höre mich, Rebecca,« sagte er wieder mit sanfterem Tone, »England, Europa ist nicht die Welt! Es gibt Gegenden, wo wir leben und wirken können, groß genug für meinen Ehrgeiz! Wir gehen nach Palästina, wo Conrad Marquis von Montserrat mein Freund ist, frei wie ich selber von allen Bedenklichkeiten, welche eine freigeborne Vernunft in Fesseln legen; wir wollen uns lieber mit Saladin verbünden, als die Verachtung der Frömmler ertragen, die wir gering schätzen. Ich werde mir neue Bahnen zur Größe eröffnen,« fuhr er fort, indem er rasch durchs Zimmer ging, »Europa soll den lauten Schritt dessen vernehmen, den es aus seinen Grenzen vertrieben hat. Nicht die Millionen, welche die Kreuzfahrer zur Schlachtbank senden, können so viel zur Vertheidigung von Palästina thun, nicht die Säbel von tausend und aber tausend Sarazenen vermögen ihren Weg so tief in das Land zu bahnen, um welches Nationen streiten, als die Kraft und Klugheit von mir und jenen Brüdern, die jenen alten Religionsschwärmer verachtend, mir im Guten wie im Bösen anhängen werden. Du sollst eine Königin werden, Rebecca! Auf dem Berge Karmel wollen wir Dir den Thron errichten, den meine Tapferkeit erringen wird, und ich will den langersehnten Stab mit dem Scepter vertauschen.«

»Ein Traum,« sagte Rebecca, »ein leeres Trugbild der Nacht, das, wenn es auch Wirklichkeit wäre, mich doch nicht reizen würde. Genug, daß ich die Macht, welche Du Dir erringen magst, nimmer theilen werde; auch denke ich von der Treue, die man seinem Glauben und seinem Vaterlande schuldig ist, nicht so gering, daß ich den achten könnte, der diese Bande so schnell zu zerreißen bereit ist, und die Verbindung des Ordens, dessen geschworenes Mitglied er ist, auflösen will, um der zügellosen Leidenschaft für die Tochter eines fremden Volkes zu fröhnen. Setzt keinen Preis auf meine Rettung, Herr Ritter, verkauft nicht eine Handlung der Großmuth, beschützt den Unterdrückten aus Menschenliebe und nicht um Eures Eigennutzes willen! Geht vor Englands Thron! Richard wird meine Berufung auf ihn nicht verwerfen, und mich vor diesen grausamen Menschen schützen.«

»Nie, Rebecca,« sagte der Templer stolz; »wenn ich dem Orden entsage, thue ich es nur allein um Dich! Verschmähst Du meine Liebe, dann bleibt mir nichts als der Ehrgeiz. Von Beiden zugleich lasse ich mich nicht täuschen. Vor Richard mich beugen? Eine Gunst von diesem stolzen Herrn erflehen? Nein, nimmermehr werde ich den Orden des Tempels in meiner Person ihm zu Füßen legen. Ich kann meinen Orden wohl vergessen, ihn aber nie entehren oder verrathen.«

»Nun, so sei Gott mir gnädig!« sagte Rebecca, »denn auf menschliche Hülfe darf ich nicht mehr hoffen!«

»Du hast ganz Recht,« sagte der Templer, »denn Dein Stolz hat in mir seinen Mann gefunden. Wenn ich mit meiner Lanze in die Schranken trete, dann denke nicht, daß irgend eine menschliche Rücksicht mich hindern sollte, meine ganze Kraft zu äußern; denke dann nur an Dein eigenes Schicksal – zu sterben den furchtbaren Tod der niedrigsten Verbrecher, verzehrt zu werden auf einem brennenden Holzstoße, zerstreut zu werden in alle Elemente, woraus unsere Gestalt so geheimnißvoll zusammengesetzt ist, nicht ein Stäubchen übrigbleibend von der anmuthsvollen Form, wovon wir sagen könnten, es lebte, es bewegte sich. Rebecca, solch eine Aussicht zu ertragen, ist dem Weibe nicht verliehen – Du wirst meinem Antrage nachgeben.«

»Bois-Guilbert,« versetzte Rebecca, »Du kennst entweder das weibliche Herz gar nicht, oder hast nur mit solchen Umgang gehabt, die ihre schönsten Gefühle verloren haben. Ich sage Dir, stolzer Templer, Du hast in Deinen gepriesensten Schlachten nicht mehr Muth entfaltet, als Weiber gezeigt haben, wenn sie aufgefordert wurden, aus Liebe oder Pflicht zu dulden. Ich selbst bin ein Weib, zärtlich erzogen, von Natur Gefahren scheuend und Schmerzen fürchtend, und doch, wenn wir in die entscheidenden Schranken treten werden, Du um zu kämpfen, ich um zu dulden, dann wird, das fühle ich mit stolzer Zuversicht, mein Muth noch höher steigen als der Deine. Lebe wohl! Ich verschwende keine Worte mehr mit Dir! Die Zeit, welche der Tochter Jakobs auf Erden noch übrig bleibt, muß anders angewendet werden; sie muß den Tröster suchen, der sein Antlitz zwar vor seinem Volke verbergen mag, doch sein Ohr immer dem Rufe derer öffnet, welche ihn mit aufrichtigem Herzen suchen.«

»So müssen wir denn scheiden,« sagte der Templer nach einer kurzen Pause. »O, wollte doch der Himmel, wir hätten uns nie gesehen, oder Du wärest mir gleich an Geburt und Glauben! Ja, beim Himmel, wenn ich Dich so betrachte, und bedenke, wie und wo wir uns wieder treffen sollen, dann könnte ich sogar wünschen, Einer von Deiner entwürdigten Nation zu sein – wünschen, daß meine Hand sich mit Metallklumpen und Geldsäcken befaßte, statt mit Lanze und Schild, daß sich mein Haupt vor jedem kleinen Edelmanne beugte und mein Blick nur dem bankerotten Schuldner furchtbar wäre – dies könnte ich wünschen, Rebecca, um Dir im Leben nahe zu sein, und dem furchtbaren Antheile zu entkommen, den ich an Deinem Tode nehmen soll.«

»Du sprichst von den Juden,« sagte Rebecca, »so wie sie die Verfolgung derer, die Dir gleichen, gemacht hat; der Himmel hat sie im Zorn aus ihrem Vaterlande vertrieben, allein ihr Fleiß hat ihnen den einzigen Weg zu Macht und Einfluß geöffnet, den ihnen die Unterdrückung noch frei gelassen. Lies die Geschichte des Volkes Gottes, und sage mir, ob diejenigen, durch welche Jehova solche Wunder unter den Nationen bewirkte, ein Volk von elenden Wucherern waren? Und wisse, stolzer Ritter, wir zählen Namen unter uns, gegen die Euer gepriesener nördlicher Adel wie Gras gegen die Ceder sich ausnimmt, Namen, welche zurückgehen bis auf jene großen Zeiten, wo die Allgegenwart Gottes den Gnadenstuhl zwischen den Cherubim erfüllte, und welche ihren Glanz nicht ableiten von irdischen Fürsten, sondern von jener ehrfurchtgebietenden Stimme, welche ihre Väter in die Nähe des Lichtes berief – dies waren die Fürsten des Hauses Jakob.«

Rebecca's Wange färbte sich höher, als sie des alten Ruhmes ihres Stammes gedachte, erblaßte aber wieder, als sie seufzend hinzufügte: »Das waren die Fürsten Juda's – jetzt sind sie es nicht mehr! – Niedergetreten sind sie worden, wie das abgemähte Gras und vermischt mit dem Staube des Weges! Indessen finden sich noch welche unter ihnen, die ihrer hohen Abkunft keine Schande machen, und zu ihnen will die Tochter Isaac's, des Sohnes Adonikam's gehören! – Lebet wohl! Ich beneide Dich nicht um Deine mit Blut errungene Ehre, nicht um Deine barbarische Abkunft von den Heiden des Nordens, auch nicht um Deinen Glauben, der Dir zwar stets auf der Zunge, aber nicht im Herzen, noch in Deinen Werken lebt.«

»Beim Himmel!« sagte Bois-Guilbert, »ich bin bezaubert. Ich glaube fast, Du redest die Wahrheit, und das Widerstreben, womit ich von Dir scheide, hat etwas Uebernatürliches. Schönes Wesen,« fuhr er fort, indem er sich ihr mit großer Achtung näherte, »so jung, so reizend, so ohne Furcht vor dem Tode, und doch verdammt zu sterben, schimpflich und ohne Trost! – Wer sollte nicht um Dich weinen? Thränen, die zwanzig Jahre diesen Augen fremd waren, feuchten sie jetzt an. Doch es muß sein – nichts kann Dein Leben retten. – Du und ich, wir sind beide blinde Werkzeuge eines unwiderstehlichen Schicksals, welches uns treibt, wie der Sturm zwei Schiffe, die dann an einander stoßen und zu Grunde gehen. Vergib mir also, und laß uns wenigstens als Freunde scheiden. – Umsonst habe ich Deine Entschlossenheit bestürmt, und die meinige ist fest wie die Tafeln des Schicksals!«

»So,« sagte Rebecca, »wälzen die Menschen die Folgen ihrer eigenen wilden Leidenschaften auf das Schicksal; doch ich verzeihe Dir, Bois-Guilbert, bist Du gleich die Ursache meines frühen Todes. Dein starkes Gemüth hat für etwas Höheres Sinn, aber es gleicht dem Garten des Trägen, wo das Unkraut überhand nimmt und die edleren Gewächse erstickt.«

»Ja, Rebecca,« sagte der Templer, »ich bin, wie Du gesagt hast, ungezähmt, roh und stolz; so habe ich unter dem Haufen eitler Thoren und bigotten Schwärmer jene hervorragende Kraft erhalten, die mich so weit über sie stellt. Ich bin ein Kind der Schlacht gewesen von meiner Jugend an, hochstrebend in meinen Plänen, und fest und unerschütterlich bei Verfolgung derselben. So muß ich auch bleiben, stolz, unbeugsam und unwandelbar; die Welt soll Beweise davon haben. Aber Du vergibst mir, Rebecca?«

»Wie je ein Schlachtopfer seinem Henker vergab.«

»So lebe denn wohl.« – Mit diesen Worten verließ der Templer das Gemach. Der Präceptor Albert Malvoisin wartete ungeduldig im anstoßenden Zimmer auf ihn.

»Du bist lange geblieben,« sagte er. »Wenn nun der Großmeister oder Conrad, sein Spion gekommen wäre? Ich hätte meine Nachsicht theuer bezahlen müssen. Aber was ist Dir, Bruder? Deine Tritte wanken, Deine Stirn ist finster wie die Nacht! Ist Dir nicht wohl?«

»Ja, wie dem Unglücklichen, der in einer Stunde sterben soll. Beim Himmel, Malvoisin, das Mädchen hat mich fast entmannt. Ich bin halb entschlossen dem Großmeister den Orden ins Gesicht abzuschwören, oder in ein fernes Land zu fliehen, wohin Thorheit und Fanatismus noch nicht den Weg gefunden haben.«

»Du kannst nicht fliehen,« sagte der Präceptor, »Du kannst Deinem Gelübde nicht entsagen. Entehrung ist in beiden Fällen Dein Loos. Und bedenke, wo sollten Deine alten Waffenbrüder ihr Antlitz bergen, wenn Bois-Guilbert, die beste Lanze des Tempels als abgefallen erklärt würde? Welche Trauer am Hofe von Frankreich? Welche Freude würde der stolze Richard haben, dessen Ruhm Du in Palästina beinahe verdunkeltest?«

»Malvoisin,« sagte der Ritter, »ich danke Dir! Du hast eine Saite berührt, die schnell in meinem Herzen anspricht. Es komme, was da wolle, abtrünnig soll man mich nimmer heißen. Möchte doch Richard, oder einer seiner gepriesenen Lieblinge in den Schranken erscheinen! Aber sie werden wohl leer bleiben; Niemand wird es wagen eine Lanze für die unschuldige Verlorne zu brechen!«

»Desto besser für Dich, da stirbt das Mädchen nicht durch Dich, und alle Schande fällt auf den Großmeister, der diese Schande für Lob hält.«

»Wohlan denn, ich kehre zu meinem ersten Entschlusse zurück. Sie hat mich verachtet, zurückgestoßen, erniedrigt. Malvoisin, ich erscheine in den Schranken!«

Hierauf trennten sie sich.



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