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Sagt nicht, daß meine Kunst Betrug – es leben
Vom Schein ja Alle; er muß Bettlern nützen,
Und der geputzte Cavalier erwirbt
Durch Schein sich Land und Titel, Rang und Anseh'n,
Der Geistliche verwirft ihn nicht, und selbst
Der Krieger schmückt die kühne That damit –
Ihn wendet Jeder an, und wer zufrieden
Damit, sich so zu zeigen wie er ist,
Der bringt's nicht weit im Feld, in Staat und Kirch' –
So geht die Welt.
Altes Schauspiel.
Albert Malvoisin, Präsident, oder in der Sprache des Ordens, Präceptor der Stiftung Templestowe, war der Bruder jenes Philipp Malvoisin, der in dieser Geschichte bereits gelegentlich ist erwähnt worden, und der, wie dieser Baron, in engem Bunde mit Brian de Bois-Guilbert stand.
Der Großmeister hatte erfahren, daß Albert die jüdische Gefangene in das Ordenshaus aufgenommen habe, ließ ihn demnach vor sich kommen und empfing ihn mit ungewohntem Ernst.
»In diesem, dem heiligen Orden des Tempels geweihten Hause,« sagte der Großmeister in sehr strengem Tone, »befindet sich ein jüdisches Weib, hiehergebracht durch einen Bruder, und zwar mit Eurer Erlaubniß, Präceptor.«
Albert Malvoisin schwieg erschrocken.
»Warum denn so stumm?« fuhr der Großmeister fort.
»Ist es mir erlaubt zu antworten?« fragte der Präceptor im Tone der tiefsten Demuth, obgleich er sich durch diese Frage nur einen Augenblick Zeit verschaffen wollte, seine Gedanken zu sammeln.
»Sprich, es ist Dir erlaubt!« sagte der Großmeister – »sprich, sage ich, kennst Du das Grundgesetz unserer heiligen Regel: De commilitonibus templi in sancta civitate, qui cum miserrimis mulieribus versantur, propter oblectationem carnis!«
»Gewiß, ehrwürdigster Vater,« antwortete der Präceptor, »ich bin nicht zu diesem Amte im Orden gelangt, ohne mit den wichtigsten Verboten desselben bekannt zu sein.«
»Wie kommt es denn, frage ich Dich nochmals, daß Du einem Bruder erlaubt hast, sein Liebchen, welche noch dazu eine jüdische Zauberin ist, an diesen heiligen Ort zu bringen, und ihn dadurch zu entweihen?«
»Eine jüdische Zauberin!« wiederholte Albert Malvoisin; »alle guten Engel schützen uns!«
»Ja, Bruder, eine jüdische Zauberin,« sagte der Großmeister ernst. »Ich habe es gesagt. Wagst Du zu läugnen, daß diese Rebecca, die Tochter jenes elenden Wucherers Isaac von York, und der Zögling der schändlichen Hexe Miriam, sich gegenwärtig – eine Schande zu denken oder auszusprechen! – in diesem Deinem Präceptorium befindet?«
»Eure Weisheit, ehrwürdiger Vater,« antwortete der Präceptor, »hat die Dunkelheit von meinem Verständniß hinweggeräumt. Es wunderte mich auch gar sehr, daß ein so guter Ritter, wie Brian de Bois-Guilbert, so in die Reize dieses Weibes vernarrt schien, welche ich nur in dieses Haus aufnahm, um ihre zunehmende Vertraulichkeit zu hemmen, wodurch sonst der Fall unsers tapfern und religiösen Bruders hätte herbeigeführt werden können.«
»Ist denn bis dahin zwischen ihnen nichts geschehen, wodurch er sein Gelübde gebrochen hat?« fragte der Großmeister.
»Was! Unter diesem Dache?« sagte der Präceptor sich bekreuzend; »die heilige Magdalena und die zehntausend Jungfrauen mögen es verhindern! – Nein! wenn ich gefehlt habe, sie hier aufzunehmen, so geschah es in der irrthümlichen Ansicht, daß ich auf diese Weise die thörichte Anhänglichkeit unsers Bruders an die Jüdin abbrechen könne, welche mir so phantastisch und unnatürlich erschien, daß ich dieselbe nur einem Anfall von Wahnsinn zuschreiben konnte, der eher durch Mitleid als Tadel zu heilen ist. Doch da Eure erhabene Weisheit entdeckt hat, daß diese Jüdin eine Zauberin ist, so läßt sich dieser Liebeswahnsinn des Ritters sehr wohl erklären.«
»Allerdings,« sagte Beaumanoir, »sieh, Bruder Conrad, die Gefahr, sich den ersten Eingebungen des Satans zu überlassen! Wir schauen die Weiber anfangs nur an, um unsere Augenlust zu befriedigen, und uns an ihrer Schönheit zu ergötzen; doch der alte Feind erhält leicht Macht über uns, durch Zauberei und böse Künste ein Werk zu vollenden, welches aus Thorheit und Müssiggang begonnen wurde. Ich glaube, daß unser Bruder Bois-Guilbert in dieser Sache mehr Mitleid als Züchtigung verdient, und daß unsere Ermahnungen und Bitten ihn von seiner Thorheit heilen und ihn den Brüdern wieder zuwenden werden.«
»Es wäre sehr zu beklagen,« sagte Conrad Mont Fichet, »wenn der Orden einen seiner besten Streiter zu einer Zeit verlieren sollte, wo die heilige Brüderschaft die Hülfe ihrer Söhne gerade am meisten bedarf. Dreihundert Saracenen hat dieser Bois-Guilbert mit eigner Hand getödtet.«
»Das Blut dieser verdammten Hunde,« sagte der Großmeister, »wird den Engeln und Heiligen, die sie verachten, ein süßer Geruch sein, und mit ihrer Hülfe wollen wir dem Zauber und der Verführung entgegenwirken, worein sich unser Bruder verstrickt hat. Er soll die Banden dieser Delila zerreißen, wie Simson die neuen Stricke zerriß, womit ihn die Philister gebunden hatten, aber die schändliche Zauberin, welche ihre Bezauberungen bei einem Mitgliede des heiligen Tempels angewendet hat, soll sicherlich des Todes sterben.«
»Aber die englischen Gesetze« – sagte der Präceptor, der sich zwar freute, daß der Zorn des Großmeisters sich so glücklich von ihm und Bois-Guilbert abgewendet habe, doch aber fürchtete, er möge ihn zu weit führen.
»Die englischen Gesetze,« erwiderte Beaumanoir, »erlauben und ermächtigen jeden Richter innerhalb seiner Jurisdiction Gerechtigkeit zu üben. Der geringste Edelmann kann eine auf seinem Gebiete gefundene Hexe verhaften und nach der Untersuchung verurtheilen. Wie sollte man dem Großmeister des Tempels innerhalb des Präceptoriums seines Ordens dieses Recht verweigern? Nein! Wir wollen urtheilen und verdammen. Bereite die Schloßhalle zu dem Prozesse der Zauberin vor.«
Albert Malvoisin verbeugte sich und ging – nicht um Befehle zu geben, die Halle in Bereitschaft zu halten, sondern um Bois-Guilbert aufzusuchen, und ihm mitzutheilen, wie die Sachen wahrscheinlich enden würden. Er fand ihn bald, schäumend vor Unwillen wegen einer Zurückweisung, die er wieder von der schönen Jüdin erfahren hatte. »Die Undankbare,« sagte er, »den zurückzuweisen, der unter Blut und Flammen ihr Leben mit Gefahr seines eigenen würde gerettet haben! Beim Himmel, Malvoisin! ich blieb da, bis Balken und Sparren um mich her krachten. Ich war das Ziel von hundert Pfeilen; sie rasselten an meiner Rüstung, gleich Schloßen an verschlossenen Fensterladen, und ich bediente mich meines Schildes nur, um sie zu schützen. So viel that ich für sie, und jetzt zankt das eigensinnige Mädchen mit mir, daß ich sie nicht in den Flammen habe umkommen lassen, und verweigert mir nicht nur den geringsten Beweis der Dankbarkeit, sondern selbst die entfernteste Hoffnung, daß sie mir ihn je gewähren wird. Der Teufel, welcher ihrem ganzen Stamm solche Hartnäckigkeit einflößte, hat dieselbe in ihrer einzigen Person concentrirt!«
»Der Teufel besitzt Euch Beide, glaube ich,« sagte der Präceptor. »Wie oft habe ich Euch Vorsicht, wenn auch nicht Enthaltsamkeit gepredigt? Sagte ich Euch nicht, daß es genug christliche Mädchen gebe, die es für Sünde halten würden, einem so tapfern Ritter den Minnesold zu verweigern, und Ihr müßt Eure Zuneigung gerade auf eine eigensinnige, hartnäckige Jüdin richten! Beim Kreuz, ich glaube, der alte Lucas Beaumanoir hat Recht, wenn er behauptet, sie habe Euch bezaubert.«
»Lucas Beaumanoir?« sagte Bois-Guilbert vorwurfsvoll – »sind das Eure Vorsichtsmaßregeln, Malvoisin? Hat der alte Schwärmer erfahren müssen, daß Rebecca im Präceptorium ist?«
»Wie konnte ich's verhindern?« sagte der Präceptor. »Ich vernachlässigte nichts, was Euer Geheimniß bewahren konnte; doch es ist verrathen, und ob vom Teufel oder nicht, kann der Teufel allein sagen. Doch ich habe die Sache gewendet, wie ich konnte; Ihr seid gerettet, wenn Ihr der Jüdin Rebecca entsagt. Ihr werdet bemitleidet als das Opfer zauberischer Künste. Sie ist eine Zauberin und muß als solche leiden.«
»Das soll sie nicht, beim Himmel!« sagte Bois-Guilbert.
»Sie wird und muß es dennoch!« sagte Malvoisin. »Weder Ihr, noch irgend Jemand kann sie retten. Lucas Beaumanoir hat ausgemacht, daß der Tod einer Jüdin ein hinreichendes Sühnopfer sei für alle Ausschweifungen in der Liebe, welche die Templer begangen; und Du weißt, er hat die Macht und den Willen, einen so vernünftigen und frommen Vorsatz auszuführen.«
»Werden künftige Jahrhunderte glauben, daß ein solcher unsinniger Fanatismus je existirte?« sagte Bois-Guilbert, im Zimmer auf- und abschreitend.
»Was sie glauben werden, weiß ich nicht,« sagte der Präceptor; »aber ich sage Dir, daß Du Rebecca nicht retten kannst – ich sage Dir aber, daß Du mit ihr zu Grunde gehen kannst. Eile zum Großmeister – wirf Dich ihm zu Füßen und sage ihm« –
»Nicht zu seinen Füßen, beim Himmel! sondern dem Schwärmer in den Bart will ich sagen« –
»So sage ihm denn in den Bart,« fuhr Malvoisin mit Kälte fort, »daß Du diese gefangene Jüdin bis zum Wahnsinn liebst; und je mehr Du bei Deiner Leidenschaft verweilst, desto größer wird seine Hast sein, dieselbe durch den Tod der schönen Zauberin zu enden. Es mögen tausend solche schwache Seifenblasen, wie diese Jüdin, zu Grunde gehen, lieber als daß Dein männlicher Schritt in der glänzenden Laufbahn still stehe, die vor Dir ausgebreitet liegt! Für jetzt müssen wir uns trennen, auch darf man nicht sehen, daß wir uns mit einander unterhalten – ich muß gehen und die Halle zur Gerichtssitzung in Stand setzen lassen.«
»Was! schon so bald?« sagte Bois-Guilbert.
»Ja,« versetzte der Präceptor, »das Verhör geht rasch vor sich, wenn der Richter das Urtheil schon vorher bestimmt hat.«
»Rebecca,« sagte Bois-Guilbert, als er allein war, »Du wirst mir wahrscheinlich theuer zu stehen kommen. Warum kann ich Dich nicht Deinem Schicksal überlassen, wie dieser ruhige Heuchler mir anempfiehlt? – Eine Anstrengung soll geschehen, um Dich zu retten – aber hüte Dich vor Undankbarkeit! denn wenn Du mich wieder zurückweisest, so soll meine Rache meiner Liebe gleich kommen. Das Leben und die Ehre Bois-Guilbert's darf nicht auf's Spiel gesetzt werden, wo Verachtung und Vorwürfe seine einzige Belohnung sind.«
Kaum hatte der Präceptor die nöthigen Befehle ertheilt, als Conrad Mont Fichet zu ihm kam, und ihn mit dem Entschluß des Großmeisters bekannt machte, die Jüdin sogleich wegen Zauberei zu verhören. Malvoisin erbot sich zwei Zeugen zu stellen, an denen die Jüdin ihre Zauberei ausgeübt habe.
Eben hatte die gewichtige Schloßglocke die Mittagsstunde angekündigt, als Rebecca auf der geheimen Treppe Fußtritte hörte, die zu ihrem Zimmer führte. Das Geräusch verkündete die Ankunft mehrerer Personen, und dies verursachte ihr Freude, denn sie fürchtete mehr die einsamen Besuche des wilden und leidenschaftlichen Bois-Guilbert, als irgend ein Uebel, welches ihr sonst begegnen konnte. Die Thür des Zimmers wurde aufgeschlossen, und Conrad und der Präceptor traten von vier schwarz gekleideten Trabanten begleitet herein.
»Tochter eines verfluchten Geschlechts!« sagte der Präceptor, »stehe auf und folge uns.«
»Wohin,« sagte Rebecca, »und zu welchem Zweck?«
»Mädchen,« antwortete Conrad, »es ist nicht an Dir zu fragen, sondern nur zu gehorchen. Dennoch magst Du erfahren, daß Du vor das Gericht des Großmeisters unsres heiligen Ordens sollst geführt werden, um Dich wegen Deiner Vergehungen zu verantworten.«
»Der Gott Abrahams sei gepriesen!« sagte Rebecca, indem sie andächtig ihre Hände faltete; »der Name eines Richters, obgleich ein Feind meines Volks, ist für mich gleich dem Namen eines Beschützers. Sehr gern folge ich Dir – erlaube mir nur, meinen Schleier um meinen Kopf zu hüllen.«
Sie stiegen die Treppe mit langsamen und feierlichen Schritten hinab, gingen über eine lange Gallerie, und traten dann durch eine Flügelthür am Ende derselben in die große Halle, wo der Großmeister für jetzt seine Gerichtsversammlung hielt.
Der untere Theil dieses großen Gemaches war mit Knappen und Trabanten angefüllt, welche mit einiger Schwierigkeit für Rebecca Platz machten, wie sie mit ihrer Begleitung zu dem für sie bestimmten Sitze ging. Als sie mit übereinander geschlagenen Armen und gesenktem Kopfe durch das Gedränge ging, wurde ihr ein Stück Papier in die Hand gesteckt, welches sie fast unbewußt empfing und behielt, ohne den Inhalt desselben anzusehen. Die Versicherung, daß sie einen Freund in dieser furchtbaren Versammlung besitze, gab ihr Muth, um sich zu blicken, und zu sehen, in wessen Gegenwart sie sich befinde. Sie schaute demnach die Scene an, die wir im nächsten Kapitel zu beschreiben versuchen wollen.