Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.

König Johann. Ich sage Dir, mein Freund,
Er ist wie eine Schlang' in meinem Weg;
Und überall, wohin mein Fuß nur tritt,
Liegt er vor mir. – Verstehst Du mich?

König Johann.

Es fanden vielfache Festlichkeiten im Schlosse zu York statt, wohin der Prinz Johann alle jene Edlen, Prälaten und Anführer eingeladen hatte, durch deren Beistand er seine ehrgeizigen Pläne auf seines Bruders Thron auszuführen hoffte. Waldemar Fitzurse, sein geschickter und kluger Agent, war insgeheim unter ihnen beschäftigt, und wendete alle Mittel an, sie zu dem Muthe aufzuregen, welcher nöthig war, um zu dem Zweck eine offene Erklärung zu machen. Doch ihr Unternehmen wurde durch die Abwesenheit mehr als eines wichtigen Mitgliedes der Verbindung verzögert. Der unbeugsame und kühne, obgleich rohe Muth Front-de-Boeufs, der lebhafte und verwegene Unternehmungsgeist de Bracy's, die Scharfsicht, kriegerische Erfahrung und berühmte Tapferkeit Brian de Bois-Guilberts waren für den Erfolg der Verschwörung von Wichtigkeit. Johann und sein Rathgeber verfluchten insgeheim ihre unnöthige Abwesenheit, wagten aber nichts ohne sie vorzunehmen. Der Jude Isaac schien auch verschwunden zu sein, und mit ihm die Hoffnung auf gewisse Geldsummen, welche die Hülfsgelder ausmachten, um die Prinz Johann mit jenem Israeliten und seinen Brüdern eins geworden war. Dieser Ausfall ließ bei so kritischen Verhältnissen gefährliche Folgen erwarten.

Am Morgen nach dem Fall von Torquilstone begann sich ein unbestimmtes Gerücht in der Stadt York zu verbreiten, daß de Bracy und Bois-Guilbert nebst ihrem Verbündeten Front-de-Boeuf gefangen genommen oder erschlagen wären. Waldemar überbrachte dem Prinzen Johann dieses Gerücht, und setzte hinzu, er fürchte um so mehr, daß sich dasselbe bestätigen werde, da sie mit geringem Gefolge ausgezogen seien, um den Sachsen Cedric und seine Begleitung zu überfallen. Zu einer andern Zeit würde der Prinz diese Gewaltthat als einen guten Scherz betrachtet haben; aber jetzt, da die Ausführung seiner Pläne dadurch gehindert und vereitelt wurde, ließ er sich heftig gegen die Thäter aus, und sprach von gebrochenen Gesetzen, und von Eingriffen in die öffentliche Ordnung und das Privateigenthum in einem Tone, der für den König Alfred gepaßt hätte.

»Diese gesetzlosen Räuber!« sagte er, »bin ich erst König von England, dann lasse ich solche Uebelthäter über den Zugbrücken ihrer eigenen Schlösser aufhängen.«

»Aber um König und Herr von England zu werden,« sagte der Rathgeber kalt, »ist es nicht nur nöthig, daß Eure Hoheit die Uebelthaten solcher gesetzlosen Räuber duldet, sondern daß Ihr ihnen auch, trotz Eures löblichen Eifers für die Aufrechthaltung der Gesetze, welche jene zu verletzen gewohnt sind, vollen Schutz angedeihen lasset. Es würde schön mit uns aussehen, wenn die ungeschliffenen Sachsen wirklich die Zugbrücken ihrer Lehnsgüter in Galgen verwandelt hätten. Der kühne Cedric schien ganz so, als könnte ihm ein solcher Gedanke wirklich in den Kopf kommen. Eure Hoheit wird gewiß auch einsehen, daß es gefährlich ist, ohne Front-de-Boeuf, de Bracy und den Templer etwas zu unternehmen, und doch sind wir schon zu weit gegangen, um mit Sicherheit wieder umkehren zu können.«

Der Prinz schlug sich aus Ungeduld vor die Stirn und schritt dann im Zimmer auf und ab.

»Die Schurken,« sagte er, »die elenden Verräther! mich zu verlassen in dieser Bedrängniß.«

»Sagt lieber, die unbesonnenen Narren, die mit Kinderspielen sich ergötzen wollen, wenn ein solches Geschäft zu vollbringen ist.«

»Aber was ist jetzt zu thun?« fragte der Prinz, und blieb vor Waldemar stehen.

»Ich weiß nicht, was gethan werden könnte,« versetzte der Rath, »außer wozu ich bereits Befehl gegeben habe. Ich kam nicht hieher, diesen unangenehmen Vorfall mit Eurer Hoheit zu beklagen, bis ich nicht vorher mein Möglichstes versucht hatte, ihn unschädlich zu machen.«

»Du bist doch immer mein guter Engel, Waldemar,« sagte der Prinz, »welche Vorkehrungen hast Du denn getroffen?«

»Ich habe dem Ludwig Winkelbrand, de Bracy's Lieutenant befohlen zu Pferde blasen zu lassen, das Banner zu entfalten und schnell nach Front-de-Boeufs Schlosse zu eilen, um wo möglich noch etwas zum Beistand unserer Freunde zu thun.«

Prinz Johanns Gesicht wurde roth wie das eines verzogenen Kindes, welches eine vermeinte Beleidigung erfahren hat.

»Bei Gottes Antlitz!« sagte er, »Du hast viel auf Dich genommen, Waldemar Fitzurse! und sehr anmaßend warst Du, ohne unsern ausdrücklichen Befehl die Trompete blasen, oder das Banner entfalten zu lassen in einer Stadt, wo wir selber gegenwärtig waren.«

»Ich bitte Eure Hoheit um Verzeihung,« sagte Fitzurse, innerlich die thörichte Eitelkeit seines Patrons verwünschend; »doch da die Zeit drängte, und selbst der Verlust von Minuten unheilbringend sein konnte, hielt ich es für das Beste, in einer für Eurer Hoheit Interesse so wichtigen Sache die Verantwortlichkeit auf mich zu nehmen.«

»Es sei Dir verziehen, Fitzurse,« sagte der Prinz ernst; »Deine Absicht macht Deine voreilige Raschheit wieder gut. – Doch wer ist da? – Beim Kreuz, de Bracy selber! – Und in seltsamem Aufzuge erscheint er vor uns.«

Es war in der That de Bracy – blutig vom Spornen und feuerroth vor Eile. Seine Rüstung trug noch alle Zeichen von dem jüngst stattgefundenen Kampfe an sich – sie war an manchen Stellen zerbrochen und mit Blut befleckt, und er selber von unten bis oben mit Koth und Staub bedeckt. Er nahm seinen Helm ab, setzte ihn auf den Tisch und stand einen Augenblick da, als müsse er sich erst fassen, ehe er seine Nachricht mittheilte.

»De Bracy,« sagte Prinz Johann, »was bedeutet dies? – Rede, ich beschwöre Dich! – Haben sich die Sachsen empört?«

»Rede, de Bracy,« sagte Fitzurse fast in demselben Augenblick wie sein Herr, »Du pflegtest ein Mann zu sein. Wo ist der Templer? – Wo ist Front-de-Boeuf?«

»Der Templer ist entkommen,« sagte de Bracy; »Front-de-Boeuf werdet Ihr nimmer wiedersehen. Er hat ein heißes Grab gefunden unter den brennenden Balken seines Schlosses, und ich allein bin entflohen, um es Euch mitzutheilen.«

»Eine kalte Nachricht für uns,« sagte Waldemar, »obgleich Du von Feuer und Flammen redest.«

»Das Schlimmste ist noch nicht gesagt,« antwortete de Bracy, indem er sich dem Prinzen Johann näherte und in leisem, aber nachdrücklichen Tone sagte: »Richard ist in England – ich habe ihn gesehen und mit ihm gesprochen.«

Prinz Johann wurde blaß, schwankte und hielt sich an der Lehne eines eichenen Stuhles – gleich einem Manne, dessen Brust von einem Pfeile durchbohrt ist.

»Du rasest, de Bracy,« sagte Fitzurse, »es kann nicht sein.«

»Es ist so wahr wie die Wahrheit selber,« sagte de Bracy; »ich war sein Gefangener und habe mit ihm geredet.«

»Mit Richard Plantagenet, sagst Du?« fuhr Fitzurse fort.

»Mit Richard Plantagenet,« versetzte de Bracy, »mit Richard Löwenherz – mit Richard von England.«

»Und Du warst sein Gefangener?« sagte Waldemar; »er steht also an der Spitze einer Macht?«

»Nein – nur wenige Geächtete waren um ihn, und diesen ist seine Person unbekannt. Ich hörte ihn sagen, er wolle von ihnen gehen. Er vereinigte sich nur mit ihnen, um beim Sturm auf Torquilstone zu helfen.«

»Ja,« sagte Fitzurse, »das ist in der That Richards Weise – ein wahrer irrender Ritter ist er, geht auf wilde Abenteuer aus, verläßt sich auf die Stärke seines einzelnen Armes, gleich einem Sir Guy oder Sir Bevis, während die wichtigen Angelegenheiten seines Reiches schlummern, und seine eigene Sicherheit gefährdest ist. – Was beabsichtigst Du zu thun, de Bracy?«

»Ich? – Ich bot Richard den Dienst meiner Freicompagnie an, doch er nahm es nicht an – ich will sie nach Hull führen, an Bord gehen, und mich nach Flandern einschiffen; bei diesen unruhigen Zeiten findet ein thätiger Mann immer Beschäftigung. Und Du, Waldemar, willst Du Lanze und Schild ergreifen, Deine Politik an den Nagel hängen, mit mir ziehen und das Schicksal theilen, welches Gott uns sendet?«

»Ich bin zu alt, Moritz, und habe eine Tochter,« antwortete Waldemar.

»Gib sie mir, Fitzurse, ich werde sie erhalten, wie es ihrem Stande ziemt, mit Hülfe meiner Lanze und meiner Steigbügel,« sagte de Bracy.

»Nicht so,« antwortete Fitzurse; »ich will mich in das Heiligthum zu Sanct Peter begeben, – der Erzbischof ist mein geschworner Bruder.«

Während dieser Unterredung war Prinz Johann nach und nach aus seiner Betäubung erwacht, in welche er durch diese unerwartete Nachricht war versetzt worden, und hatte aufmerksam angehört, was die Beiden gesagt hatten. »Sie fallen von mir ab,« sagte er zu sich selber, »sie halten nicht fester an mir, als ein verwelktes Blatt am Ast, wenn der Wind weht! – Hölle und Teufel! kann ich denn nicht selber einen Ausweg ersinnen, wenn diese Elenden von mir abfallen?« Er schwieg, und es lag ein Ausdruck teuflischer Leidenschaft in dem erzwungenen Lachen, womit er endlich ihr Gespräch unterbrach.

»Ha, ha, ha! meine guten Herren, bei dem Licht der Stirn unserer heiligen Jungfrau, ich halte Euch für weise Männer, für kühne, für witzige Männer; doch Ihr werft Reichthum, Ehre, Vergnügen und Alles, was unser edles Spiel Euch verhieß, in dem Augenblick von Euch, wo es durch einen kühnen Wurf hätte gewonnen werden können!«

»Ich verstehe Euch nicht,« sagte de Bracy. »Sobald Richards Rückkehr bekannt wird, steht er auch an der Spitze einer Armee, und Alles ist dann mit uns vorüber. Ich rathe Euch, Mylord, entweder nach Frankreich zu entfliehen, oder bei der Königin Mutter Schutz zu suchen.«

»Ich suche keine Sicherheit für mich,« sagte Prinz Johann, »die ich durch ein Wort von meinem Bruder erlangen könnte. Doch obgleich Ihr, de Bracy, und Ihr, Waldemar Fitzurse, so bereit seid, mich zu verlassen, so sollte es mich doch sehr freuen, Eure Köpfe über jenem Thor aufgesteckt zu sehen. Glaubst Du, Waldemar, daß der ränkevolle Erzbischof Dich nicht von den Hörnern des Altars selbst würde wegnehmen lassen, könnte er dadurch von König Richard Verzeihung erhalten? Und vergißt Du, de Bracy, daß Estoteville zwischen Dir und Hull liegt, mit all seinen Truppen, und daß der Graf von Essex sein Gefolge zusammenzieht? Wenn wir Grund hatten, diese Aushebungen selbst vor Richards Rückkehr zu fürchten, glaubst Du denn, daß jetzt noch ein Zweifel sein kann, welche Partei ihre Anführer ergreifen werden? Glaube mir, Estoteville allein ist stark genug, Deine ganze Freicompagnie in den Humber zu treiben.« – Waldemar Fitzurse und de Bracy sahen einander betroffen an. – »Es gibt nur einen Weg zur Sicherheit,« fuhr der Prinz fort, indem seine Stirn so finster wurde wie die Nacht; »dieser Gegenstand unseres Schreckens reist allein – man muß ihm auflauern.«

»Nur ich nicht,« sagte de Bracy hastig; »ich war sein Gefangener, und er hat mich freigelassen. Keine Feder an seinem Helmbusch will ich verletzen.«

»Wer sprach davon, ihn zu verletzen?« sagte Prinz Johann mit boshaftem Lachen; »der Schurke wird noch sagen, ich habe gemeint, er solle ihn erschlagen! – Nein – ein Gefängniß wäre besser; und ob es in Britannien oder in Oesterreich ist, was thut das? – Die Sachen werden stehen, wie sie waren, als wir unser Unternehmen begannen – es war auf die Hoffnung gegründet, daß Richard in Deutschland gefangen bleiben werde – unser Oheim Robert lebte und starb in dem Schlosse Cardiffe.«

»Ja, aber Euer Vater Heinrich saß viel fester auf seinem Throne, als Eure Hoheit es je kann. Ich sage, das beste Gefängniß ist das, welches der Todtengräber macht – kein Gefängniß gleicht einem Kirchengewölbe! Ich habe das Meinige gesagt.«

»Gefängniß oder Grab,« sagte de Bracy, »ich habe mit der ganzen Sache nichts zu thun.«

»Schurke!« sagte Prinz Johann, »Du willst doch nicht unser Geheimniß verrathen?«

»Ich verrieth noch nie ein Geheimniß,« sagte de Bracy stolz, »auch muß der Name Schurke nicht mit dem meinigen vereint werden!«

»Still, Herr Ritter!« sagte Waldemar; »und Ihr, mein guter Herr, verzeiht die Bedenklichkeiten des tapfern de Bracy; ich hoffe, ich werde sie bald entfernen.«

»Das geht über Eure Beredtsamkeit, Fitzurse,« versetzte der Ritter.

»Ei, guter Sir Moritz,« versetzte der ränkevolle Politiker, »fahre nicht zurück gleich einem erschreckten Pferde, ohne den Gegenstand Deines Schreckens anzusehen. – Dieser Richard – vor einem Tage noch wäre es Dein lebhaftester Wunsch gewesen, ihm Mann gegen Mann in den Reihen der Schlacht zu begegnen – hundertmal habe ich Dich diesen Wunsch aussprechen hören.«

»Ja,« sagte de Bracy, »doch das war, wie Du sagst, Mann gegen Mann in den Reihen der Schlacht! Du hörtest aber nie, daß ich den Gedanken andeutete, ihn allein in einem Walde angreifen zu wollen.«

»Du bist kein guter Ritter, wenn Du Dich davor scheust,« sagte Waldemar. »War es in der Schlacht, wo Lancelot du Lac und Tristan Ruhm erworben? Oder geschah es nicht vielmehr dadurch, daß sie riesenhafte Ritter im Schatten tiefer und unbekannter Wälder bekämpften?«

»Ja, aber ich versichere Euch,« sagte de Bracy, »daß weder Tristan noch Lancelot es mit Richard Plantagenet Mann gegen Mann hätten aufnehmen können, und mich dünkt, es war nicht ihre Gewohnheit, daß Mehrere einen Einzelnen anfielen.«

»Du bist toll, de Bracy – welchen Vorschlag machen wir Dir denn – Dir, dem gedungenen Hauptmann einer Freicompagnie, deren Schwerter zum Dienste des Prinzen Johann erkauft sind? Wir deuten Dir unsern Feind an, und dann besinnst Du Dich noch, obgleich das Glück Deines Patrons, das Deiner Kameraden, Dein eigenes, und Leben und Ehre von uns Allen auf dem Spiele steht!«

»Ich sage Dir,« versetzte de Bracy finster, »daß er mir das Leben schenkte. Freilich schickte er mich von sich und verweigerte meine Huldigung – dennoch will ich meine Hand nicht gegen ihn erheben.«

»Es ist nicht nöthig – schicke Ludwig Winkelbrand und einige zwanzig von Deinen Leuten.«

»Ihr habt selber Schurken genug,« sagte de Bracy; »keiner von meinen Leuten soll einen solchen Auftrag übernehmen.«

»Bist Du so widersetzlich, de Bracy?« sagte Prinz Johann, »und willst Du mich verlassen nach so vielen Betheuerungen des Eifers in meinem Dienste?«

»Das meine ich nicht,« sagte de Bracy; »ich will in Allem bei Euch aushalten, was einem Ritter ziemt, sei es im Felde, oder im Lager; doch dergleichen mörderische Anfälle gehören nicht zu meinem Dienst.«

»Komm hieher, Waldemar,« sagte Prinz Johann. »Ich bin ein unglücklicher Fürst. Mein Vater, der König Heinrich, hatte treue Diener – er durfte nur sagen, daß er von einem aufrührerischen Priester geplagt werde, und das Blut des Thomas à Becket, so heilig er war, befleckte die Stufen seines eigenen Altars. – Tracy, Morville, Brito waren getreue und kühne Unterthanen, deren Geist und Namen erloschen sind; und obgleich Reginald Fitzurse einen Sohn hinterlassen hat, so ist er doch von seines Vaters Treue und Muth abgefallen.«

»Er ist von keinem von Beiden abgefallen,« sagte Waldemar Fitzurse, »und da es nicht anders sein kann, so will ich dieses gefährliche Unternehmen leiten. Theuer erkaufte mein Vater das Lob eines eifrigen Freundes; und doch war der Beweis seiner Treue, den er Heinrich gab, viel geringer, als der, den ich zu geben im Begriff bin; denn lieber möchte ich einen ganzen Kalender voll von Heiligen angreifen, als meine Lanze gegen Richard Löwenherz einlegen. – De Bracy, Dir muß ich es überlassen, die Unentschlossenen bei gutem Muth zu erhalten, und die Person des Prinzen Johann zu schützen. Wenn Du solche Nachricht erhältst, wie ich nicht zweifle, Dir senden zu können, so kann unser Unternehmen kein ungewisses Ansehen mehr haben. – Page,« sagte er, »eile in meine Wohnung und sage meinem Waffenaufseher, dort in Bereitschaft zu sein; und laß Stephan Wetheral, Broad Thoresby und die drei Lanzen Spyinghow augenblicklich zu mir kommen, so wie auch den Spion Hugo Bardon. – Lebt wohl, mein Prinz, bis auf bessere Zeiten.« Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

»Er geht meinen Bruder gefangen zu nehmen, als handelte es sich nur um die Freiheit eines sächsischen Freisassen,« sagte Prinz Johann zu de Bracy. »Ich hoffe, er wird unsere Befehle beobachten und die Person unseres theuern Richard mit allem schuldigen Respekt behandeln.«

De Bracy antwortete nur mit einem Lächeln.

»Bei der heiligen Jungfrau,« sagte Johann, »unsere Befehle waren sehr bestimmt – vielleicht hast Du sie nicht gehört, da wir in der Fenstervertiefung standen. – Sehr klar und bestimmt war unser Befehl, daß für Richards Sicherheit solle gesorgt werden, und Waldemar mag seinen Kopf in Acht nehmen, wenn er ihn überschreitet!«

»Es wäre wohl besser, ich ginge in seine Wohnung und machte ihn vollkommen mit Eurer Hoheit Willen bekannt,« sagte de Bracy; »denn da mir dies gänzlich entging, mag Waldemar es auch nicht gehört haben.«

»Nein, nein,« sagte Prinz Johann ungeduldig, »ich versichere Dir, er hörte Alles, und überdies habe ich andere Beschäftigung für Dich. Moritz, komm hieher, ich will mich auf Deine Schulter stützen.«

In dieser vertrauten Stellung gingen sie durch die Halle, und Prinz Johann sprach mit der größten Vertraulichkeit weiter: »Was denkst Du von diesem Waldemar Fitzurse, mein lieber de Bracy? – Er hofft unser Kanzler zu werden. Gewiß werden wir uns bedenken, ehe wir ein so hohes Amt einem Manne geben, welcher deutlich zeigt, wie wenig er unser Blut verehrt, indem er so bereitwillig auf dieses Unternehmen gegen Richard eingeht. Du glaubst gewiß, daß Du etwas von unserer Achtung eingebüßt hast, weil Du so kühn diese unangenehme Aufgabe ablehntest – aber nein, Moritz! ich ehre Dich vielmehr wegen Deiner tugendhaften Standhaftigkeit. Es gibt Dinge, welche nothwendig geschehen müssen, ohne daß wir den Thäter derselben weder lieben noch ehren; und es gibt Weigerungen uns zu dienen, die vielmehr die in unserer Achtung erheben, welche unsere Forderung nicht erfüllen. Die Gefangennahme meines Bruders verleiht keinen so großen Anspruch auf das hohe Amt des Kanzlers, als Deine ritterliche und muthige Weigerung auf den Stab des Großmarschalls. Bedenke dies, de Bracy, und geh an Dein Geschäft.«

»Elender Tyrann!« murmelte de Bracy, als er den Prinzen verließ; »wer sich auf Dich verläßt, ist übel berathen. Wer Dein Gewissen in Verwahrung hat, kommt wahrhaftig mit leichter Mühe davon. Aber Großmarschall von England!« sagte er, indem er seinen Arm ausstreckte, als wollte er den Amtsstab ergreifen, und mit stolzerem Schritt durch das Vorzimmer ging, »das ist in der That ein Preis, um den es sich schon zu spielen der Mühe verlohnt!«

Sobald de Bracy das Zimmer verlassen hatte, rief Prinz Johann Einen von seinem Gefolge zu sich.

»Sagt Hugo Bardon, er soll zu uns kommen, sobald er mit Waldemar Fitzurse gesprochen hat.«

Der Spion trat nach kurzer Zeit ein, während welcher Johann mit unsicheren Schritten durch das Zimmer ging.

»Bardon,« sagte er, »was verlangte Waldemar von Dir?«

»Zwei entschlossene Männer, wohlbekannt mit den nördlichen Wildnissen, und geschickt, die Spuren von Mann und Roß aufzufinden.«

»Und Du hast ihm damit ausgeholfen?«

»Sonst möge Eure Hoheit mir nimmer wieder trauen,« antwortete der Spion. »Ich habe ihm zwei so gute Leute gegeben, wie man sie nur in Britannien findet.«

»Es ist gut,« sagte der Prinz. – »Geht Waldemar mit ihnen fort?«

»Augenblicklich,« sagte Bardon.

»In welcher Begleitung?« fragte Johann nachlässig.

»Broad Thoresby geht mit ihm und Wetheral, den sie wegen seiner Grausamkeit Stephan Stahlherz nennen, nebst drei Reitern aus dem Norden, die zu Ralph Middleton's Bande gehören – man nennt sie die Lanzen von Spyinghow.«

»Es ist gut,« sagte Prinz Johann; dann setzte er nach einer augenblicklichen Pause hinzu: »Bardon, es ist mir wichtig, daß Du Moritz de Bracy genau beobachtest; doch so, daß er es nicht bemerkt. Gib uns von Zeit zu Zeit Nachricht von seinem Thun – mit wem er verkehrt, was er vorhat. Versäume dies nicht, sonst bist Du mir verantwortlich.«

Hugo Bardon verbeugte sich und ging.

»Wenn Moritz mich verräth,« sagte Prinz Johann, – »wenn er mich verräth, wie sein Betragen mich fürchten läßt, so will ich seinen Kopf haben, und wenn Richard schon an den Thoren von York donnerte.«



 << zurück weiter >>