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Vierzehntes Kapitel.

Das Glück, sagt man, flieht von uns; doch es kreist
Gleich dem Seevogel um das Boot des Jägers;
Jetzt birgt der Nebel ihn, und gleich darauf
Streicht schon am Segel hin sein weißer Flügel,
Als fordert' er zum Schuß auf. – Doch Erfahrung
Wacht dann und hat das Glück für sich.

Altes Schauspiel.

Hektor's kriegerisches Triumphgeschrei war nicht leicht von einem Ausrufe zum Kampfe zu unterscheiden. Als er aber mit einem Packet in der Hand die Treppe heraufstürzte und ausrief: »Hoch lebe ein alter Soldat! hier kommt Edie mit einem ganzen Bündel guter Neuigkeiten!« da ward es deutlich, daß sein jetziges Geschrei durch etwas Angenehmes veranlaßt wurde. Er übergab Oldbuck das Packet, schüttelte Sir Arthur herzlich die Hand und wünschte Miß Wardour mit hochländischer Offenherzigkeit Glück. Der Gerichtsbote, welcher eine instinktartige Furcht vor dem Capitain M'Intyre hatte, trat nahe zu seinem Gefangenen und beobachtete argwöhnisch die Bewegungen des Kriegers.

»Glaube nicht, daß ich mich viel um dich kümmern werde, schmutziger Patron,« sagte der Krieger. »Hier ist eine Guinee für den Schrecken, den ich dir einjagte; und hier kommt ein alter Soldat vom zwei und vierzigsten Regiment, der sich besser als ich zu deinem Gegner eignet.«

Der Gerichtsbote (einer von jenen Hunden, die sich nicht ekeln, schmutzigen Pudding zu fressen,) fing die Guinee mit der Hand auf, die ihm Hektor in's Gesicht warf; dabei gab er aufmerksam und sorgfältig Acht, welche Wendung die Dinge nun nehmen würden. Alle erhoben unterdessen Fragen, aber Niemand beeilte sich, Antwort zu geben.

»Was ist vorgegangen, Capitain M'Intyre?« sagte Sir Arthur.

»Fragen Sie Edie,« sagte Hektor; »ich weiß blos, daß Alles ganz gut steht.«

»Nun, Edie, was bedeutet das Alles?« fragte Miß Wardour den Bettler.

»Sie müssen Monkbarns fragen, denn der hat die Briefe bekommen.«

»Gott erhalte den König!« rief der Alterthümler beim ersten Blick, den er auf den Inhalt des Packets warf, und indem er vor Ueberraschung auf einmal Anstand, Philosophie und Phlegma vergaß, warf er seinen dreieckigen Hut in die Luft, aus welcher derselbe nicht wieder herabkam, weil er am Kronleuchter hängen blieb. Darauf schaute er fröhlich im Kreise umher und legte Hand an seine Perücke, die er dem Dreimaster vielleicht nachgeschickt haben würde, hätte Edie nicht seine Hand zurückgehalten und gesagt: »Um Gottes Willen! Er ist ganz von Sinnen! – Denken Sie doch daran, daß Caxon nicht hier ist, um den Schaden gut zu machen.«

Alle bestürmten nun den Alterthümler, um die Ursache seines Entzückens zu erfahren; er aber schämte sich plötzlich seiner ausschweifenden Freudenbezeigung, wandte sich um, wie der Fuchs, wenn die Hunde hinter ihm her sind, und indem er immer zwei Stufen auf einmal nahm, erreichte er den obersten Absatz der Treppe, wo er sich wieder umdrehte und die erstaunten Zuhörer folgendermaßen anredete:

»Meine guten Freunde, favete linguis! Um Ihnen Auskunft zu geben, muß ich erst, wie die Logiker sagen, selber im Klaren sein. Daher werde ich mich mit Ihrer Erlaubniß in die Bibliothek zurückziehen, um diese Papiere zu untersuchen. Sir Arthur und Miß Wardour werden die Güte haben, sich nach dem Gesellschaftszimmer zu begeben – Mr. Fegerein, secede paulisper, oder nach Ihrer Redeweise, gewähren Sie uns eine Frist von fünf Minuten. Hektor, zieh' all' deine Truppen zusammen und laß sie anderswo aufmarschiren. Und endlich seid Alle mit einander guten Muthes, bis ich zurückkomme, was instanter geschehen soll.«

Der Inhalt der Depesche war in der That ein so unerwarteter, daß man dem Antiquar sowohl sein anfängliches Entzücken, als auch den Wunsch verzeihen konnte, die erhaltenen Mittheilungen nicht eher bekannt zu machen, als bis er sie in seinem Kopfe geordnet und gehörig verdaut hätte.

In dem Couvert lag ein Brief, an Jonathan Oldbuck, Esq. von Monkbarns, adressirt, dessen Inhalt lautete wie folgt:

»Theurer Sir, – an Sie, als meines Vaters erprobten und geachteten Freund, wage ich mich zu wenden, da ich hier durch nicht zu beseitigende Dienstpflichten zurückgehalten werde. Sie müssen wohl bereits mit dem mißlichen Zustande unserer Verhältnisse bekannt sein, und ich weiß, daß es Ihnen Freude machen wird, zu hören, daß ich eben so glücklich als unerwartet in eine Lage versetzt worden bin, die mir gestattet, wirksamen Beistand zur Entwirrung jener Angelegenheiten zu geben. Ich erfahre, daß Sir Arthur mit strengen Maßregeln von Personen bedroht wird, welche früher seine Geschäfte besorgten; und auf den Rath eines achtbaren Rechtsgelehrten hier habe ich daher das beifolgende Schreiben ausgewirkt, welches, so viel ich weiß, ihrem Verfahren Einhalt thun wird, bis ihre Ansprüche gesetzlich erörtert und auf ihren gehörigen Betrag herabgesetzt sind. Desgleichen lege ich Wechsel im Betrage von tausend Pfund bei, um andere dringende Forderungen zu decken, und ersuche Sie freundschaftlichst, dieselben nach Ihrer Einsicht zu verwenden. Sie werden sich wundern, daß ich Ihnen diese Mühe verursache, da es natürlicher scheinen würde, wenn ich mich unmittelbar an meinen Vater hinsichtlich seiner eignen Angelegenheiten wendete. Aber ich habe noch keine Gewißheit, ob ihm bereits die Augen geöffnet sind in Bezug auf den Charakter einer Person, vor welcher Sie ihn meines Wissens oft warnten, und deren verderblicher Einfluß all' dies Mißgeschick verursachte. Da ich nun die Mittel, Sir Arthur zu retten, der Großmuth eines unübertrefflichen Freundes verdanke, so ist es meine Pflicht, die sichersten Maßregeln zu ergreifen, damit jene auch zu dem bestimmten Zwecke verwendet werden, und ich weiß, daß dies mittelst Ihrer Klugheit und Freundschaft geschehen wird. Mein Freund, welcher bereits die Ehre Ihrer Bekanntschaft hat, wird einige seiner eignen Verhältnisse und Absichten in dem beigelegten Briefe erklären. Da der Zustand der Postverwaltung zu Fairport nicht sehr vortheilhaft bekannt ist, so muß ich diesen Brief nach Tannonburgh senden; aber der alte Ochiltree, welchen besondere Umstände als treu und zuverlässig empfohlen haben, ist unterrichtet, wann dieses Schreiben etwa dort anlangen kann, und wird Sorge tragen, es weiter zu befördern. Ich hoffe, bald eine Gelegenheit zu haben, wo ich mich persönlich für die gemachte Bemühung entschuldigen kann, und habe die Ehre, mich zu unterzeichnen als Ihr ergebenster Diener. – Reginald Gamelyn Wardour. Edinburg, d. 6. Aug. 179 –.«

Der Alterthümler erbrach eilig das Siegel des Einschlusses, dessen Inhalt für ihn ebenso überraschend und erfreulich war. Nachdem er sich einigermaßen bei so unerwarteten Nachrichten gesammelt hatte, sah er die andern Papiere, die zur Sache gehörten, sorgfältig durch, legte die Wechsel in seine Brieftasche und schrieb einen Empfangschein, der noch am nämlichen Tage der Post übergeben werden sollte, denn in Geldsachen war er äußerst pünktlich, und sodann ging er, im Bewußtsein der wichtigen Eröffnungen, in's Gesellschaftszimmer hinab.

»Fegerein,« sagte er, als er eintrat, zu dem Gerichtsbeamten, welcher ehrerbietig an der Thür stand, »Sie müssen sich sammt Ihren Genossen und Allem, was an ihnen ist, rein aus Schloß Knockwinnock fegen. Sehen Sie dies Papier, Freund?«

»Ein Befehl, mit der Execution einzuhalten,« sagte der Gerichtsbote mit unmuthigem Gesicht; »es schien mir gleich ein mißliches Ding, wenn ich auf solche Manier gegen einen Herrn wie Sir Arthur verfahren sollte. Wohlan, Sir, ich geh' also mit meinen Collegen meiner Wege. Und wer zahlt mir die Gebühren?«

»Jene, die Sie herschickten,« erwiederte Oldbuck, »das versteht sich ja von selber. – Aber hier kommt noch eine Botschaft – das nenn' ich mir einen Tag der Neuigkeiten.«

Es war Mr. Mailsetter, der auf seiner Mähre von Fairport kam und einen Brief an Sir Arthur, sowie einen zweiten an den Gerichtsboten brachte, und beide, sagte er, wären ihm zu augenblicklicher Beförderung übergeben worden. Der Gerichtsbote öffnete den seinigen und bemerkte, Greenhorn und Grinderson wären hinreichend sichere Leute hinsichtlich der Kosten, und in diesem Briefe wünschten sie, er möge mit dem Verfahren innehalten. Daher verließ er ohne weiteres das Zimmer und hielt sich nicht länger auf, als bis er seine Leute gesammelt hatte; dann räumte er Flandern, wie sich Hektor ausdrückte, welcher seinen Abzug so argwöhnisch beobachtete, wie ein Hofhund einem abgewiesenen Bettler nachsieht.

Sir Arthur's Brief war von Mr. Greenhorn und merkwürdig in seiner Art. Wir theilen ihn, nebst des würdigen Baronet's Randglossen, mit.

»Sir,« – (O, ich bin nicht mehr sein Werther; den Herren Greenhorn und Grinderson sind die Leute nur werth, so lange sie im Unglück stecken.) »Sir, ich bin sehr betroffen, nach meiner Rückkehr vom Lande, wohin mich ein besonderes Geschäft rief,« (eine Fahrt zum Wettrennen, wahrscheinlich,) »hören zu müssen, daß mein Compagnon während meiner Abwesenheit die Unschicklichkeit beging, das Interesse Mr. Goldiebird's dem Ihrigen vorzuziehen und auf eine unziemliche Weise an Sie zu schreiben. Ich bitte unterthänigst, mich deshalb zu entschuldigen, so wie auch Mr. Grinderson,« (nun, wie ich sehe, kann er für sich und seinen Compagnon schreiben,) »und hoffe, Sie werden es für unmöglich halten, daß ich das stete Wohlwollen, welches meine Familie,« ( seine Familie! Verwünscht sei seine ganze Sippschaft!) »von der Knockwinnockischen immer erfahren, je vergessen oder mit Undank lohnen könnte. Es thut mir sehr leid, daß ich bei einer Unterredung, die ich heute mit Mr. Wardour hatte, denselben sehr aufgebracht fand, und zwar dem Anschein nach mit gutem Grunde. Aber um so viel als möglich den Mißgriff gut zu machen, worüber er sich beschwert,« (ein artiger Mißgriff, wahrhaftig, seinen Gönner in's Gefängniß zu werfen!) »habe ich diese Nachricht abgesandt, um sogleich alles Verfahren gegen Sie und Ihr Eigenthum einzustellen; so wie zugleich Sie ehrerbietigst um Entschuldigung zu bitten. Ich habe nur noch zu bemerken, daß Mr. Grinderson der Meinung ist, er könne, wenn er sich Ihres Vertrauens wieder erfreue, Umstände angeben, die im Zusammenhang mit Goldiebird's gegenwärtiger Forderung ständen und den Betrag derselben bedeutend ermäßigen würden« (so, so, er ist bereit, den Schurken auf beiden Seiten zu spielen); »übrigens hat es hinsichtlich Ihrer Rechnung mit uns nicht die mindeste Eile. Ich bin, für Mr. Grinderson sowohl, als für mich, werther Sir,« (O, er hat sich wirklich fast in einen vertraulichen Ton hineingeschrieben,) »Ihr ganz ergebenster Diener, Gilbert Greenhorn

»Wohlgesprochen, Mr. Gilbert Greenhorn,« sagte Monkbarns; »ich sehe nun, daß es doch sein Gutes hat, zwei Anwälte unter einer Firma zu haben. Ihre Bewegungen gleichen denen des Mannes und Weibes in einem holländischen Wetterhäuschen. Wenn der Client schön Wetter hat, so tritt der vornehmere Compagnon heraus und wedelt wie ein Wachtelhund; ist schlechtes Wetter, so schießt der andere Kumpan heraus und bellt wie ein Bullenbeißer. Nun, ich danke Gott, daß mein Geschäftsführer noch seinen gleichseitigen dreieckigen Hut trägt, ein Haus in der Altstadt hat, sich vor einem Pferde so sehr, wie ich, fürchtet, Sonnabends bei einem Gesellschaftsspiel ist, Sonntags in die Kirche geht und, weil er keinen Compagnon hat, nur seine eignen Thorheiten zu entschuldigen braucht.«

»Es gibt aber doch noch wackere Leute unter den Rechtsgelehrten,« sagte Hektor; »ich möchte wissen, ob Jemand von Ihnen sagen könnte, daß mein Vetter, Donald M'Intyre, Strathudlem's siebenter Sohn (die andern sechs dienen in der Armee), kein wackerer Mann sei« –

»Unstreitig ist er einer, Hektor, so gut wie alle M'Intyres; sie sind darauf privilegirt; – ich wollte aber eben sagen, daß es bei einem Geschäft, wo man unbegränztes Vertrauen haben muß, kein Wunder ist, wenn es Narren durch Nachlässigkeit verscherzen oder Schurken durch Betrügerei mißbrauchen. Aber desto mehr Ehre macht es denen, und ich will für manche gut sagen, welche Rechtlichkeit mit Geschick und Sorgfalt vereinigen und ehrenwerth und gerade ihren Weg gehen, wo für jeden Andersgesinnten so viel Fallgruben und Steine des Anstoßes sind. Solchen Männern können aber auch ihre Mitbürger sicher die Sorge für den Schutz ihres Eigenthums, und ihr Vaterland die noch heiligere Vertheidigung seiner Gesetze und Rechte anvertrauen.«

»Am besten befinden sich aber doch die, die am wenigsten mit ihnen zu thun haben,« sagte Ochiltree, welcher seinen Kopf auch in's Zimmer gesteckt hatte; denn die allgemeine Verwirrung im Hause war noch nicht vorüber und die Bedienten waren, gleich den Wellen nach einem Sturme, noch nicht wieder in ihre gehörige Ordnung gekommen, sondern rannten wild durcheinander.

»Ach, alter Pfennigmann, bist du da?« sagte der Alterthümler; »Sir Arthur, lassen Sie mich den Boten des Glücks hereinbringen, obwohl er nur ein hinkender ist. Sie sprachen von dem Raben, der seinen Raub von ferne wittert; aber hier ist eine blaue Taube (freilich wohl eine recht alte und zähe), welche die gute Neuigkeit mehrere Stunden weit roch, in einem Wagen dorthin flog und mit dem Oelzweig zurückkam.«

»Sie verdanken Alles dem armen Robert, der mich fuhr – der arme Bursche,« sagte der Bettler, »er fürchtet, er sei in Ungnade bei Miß Wardour und Sir Arthur.«

Robert's reuiges und schüchternes Gesicht zeigte sich über der Schulter des Bettlers.

»In Ungnade bei mir?« sagte Sir Arthur; »wie so?« – er hatte nämlich die Aufregung, die er beim Frühstück hatte blicken lassen, längst vergessen. »O, ich besinne mich – Robert, ich war aufgebracht und du thatest Unrecht – geh' wieder an deine Geschäfte und widersprich nie einem Herrn, der in aufgeregter Stimmung ist.«

»Auch sonst Niemand,« sagte der Alterthümler. »Eine sanfte Antwort nimmt immer den Zorn weg.«

»Und sage deiner Mutter, die so sehr an der Gicht leidet, sie solle morgen zur Haushälterin kommen,« sagte Miß Wardour, »und wir wollen sehen, was wir für sie thun können.«

»Gott segne Sie,« sagte der arme Robert, »und auch Sie, Sir Arthur, und den jungen Laird, und das ganze Haus Knockwinnock – es ist seit vielen Jahrhunderten für die Armen ein freundliches und gutes Haus gewesen.«

»Wir wollen jetzt,« sagte der Alterthümler, »nicht streiten; aber Sie sehen da, daß die Dankbarkeit der armen Leute nur von den bürgerlichen Tugenden Ihrer Familie redet. Sie hören sie nicht von dem Rothhand oder dem Höll-im-Harnisch reden. Ich meinerseits muß sagen, Odi accipitrem qui semper vivit in armis – So lassen Sie uns denn essen und trinken in Frieden, und guter Dinge sein, Herr Ritter.«

Schnell ward eine Tafel im Gesellschaftszimmer gedeckt, und fröhlich nahm man hier einige Erfrischungen zu sich. Auf Oldbuck's Bitte durfte sich Ochiltree an einem Seitentische auf einem großen ledernen Lehnstuhle niedersetzen, welcher einigermaßen von einem Schirme bedeckt war.

»Ich willige um so lieber darein,« sagte Sir Arthur, »da ich mich erinnere, daß zu meines Vaters Zeit dieser Stuhl von Ailshie Gourlay eingenommen war, der, so viel ich weiß, der letzte privilegirte Narr oder Spaßmacher war, den noch eine vornehme Familie in Schottland hielt.«

»Nun gut, Sir Arthur,« erwiederte der Bettler, der nie zögerte, seinen Witz auch am besten Freunde zu üben, »es sitzen ja viele kluge Leute auf eines Narren Stuhl, und mancher Narr auf des Weisen Stuhle, besonders in vornehmen Familien.«

Miß Wardour, die die Wirkung einer solchen Rede fürchtete (obwohl sie des Ailshie Gourlay und jedes andern privilegirten Spaßmachers würdig war), weil sie ihres Vaters Charakter kannte, beeilte sich, zu fragen, ob man nicht Bier und Fleisch unter die Bedienten und andern Leute vertheilen sollte, welche die heutigen Vorfälle im Schlosse versammelt hatten.

»Allerdings, mein Kind,« sagte der Vater; »haben wir's in unsrer Familie nicht immer so gehalten, sobald eine Belagerung überstanden war?«

»Ja, eine Belagerung, unternommen vom Gerichtsboten Fegerein und aufgehoben durch Edie Ochiltree den Bettelmann, par nobile fratrum,« sagte Oldbuck, »von denen der eine dem andern an Würde nichts nachgibt. Aber lassen wir das ruhn, Sir Arthur. Dies sind die Belagerungen und der Entsatz, wie ihn unsre Zeit noch gestattet; – aber unsre Rettung verdient nicht weniger durch ein Glas dieses trefflichen Weines gefeiert zu werden. Wahrhaftig, ich glaube, es ist Burgunder.«

»Läge noch irgend etwas Besseres im Keller,« sagte Miß Wardour, »so würde es doch zu gering sein, um Sie nach Ihren freundlichen Bemühungen zu laben.«

»Wirklich?« sagte der Antiquar; »nun denn, einen Becher der Dankbarkeit für Sie, meine schöne Feindin, und mögen Sie auch bald ebenso belagert werden, wie es junge Damen am liebsten sehen, und mag die Kapitulationsurkunde in der St. Winnoxkapelle unterzeichnet werden.«

Miß Wardour ward roth, auch Hektor, – aber gleich darauf blaß.

Sir Arthur antwortete: »meine Tochter ist Ihnen sehr verbunden, Monkbarns; aber wenn Sie nicht selbst der Mann sind, so weiß ich wirklich nicht, wer in diesen geldsüchtigen Zeiten an ein Bündniß mit der Tochter eines armen Ritters denken sollte.«

»Ich, sagen Sie, Sir Arthur? Nein, ich nicht; ich will das Recht des Zweikampfes in Anspruch nehmen, und, da ich meiner schönen Feindin nicht selber die Spitze bieten kann, einen Kämpfer für mich erscheinen lassen. – Aber davon nachher. – Was findest du in der Zeitung da, Hektor, daß du dein Gesicht so darüberbeugst, als hättest du Nasenbluten?«

»Nichts besonders, Oheim, außer, daß ich, da mein Arm ziemlich heil ist, Sie auf einige Tage von meiner Gesellschaft zu befreien gedenke, um nach Edinburg zu gehen. Wie ich sehe, ist Major Neville dort angekommen. Ich möchte ihn gern sehn.«

»Major – wer?« sagte der Oheim.

»Major Neville, Sir,« antwortete der junge Krieger.

»Und wer Teufel ist Major Neville?« fragte der Alterthümler.

»O, Mr. Oldbuck,« sagte Sir Arthur, »Sie erinnern sich seines Namens gewiß aus den Zeitungen. In der That, ein ausgezeichneter junger Offizier. Aber es freut mich, daß Mr. M'Intyre nicht nöthig haben wird, Monkbarns zu verlassen, um ihn zu sehen, denn mein Sohn schreibt, daß der Major mit ihm nach Knockwinnock kommen wird, und ich brauche nicht zu sagen, wie sehr es mich freuen wird, die jungen Herren miteinander bekannt zu machen – wofern sie es nicht bereits sind.«

»Nein, persönlich nicht,« antwortete Hektor; »aber ich habe Gelegenheit gehabt, von ihm viel Gutes zu hören; auch haben wir mehrere gemeinsame Freunde, von denen Ihr Sohn einer ist. – Aber ich muß nach Edinburg gehn; denn ich sehe, mein Oheim beginnt meiner überdrüssig zu werden, und ich fürchte« –

»Daß du auch seiner überdrüssig werden wirst?« unterbrach ihn Oldbuck. – »Dagegen hilft nun freilich nichts mehr. Aber du hast vergessen, daß der herrliche zwölfte August nahe ist, wo du mit einem von Lord Glenallan's Jägern, Gott weiß wo, zusammenkommen sollst, um die friedliche gefiederte Schöpfung zu verfolgen.«

»Freilich, freilich, Oheim – das hatt' ich vergessen,« rief der flüchtige Hektor, – »aber Sie sagten eben etwas, was mir alle Gedanken aus dem Kopfe drängt.«

»Wenn es Ew. Gnaden erlauben,« sagte der alte Edie, indem er seinen weißen Kopf hinter dem Schirm hervorsteckte, wo er sich an Bier und kalter Küche zur Gnüge erholt hatte, »wenn's Ew. Gnaden erlauben, so kann ich Ihnen etwas sagen, das den Capitain ebenso gut, als das Jagen, bei uns zurückhalten wird – hörten Sie noch nichts davon, daß die Franzosen kommen?«

»Die Franzosen, du Strohkopf?« antwortete Oldbuck – »ach, was« –

»Ich habe nicht Zeit gehabt,« sagte Sir Arthur Wardour, »meine dahin gehörige amtliche Correspondenz in dieser Woche zu lesen; wirklich pflege ich sie in der Regel nur Mittwochs zu lesen, außer in dringenden Fällen, denn bei mir hat Alles seine bestimmte Ordnung – aber aus einem Blicke, den ich auf die Papiere warf, sah ich, daß man einige Besorgniß hegt.«

»Besorgniß?« sagte Edie, – »nun wahrhaftig, Besorgniß hat man freilich, denn der Bürgermeister hat empfohlen, daß der Leuchtthurm auf dem Halketfelsen bereit gehalten werden soll (das hätt' aber schon vor einem halben Jahre geschehen können), und zum Feuerwächter hat der Rath keinen Geringern ernannt, als den alten Caxon. Einige sagen, es wäre dies dem Leutnant Taffrill zu Gefallen geschehn, denn man nimmt für gewiß an, daß der bald seine Tochter heirathen wird; andre meinen, es geschehe Ew. Herrlichkeit und Monkbarns wegen, die Perücken tragen, – und noch andre sagen, die Sache beruhe auf einer alten Geschichte von einer Perücke, die einer der Rathsherrn bekam und nie bezahlte. Mag es sein, wie es will: er sitzt aber oben wie ein Seerabe auf der Felsenspitze, um zu schreien, wenn schlecht Wetter kommt.«

»Bei meiner Ehre, ein hübscher Wärter,« sagte Monkbarns; »und wer soll unterdessen meine Perücke besorgen?«

»Ich habe Caxon das Nämliche gefragt,« antwortete Ochiltree, »und er meinte, er könnte jeden Morgen darnach sehen und Abends auch ein Bischen, eh' er in sein Bett ginge; denn bei Tage wacht ein andrer Mann und Caxon sagt überdies, er könne E. Gnaden Perücken ebenso gut schlafend als wachend besorgen.«

Diese Nachrichten gaben der Unterhaltung eine neue Wendung, welche die Nationalvertheidigung betraf und die Pflicht, für das Land zu kämpfen, in welchem wir leben. Endlich ward es Zeit zu scheiden. Der Alterthümler und sein Neffe begaben sich auf den Heimweg, nachdem sie von Knockwinnock mit den wärmsten Ausdrücken gegenseitiger Achtung, und dem Versprechen, einander so bald als möglich wieder zu sehen, Abschied genommen hatten.


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