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Zweites Kapitel.

Freund, sprich nicht davon! – Weinen junge Leute,
Ist's Frühlingsregen nur; – den alten Augen
Entstürzt der Kummer gleich des Nordens Hagel,
Die tiefen Furchen unsrer Wang' erstarrend,
Kalt, wie das Hoffen, hart, wie das Gefühl des Alters; –
Sie weinen seufzerlos; doch unsre Thränen
Umdüstern Alles, Alles um uns her.

Altes Schauspiel.

Der Antiquar, der nun allein war, beschleunigte seinen Schritt, welcher durch jene verschiedenen Unterhaltungen und den Kampf, der ihnen ein Ende machte, aufgehalten worden war, und bald kam er bei dem halben Dutzend Hütten an dem Muschelfelsen an. Sie hatten jetzt, außer ihrem gewöhnlichen schmutzigen und unbehaglichen Ansehn, auch noch die melancholischen Attribute der Trauer. Die Boote waren alle auf den Strand gezogen, und obwohl der Tag schön und die Jahreszeit günstig war, so schwieg doch der Gesang der Fischer, wenn sie auf der See sind; die Kinder lärmten nicht, wie gewöhnlich, und das laute Lied der Mutter, wenn sie an der Thür sitzt und Netze ausbessert, ließ sich nicht vernehmen. Einige Nachbarn, zum Theil in ihren alterthümlichen, aber wohlerhaltenen schwarzen Anzügen, zum Theil in ihren gewöhnlichen Kleidern, sämmtlich aber mit dem Ausdrucke schmerzlicher Theilnahme an dem so plötzlichen und unerwarteten Trauerfall, standen vor der Thür von Mucklebackit's Hütte und warteten, bis man den Leichnam »aufnehmen« werde. Als sich der Laird von Monkbarns näherte, machten sie ihm Platz und zogen ihre Hüte und Mützen, als er vorüberging, mit einer Miene trauriger Höflichkeit, während er ihren Gruß auf gleiche Weise erwiederte.

Im Innern der Hütte fand eine Scene statt, die nur unser Wilkie mit jener Wahrheit und jenem Gefühl hätte malen können, wodurch sich seine bezaubernden Schöpfungen charakterisiren.

Der Leichnam lag in seinem Sarge auf der hölzernen Bettstelle, die den jungen Fischer während seines Lebens getragen hatte. In geringer Entfernung stand der Vater, dessen rauhes, verwittertes Gesicht, von dem ergrauenden Haar beschattet, mancher stürmischen Nacht und manchem nachtähnlichen Tage getrotzt hatte. Offenbar gedachte er seines Verlustes mit jenem heftigen Schmerze, der heftigen und rauhen Gemüthern eigen ist, und fast in Haß gegen die Welt und Alles, was noch darin blieb, nachdem der geliebte Gegenstand hinweggenommen ist, ausartet. Der alte Mann hatte die verzweifeltsten Anstrengungen gemacht, um seinen Sohn zu retten, und nur mit Gewalt hatte man ihn abhalten können, dieselben in einem Augenblick zu erneuern, wo er, ohne den Unglücklichen retten zu können, selbst untergegangen sein würde. Alles dies tobte offenbar in seinem Innern. Sein Blick war seitwärts auf den Sarg gerichtet, wie auf einen Gegenstand, den er nicht gerade anzuschauen vermochte, und von dem er das Auge gleichwohl nicht wegwenden konnte. Seine Antworten auf die nöthigen Fragen, die man ihm von Zeit zu Zeit vorlegte, waren kurz, hart und fast wild. Seine Familie hatte noch kein Wort, weder des Mitgefühls noch des Trostes, an ihn zu richten gewagt. Sein kräftiges Weib, so mannhaft sie auch war und so unumschränkt sie auch im Hause herrschte, wie sie selbst von sich bei jeder Gelegenheit zu rühmen pflegte, war doch durch diesen großen Verlust zum Schweigen und zur Demuth gebracht, und mußte die Ausbrüche ihres mütterlichen Schmerzes vor ihrem Manne verbergen. Da er seit dem unglücklichen Ereigniß alle Nahrung zurückgewiesen hatte, und sie sich ihm nicht selbst zu nähern wagte, so hatte sie diesen Morgen mit zärtlicher List sein jüngstes und liebstes Kind zu ihm gehen und ihm etwas zu essen reichen lassen. Im ersten Augenblick scheuchte er das Kind mit heftigem Zorn zurück und schüchterte es so ein; gleich darauf ergriff er den Knaben und bedeckte ihn mit Küssen. »Du wirst ein braver Bursch, wenn du leben bleibst, Patie! aber du wirst nie, nie werden, was er mir war! – Seit seinem zehnten Jahre hat er das Boot mit mir gelenkt, und von hier bis Buchanneß verstand Niemand das Netz so zu ziehen, wie er. Es heißt, der Mensch soll sich ergeben – ich will's versuchen.«

Und seit diesem Augenblick war er schweigend geblieben, bis er wieder nothwendige Fragen beantworten mußte. Dies war der trostlose Zustand des Vaters.

In einem andern Winkel der Hütte, das Gesicht mit der Schürze verhüllt, die sie darüber geworfen hatte, saß die Mutter; der Grad ihres Schmerzes ließ sich genügend an ihrem Händeringen und dem krampfhaften Auf- und Niederwogen ihres Busens, welches die Verhüllung nicht bergen konnte, erkennen. Zwei ihrer Gevatterinnen, die ihr dienstfertig die gewöhnlichen Trostsprüche bei unvermeidlichem Mißgeschick in's Ohr flüsterten, schienen den Schmerz, den sie nicht zu lindern vermochten, betäuben zu wollen.

Der Schmerz der Kinder mischte sich mit Verwunderung über die Zurüstungen, die um sie her vorgingen, und über die ungewöhnliche Vertheilung von Weisbrod und Wein, welchen der ärmste Bauer oder Fischer bei solchen Trauerfällen den Gästen vorsetzt; so verlor sich der Kummer um ihres Bruders Tod beinahe schon in der Bewunderung des prächtigen Leichenbegängnisses.

Aber die Gestalt der alten Großmutter war die ausgezeichnetste von der ganzen leidtragenden Gruppe. Sie saß auf ihrem gewöhnlichen Stuhle, mit ihrer gewöhnlichen gleichgiltigen Miene und der Theilnahmlosigkeit an Allem, was um sie her vorging; dann und wann schien sie auch mechanisch die Bewegung des Spindeldrehens beginnen zu wollen, oder nach dem Rocken in ihrem Busen zu blicken, obwohl beide bei Seite gelegt waren. Dann warf sie ihren Blick umher, als sei er erstaunt, die gewöhnlichen Werkzeuge ihres Fleißes zu vermissen und schien betroffen über die schwarze Farbe des Kleides, das man ihr angelegt hatte und verlegen durch die Menge der Personen, von denen sie sich umringt sah. Dann richtete sie mit schrecklichem Blicke das Haupt empor und schaute starr nach dem Bett, worauf ihres Enkels Sarg stand, als hätte sie erst jetzt Besinnung genug erlangt, um ihr unaussprechliches Unglück zu fassen. Diese abwechselnden Empfindungen von Verlegenheit, Verwunderung und Gram schienen mehr als einmal auf einander zu folgen, wenn man ihre starren Züge beobachtete. Aber sie sprach kein Wort, hatte auch keine Thräne vergossen; Niemand von der Familie konnte beurtheilen, weder nach Blicken noch Aeußerungen, in wie weit sie die ungewöhnliche Geschäftigkeit ringsum zu begreifen vermöge. So saß sie unter der leidtragenden Gesellschaft wie ein bindendes Glied zwischen den Ueberlebenden und dem Todten, den sie beklagten – wie ein Wesen, bei welchem das Licht des Lebens bereits durch die einbrechenden Schatten des Todes verdunkelt ward.

Als Oldbuck dies Haus der Trauer betrat, ward er mit einem allgemeinen, aber stummen Kopfnicken empfangen, und gemäß der Sitte Schottlands bei solchen Gelegenheiten wurde Wein, Branntwein und Backwerk unter der Gesellschaft herum gereicht. Als diese Erfrischungen dargeboten wurden, erstaunte und erschrak die ganze Gesellschaft, da Elsbeth plötzlich der Person, die jenen Dienst versah, winkte, stehen zu bleiben; dann stand sie auf, ergriff ein Glas und rief, während das Lächeln des Blödsinns über ihre gefurchten Wangen schwebte, mit hohler und zitternder Stimme: »Euch allen zur Gesundheit, Freunde, und mögen wir noch oft so fröhlich beisammen sein!«

Alle entsetzten sich vor dem ominösen Spruche und stellten das unberührte Glas mit einem heftigen Grauen hin, welches diejenigen nicht wundern wird, die den mannichfachen Aberglauben kennen, der bei solcher Gelegenheit bei dem schottischen Volke noch immer gewöhnlich ist. Als aber die alte Frau ihr Glas kostete, rief sie plötzlich mit einer Art Geschrei: »Was ist das? – das ist Wein – wie sollte Wein in meines Sohnes Haus kommen? – Ja,« fuhr sie mit einem unterdrückten Seufzer fort, »ich merke nun die traurige Ursache,« das Glas fiel ihr aus der Hand, sie stand einen Augenblick da, starr nach dem Bett' sehend, worauf der Sarg ihres Enkels niedergelegt war, und dann sank sie allmählig auf ihren Stuhl zurück, und bedeckte Augen und Stirn mit der welken und bleichen Hand.

In diesem Augenblick trat der Geistliche in die Hütte. Mr. Blattergowl, obwohl ein entsetzlicher Redner, besonders wenn es Vermehrung der Einkünfte, Pfarrländereien, Zehnten und Verhandlungen in der allgemeinen Synode galt, worin er, zum Unglück für seine Zuhörer, einmal als Mittelsperson auftrat, war doch bei alledem ein guter Mann, oder, nach der alten schottischen Redensart, Gott und den Menschen gerecht. Kein Pfarrer besuchte die Kranken und Trauernden fleißiger, katechisirte die Jugend eifriger, unterrichtete die Unwissenden und ermahnte die Fehlenden besser, als er. So ungeduldig daher auch der Alterthümler oft über seine langen Reden und Vorurtheile wurde, die theils seinem Berufe, theils seinem persönlichen Charakter angehörten, und so sehr er ihn auch in mancher Hinsicht, besonders was Sachen des Genies und Geschmacks betraf, verachtete, auf welche sich Blattergowl gleichwohl sehr gern einließ, weil er hoffte, sich einst noch den Weg zu einem Lehrstuhle der Rhetorik und schönen Wissenschaften zu erkämpfen, – so sehr, sag' ich, auch all' diese Umstände gegen ihn sprachen, so betrachtete besagten Blattergowl unser Freund, der Alterthümler, doch mit großer Achtung und Ehrfurcht, wiewohl er, trotz all' seinem Gefühl für das Schickliche und trotz der Vorstellungen seiner Weibsbilder, es selten über sich vermochte, eine seiner Predigten anzuhören. Aber jedesmal entschuldigte er sich seiner Abwesenheit wegen, wenn Blattergowl nach Monkbarns zum Mittagessen kam, wozu er Sonntags stets eingeladen wurde; es war dies eine Weise, seine Achtung zu beweisen, von welcher Monkbarns wahrscheinlich wußte, daß sie dem Geistlichen ganz angenehm sei, während sie zugleich seinen eigenen Gewohnheiten am besten zusagte.

Wir kehren von der Abschweifung zurück, welche nur dazu dienen konnte, den wackern Geistlichen bei unsern Lesern bekannter zu machen. Kaum hatte Mr. Blattergowl das Gemach betreten und war von den Anwesenden auf jene schweigende und traurige Weise begrüßt worden, als er sich sofort zu dem unglücklichen Vater begab und sich zu bemühen schien, ihm in wenigen Worten Beileid und Trost zu gewähren. Der alte Mann war jedoch für Beides unempfänglich; er nickte nur mürrisch, schüttelte des Geistlichen Hand zum Zeichen, daß er seine gute Absicht erkenne, konnte oder wollte jedoch keine laute Antwort geben.

Der Pfarrer ging nun zur Mutter, und bewegte sich dabei so langsam, leise und sacht über den Fußboden, als fürchtete er, der Boden möchte, wie unsicheres Eis, unter seinen Füßen brechen, oder der erste Schall eines Trittes könne einen Zauber stören, und so die Hütte mit all ihren Bewohnern in einen unterirdischen Abgrund stürzen. Den Inhalt dessen, was er der armen Frau sagte, konnte man nur nach ihren Antworten beurtheilen; von Schluchzen unterbrochen, welches sie nicht völlig unterdrücken konnte, und noch immer von der Schürze verhüllt, antwortete sie nur schwach, so oft eine Pause in seiner Rede eintrat – »Ja, Sir, ja! – Sie sind so gut! – gewiß – gewiß! es ist unsre Pflicht, uns darein zu ergeben! – Aber, o lieber Herr, mein armer Steenie, der Stolz meines Herzens, der so hübsch und so stattlich, und die Stütze seiner Familie war, und ein Trost für uns Alle, eine Freude für jeden, der ihn ansah! – o, mein Kind, mein Kind, mein Kind! warum mußt du dort liegen, und ach! warum bin ich noch hier!«

Gegen diese Ausbrüche des Schmerzes und der mütterlichen Liebe ließ sich weiter nichts thun. Oldbuck hatte mehrmals seine Schnupftabaksdose zur Hand genommen, um die Thränen zu verbergen, die, trotz seines spöttischen und witzigen Charakters, bei solchen Gelegenheiten doch oft zum Vorschein kamen. Die weiblichen Anwesenden jammerten, die Männer hielten die Mützen vor's Gesicht und sprachen leise mit einander. Unterdessen bot der Pfarrer seinen geistlichen Trost der bejahrten Großmutter. Anfangs hörte sie, oder schien wenigstens zu hören, was er sagte, mit ihrer gewöhnlichen gleichgiltigen Bewußtlosigkeit. Als er aber, um das Thema weiter zu erörtern, ihrem Ohr so nahe kam, daß der Inhalt seiner Worte ihr deutlich und verständlich ward, obwohl die entfernter Stehenden nichts davon hörten, nahm ihr Gesicht plötzlich jene ernste und ausdrucksvolle Miene an, welche ihre lichten Augenblicke zu bezeichnen pflegte. Sie erhob sich und schüttelte das Haupt auf eine Weise, die mindestens Ungeduld über seinen Zuspruch, wo nicht Verachtung desselben andeutete; und zugleich bewegte sie die Hand ein wenig, aber mit so ausdrucksvoller Geberde, daß alle Anwesenden deutlich bemerken konnten, sie verachte den geistlichen Zuspruch, der ihr geboten wurde. Der Pfarrer trat, als sei er abgewiesen, zurück, und schien, indem er die Hand sanft hob und wieder sinken ließ, damit zugleich Verwunderung, Kummer und Mitleid mit ihrem schrecklichen Seelenzustande anzeigen zu wollen. Die übrigen in der Gesellschaft nahmen denselben Antheil, ein leises Flüstern war unter ihnen vernehmbar und zeigte an, wie sehr sie das verzweifelte und hartnäckige Wesen der Alten mit Furcht und Entsetzen erfülle.

Unterdessen war die Leichenbegleitung durch die Ankunft einiger Personen, die man aus Fairport erwartet hatte, vollzählig geworden. Wieder ward Wein und Branntwein herum gereicht und die dumpfe Begrüßung fand auf's Neue statt. Die Großmutter nahm zum zweiten Male ein Glas zur Hand, trank es leer und rief lachend: – »Ha, ha! zweimal in einem Tage hab' ich Wein getrunken – Wann hab' ich das zuvor je gethan, ihr Leute? Niemals, außer« – der vorübergehende Schimmer schwand hier von ihrem Antlitz, sie setzte das Glas nieder und sank auf den Stuhl zurück, von dem sie sich erhoben hatte, um den Wein zu nehmen.

Als sich das allgemeine Staunen beruhigte, bemerkte Mr. Oldbuck, dessen Herz blutete, weil er Zeuge von dem sein mußte, was er für Verirrungen der geschwächten Seelenkraft, die mit dem Froste des Alters und des Schmerzes zu kämpfen hatte, hielt, gegen den Pfarrer, daß es Zeit sei, die Ceremonie zu beginnen. Der Vater war unfähig, Anordnungen zu geben, aber der nächste Verwandte der Familie gab dem Zimmermann ein Zeichen, sein Amt zu verrichten; denn dieser pflegt in solchen Fällen immer das Ganze zu leiten. Das Geräusch, welches das Einschlagen der Sargnägel verursachte, kündigte an, daß die Decke der letzten menschlichen Behausung über dem Bewohner befestigt werde. Diese letzte Handlung, welche uns für immer selbst von den sterblichen Resten der Person trennt, die wir zu beklagen versammelt sind, übt ihre Wirkung gewöhnlich auch auf die Gleichgiltigsten, Selbstsüchtigsten und Hartherzigsten. Mit einem Geiste des Widerspruchs, den wir wohl engherzig nennen dürfen, verwerfen die Väter der schottischen Kirche selbst bei dieser so feierlichen Gelegenheit die Form einer Anrede an die Gottheit, um sich nicht den Anschein zu geben, als ahmten sie die Gebräuche der römischen oder englischen Kirche nach. Mit besserer, freisinnigerer Beurtheilung jedoch pflegen die meisten schottischen Geistlichen jetzt diese Gelegenheit zu ergreifen, um ein Gebet oder eine Ermahnung zu sprechen, die allerdings auf die Lebenden Eindruck machen können, da sie in Gegenwart der Ueberreste desjenigen stehn, der noch kürzlich Einer ihres Gleichen war, und der jetzt das ist, was sie zu ihrer Zeit werden müssen. Aber diese schickliche und preiswürdige Gewohnheit war zu der Zeit, von welcher wir reden, noch nicht angenommen, wenigstens übte sie Mr. Blattergowl nicht, und die Ceremonie begann ohne eine Andachtsübung.

Der Sarg, mit einem Tuche bedeckt und auf Querhölzern von den nächsten Verwandten getragen, wartete nur noch auf den Vater, der, wie es gewöhnlich ist, das Kopfende halten sollte. Einige jener bevorrechteten Personen sprachen mit ihm, aber er antwortete nur, indem er, zum Zeichen der Weigerung, Hand und Haupt schüttelte. Mehr in guter Absicht, als aus Klugheit, würden diese Freunde, welche die Handlung als eine Pflicht für die Lebenden und als gebührenden Zoll für den Gestorbenen betrachteten, ihn am Ende dazu gezwungen haben, hätte sich nicht Oldbuck zwischen den kummerbelasteten Vater und die gut meinenden Quäler gestellt, und gegen die letztern erklärt, daß er selbst, als Guts- und Gerichtsherr des Verstorbenen, »dessen Haupt zu Grabe tragen wolle.« – Trotz der traurigen Gelegenheit, hoben sich doch die Herzen der Verwandten, da ihnen eine so besondere Auszeichnung von Seiten des Lairds zu Theil wurde. Die alte Alison Breck, die nebst andern Fischerweibern gegenwärtig war, schwur fast laut: »Der Laird von Monkbarns solle gewiß stets sein Schock Austern erhalten,« (man wußte, daß er diese sehr liebte,) »wenn die Jahreszeit sei, und sollte sie dieselben auch selber beim ärgsten Sturme sammeln müssen.« Und zufolge des Charakters des gemeinen Volkes in Schottland geschah es, daß Oldbuck durch dieses gefällige Eingehen in ihre Sitten und durch seine Achtung für ihre Personen, mehr Popularität gewann, als durch all' die Summen, die er jährlich im Kirchspiel bei einzelnen Fällen und im Allgemeinen zu wohlthätigen Zwecken verwendete.

Der traurige Zug bewegte sich nun langsam vorwärts; voran gingen zwei Anführer mit ihren Stäben, – elend aussehende alte Männer, schwankend, als ob sie selbst am Rande des Grabes ständen, zu welchem sie einen andern begleiteten, und angethan nach schottischer Sitte mit abgetragenen schwarzen Röcken und Jagdmützen, mit schlechtem Flor umhüllt. Monkbarns würde gegen diesen unnützen Aufwand gewiß etwas eingewendet haben, wenn man ihn gefragt hätte; doch sicherlich würde er dadurch auch mehr Anstoß gegeben haben, als er an Popularität gewann, indem er sich zu dem Dienste des ersten Leidtragenden herabließ. Dies wußte er sehr wohl, und hielt weislich den Tadel zurück, wo Tadel und Rath nichts nützen konnten. In der That ist das schottische Landvolk noch immer mit einer Wuth für Leichenfeierlichkeiten behaftet, durch welche sich einst die Großen des Landes so sehr auszeichneten, daß, um sie einzuschränken, vom schottischen Parlament ein Aufwandgesetz erlassen werden mußte; und ich habe viele aus den niedrigsten Ständen gekannt, welche sich nicht nur die Bequemlichkeiten, sondern auch fast die Nothdurft des Lebens versagten, um eine hinreichende Summe Geldes zu sparen, womit die überlebenden Freunde sie christlich (wie sie es nannten,) begraben könnten; und ihre treuen Testamentsvollstrecker konnten nicht vermocht werden, das Geld zum Nutzen und Unterhalt der Lebenden zu verwenden, (wenn dies auch noch so nöthig war,) sondern verschwendeten es unnütz zur Beerdigung des Todten.

Der Zug bewegte sich nach dem, etwa eine Viertelstunde entfernten, Begräbnißplatz mit der düstern Feierlichkeit, die bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich ist, – der Körper ward der mütterlichen Erde übergeben, – und nachdem die Todtengräber das Grab gefüllt und mit frischem Rasen belegt hatten, nahm Mr. Oldbuck den Hut ab, begrüßte die Umstehenden, die in trauerndem Schweigen verweilten, und gab mit diesem Lebewohl das Zeichen, daß die Leidtragenden auseinander gehen könnten.

Der Pfarrer bot dem Alterthümler seine Begleitung auf dem Heimweg an, aber Mr. Oldbuck war von dem Benehmen des Fischers und seiner Mutter so sehr ergriffen, daß er, bewegt von Mitleid und in gewissem Grade auch wohl von der Neugier, welche uns selbst das, was peinlich ist, aufzusuchen verleitet, einen einsamen Spaziergang am Strande vorzog, um im Vorbeigehen die Hütte noch einmal zu besuchen.


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