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4. Kapitel.
Das Ende des Diktators.

General Cimasoni kam von einer Revision der Vorposten zurück und betrat sein Quartier, wenn die elende Holzbaracke mit dem nur bettähnlichen Gestell, dem rohen Tisch und den drei Stühlen auf diese stolze Bezeichnung Anspruch erheben wollte.

Es herrschte tiefe, nächtliche Stille, die nur gelegentlich unterbrochen wurde durch die lang gezogenen Rufe der Schildwachen, die sich durch das Wort » Sentinella!« und die Antwort » Alerte!« gegenseitig kontrollierten und wach hielten.

Tausende von Stechmücken summten. Die Wachtfeuer, mit nassem Holz genährt, um starken Rauch zu entwickeln, nützten gegen die kleinen Plagegeister so gut wie nichts. Weit hinten, über dem leise dahinplätschernden Paranastrom leuchteten wie kleine Pünktchen die fernen Wachtfeuer der verbündeten Argentinier und Brasilianer.

General Cimasoni warf die Uniformmütze auf den Tisch und drehte sich eine Papierzigarre. Dann griff er nach einer schmutzigen, mehr als zwei Monate alten Zeitung.

Plötzlich öffnete sich die Tür; die Unschlittkerze auf dem Tisch flackerte und drohte zu verlöschen.

Cimasoni sah erstaunt, beinahe ein wenig erschrocken auf, faßte sich aber sofort wieder, als er einen Jägeroffizier vor sich stehen sah. Er hatte diesen, einen reichlich alten Leutnant, mit einem breiten, tiefschwarzen Bart, noch nie gesehen.

»Wer sind Sie – –?« fragte er. – »Und was wollen Sie hier? – Schließen Sie die Tür; das Licht verlöscht, – und – Streichhölzer sind knapp in Humaita. – –«

»Stimmt, General!« lachte der Leutnant. »Wenn's nur die Streichhölzer wären? Es ist noch viel mehr knapp im Staate Paraguay. Höchste Zeit, daß die verfluchte Schweinerei ein Ende nimmt! Meinen Sie nicht auch, General Cimasoni? –«

Cimasoni zog die Beine gleichmütig an und legte sie über den Tisch.

»Meine Meinung dürfte Sie einen Dreck interessieren!« erwiderte er ärgerlich. »Ihre Meldung, Señor? – Was wollen Sie?«

»Mit Ihnen reden, General!« erwiderte der andere.

Cimasoni sah den Offizier mißtrauisch unter gesenkten Augenlidern an. Wer war der Kerl, und was wollte er von ihm? – Unwillkürlich griff er nach dem Gürtel, wo der scharf geladene Lefaucheux-Revolver steckte.

Dem anderen war die Bewegung nicht entgangen. Er legte lachend seinen breiten Strohhut auf den Tisch und sagte:

»Lassen Sie das Schießeisen ruhig stecken, General! – Ich habe sehr interessante Dinge mit Ihnen zu besprechen.«

Cimasoni nahm die langen Beine vom Tisch.

»Ich höre!« sagte er mit forcierter Gleichgültigkeit, hielt aber trotzdem den Offizier scharf im Auge.

»Zuerst bitte ich um Ihren Namen, Señor!«

»Der steht selbstverständlich zu Ihren Diensten, General! – Ich bin der Oberst Julian Barellos vom 2. brasilianischen Tiradores-Bataillon in Rio Grande do Sul!«

General Cimasoni sprang nicht auf, er zeigte äußerlich auch nicht die geringste Überraschung; nur seine Mundwinkel preßten sich ein wenig zusammen.

»Ein Feind in der Festung und – – in paraguayischer Uniform?!«

»Jawohl!« lächelte der andere ruhig.

»Sie wagen viel, Herr Kamerad? – Darf ich mir eine Frage erlauben? Wie sind Sie unangefochten durch unsere Vorposten gekommen? Und – woher haben Sie die paraguayische Uniform? – Außerdem bitte ich, mir zu sagen, was Ihr – Sie werden das verstehen – für mich etwas überraschender, nächtlicher Besuch bedeutet?«

Der brasilianische Oberst lächelte immer noch und zeigte eine Reihe gelber Zähne unter dem schwarzen Bartwald.

»Das sind viele Fragen auf einmal! Darf ich meinerseits zuerst bitten, in meine Legitimation Einsicht zu nehmen? – Hier, General! Bitte sehr! – Dann, wie ich hierher kam? – – – Per Boot über den Parana! Drunten am Fort Curupayty klafft eine gefährliche Lücke, General Cimasoni! – Ich hätte, wenn ich gewollt, mit meinem ganzen Bataillon ungehindert übersetzen können. – Und die Uniform? Nichts leichter als das! Ich zog sie einem paraguayischen Leutnant aus, der am Flußufer, wohlgemerkt am nördlichen, also auf paraguayischer Seite, einen einsamen Nachtspaziergang unternahm und vielleicht vom baldigen Frieden träumte.«

»Es ist aber kaum anzunehmen, Herr Kamerad,« meinte Cimasoni spöttisch »daß der Leutnant sich ruhig seine Uniform ausziehen ließ?«

» Caramba, General, Sie irren! Der Mann hat nicht den geringsten Einspruch erhoben; allerdings mußte ich ihm vorher erst die Machete hier – – –« der Oberst zeigte auf ein langes, gebogenes Messer, das er offen am Gürtel trug, »ein wenig in die linke Brustseite stoßen; und diese Liebkosung vertrug er nicht.«

»Wo ist der Leutnant?«

»Er liegt schon im Parana, lieber General! – Schließlich wollen die Jacarés (Alligatoren) ja auch leben!«

Cimasoni trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

»Glauben Sie, Señor, daß Sie mir unheimlich sind?«

»Aber nein –!« lächelte der andere. »Das scheint nur so – Sie werden mich in aller Ruhe anhören und große Vorteile aus unserer Unterredung ziehen.«

»Sie sind ein ganz gefährlicher Spion, mein Herr!«

Oberst Barellos hob abwehrend die Hand.

»Warum so harte Worte, General? – – Aber schön, streiten wir uns nicht um Worte! Worte sind Schaum! Ich bin Ihr Freund, General!«

»Mag sein! – Aber Sie scheinen ein gefährlicher Bursche, Herr Oberst Barellos –!«

»Nur für meine Feinde, General Cimasoni!«

»Sie wagten einen für Sie höchst bedenklichen Gang; Sie befinden sich in der Höhle des Löwen!«

»Ich sehe keine Gefahr, Herr General!«

»Es kostet mich nur einen Ruf, und Sie sind verhaftet – eine Viertelstunde später als ertappter Spion erschossen –!«

Oberst Barellos schüttelte lächelnd den Kopf.

»Das glaube ich nicht! Sie werden nicht rufen! Sie werden mich in aller Ruhe anhören, und, wie ich keinen Augenblick zweifele, die Vorschläge, die ich Ihnen zu machen habe, mit Freuden akzeptieren!«

Cimasoni antwortete nicht sofort. Er ging so leise wie möglich zur Tür, riß sie plötzlich auf und sah in die dunkle Nacht hinaus. Dann schloß er wieder ab, kehrte mit kurzen Schritten zum Tisch zurück und deutete auf einen freien Stuhl.

»Ich bitte, Platz zu nehmen, Herr Oberst! Ich will Sie anhören! Was haben Sie mir zu sagen –?«

»Ich habe mich in die Festung geschlichen, General, in der ausdrücklichen Absicht, Sie zu sprechen. Ich komme im direkten Auftrage des Grafen d' Eu, des Oberkommandierenden der verbündeten argentinisch-brasilianischen Armee. Ich will Ihnen helfen, General Cimasoni! Sie kämpfen auf verlorenem Posten!«

»Das weiß ich schon lange! – Nur, um mir dies zu sagen, schlichen Sie sich nach Humaita!?«

»Ja! Aber auch, um Ihnen zu helfen! Ich will es Ihnen ermöglichen, die Festung Humaita unangefochten zu verlassen. Gleichzeitig können Sie die runde Summe von 5000 Patacons Etwa 20 000.– Mark nach unserem Gelde. spielend leicht verdienen.«

Cimasonis Augen flammten bei Nennung dieser für damalige Zeiten und Verhältnisse sehr hohen Summe auf. Aber er beherrschte sich.

»Reden Sie, Colonell!« sagte er äußerlich ruhig. – »Ich will Ihre Vorschläge anhören – – –!«

Oberst Barellos zog seinen Stuhl näher an den Tisch.

»Humaita« sagte er »ist von der Flußseite gar nicht oder nur unter großen Opfern zu nehmen; aber wir müssen die Festung haben – – – und zwar bald. Aussicht auf Erfolg, auf eine schnelle Überrumpelung bietet nur die Landseite. 1600 brasilianische Infanteristen mit 12 Geschützen stehen zur Überrumpelung bereit, und da Ihr Bataillon die Hazienda Santa Anna sichert – – – –«

»Ich glaube Sie zu verstehen, Herr Oberst! – Für die Entwaffnung meiner Truppen bieten Sie mir 5000 Patacons – – –?«

»Jawohl, General Cimasoni! Das ist mein Auftrag!«

Cimasoni hatte eine Anzahl Revolverpatronen, die vor ihm auf dem Tische lagen, aufgenommen und ließ sie spielend über die Hand rollen.

»Ihr Auftraggeber, Graf d'Eu, verlangt nicht mehr und nicht weniger, als daß ich an Lopez zum Schurken, zum Verräter werde –«

»Wer spricht von Verrat, Herr General?! – Kein Wort von Verrat! – Was bindet Sie an diesen eitlen Diktator, der so oder so, mit oder ohne Ihre Mithilfe verloren ist. Mit Ihrer Hilfe hoffentlich schon morgen, ohne sie in einigen Tagen oder Wochen.

Sie sind kein Paraguayer! Lopez geht Sie gar nichts an! Es käme einem Selbstmord gleich, wenn Sie Ihre Zukunft, Ihr Leben an die Person des Diktators hängen wollten. Lopez ist heute schon ein toter Mann! Bitte, unterbrechen Sie mich nicht, General! Mir ist es darum zu tun, Ihr Gewissen zu beschwichtigen. Wir – – – wir kennen Sie übrigens besser, als Sie glauben, Herr – – General Cimasoni – – –!«

Der General fuhr auf.«

»Warum betonen Sie meinen Namen in so eigentümlicher Weise?«

»Weil es nicht Ihr wahrer Name ist. Sie sind Italiener, stammen aus der Lombardei, aus Mailand, wenn ich recht unterrichtet bin, und heißen – – – – –!«

»Romeo Cimasoni – – – Herr Oberst!« fiel ihm der andere scharf ins Wort. »Wie ich einmal früher hieß, tut nichts zur Sache. Behalten Sie den Namen, den Sie zu kennen glauben, für sich, Colonell – –!«

»Wie Sie befehlen!« antwortete der andere geschmeidig. »Es war mir lediglich darum zu tun, jede Unklarheit zwischen uns beiden aus dem Weg zu räumen. Ich wiederhole – – wir wissen, wer Sie sind, und – was Sie sind; und mein Auftraggeber, der Graf d'Eu, vertritt die Ansicht, daß Ihre Fähigkeiten, Ihre familiären und politischen Verbindungen am Hofe in Rio de Janeiro besser ausgenützt werden könnten als hier, in dieser elenden Stein- und Felsenfeste am Parana. Sie sollen und werden wieder in Ihre Heimat zurückkehren. Der Conte d'Eu wird Ihnen dazu verhelfen –.«

»Das kann er nicht! Meine Heimat schmachtete unter einem schweren Druck; sie quälte sich unter der österreichischen Fremdherrschaft. Sie ist seit zwei Jahren frei! Zugegeben, aber ich bin in meiner Heimat verfemt, weil ich ein Patriot war, weil ich – – – na – – – das gehört ja alles nicht hierher! Die Österreicher stellen mich sofort an die Wand, wenn sie mich erwischen. –«

»Das mag vielleicht zutreffen auf den – – Signor Cimasoni – – oder – – den Verschwörer – – – na – wie Sie wollen! Der Name soll hier nicht genannt werden, aber der brasilianische Staatsangehörige und – Botschaftsattaché in Florenz, Berlin oder gar selbst in Wien muß auch den Österreichern sakrosankt sein. – – –«

Cimasoni schwieg, er spielte wieder mit den Revolverpatronen, die vor ihm auf der Tischplatte lagen.

»Wenn ich recht verstanden habe, bietet mir Brasilien neben einer an sich nicht gerade überwältigend großen Geldsumme – – –«

»Es handelt sich um 5000 Patacons, Herr General –!«

»Na – – – wenn schon! Also neben dieser Geldsumme, kann ich auf eine Anstellung im diplomatischen Dienste des Kaiserreiches Brasilien rechnen –?«

»Ich bin bevollmächtigt, Ihnen, Herr General Cimasoni, dahingehende, bindende Versprechungen zu machen – – –!«

»Und – das Geld, Herr Oberst Barellos? – Die 5000 Patacons? – Wann erhalte ich das Geld –?«

Barellos zog eine Brieftasche und legte sie auf den Tisch.

»Der Betrag wird sofort, heute nacht, von mir ausgezahlt!«

Cimasoni erhob sich.

»Einverstanden!« sagte er kurz, fast rauh. »Hier ist meine Hand –!«

Oberst Barellos zählte beim schwachen Schein der flackernden Kerze eine größere Anzahl Banknoten auf den Tisch. Cimasoni griff zu und verwahrte den Betrag in einer Brieftasche, die er in die Innentasche seines Waffenrocks knöpfte.

Dann holte er unter dem Bett eine Flasche hervor, die noch einen Rest Agua ardiente (Branntwein) enthielt.

»Trinken Sie, Oberst! Mehr und besseres habe ich nicht!«

Und als der Brasilianer einen kräftigen Schluck getan hatte, und die Flasche absetzte, sagte Cimasoni:

»Ich bitte jetzt um Ihre detaillierten Vorschläge, Oberst Barellos. Wir sind noch zwei ganze Stunden ungestört.« – –

Die beiden Ehrenmänner saßen bis zum Morgengrauen zusammen.

* * *

Zwei Tage später, am 5. August 1868, fiel die bisher tapfer verteidigte Festung Humaita durch Überrumpelung von der Landseite und gleichzeitiger Bezwingung des Flusses in die Hände der Verbündeten.

Lopez rettete kaum das nackte Leben. Mit Musette, dem Kommandanten Bustamente und nur wenigen Getreuen entkam er, verfolgt von argentinischen Lanzenreitern.

Am 11. September wurde, in einer sechstägigen mörderischen Schlacht bei Ita Itabé und Lomas Valentinas der Rest des Lopezschen Heeres vernichtet.

In der Nacht, Heimlich wie ein Dieb, kam Lopez in Asuncion an, schlich sich in den Regierungspalast. Dort hatte er die letzte Aussprache mit Musette de Lanory.

»Ich führe den Kampf bis zum Ende!« erklärte er. »Noch steht das Korps Robles zu mir. In wenigen Wochen hebe ich weitere Truppen aus. Die Feinde wagen nicht, mir hinauf nach dem Norden – – – nach dem unwirtlichen Gebiet des Grañ Chaco zu folgen. Ich plane einen Einfall in die brasilianische Provinz Matto Grosso! Ich treibe die Schurken zu Paaren – –!«

Musette sah schweigend zu Boden. Erstmalig verlor jetzt das Mädchen, das bisher tapfer zu dem unglücklichen Diktator gehalten hatte, die Nerven. Es warf sich schreiend auf ein Ruhebett.

Lopez hatte Mühe, die vollkommen zusammengebrochene Musette zu beruhigen. Schluchzend sank Musette vor dem Geliebten in die Knie, umfaßte seine Beine.

»Verlaß mich nicht, Francisco Solano – –!« Lopez machte sich sanft frei.

»Du warst mir die ganzen Jahre hindurch eine treue Freundin!« sagte er, sich gewaltsam bezwingend. »Barrios, der eigene Schwager, Cimasoni der Schurke, sie haben mich betrogen, meine Gutmütigkeit, mein Vertrauen mißbraucht. Ich habe Lehrgeld gezahlt. Die Lektion war bitter aber notwendig. Du, meine kleine Musette, warst mein guter Engel! Dein Bild nehme ich rein und fleckenlos mit hinauf in die Urwälder nach Brasilien oder, wenn es nicht anders geht, nach Bolivia hinüber. Ich habe manche Frau besessen, mit vielen gespielt; geliebt, innigst geliebt habe ich nur Dich, Musette! – – – Dich – – meine – – – Pompadour! – –«

Der Diktator verzog bitter den Mund; die Tränen standen ihm in den Augen, aber er bezwang sich.

Mit schnellen Schritten ging er zum Schreibtisch, riß sämtliche Schubladen auf.

»Hier, Musette! Nimm diese Papiere! Sie stellen Deine Zukunft sicher! Ich bin nicht mehr reich, aber doch noch reich genug, um Treue, Anhänglichkeit und Freundschaft belohnen zu können. Deine Liebe kann ich nur als Geschenk nehmen! Diesen versiegelten Umschlag – – –« die Stimme des Diktators sank zu einem Flüstern herab – – »diese Dokumente lege ich Dir ans Herz. – Du verläßt Paraguay auf dem schnellstmöglichen und sichersten Wege; zu Schiff bis Buenos Aires. Dann kehrst Du mit dem nächsten Dampfer in Deine Heimat, nach Frankreich zurück. Dort suchst Du die preußische Gesandtschaft auf und läßt Dich beim Gesandten, Baron von Werther, melden. Er ist mein Freund, von Deutschland her. Ihm übergibst Du diesen versiegelten Umschlag, mit einem letzten Gruß von mir – – – verstehst Du – – Musette – von Francisco Solano Lopez, dem Präsidenten von Paraguay. Und – nun – meine teure Musette – leb wohl! – – Vergiß mich nicht – – Musette! – – – Leb wohl – – – –!«

Das Mädchen stand zitternd mit herabhängenden Armen mitten im Arbeitszimmer des Regierungspalastes von Asuncion. – Es war unfähig eine Bewegung zu machen.

Unter der Tür blieb Francisco Solano Lopez nochmals stehen. – – Noch einmal – ein letztes Mal – umfaßte ein langer Blick die Gestalt der geliebten Frau, dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloß.

Als General Bustamente fünf Minuten später, leise und diskret, die Tür öffnete, traf er den Diktator nicht mehr an. – Auf dem Boden, in der Zimmermitte, lag ohnmächtig Musette de Lanory – die Pompadour von Paraguay. – –

* * *

Zwei Monate später, am Neujahrstage des Jahres 1869, rückten die verbündeten Brasilianer und Argentinier in Asuncion ein.

Neugierige Hände durchwühlten sämtliche Räume des Regierungspalastes.

Musette hatte die paraguayische Hauptstadt in aller Stille schon vor Wochen verlassen.

Mit der Einnahme Asuncions hätte der blutige Feldzug zu Ende sein können; aber gerade im Unglück setzte Lopez, der auch jetzt immer noch einen erträglichen Frieden hätte schließen können, wieder seinen Dickkopf auf. – Mit einem kleinen Rest seines ehemaligen Heeres schlug er sich nach Norden durch, ständig umschwärmt und verfolgt von brasilianischer Kavallerie.

Erst am Aquidabanfluß, einem Nebenfluß des Rio Paraguay, fanden die Gehetzten Ruhe. Dort erließ Lopez eine neue Proklamation, die ›sein Volk‹ zum äußersten Widerstand aufstachelte. –

Bustamente sollte für ihre Bekanntmachung und Verbreitung sorgen. Der General mußte mit der Möglichkeit rechnen, in feindliche Hände zu fallen und bei der prompten Justiz damaliger Zeiten ohne weiteres erschossen zu werden. Er nähte deshalb die Bekanntmachung in das Futter seiner Stiefel und ritt ab.

Aber schon einige Minuten später preschte er ins Lager zurück.

» Estad – attento!« keuchte er atemlos mit Aufbietung der letzten Kräfte, dann plumpste er vom Pferde.

»Der Feind – –!« konnte er noch stammeln, dann streckte er sich und war tot. Er hatte eine Gewehrkugel im Rücken. Vom Aquidaban her fielen einzelne Schüsse; brasilianische Reiter überquerten den seichten Fluß.

Lopez riß den Revolver aus dem Gürtel und eilte mit einem Dutzend Schützen nach dem Ufer.

»Feuer – –!« rief er.

Die Schüsse plackerten los. Einige Brasilianer fielen getroffen ins Wasser. Die anderen erreichten das diesseitige Flußufer und stürmten mit eingelegten Lanzen auf das kleine Häufchen Paraguayer los. – Ein Schuß krachte.

Der brasilianische Offizier, der seiner Mannschaft um zwei Pferdelängen voraus war, stürzte; eine zweite Kugel warf ein Pferd auf die Vorderbeine. Aber den Hals hinweg sauste der Reiter und blieb schwer verletzt liegen.

Aber jetzt waren die anderen Brasilianer herangekommen.

Lopez hob den Revolver. Blechern schlug der Hahn wider die Trommel. Der Schuß versagte. Lopez warf die wertlose Waffe fort und bot seine Brust dem tödlichen Lanzenstich des feindlichen Reiters.


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