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2. Kapitel.
Gefährliche Pläne.

Asuncion, die Hauptstadt des südamerikanischen Freistaates Paraguay am Rio Parana, liegt in der Nähe der Einmündung des Rio Pilcomayo. Die Stadt hatte in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nur etwa 30-40 000 Einwohner und war nach spanisch-südamerikanischer Bauart regelmäßig angelegt.

Die Straßen schnitten sich rechteckig, schachbrettartig. Die ärmeren und älteren Stadtteile lagen im Flußhafen und führten eine sanfte Anhöhe hinauf nach der neueren Stadt mit ihren langgestreckten, meistens einstöckigen Häusern.

Das schönste und größte Bauwerk Asuncions war der Regierungspalast, gleichzeitig auch die Wohnung des neuen Diktators Francisco Solano Lopez.

Der frühere Präsident Carlos Antonio Lopez war am 10. September 1863 zu Grabe getragen worden. Sein Sohn Francisco Solano war ihm in der Regierung gefolgt.

Auf der breiten, rechteckigen Plaza von Asuncion lag drückend heiß die pralle Junisonne. Sie beschien ein kriegerisches Bild, denn die Garnison von Asuncion war zur Parade aufgestellt. In der Mitte standen in sechs Reihen, zu Bataillonskolonnen formiert, drei Regimenter Infanterie in ihren blauen, rot bordierten Uniformen, die an die Preußen erinnerten. Rechts vor der Kathedrale hielten die Tiradores (Scharfschützen), und die dritte Seite des offenen Vierecks nahmen die Lanceros (Lanzenreiter) ein, kräftige und gut berittene Kavalleristen mit breitrandigen Strohhüten und roten Uniformhemden.

Die Militärmacht der südamerikanischen Republiken konnte in der Mitte des vorigen Jahrhunderts keinen Vergleich mit den gut disziplinierten, stehenden europäischen Heeren aushalten. Die häufig recht uneinheitliche und stets mehr als schmutzige Uniformierung wirkte mitunter geradezu karikaturistisch, um nicht zu sagen grotesk. Auch in der Bewaffnung sah man in Südamerika nirgends eine einheitliche Note. Alles, was in europäischen Heeren an Waffen als veraltet aussortiert wurde, fand sehr bald direkt oder auf Umwegen, gesetzlich oder auch illegal, den Weg nach Südamerika.

Die Armee des kleinen Staates Paraguay aber machte eine rühmliche Ausnahme.

Der Diktator Lopez verfügte über eine glänzend disziplinierte, nach preußischem Muster gedrillte Militärmacht von etwa 60 000 Mann mit mehr als 200 Geschützen. Die Infanterie führte den für die damalige Zeiten ausgezeichneten, weit tragenden Minié-Vorderlader; die drei Jägerbataillone waren bereits mit preußischen, ganz modernen Zündnadelbüchsen versehen, die Lopez in Preußen bestellt und – – – sogar ordnungsgemäß bezahlt hatte.

Die Truppen warteten Gewehr bei Fuß und schwitzten in den dicken Uniformen. Die Fenster und Balkone der umliegenden Häuser waren mit den Schönen von Asuncion besetzt, die das militärische Schauspiel etwas bequemer und auch schattiger genießen wollten.

Kurz vor zwölf Uhr, als die Sonne im Zenit stand, ertönte von der Calle Colon her ein Trompetenstoß. Gleichzeitig hörte man die Hochrufe auf den Diktator.

Der Stadtkommandant von Asuncion, General Geronimo Pierola, riß den Säbel aus der Scheide.

» Estad attento! – Präsentiert das Gewehr!!«

Die Flinten mit den langen Stechbajonetten wurden hochgerissen. Die Truppen standen fest. Die Kavalleristen saßen stramm auf den unruhig scharrenden, schweifwedelnden Pampaspferden, die sich allein. an das Kommando ›Stillgestanden!‹ nicht gewöhnen wollten.

Näher kamen die Hochrufe. Lopez erschien am Ausgang der Calle Colon und bog in die Plaça ein.

Hinter ihm ritten ein Dutzend höherer Offiziere; dann folgte ein Wagen mit einer jungen, weiß gekleideten Frau, Musette de Lanory; eine Kavallerie-Eskorte mit flatternden Lanzenfähnchen beschloß den Zug.

Lopez trug große Generalsuniform, einen blauen, goldgestickten Waffenrock mit goldenen und silbernen Schnüren geradezu überladen, und wirkte mit dem schwarzen, goldbordierten Zweispitz recht gut.

Ernst, mit zusammengekniffenen Lippen überflog er die zur Parade aufmarschierten Truppen; dann zog er grüßend den Hut. – Die Musik des 2. Jägerbataillons fiel ein; und unter den Klängen des Pariser Einzugsmarsches, den Lopez für seine Paraguayer übernommen hatte, bog das 1. Infanterieregiment nach der Plaça ab, setzte sich, zu Vieren geordnet, in Bewegung und marschierte vor dem Diktator und seiner Suite vorbei.

Das 2. Regiment schloß sich an; dann folgte eine Batterie Feldartillerie. Der Vorbeimarsch machte einen guten, stramm militärischen Eindruck. – –

Im Vorzimmer des Regierungspalastes, das zum Arbeitszimmer des Diktators führte, warteten inzwischen die Generäle Estigaribia, Duarte, Robles und Barrios. Barrios, der Schwager des Diktators, war der einzige Kreole. Robles und Duarte merkte man deutlich die Mischlinge zweiten oder dritten Grades an, während General Estigaribia wahrscheinlich sogar einen guten Schutz Negerblut in den Adern haben mochte.

Alle trugen heute große Paradeuniformen, die ihnen reichlich heiß und unbequem sein mochten. General Estigaribia wischte sich ständig den Schweiß von der Stirne. Samos' hohe Reiterstiefel schienen zu eng – und drückten. Er hatte die Uniform oben am Hals geöffnet und fächelte sich am Fenster stehend, das auf einen Balkon hinausging, mit dem zweispitzigen Hut Luft zu. Von der Plaza her schallte die Musik und ertönten die Evviva-Rufe. Dazwischen vernahm man die taktmäßigen Schritte des vorbei marschierenden Fußvolkes und das Klappern der Pferdehufe.

In diesem Augenblick sprengte ein staubbedeckter Reiter auf einem abgetriebenen Pferde in den Hof des Regierungspalastes. Er warf einem herbei eilenden Wachsoldaten die Zügel zu, schwang sich vom Pferde und eilte die Freitreppe zum Palast empor.

Der Reiter trug ein abgetragenes Jagdhemd, einen breitrandigen, unter dem Kinn zusammengebundenen Strohhut und hohe Reitstiefel mit pfundschweren, silbernen Sporen.

Barrios stieß einen Fluch aus.

»Haben Sie gesehen, Señores, wer eben ankam? – General Cimasoni!!«

Duarte sprang unangenehm überrascht auf.

»Bei der heiligen Mutter von Villa Rica! – Und welche Eile hatte der Kerl! – Das ist wieder ein böses Zeichen!«

Barrios machte eine müde Handbewegung.

»Sei's wie's will! – Ich habe im Augenblick nur einen Wunsch: ich wäre glücklich, wenn ich endlich die verdammten, schweren Stiefel von den Beinen herunter bekommen könnte! Meine Füße sind wie geschmolzenes Blei.«

»Achtung!« rief jetzt Barrios und trat vom Fenster zurück. »Seine Exzellenz kommt!«

Mit eiligen Fingern knöpfte er die Uniform zu, zog den Degen an. Die drei anderen hatten sich erhoben und nahmen neben Barrios Stellung, den Zweispitz unter den rechten Arm geklemmt, den breiten, schweren Kavalleriesäbel mit der Linken angezogen.

Die Flügeltür wurde aufgerissen. Sporenklirrend trat der Diktator Lopez ein. – Er schien bei bester Laune; sein gebräuntes Gesicht war durch die Freude, vielleicht auch durch die Hitze, leicht gerötet. Er hob die behandschuhte Rechte.

» Buenas dias, Señores!« sagte er freundlich zu seinen Generälen, die klirrend die Hacken zusammenschlugen.

»Man meldet mir, daß General Cimasoni soeben angekommen ist.«

» Muy bien, Excelencia!« erwiderte General Estigaribia. »Er wartet bereits wahrscheinlich auf Euer Exzellenz. Hier kam er nicht durch!«

Lopez riß die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf. Dort saß Cimasoni, der sich beim Erscheinen des Präsidenten schnell aber anscheinend schwerfällig und ermüdet erhob.

Lopez wandte sich unter der Tür nochmals an seine Generäle.

»Ich bitte zu warten, Señores! Ich muß die Herren in wenigen Minuten dringend sprechen!«

Hinter ihm fiel die Tür ins Schloß. –

Die vier paraguayischen Armeeführer waren wieder unter sich.

»Das geht jetzt Wochen so! –« knurrte Estigaribia. »Immer zwischen Krieg und Frieden, hin und her! Ich will den Krieg nicht.«

Robles, der im Begriffe stand, sich eine Papierzigarre zu drehen, lachte leicht auf.

»Der Alte wird Sie kaum um Erlaubnis fragen!« meinte er sarkastisch. »Der macht was er will; und wir haben nichts weiter zu tun, als das Maul zu halten und uns gegebenenfalls an die Spitze unserer Divisionen zu stellen.«

»Der Alte will den Krieg; und daran werden Sie und wir alle nichts ändern!« bekräftigte Estigaribia. »Er wird den Krieg verlieren, er ist – –« Estigaribia dämpfte unwillkürlich die Stimme »größenwahnsinnig; und dieser verfluchte italienische Desperado Cimasoni ist sein und unser aller böser Dämon. Wir können bei einem Krieg nichts gewinnen, nur – – verlieren. Sie, Barrios, als der Schwager, sind der einzige, der Lopez noch zur Vernunft bringen kann.«

General Augustino Barrios schüttelte abwehrend den Kopf.

»Mein Einfluß ist gleich Null, Señores. – Wenn Lopez will, dann geht er mit seinem Kopf durch die Wand. Laßt mich mit solchen gefährlichen Vermittlungen in Frieden! Ich habe augenblicklich nur einen einzigen Wunsch: meine zu engen Stiefel wider die Wand schmeißen zu dürfen, daß es knallt.«

» Attento, Señores!« rief Estigaribia.

Die Tür zum Arbeitszimmer des Präsidenten wurde geöffnet. General Cimasoni stand unter der Tür, wie immer ernst und verschlossen; aber jetzt spielte ein leises, beinahe triumphierendes Lächeln um seine Lippen.

Cimasoni war Italiener; man mutmaßte mancherlei über seine Person, behauptete, er sei ein lombardischer Marchese, der wegen Verwicklungen mit der österreichischen Polizei aus Mailand geflüchtet sei; andere hielten ihn für einen Revolutionär, einen gefährlichen Anarchisten, der vor Jahren mit Garibaldi nach Südamerika gekommen sei. Genaues wußte man nicht, machte sich auch weiter keine Gedanken, denn zweifelhafte Existenzen, schiffbrüchige Politiker aus Europa waren damals in Südamerika gerade keine seltenen Erscheinungen.

Cimasoni sprach das Spanische geläufig, fast wie seine italienische Muttersprache.

»Seine Exzellenz bittet die Herren Generäle, näher zu treten,« sagte er und gab die Tür frei.

Die vier paraguayischen Heerführer betraten das Arbeitszimmer des Präsidenten.

Der Raum enthielt außer einem großen Diplomatenschreibtisch nur einen Bücherschrank und einen runden Tisch mit einem Dutzend einfacher Rohrstühle. An den Wänden hingen drei gute, große Ölbilder der Generale Bolivar, Sucre und San Martin, der drei Befreier Südamerikas vom spanischen Joch.

Auf dem runden Tisch lag eine große Karte des Stromgebietes des Parana.

Lopez stand in der Mitte des Zimmers unter der Petroleumlampe. Er hatte die rechte Hand in den Waffenrock geschoben, die Linke stützte sich leicht auf den Tisch.

» Señores,« begann er ohne Umschweife »ich habe Ihnen eine sehr wichtige Mitteilung zu machen. Wir sind endlich so weit. – – – Der Krieg mit Brasilien steht vor der Tür.« –

Die Generäle schwiegen. Die Mitteilung schien sie nicht zu überraschen. Lopez fuhr fort:

»Veranlassung zum Eingreifen und zwar zum sofortigen Eingreifen bieten uns die Verhältnisse im benachbarten Uruguay. – Dort ist, wie Sie wissen, die Präsidentenschaft von Berro abgelaufen; gewählt wurde unser guter Freund Anastasio Aguirre. Aber, Señores, seine Regierung steht auf schwachen Füßen. Der berüchtigte Bandenführer Flores hat Truppen angeworben und rückt, wie mir General Cimasoni soeben meldet, gegen Montevideo vor.«

» Pardon, Excelencia,« warf hier General Duarte ein »wenn ich mir eine Meinung gestatten darf – – ich bitte um Vergebung – – – aber ich meine – – die inneren Verhältnisse in Uruguay gehen uns eigentlich nichts an.«

Lopez fand nicht sofort eine Antwort; unschlüssig blickte er auf Cimasoni, der, die Arme über der Brust verschränkt hinter ihm stand.

»Darf ich antworten, Excelencia?« fragte Cimasoni, und, ohne die Erlaubnis abzuwarten, fuhr er schnell fort:

»Mein lieber Duarte, – Sie vergessen eines: Hinter dem Lumpenkerl Flores und seinem bewaffneten Gesindel steht Brasilien, und eine Intervention Brasiliens dürfen wir unter keinen, unter gar keinen Umständen dulden!«

»General Cimasoni hat durchaus recht!« erwidert jetzt Lopez fest. »Ich bitte Dich, Augustino«, fuhr er, sich an seinen Schwager wendend, fort »gleich heute noch eine entsprechende Note an Brasilien zu verfassen und sie schon morgen dem brasilianischen Geschäftsträger zuzustellen. Brasilien muß Flores fallen lassen.«

»Und wenn sich die kaiserlich-brasilianische Regierung weigert? –« erwiderte Barrios und sah seinen Schwager Lopez unter gesenkten Augenlidern an. »Wenn die Antwort nicht in allen Punkten befriedigend ausfällt, was geschieht dann? – –«

»Dann – – –« erwiderte Lopez und zog die goldgestickte Uniform über dem leichten Bauch, den er inzwischen bekommen hatte, glatt. »Dann wird Paraguay – – – marschieren! – – Die Pläne sind von Cimasoni bereits ausgearbeitet. Ein Teil unserer Armee rückt in Uruguay ein, ein anderer Teil – ich denke, daß 10 000 Mann mit der nötigen Artillerie genügen werden – überschreitet sofort die brasilianische Grenze – – –«

Die vier Generäle schwiegen. – Barrios, der als der Schwager des Diktators vielleicht ein offenes Wort wagen durfte, schüttelte bedenklich den Kopf.

»Was gefällt Dir nicht, compañero?« fragte Lopez schnell und sichtlich unwillig.

»Dein Plan in allen Ehren,« erwiderte der General »aber Du scheinst übersehen zu haben, daß der nächste Weg nach der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul durch argentinisches Gebiet führt. Wir dürfen Argentinien nicht brüskieren. – Ich unterschätze unsere Macht wahrlich nicht, aber zwei Feinde, Uruguay und Brasilien, sind genug. Wir können uns den Luxus nicht erlauben, auch noch das mächtige Argentinien zum Feinde zu haben.« – – –

Lopez fand nicht sofort die Antwort. Wieder wandte er sich, beinahe wie hilfesuchend, an General Cimasoni.

Dieser machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Von Argentinien haben wir nichts zu befürchten. Mitre, der derzeitige Präsident der argentinischen Republik, wird uns in seiner Eifersucht auf Brasilien keine Schwierigkeiten machen. – Außerdem, Señores! Wer viel fragt, bekommt viel Antwort. Wir stellen Argentinien vor ein fait accompli! Vor unserer Artillerie haben die argentinischen Gauchos einen Respekt wie vor dem Teufel. – Exzellenz, jede Minute, die wir hier zwecklos verstreichen lassen, bedeutet eine Gefahr. Wir müssen handeln! Aber – – wir dürfen nicht zaudern! – – Es muß schnell gehandelt werden. – – Dort, auf Ihrem Schreibtisch, liegt die Mobilmachungsordre. – – Unterzeichnen Sie, das Weitere veranlasse ich –!«

Lopez hatte sich erhoben. Mit langsamen Schritten, die Hände auf dem Rücken, ging er nach seinem Schreibtisch. Im letzten Augenblick schien ihm der lang ersehnte und genau durchdachte Schritt wieder bedenklich; aber Cimasoni ließ den Diktator nicht zur Besinnung kommen. Er hatte bereits die Feder vom Tintenfaß genommen und dem Diktator in die Hand gedrückt.

Lopez unterschrieb das Dokument mit seinen steifen, großen Schriftzügen.

»Schicksal, nimm Deinen Lauf!« murmelte er.

» A Dios, Señores! – Gehen Sie sofort in die Kasernen und erwarten Sie meine weiteren Befehle! – –«

Die Generäle salutierten und traten sporenklirrend ab. – –

Lopez war allein im Zimmer zurückgeblieben und trat nun vor das Porträt des Generals Simeon Bolivar. Das verschmitzte Gesicht des › Libertadors‹ mit seiner schmalen, spitzen Raubvogelnase lächelte ihn an. General San Martin, der neben Bolivar in einem schweren, kostbaren Goldrahmen hing, schien über den Diktator geflissentlich hinwegzusehen.

Eine Tür fiel leise ins Schloß; Lopez fuhr herum. – Im Rahmen stand bleich eine junge bildschöne Frau in einem weißen, fließenden Musselinkleide. Die schwarzen Locken umrahmten ein blutleeres Gesicht, die dunkelblauen Augen der Frau zeigten Unruhe und Angst. – –

»Musette!« rief Lopez. »Was willst Du, Musette?«

»Dich warnen!« erwiderte das Mädchen tonlos. »Du gehst einen gefährlichen Weg, Francisco Solano! Einen Weg, von dem es kein Zurück gibt – – –!«

Lopez wurde ärgerlich.

»Nun kommst Du auch noch! Der Krieg ist beschlossen; es ist zu spät –!«

»Ich habe es gefürchtet, Francisco Solano! Du hast recht: Es ist zu spät!«

» Caramba!« fuhr der Diktator auf. »Was willst Du eigentlich? – Du weißt, ich liebe es nicht, wenn sich Frauen mit Politik befassen. – Geh' in Dein Zimmer – –!«

Musette zuckte zusammen. – Lopez reute schon die Härte.

»Liebe Musette,« fuhr er weicher fort »ich hätte gerade von Dir etwas mehr Verständnis erwartet. Du bist meine Pompadour; und die große Marquise hatte auf Louis den Fünfzehnten einen anderen Einfluß als Du auf mich.«

Musette de Lanory schüttelte den Kopf. »Ich bin keine große Geschichtskennerin, Francisco Solano«, erwiderte sie. »Aber, daß die Pompadour ihren Herrn und König in allem gut beraten hat, das –, lieber Francisco Solano, glaube ich nicht. –«

Francisco Solano lachte ein wenig gezwungen auf.

»Geschichtliche Vergleiche hinken immer« sagte er. »Jedenfalls ist an der Tatsache nichts zu ändern, daß der Krieg ein beschlossenes Factum ist. Während wir hier stehen, bringt Cimasoni schon die Mobilmachungsordre in die Staatsdruckerei! – Morgen marschieren wir!«

Musette trat ganz nahe auf den Diktator zu und suchte seine rechte Hand.

»Du weißt, Francisco,« sagte sie einfach »daß ich Dich liebe! Ich habe Heimat und Freunde verlassen, um Dir nach Amerika zu folgen.«

»Ich hoffe, daß Du diesen Schritt noch nicht bereut hast?«

»Um Gottes willen! Wer sagt das? Ich liebe Dich – und wo Du hingehst, da will auch ich sein. – – Ich – ich traue nur diesem Judas Cimasoni nicht – –!«

»Du bist verrückt! Siehst Gespenster! – – Cimasoni ist mein treuester Diener. –«

»Er gefällt mir nicht!« beharrte Musette eigensinnig. »Er hat ein falsches, schlechtes Auge. –«

»Weibersachen!« brummte Lopez. »Genug davon! Ich dulde nicht, daß irgendjemand, wer es auch sei, etwas Nachteiliges über Cimasoni sagt. Seine Treue habe ich erprobt –!«

»Du wirst mein Mißtrauen nie besiegen, Francisco, aber – ich – – ich werde über Dich wachen! –«

»Tu das!« erwiderte Lopez lächelnd. »Ich weiß, Musette, daß Du mein guter Engel bist!«

Er wollte das Mädchen in seine Arme ziehen, aber Musette wehrte ab, machte sich sanft frei.

»Du gehst mit der Armee nach Brasilien?«

»Ich gehöre an die Spitze meiner Armee!«

»Und ich – – gehöre zu Dir.«

»Was soll das – – heißen, Musette?«

»Ich gehe mit! Ich begleite Dich nach Brasilien! – Bitte, keine Widerrede, Francisco Solano!«

»Du wirst im Feldlager alles, jede Bequemlichkeit vermissen« wandte Lopez ein.

»Macht nichts, Francisco Solano! – Dafür bin ich bei Dir – und muß bei Dir sein! Eine innere Stimme sagt mir, daß Du mich noch einmal dringend gebrauchen wirst. –«

Lopez schwieg einen Augenblick, dann rief er lachend: »Du entwickelst Dich wirklich zur echten, rechten Pompadour! Tyrannisierst Deinen Francisco Solano, zwingst ihm Deinen Willen aus, genau, wie es die Pompadour mit Ludwig dem Fünfzehnten getan hat. –«

»Was ich tue, geschieht nur aus Liebe zu Dir! – Darin, in meiner wirklichen, ehrlichen, großen Liebe unterscheide ich mich vielleicht doch und vielleicht sehr grundlegend von der Marquise de Pompadour. – –«

»Ja! Du bist mein kleiner, lieber, guter Engel!« flüsterte Lopez und zog die vor innerer Erregung zitternde Musette in seine Arme.


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