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Die erste Seele seh' ich, hell zum Malen.
Ich male sie, wie Menschen Menschen malen:
Ein weiß Gesicht, aus Purpurfinsternissen,
Wie ein Gericht der Nacht. Vor Größe starr.
Ewigen Wanderns wunderliche Kräfte
Stehn auf der Stirn, die aus solch edlem Marmor,
Wie ihn vor Glück erstaunte Bildner träumen.
Gott ruht im Antlitz, wie auf weißen Wassern
Glitzerndes Kräuseln, das sich selbst erschuf.
Die Augen sind zwei köstliche Saphire –
In Schnee gepflanzt – drin seltsam Wissen träumt.
Der Mund ist erzen, und die schmalen Lippen,
Ganz ohne Blut, sind sieben Todesrätsel.
Die Augen aber lassen mich nicht los
Mit ihrem Flackern und mit ihrem Brennen.
Das ist ihr Flackern und
das ist ihr Brennen:
Ein Durst zu fliegen, schneller als die Stürme,
Ein Durst zum Leben und doch schweres Bangen
Vorm Lebenswerke, weil's ein Werk voll Unmuts
Und eine Tat, die ohne Hoffnung ist.
Zergeißelte Sehnsucht schwimmt in diesen Augen.
In diesen Augen hockt ein Einsamsein,
Aus Gott mit allen Wurzeln ausgerissen,
Ein klagend Welken wie erschlagne Blumen.
Das glüht aus dieser Augen Fieberbrennen:
Selbstschöpferisch den alten Gott zu meistern!
Und all das überbraust von einer Sehnsucht,
Die aller Schönheit selige Mutter ist. –
So kommt sie jählings und so stürmt sie vor,
Die erste Seele, die ich mächtig schaue.
Aus Purpurfinsternissen stürmt sie vor,
Wie weiße Rosse, die die Nacht zerbrechen.