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Der Christoph geht mit seinem Buben zum Pfarrer hinunter, um den zu fragen, was in diesem Falle weiter zu beginnen.
»Zuwider ist's!« sinnt der Pfarrer und bläst aus seiner langen Pfeife dichte Rauchwolken vor sich hin. »Schad' um das schöne Talent. Und einesteils seid Ihr selbst schuld, dass es so gekommen. Die sechs Gulden Monatsgeld würdet Ihr am Ende erschwungen haben ...«
»Wär' am End' gegangen«, nickt der Christoph.
»Nun also. Aber sel hat Euch nicht gut tan; Ihr habt wollen achtzehn Gulden zahlen, habt nicht gerechnet und habt nimmer nachhalten können. Gelt? ... Nun«, sinnt er plötzlich und hält ein Zeitlein inne. »Wisst was, Seeböck? Am End' hat's auch nicht sein sollen, dass unser Plan nach Wunsch und Willen geht; am End' hat der Herr eine andere Absicht. ...«
»Möcht' wissen, was für eine?« brummt der Christoph unwirsch.
»Hat er einem schon im Voraus gesagt: So und so mein' ich es? Keinem noch. Der Vater beschließt soundso, und das Kind folgt, weil es sich denken kann, der Vater versteht die Sach' besser und meint mir's nicht unrecht. So denkt ein richtiger Christenmensch. Ein Pfarrer! Ist richtig, dass über den Stand nichts geht, wenn ihn einer hält, wie er ihn halten soll. Ein richtiger Pfarrer muss sich alle Stund' dessen bewusst sein, für wen er da ist und dass der Diener knapp in die Fußstapfen des Herrn treten soll, er muss sich der Art des Herrn so anpassen, als es ihm und einem Menschen nur möglich ist. Aber ein Mensch ist nicht wie der andere. Einer wird kein rechter Schneider, weil er lieber ein Tischler wäre, und einer kein rechter Pfarrer, weil sein Sinn zu viel an der Welt und am Weltlichen hängt und weil er oftmals auch gar nicht das richtige Verständnis hat für seinen hohen Beruf und sich nicht zu einer idealen Auffassung seiner Pflichten aufschwingen kann. Die Lerche fliegt, die Schwalbe fliegt, die Gans plodert nur so auf der Erde dahin. Und ein Pfarrer, der nur gerad' dem Namen nach ein Pfarrer ist, derselb' ist ein Elend, glaubt mir, Seeböck! Nicht nur, dass er selbst unglücklich lebt und stirbt, er machte dem Stande Unehre und gibt seiner Herde böses Beispiel. Ist's so?«
»Ich kann nicht widerneinen.«
»Nun also. Wer kann heut sagen, was der Bub nach soundso viel Jahren für ein Pfarrer geworden wäre, wenn Ihr die Mittel gehabt, seine Ausbildung zu bestreiten? Weiß einer, was alles noch als Hindernis oder Triebkraft im Dunkel der Jahre gelegen? Und jetzt brauchen wir es auch gar nimmer zu wissen: der Herr hat geraten, und sein Rat muss geehrt werden. Er wird ihn wo anders hin brauchen, und er wird ihn den Weg führen lassen, Tritt um Tritt, den er gehen und wandeln soll. Der Ansicht bin ich, und wenn wir noch so ein fünfzehn, zwanzig Jahre leben, nachher reden wir einmal davon, Seeböck.
»Was aber jetzt, Herr Pfarrer?«
»Was jetzt? ... Du hast was gelernt, Gabriel, und vielleicht hast du so viel gelernt, dass du kennst, dass du noch lange nicht alles weißt«, wendet er sich an den Buben, der mit glührotem Gesichte und niedergeschlagenen Augen neben seinem Vater steht. »Der Gelehrteste muss noch immer lernen, und so viel auch schon ausgedacht worden vom nimmer rastenden Menschengeiste, durch Tausende von Jahren liegt noch Arbeit bereit für ihn, und jedes Körnchen Erkenntnis muss errungen und verdient sein ... Was möchtest denn so lernen, natürlich jetzt bloß mehr ein Handwerk?«
»Ich weiß nicht«, haucht der Gaberl zag und verschämt.
»Das weißt also nicht? Die Weberei ist wohl nichts ...«
»Von der reden wir gar nicht, Herr Pfarrer«, fällt ihm der Christoph in die Rede. »Wenn ich ihm geradweg den Bettelstecken in die Hand druck', ist's ebenso viel wert.«
»Am Realgymnasium hast ja Zeichnen gelernt?«
»Wunderschön zeichnet er«, behauptet der Christoph. »Ein Maler oder so was, an sel hab' ich auch denkt, wie ich seine Arbeit gesehen hab'.«
»Das ist gar nichts«, widerspricht der Pfarrer. »Ein Maler! Zum Ersten müsst' er da wieder in eine Schul', und die kostete erst Geld, und das fehlt von Vornherein. Zum Zweiten ist es auch fraglich, ob er dazu wirkliches Talent hätte; die Malerei ist eine Kunst, die nicht jeder so handwerksmäßig erlernen kann, und wenn auch Schulen dafür bestehen, die Kunstakademien, so bringt sich immer nur das Talent zur Geltung, nichts anderes. Und ein Pfuscher? Lieber gleich ein Schuster, so wird er doch was Rechtes ... Ich mein' anders, Seeböck. Zeichnen kann einer heutzutag' zu Vielem gebrauchen; der Tischler soll zeichnen können, der Schlosser, der und der, zumindest aber der Zimmermann und der Maurer, so er es zum Meister bringen will. Was meint Ihr zu einem Maurer- oder Zimmermeister? Ein tüchtiger Meister lebt auch wie gerad' ein Herr.«
»Sel schon«, bestattet der Christoph langsam und sinnend. »Wenn er es so weit brächt'?«
»Magst ein Maurer werden?«
»Lieber ein Zimmermann«, entscheidet sich der Gaberl und schlägt die Augen auf.
»Also, werd' ein Zimmermann! Ist ein schöner und notwendiger Stand, und sogar unseres Heilands Vater ist ein Zimmermann gewesen. Üb' dich gehörig ein in das Handwerk, schau' alles mit offenem Auge an und denk' dabei, warum es so gemacht wird und wie man es vielleicht anders besser machen könnte, üb' dich recht fleißig im Zeichnen, und wenn du freigesprochen bist, verbring' deine Gesellenjahre in einer Stadt, wo du in die Gewerbeschule gehen kannst, die dich dort fast nichts kostet, und mach' nachher deine Meisterprüfung. Dann bist ein gestellter Mann, kannst auskömmlich leben und – wenn du willst – nebenbei auch einen Mann stellen, der dorthin taugt, wo ihn der Herrgott in seiner Vorsorg' haben will. Und viel Glück und Gottes Segen zum neuen Beginnen. Es ist allweil' noch nichts verspielt.«
Dass auf diese Weise noch nichts verspielt sei, kennt auch der Christoph in währendem Heimgehen, und er rechnet schon die Jahre zusammen, die der Bub noch durchzumachen hätte, bis er einmal Meister sei, und es kommen nicht mehr heraus, als er noch zum Pfarrerwerden benötigt: drei Lehrjahre und drei oder vier Gesellenjahre, und derweil wird er so um die einundzwanzig, zweiundzwanzig Jahre und kriegt das Alter für einen Meister. Mit dem Pfarrerwerden hätte sich's um ein oder zwei Jahre weiter hinaus geharrt, und es hätte viel Geld, viel Geld gekostet. Dann wär' er erst Kaplan, und müsse mit der Unterstützung der Eltern noch jahrelang warten, bis er eine eigene Pfarre erhielte, denn ein Kaplan, der von daheim nichts nachkriegt, hat auch ein recht armselig Leben. Es mag so besser sein.
Und er baut Plan um Plan auf in seinem stillen Sinnen, bis er den Buben als steinreichen Mann sieht und sich in seinem Glücke sonnt.
»Morgen geh' ich ins Städtlein hinunter und ding' dich beim Zimmermeister ein«, sagt er nachher. »Was dir der Pfarrer geraten und gesagt hat, sel achtest allweil' und arbeitest allweg schon auf den Meister los und bist still dabei und verrätst keinem Menschen deinen Plan. Wenn die Zeit da ist, machst deine Meisterprüfung und schaust nachher aufs Geldverdienen. Dann hast das Spiel schon gewonnen, und das Geld wächst dir gerad' unter den Händen.«
»Ich merk' auf wie ein Haftelmacher«, verspricht der Gaberl und baut auch an Luftschlössern in seiner Art. Nur dass er nicht von Geld und Geldverdienen träumt wie sein Vater, denn für solches hat er noch nicht das rechte Verständnis. Er ist so veranlagt, dass er überhaupt alles von der idealen Seite betrachtet und beschaut.
Als sie heimkommen, sitzt ein fremder Mann mit langem Schnurrbarte und abgegriffener Uniformmütze, wie solche auch die stockböhmischen Spielleute tragen, die im Herbst und Winter in die Dörfer herauskommen und ihre Stücklein um einen Kreuzer oder eine Raste Werg spielen, in der Stube und schmaucht sein Pfeiflein.
»Das ist wohl der Herr Seeböck?« fragt er.
»Der ist's«, bestattet der Christoph.
»Schön. Ich warte schon an die zwei Stunden. Aber jetzt werden wir gleich fertig sein. Er zieht ein mit Wachsleinwand umwickeltes Schriftenpackel aus der Tasche, legt es auf den Tisch und sucht einen Bogen daraus hervor. »Ich bin der Amtsdiener«, erklärt er inzwischen. Des Christoph Gesicht wird einen Schein bleicher und verzieht sich etwas in die Länge. Der Amtsdiener! Was kann der wollen? Gutes kaum, denn vom Gerichte kann nicht viel Gutes kommen.
»Sie sind geklagt«, fährt der Amtsdiener nach einigen Augenblicken fort und faltet den Bogen auseinander.
»Ge ... klagt? Wegen was denn?«
»Sie schulden einem gewissen Welzel Stritz in der Kreisstadt etliche vierzig Gulden an Kostgeld für Ihren Sohn, und deswegen hat sie der geklagt. Am Siebenten ist die Verhandlung in der Kreisstadt. Haben Sie verstanden?«
»Soweit schon«, würgt der Christoph förmlich heraus.
»Da haben Sie also die Klagschrift, und den Empfang bestätigen Sie mir hier auf diesem Zettel ... Für die Zustellung bekomme ich siebzig Kreuzer.«
»Schau' nach, ob so viel da ist!« wendet sich der Christoph an sein Weib, und dann langt er nach der dargebotenen Feder und setzt seinen Namen auf den Zettel.
Die Mena sucht derweil an Geld zusammen, was im Hause ist, und es bleiben nur mehr ein paar Kreuzer übrig, als sie die sieben Sechser weggenommen, und mit einem schweren Seufzer legt sie das vom Amtsdiener Verlangte auf den Tisch. Kein Wort kommt dabei über ihre Lippen, aber in ihrem Kopfe und in ihrer Brust reißt es gar gewaltig.
Vierzig oder etliche vierzig Gulden! Wo nur hernehmen? Und gezahlt wird der Betrag werden müssen, weil sie ihn dem Manne schulden ... Als der Amtsdiener die Stube verlassen, beginnen ihre Augenlider zu wedeln und zu blinken, und einige helle Zähren kollern ihre Wangen hernieder.
»Jetzt ist's hellauf aus«, presst sie jammernd heraus. »Jetzt müssen wir davonrennen.«
»Mach's anders!« stößt er erreg und unwirsch heraus, und dann fällt lange Zeit kein einziges Wort. Er liest die Klagschrift und liest wieder, und je länger er liest, desto finsterer wird sein Geschau. Was anfangen, um aus dieser Patsche zu kommen? Es fällt ihm weder dies noch jenes ein, und sein ganzes Sinnen scheint mit einer festen, harten Mauer umfreitet zu sein, über die er weder hinauskann noch hinaussieht.
»Das müsst' alles nicht sein, wenn ... wenn deine ... Freundschaft anders gewesen wär'«, sucht er nachher seinem Ärger Luft zu machen. Es ist das erste Mal, dass er ihr gegenüber davon redet und ihr deswegen einen Vorwurf macht, aber Not und Ärger geben ihm die Rede ein.
»Kann denn ich etwas dafür?« schreit sie heraus. »Hast denn sel nicht von eh' auch schon gewusst? Ich leid' ja so gut darunter wie du.
»Leiden hin oder nicht! An der ganzen Wichs ist sonst nichts schuld als wie Eure verzweifelten Mutzköpfe.« Es ist ihm frei leichter, als er die Anschuldigung heraußen hat.
Die Mena sagt kein Wort dazu und wendet sich ab, um ihrer Arbeit nachzugehen, aber den nächsten Tag morgens ist auch noch kein Wörtel geredet zwischen all zweien. Der Christoph zieht sein Sonntagnachmittagsgewand an, nimmt den Stecken und geht, und sie fragt nicht, wo er hinwolle und was er für eine Verrichtung vorhabe. Sie trutzt und zürnt, das erste Mal, seit sie verheiratet, seit nahezu siebzehn Jahren, und bei ihm scheint es auch so zu sein.
Im kleinen Äckerchen droben in der Hänge haben sie ein paar Bifinge Rübenpflanzen gesteckt, und die will er heute bearbeiten. Die Line muss die Kuh an der Kette hinaufführen und oben weiden, und sie und der Gaberl gehen mit den Hauen nach.
»Was hat denn gestern der Pfarrer gesagt?« forscht sie, da sie über den Erfolg des Ganges noch nichts erfahren und gehört.
»Ein Zimmermeister, sagt er, soll ich werden«, berichtet der Gaberl. »Zeichnen kann ich, und das Arbeiten im Holz werd' ich auch bald erlernt haben.«
»Ein Zimmermann?« dehnt sie enttäuscht heraus. »Für das Handwerk hättest nicht studieren brauchen. Wenn eins das früher gewusst hätte!«
»Ein Zimmermeister«, erklärt der Gaberl mit Nachdruck. »So einer muss auch studiert haben, und der Pfarrer sagt, ich werd' noch eine Weil' in die Gewerbeschul' gehen müssen, bald ich ausgelernt hab', aber sel kostet Euch nichts mehr«, setzt er tröstend hinzu.
»So?«
Sie wollte augenscheinlich noch etwas sagen oder fragen, aber sie bricht jäh ab, da der alte Schönberger, ihr Vater und der Jakoberl mit einer Fuhr Grasset (grüne Tannen- und Fichtenäste) des Weges daherfahren.
Einen verstohlenen Blick wirft der Alte auf den für sein Alter hochaufgeschossenen Buben mit dem ganzen Schönbergergesichte und das finstere und vergrämte Gesicht des Weibes, das seine Tochter ist, aber er wendet das Gesicht hastig zur Seite und tut ein paar Knaller mit der Peitsche. Der Jakoberl aber lenkt seine Schritte nach der Seite, auf welcher die Nachbarsleute daherkommen, und zeigt dem Gaberl flüchtig den Hut hin, den er in der Hand trägt und aus dem etwas sonderbar Graues lugt.
»Was hast denn?« fragt der Gaberl halblaut.
»Eine junge Drossel hab' ich funden«, redet der Jakoberl ebenso zurück und öffnet den Hut ein Weniges. »Muss irgendwo aus dem Nest gefallen sein und sich verirrt haben. Magst sie leicht?«
»Nicht unterstehen!« verbietet die Mena hart. »Wir brauchen von ihnen nichts.«
Der Jakoberl nimmt den Hut wieder zusammen und rennt dem Gefährte nach, und der Gaberl stapft mit seiner Haue hinter der Mutter drein. Der Vogel wär' ihm so weit nicht unlieb gewesen, und wenn niemand dabei gewesen, wer weiß, ob er ihn nicht genommen, aber ... es ist wahr, sie brauchen nichts von denen, nichts, nicht einmal eine junge Drossel.
»Was hat's denn da gegeben?« forscht ein Strecklein weiter unten der alte Schönberger.
»Nichts«, bescheidet der Jakoberl, und sein Gesicht überzieht flüchtige Röte. »Den Vogel hätt' ich dem Gaberl gegeben, aber seine Mutter hat es nicht angehen lassen. Sie brauchen nichts von uns, hat sie gesagt.«
»Recht geschieht dir«, stößt der Alte tadelnd heraus. »Die Lehr' merkst dir: Sie brauchen nichts von uns, und wir brauchen nichts von ihnen.«
»Z'wegen was sollen wir aber zornig sein miteinander?« wendet der Jakoberl in seinem noch recht kindischen Sinne ein. »Sind ja andere Leut' auch nicht zornig und ... Ihr seid auch dem Gaberl sein Ähnl.«
»Rindvieh, dummes!« greint der Alte überlings mit den Ochsen und versetzt ihnen mit dem Peitschenstiele ein paar Hiebe. »Ob die Malefizkunden nicht so lange herumhaspeln und herumtorkeln, bis wir auf das Wegufer hinaufkommen und umwerfen? Hott, hott!«
Und das Gegreine und Gefuhrwerke überhebt ihn einer Antwort, die er nicht gut geben kann und auch nicht geben will.
Die Mena und ihre Kinder sind unterdes bei ihrem Felde angekommen, und während die Line die Kuh hütet, bearbeiten sie und der Bub das Krautfeld. Lange Zeit hindurch fällt kein Wort, und nachher redet und phantasiert der Gaberl, was er alles tun und werden wird, wenn er einmal Zimmermeister ist, soundso viel Gesellen hat und eine Unmenge Geld verdient. Die Mena aber hört das Zehnte nicht, was der Bub da sagt und redet. Ihre Gedanken treiben sich bald in vergangenen, sonnigen Tagen und bald wieder in der trüben, notdüstern Gegenwart herum, stellen Vergleiche an, lassen ab und zu die Reue ins Herzkämmerlein lugen und dann wieder den Trotz und suchen auch zeitweise nach einem Pfade, der hinausführen könnte aus der kummervollen, sorgenreichen Zeit der Not in sonnigere Gefilde.
Wenn sie ehezeit gefolgt hätte! Der junge Kirchenbauer von Henndorf hat sich gemüht genug um sie, und gar so unrecht ist der Bursch nicht gewesen. Heut wär' sie die Kirchenbäuerin und über diese Sorgen hinaus, die sie jetzt bedrücken ... Ach was! Sie hat den Burschen nicht mögen und hat den Christoph geheiratet. Wen geht es etwas an? Sie hat sich das Kreuz auf den Rücken gebunden, und sie wird auch keinen angehen darum, es ihr tragen zu helfen, keinen Menschen. Nicht mal eine Klag' kriegt ein Fremdes zu hören ... Nur der Christoph sollt' nicht so sein. Jetzt hätt' auf einmal sie die Schuld an allem, und er redet ihr zu. Aber das soll er sich merken! Sie redet das erste Wort nicht, weil sie nicht der fehlende Teil ist, und wenn sie ein Jahr lang oder darüber wie Taubstumme aneinander vorbeigehen müssten, sie nicht.
Sie kommen mählig ans Ende des Krautackers, und als der letzte Hauenhieb getan, geht sie heim, während der Gaberl bei der Linerl heroben bleibt auf der Weide und für ein Zeitlein so dahin träumen will, wie er es ehedem getan. Aber es hat alles den Zug nimmer und das Geleise wie noch vor ein paar Jährlein. Die Blumen kommen ihm nimmer so zart und duftig und rätselhaft vor, und das Treiben des kleinen Geviehes nicht mehr so seltsam. Er kennt die meisten Blumen und Kräuter mit Namen, weiß, wie die Spinne ihr Netz flicht und dass die rotbraunen Käfer auf den Blättern der Espe schädlich sind, weil sie Laub und Gras verzehren. Und schon dieses bescheidene Wissen und Können stört die glückliche, zartduftige Märchenstimmung.
Ein Zeitlein nach Mittag kommt der Christoph heim und bringt eine Menge Werkzeug mit, Hacken, Hackel und Stemmeisen, was halt ein Zimmermann alles haben muss. Die Mena wirft ein paar flüchtige Blicke nach dem nagelneuen Zeug, aber sie fragt nicht, ob dies der oder jener verschenkt oder ob der Christoph den sogenannten böhmischen Zirkel gemacht. Geld ist keines im Hause, daher kann er es nur auf Borg genommen haben.
Schweigend stellt sie ihm sein Essen vor, und auch er sagt kein Wort zu ihr. Kummer und Sorge haben den Unfrieden ins Haus gebracht, und der scheint sich nun behaglich einrichten zu wollen.
»Seid ihr vielleicht beim Zimmermeister gewesen?« fragt der Gaberl neugierig und besieht Stück um Stück des neuen Werkzeuges.
»Ja. Am Montag kannst deine Lehrzeit anfangen«, bescheidet der Christoph kurz. »Heut machen wir noch Stiele und Hefte daran und ... und ...« Seine Stimme schlägt in ein heiseres Gröhlen über, und er beginnt zu räuspern und zu husten, als hätte sich etwas zwischen den Stimmbändern verirrt.
Am nächsten Morgen aber steht er schon bei anbrechendem Dämmer auf, geht in den Stall und füttert. Dann weckt er den Gaberl.
»Steh' auf und zieh' dich an«, schafft er mit eigenartig rauer Stimme.
»Ja ... um Gottes willen, was hast denn?« schreit die Mena hell auf und verlässt hastig ihre Liegestatt. »Was fällt dir denn ein? Was hast denn vor?«
»Wir treiben die Kuh auf den Markt«, würgt er heraus.
Sie stiert ihn verständnislos an. »Was hast denn gerad'?« fragt sie nach einem Zeitlein nochmals.
»Was werd' ich haben?« stößt er heiser heraus. »Weißt nicht, dass wir was zu zahlen haben? Sollen wir leicht auch noch die Kosten der Gerichtsverhandlung zahlen müssen?«
Da kennt die Mena sich aus, dass die einzige Kuh aus dem Stalle muss, um den Menschen zu befriedigen, der ihrem Buben nicht einmal mehr etwas zu essen gegeben. Sie kleidet sich hastig an und wischt dabei mehrmals über Gesicht und Augen, und ein Gedanke huscht dabei durch ihren Kopf, wie wenn die flüchtige Welle ein Brett oder einen Stecken vorbeitreibt neben einem Ertrinkenden: Wenn sie zum Vater hinüberginge, ihm ihre Not klagte und um Hilfe bäte, um das, was ihr von Rechts wegen gehörte? Sie schüttelt wohl gleich darauf den Kopf, aber als sie in den Stall kommt und mit tränenverschleiertem Auge das gute Tier betrachtet, drängt sich ihr der Gedanke wieder auf, und sie wird seiner nimmer los.
Langsam und unschlüssig geht sie in die Stube, wo die beiden die Stiefel anziehen, und zag und langsam kommt die Rede über ihre Lippen.
»Du ... wenn es ... nicht sein müsste?«
»Mit was willst denn zahlen?« erinnert er bitter.
»Hörst – ich geh zum Vater hinüber und ... Wenn er mir gerad das gäb'. Mehr braucht' ich ihm nicht.«
»Hm!« macht er es verächtlich.
»Ich versuch's«, besteht sie.
Er hält den einen Stiefel eine gute Weile unschlüssig in der Hand, schüttelt den Kopf und sinnt wieder, und die Gedanken stieben dabei nur so hastig und wirr durch seinen Kopf, wie im Winter der Schneesturm die Schneeflocken am Fenster vorbeitreibt. Recht wär's, wenn es anders ginge und wenn nicht die Not mit dem ganzen Körper ins Haus zu kriechen brauchte. Langet' schon, wenn sie nur hereinschaut.
»Wenn d' gerad' meinst«, billigt er nachher so halb und halb und zwängt den Fuß durch die schon lange bereitgehaltene Stiefelröhre.
»So wag' ich es in Gottes Namen«, entschließt sie sich vollends und geht der Türe zu.
»Verhalt' dich aber nicht!« trägt er auf. »Wir müssen bald forttreiben, wenn wir nicht zu spät auf den Markt kommen wollen.«
»Nicht länger, als es sein muss.«
Er setzt sich derweil an den Tisch, stützt den gedanken- und sorgenvollen Kopf in die Hand und stiert vor sich hin auf die noch in dunkelgrauem Düster liegende Stubenbühne, und in seiner Brust beginnt sich die Hoffnung zu regen. Eine zuwidere Sach' ist der Gang, aber ... wenn er fruchtete, wär' mit einem Male der Weg vor sich hin wieder halbwegs eben. Vielleicht zahlte der Alte auch endlich einmal das ganze Heiratsgut, und nachher läge die Sache noch viel günstiger. Sein könnt' es immerhin, wenn sie sich übereins redeten ... So sinnt er in seiner Weise dahin, immer das denkbar günstigste und beste ersinnend und erhoffend. Ein Stubengelehrter würde ihn einen Optimisten nennen, aber wie sich das fremde Wort mit einheimischem Wesen niemals so ganz und gar zu decken vermag, so passt es für den Christoph noch weniger, denn der ist nur er selbst, ein in seinen Verhältnissen aufgewachsener Mensch, der Christoph, wie jeder andere auch wieder er selbst ist, eine Eigenheit und eine von den anderen verschiedene Einheit.
Derweil geht die Mena dem Schönbergerhofe zu, ihrem ... Vaterhause.
Es ist schon nahezu siebzehn Jahre, dass sie keinen Fuß mehr gesetzt auf den Grund und Boden jenseits des halbverfallenen Zaunes. Sie fühlt sich jetzt fremd auf diesem Boden und doch wieder heimisch, wenn die Erinnerung die Spiegelbilder vergangener Tage zeigt.
Das ganze, weitschichtige Gehöft liegt fast noch in voller Ruhe, nur die Kleindirn steht am Röhrbrunnen und füllt einen Eimer mit Wasser, und ein Knecht schlendert mit den Futterkürben dem Stadel zu.
Vielleicht ist der Vater noch gar nicht aufgestanden. Was nachher?
Eine Zagheit befällt sie, und ein Gruseln läuft ihren Rücken herab, und ein paar Augenblicke ist ihr, als müsse sie von der Stelle weg umkehren und unverrichteter Dinge heimgehen. Aber sie rafft all ihren Mut und ihren Trutz zusammen und geht über die Gred hinein, auf der sie noch blindlings jeden Stein und jede Pflasterfuge fände.
»Ist der Vater schon munter?« fragt die sie Dirn.
»Wer?« gegenfragt die und schaut das Nachbarsweib verwundert an. Der Vater? Wer soll denn der sein? »Ja so«, entsinnt sie sich nach einem Weilchen. »Der Ähnl,gelt? Nein der liegt noch, er steht gemeiniglich erst knapp vor der Morgensuppe auf.«
»Magst ihn nicht aufwecken?«
»Ich weiß nicht ... Ist's leicht was recht ... recht Nötiges, das Ihr ihm wollt?«
»Ja. Sag' nur, ich hätt' recht dringend was zu reden mit ihm!«
Die Dirn eilt mit den gefüllten Eimern ins Haus, und die Mena setzt sich derweil auf die Gredband nieder, legt sich die und jene Anrede zurecht und schwankt zwischen Hoffen und Verzagen.
Nach einer Weile geht die Stubentür, aber als sie sich flüchtig umsieht, gewahrt sie die Schwägerin, die mit einem Krüglein zum Röhrbrunnen geht und im Vorbeigehen so tut, als wäre nicht ein Steinchen auf der Gredbank, rein gar nichts.
Sie sagt aber auch nichts. Ein Schweigen und Übersehen ist des andern wert.
Im Nu ist das Krüglein gefüllt, und die Schönbergerin hastet wieder ins Haus, aber drinnen im Hausflötz lacht sie spöttische auf. »Was wohl heut für ein Tag sein muss, weil schon in aller Herrgottsfrühe so ein rarer Besuch kommt?«
Der Mena ist's, als zöge sie eins bei den Haaren vom Bänkchen empor. Heim gehst! Lieber den Bettelstecken in die Hand nehmen, als da ein gutes Wort oder ein Gebitt anbringen! Aber sie bleibt doch sitzen, ringt Trutz und Ärger über die erfahrene Kränkung nieder und wartet.
Bald darauf poltert der Lipp in den Stall und schreit dort unter den Ehehalten herum, und sie vermeint, jedes einzelne Wort, das bis zu ihr heraushallt, auf sich beziehen zu müssen, und möglicherweise hat sie auch ab zu hat sie nicht ganz unrecht.
Es ist hart, wenn die Not eins auf so ein Bankel setzt und sitzen bleiben heißt.
Es steht geraume Zeit an, bis der Alte daherkommt, und sie vermeint, schon Stunden gewartet zu haben.
»Willst mir was?« brummt der alte Schönberger, da er vor ihr steht und schier unbewegt auf das holperige Pflaster der Gred niederschaut.
»Ja«, dehnt sie zage heraus. »Ein ... ein ... eine Bitt' hätt' ich und ... aber ich will und verlang' nicht mehr, als was sich ... als was sich lang' hätt' geschehen sollen ...«
»Was ist denn nachher sel?« fragt er, und seine Stimme hat ungefähr denselben einförmigen und eintönigen Klang, wie wenn eins mit einem harten Buchenschlägel an einen Felsblock schlägt.
»Geht ein bissel weiter heraus ... vor den Garten leicht!« schlägt sie vor. »Es braucht nicht ein jedes zu hören, was wir reden.«
»Was wir reden, wird wohl jedes hören dürfen«, meint er.
»Es tut nicht not«, besteht sie und hebt sich vom Bänkchen. Geht er nach, ist's recht und am End' schon halb gewonnen, geht er nicht, soll er es bleiben lassen. So wird ihr schon.
Ein Weilchen steht er stockerlstille und schaut ihr nach, aber nach einigem Sinnen geht er doch nach.
»Red jetzt!« fordert er kurz und hart, als sie draußen unter dem weitästigen Kornapfelbaume stehen. »Was willst mir?«
»Vater! Wir sind in einer ... großen Verlegenheit«, fängt sie stockend an, und dunkle Röte schießt in ihr Gesicht.
»So?«
»Ja, dass wir ... dass wir den Buben haben heimnehmen müssen von der Studie, werdet Ihr leicht schon gehört haben. Es hat sich nimmer erschwingen lassen ...«
»Was einem zu schwer ist, sel muss es liegen lassen«, bedeutet er kurz.
»Über zwei Monatsgelder haben wir schon nimmer zahlen können, und jetzt hat der Mann geklagt. Wir müssen ... zahlen.«
»Kann schon sein.«
»Vater! Gebt mir mein Heiratsgut, ein bissel was, wenn es ist! Gerad', dass wir über die Sorg' hinauskommen.«
»Hab' ich dich in diese Sorg' hineingesetzt?« stößt er hart heraus, nimmt sich aber so halb und halb vor, ihr erst die Leviten ordentlich zu lesen und dann zu geben, was sie für den Fall braucht. Mehr braucht sie derweil nicht. Kann überlings wieder eine Zeit kommen, wo sie wieder bitten gehen muss. Und für das Geldweberörtel, das sie sich selbst ausgesucht und erkoren, reicht ein bissel was auch. Geldweberörtel? Notweber sagen jetzt die Leut', und die vor ihm steht, ist seine Tochter, die Notweberin. »Hab' ich gesagt, du sollst so heiraten? Gewiss nicht. Und wie das Örtel, so das Heiratsgut; sel wirst wissen, dass das unter Bauernleuten so der Brauch ist. Was für so ein Örtel langt, sel hab' ich dir eh'zeit zugeschickt, aber du hast es nicht braucht. So ein Örtel!« lacht er mittendrin spöttisch auf. »Weißt, wie es jetzt heißt? Nicht? Das Notweberhäusel nennen es die Leut', das Notweberhäusel. Hast es gehört? Ja, und dass ich noch sag' ...«
»Spart Euch den Atem!« presst sie trotzig heraus. »Ich will nichts mehr, ich brauch' nichts mehr von Euch ...«
»Was kommst denn nachher?«
»Weil ich gemeint hab', weil ... ja, weil ich gemeint hab', ich hätt' auch einen Vater, deswegen bin ich kommen. Aber es wird nimmer geschehen ... Lasst Euch die Müh' nicht verdrießen, die Ihr heut' mit mir gehabt habet! Gebt Eure Sach' und meine Sach', wem Ihr sie geben wollt: aber sel sag' ich Euch heut in ... in der harten Stund': Ihr habt mir nichts geben und habt mir das Glück abgesprochen und abgewunschen, das trifft ein, aber Euch sprech' ich jetzt Eure Ruh' ab, und auf dem Todbett' und drüber hinaus soll Euch das bissel drücken, was Ihr mit hättet geben können! Seid nur derweil still! Wenn sie uns auch Notweberleut' heißen, wie Ihr sagt, und wenn kein Glück in unserer Näh' ergrünen darf und kann, betteln werden wir deswegen auch nicht gehen, solang' wir gesund sind ... So, jetzt haben wir auch geredet.«
Sie wendet sich hastig ab und geht davon.
»Dirn! Mena!« schreit er nach, aber sie schaut nimmer um.
»Das Sakrawallsweiberleut'!« ärgert er sich und schaut ihr stieren Blickes nach. »Einen Dickschädel hat es, wie ... Ja, was wär' denn da ich? ... Aber recht ist's; so lernt man die Leut' kennen. Weil nicht gleich am Tupf geholfen ist, wird man grob. Von mir aus aber schon.«
Er kehrt sich ab und geht über die Gred hinein zum Röhrbrunen, um sich dort zu waschen, aber die junge Bäuerin vermag ihre Neugier nicht so lange zu zügeln, bis er damit fertig und wieder in der Stube wäre. Leichtfüßig und kichernd springt sie hin zu ihm und verzieht ihr Gesicht absichtlich zu noch spöttischerem Lächeln.
»Was hat sie denn wollen ... so ... so ... fast mitten in der Nacht noch?«
»Mm«, macht es der Alte, schüttelt aber gleich nachher den Kopf und tut mit der Hand einen Deuter, der so genommen werden kann und so auch. »Eine Frag', weiter nichts«, bescheidet er kurz. Was geht das andere an, was unter dem Apfelbaum draußen geredet worden und ... was er für eine Rede zu hören bekommen?
»So?« stößt sie enttäuscht und geärgert heraus. »Eine Frag'? Nun ja ...« mit einem Rucke wendet sie sich ab und hastet wieder in das Haus. Eine Frag'! Ob ... nicht am End' gar ein anderer Wind wehen will? Wenn ... nachher muss sie halt auch – mitwehen ...
Der Christoph hat gutding zwei Dutzend Male zum Fenster hinausgesehen derweil und gen den Nachbarshof hinübergespäht, ob die Mena noch nicht käme, hat aber nie etwas wahrgenommen.
Die Geschichte dauert ein bissel lang; am End' streiten sie sich doch zusammen, einigen sich endlich und bringen ins Gleiche, was schon lange geordnet hätte werden können und sollen. Ein Heiratsgut gehört ihr, und so ein, zwei, drei Tausender wären nicht zu viel für eine Schönbergertochter. Dann hätte alle Not mit einem Schlage ein Ende, und sie könnten noch wer weiß was alles dazukaufen. Ums Geld wäre da und dort ein Stückel Grund zu haben, das zu passet!
Da kommt sie daher. Nun, jetzt wird man ja gleich erfahren, ob sich das Blatt gewendet oder nicht.
»Wie ist's?« fragt er hastig, als sie zur Tür hereinkommt.
In ihrem Gesichte reißt und zuckt es, sie bringt kein Wort heraus und schüttelt nur den Kopf, da sie neben ihn auf die Bank hinsinkt.
»Hast nichts gerichtet?« fragt er nochmals.
»Treibt sie fort!« presst sie nach einigem Mühen heraus. »Wegen der Kuh gehen wir auch noch nicht betteln, und die Not wird uns nicht ganz und gar aufzehren ... Weißt, wie sie uns – hör' ich – heißen?« schreit sie dann in hellem Zorne auf. »Notweberleut', Notweber.«
»Auch recht«, seufzt er tief auf und hebt sich von der Bank. »Bub' richt dich! Es ist allerhöchste Zeit ...«
»Aber ich hab' es ihm gesagt: Seine Ruh' sprech' ich ihm ab, und drücken soll ihn mein Heiratsgut da und dort ... Christoph, ich kann nichts dafür«, erinnert sie nach einem kleinen Weilchen Sinnens. »Tu' mir das nimmer an, dass du mir so zuredest! Keine Zeit noch hat uns den Unfrieden ins Haus schieben können, lassen wir der Not auch nicht so viel Lung! Tragen wir die Einigkeit, was kommt ... nur kein Leben in Unfrieden!«
»Ich ... nein, ich mein' auch so«, drückt er unwirsch heraus, und dann gehen sie in den Stall, ketten die Kuh los und treiben sie hinaus.
Mag die Kuh kennen und merken, dass sie nun fort muss aus dem Hause, das auch ihr eine Heimat gewesen, schaut sie sich nur zufällig um nach ihrer Pflegerin, vor der Stalltüre draußen wendet sie den Kopf zurück, und da kann die Mena die drückenden Zähren nimmer halten. In Strömen perlen sie aus den Augen, und bitteres Weinen schüttelt und stößt sie wie ein kleines Kind.
Dem Christoph ist auch nicht viel leichter, aber er beißt die Zähne übereinander und zerrt mit aller Gewalt Trutz- und Rachegedanken herbei.
Der Gaberl aber geht hinten nach und sinnt und strubelt in seiner Weise vor sich hin. Das ganze Um und Auf der Lage zu begreifen, dazu hat er doch noch zu wenig Verstand, aber so viel hat er schon, um zu kennen, dass die Sache schlecht steht und dass der ... der alte Schönberger hätte helfen sollen und helfen können. Notweberleut'! ... Wenn er einmal groß wäre und Meister, wenn er sich viel, viel Geld verdiente, nachher tät' er schon heimzahlen, wie es sich gehört.
Ein eigenartig Sehnen und Drängen meldet und breitet sich in seiner Brust, gerade wie dazumal, als ihm der Lipp die Bettelei vorgeworfen. Dazumal hat er aber gesonnen, irgendein berühmter Mann werden zu wollen, einer, dessen Bild sie in Zeitungen bringen und in den Schaufenstern der Buchhandlungen ausstellen, und jetzt wird er bloß ein Zimmermeister. Ah was! Wenn er viel, viel Geld verdient, ist's auch fast so. Dann kauft er den halben Schönwinkel zusammen oder gar den ganzen, und dann muss jeder fort, der ihn oder seine Leut' die Notweberleut' heißt.
Über all' dem Luftschlösserbauen und Sinnen wird aber das unbestimmte Sehnen und Drängen nicht schwächer und kleiner.