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Wenn unser an die Zeit gebundenes Denken sich den Schöpfungsakt vorstellen will, der in Wahrheit zeitlos, d.h. ewig ist, ohne Anfang und Ende, so müssen wir ihn in eine Reihe von Handlungen zerlegen. Die erste war die Spaltung der unendlichen Kraft in endliche Kraft (Sonne, Licht, Geist) und Widerstand (Saturn, Finsternis, Stoff). Nun differenziert sich die also verendlichte Kraft nochmals in drei Formen. Der Schöpfung wohnt ein Gesetz inne, dessen Erkenntnis Weisheit ist (Jupiter). Ferner aber bedarf die Schöpfung einer unausgesetzten Durchströmung mit bewegender Kraft, ohne welche die Welt eine formlose, von der Sonne zwecklos beschienene Stoffmasse wäre. Der Ausdruck dieser Kraft ist erst das Leben (Mars). Die durch ihn in abertausend Formen zersplitterte Schöpfung bedarf einer Bindung, damit sie in all ihrer Geschiedenheit doch ihre Einheit nicht verliere. Diese Bindung ist die Liebe, ihr Mittel die Schönheit (Venus). Weisheit, Leben, Schönheit sind also die drei göttlichen Geschenke, die der Stoff empfängt.
Jupiter ist das der Schöpfung eingeborene göttliche Gesetz. Es ist ihr immanent, d.h. es durchstrahlt sie, ist ihr nicht von außen auferlegt. So ist seine Befolgung nicht Zwang, sondern Harmonie, seine Übertretung; nicht Freiheit, sondern Willkür, deren Korrektur nicht Strafe, sondern Notwendigkeit. Die Erkenntnis dieses Gesetzes ist nicht Lernen, sondern Offenbarung:
»Dort im Reinen und im Rechten
Will ich menschlichen Geschlechten
In des Ursprungs Tiefe dringen,
Wo sie noch von Gott empfingen
Himmelsehr' in Erdensprachen
Und sich nicht den Kopf zerbrachen.«
(Goethe.)
Die aus diesem Gesetz abzulesende Ethik ist nicht moralischer, sondern dynamischer Natur. Sünde ist »Fehltritt«, d.h. eine falsche Bewegung, die das Gleichgewicht stört. Tugend ist zwar nicht Wissen, d.h. erlernbar, aber Weisheit, d.h. erschaubar. So verleiht Jupiter die echte Frömmigkeit, die Vertrauen ist auf die göttliche Fügung der Welt. Nach ihr ist für jedes Geschöpf grundsätzlich eine Stelle im Kosmos, wo es harmonisch, oder menschlich gesehen: glücklich, mit dem Ganzen schwingen kann. Grundsätzlich sind daher alle berufen, tatsächlich aber vermögen dies nur wenige zu erkennen, und diese scheinen dann auserwählt. In Wahrheit sind sie es selber, die sich auswählen. Wem nun ein nur günstig konstellierter Jupiter seine volle Weisheit verleiht, dem scheint sich die Welt leicht zu fügen, unbewußt gestaltet er sein Ich so, daß es dem immanenten Gesetz des Geschehens mehr oder weniger entspricht. Dadurch verleiht Jupiter Gesundheit, Erfolg, Reichtum, Ehren, Ruhm, Glück auf allen Gebieten, besonders auch mit Frau und Kindern. Vor allem gibt er aber auch Macht. Wer die innere Gesetzmäßigkeit der Welt ausstrahlt, dem folgen die Menschen instinktiv, im Gegensatz zu dem, der ihnen ein Gesetz auferlegt, das stark durch Züge der Willkür (Mars), der Lebensfeindlichkeit (Saturn) oder des falschen Denkens (Merkur) entstellt ist. Jupiter macht die geborenen glücklichen und geliebten Herrscher, Richter, Beamte, Familienoberhäupter, Vormünder, Vorgesetzte und Leiter von Unternehmungen, vor denen sich Revolutionäre, wenn sie ihnen »des Prinzips wegen« Unrecht tun, stammelnd entschuldigen mit den Worten: »Ja, wenn alle wären wie Sie!« Sie sind die vornehmen, milden Spitzen von Verwaltungskörpern und wissen oft nicht, welche Roheiten in ihrem Namen begangen werden. Dringt der geschundene Soldat bis zu ihnen vor, dann findet er ein williges Gehör gegen seinen Unteroffizier, aber Jupiter thront in den Wolken. Ohne daß er sich bewußt abschließt, empfinden ihn die meisten als unnahbar, und er selbst fühlt nicht den Drang, hinunterzusteigen und die Welt vom Stoff aus zu ordnen, weiß er doch im Grund alles zum Besten gefügt. Daß die Menschen im einzelnen immer wieder »Fehltritte« begehen und sich dadurch ins Unglück stürzen, kann er nicht ändern. Er grollt ihnen nicht darum, ist duldsam, denn alles Moralisieren liegt ihm fern, erbarmt sich vielmehr jedes einzelnen Falles, der vor ihn kommt, aber ein Weltverbesserer ist er nicht. Am häufigsten findet man ihn daher unter hohen kirchlichen Würdenträgern, die sich als Verwalter der göttlichen Heilsgüter fühlen. Jupiter macht edel, wohltätig, heiter, »jovial«, anständig, gnädig, großmütig, wohlwollend, vernünftig, aufrichtig. Er gibt ein liberales Herz, aber zuviel Ehrfurcht vor der organischen Entwicklung, um irgendwie zur Revolution zu neigen. Man findet ihn auch häufig unter den Konservativen, aber niemals als Reaktionär. Die extreme Reaktion (Erstarrung) und Revolution (Zerstörung) stehen, wie gesagt, unter Saturn (oder Uranus). Der Reichtum, den er spendet, ist nicht die Folge mühsamen Erwerbs, sondern weisen Verhaltens und des Glücks. Auch die edleren Typen im großen Geschäftsleben, Reeder, manche Großkaufleute und Bankiers unterstehen ihm. Er umfaßt die Weisheit von ihrem göttlichen Pol der prophetischen Erkenntnis bis hinab zur weltlichen Weisheit, die oft wie bloße Klugheit erscheint (Merkur). Sie unterscheidet sich jedoch von dieser immer dadurch, daß sie etwas allgemein Gültiges, also dem Weltgesetz Entsprechendes hat, während der berechnenden Klugheit, die nur das Ich und seine zufälligen Aussichten sieht, immer die Unvornehmheit als Kennzeichen anhaftet. Der Weise ist immer auch klug, aber der Kluge nur dann weise, wenn Jupiter Merkur günstig bestrahlt. Der Unterschied wird dann besonders sichtbar, wenn in einem Horoskop ein dem Zeichen nach starker Jupiter durch Aspekte ungünstig steht. Solange er überhaupt noch irgendwie wirksam bleibt, wird er bis ins Verbrechen eine gewisse Großzügigkeit bewahren, die zur Folge hat, daß man in dieser Welt die großen Diebe laufen läßt, die kleinen hängt, die unter Saturn und Merkur stehen. In bester Ausprägung findet sich Jupiter in dem einfachen, ungezierten, unsophistischen Edelmann. Sein Geist ist mehr philosophisch als wissenschaftlich, sein Ausdruck treffend und oft bildhaft, aber nicht literarisch und rhetorisch.
In ungünstigen Zeichen oder wenn schwer durch Aspekte verletzt, wird Jupiters Ruhe jenseits der menschlichen Kleinheit zur anspruchsvollen Üppigkeit, Indolenz, Ausschweifung, Prunksucht, Verschwendung. Seine Überlegenheit wird Hoch- und Übermut, Arroganz, Prahlerei, Geckenhaftigkeit, Eitelkeit, seine Frömmigkeit wird dogmatisch, ja, heuchlerisch (besonders durch schlechten Saturneinfluß). Aus dem Weisen wird ein Schulmeister (besonders durch schlechten Merkureinfluß). Aus richterlicher Milde wird Willfährigkeit, ja, Bestechlichkeit, aus Freundlichkeit Falschheit (der falsche »Biedermann«). Ob günstig oder ungünstig gestellt, Jupiter ist stets Ausdruck des Gesetzes. Hat er, schlecht stehend, eine Beziehung zum Todeshaus, verursacht er oft Tod durch gesetzliche Konflikte, ja, sogar Hinrichtung.
Äußerlich gibt Jupiter eine volle, in späteren Jahren zur Üppigkeit neigende stattliche Gestalt, ein fleischiges Kinn, oft Grübchen, eine wohlgeformte Nase. Am bezeichnendsten ist die hohe gewölbte Stirn, die meist durch frühe Kahlheit besonders hervortritt. Die Hautfarbe ist hell, im Gesicht frisch gerötet. Die Augen sind feucht und fröhlich, die Lippen rot und stark geschwungen, die Hände kräftig.
Jupiter beherrscht Gerichtsgebäude, öffentliche Gärten und Parks, die purpurne Farbe, das Pflanzenreich, als erste Form des organischen Lebens, das Metall Zinn, sowie gesetzliche und kirchliche Angelegenheiten, Zeremonien, alle Entfaltung weltlicher und kirchlicher Macht, die Kulte und Sakramente. Auch das Holz beherrscht er, weshalb abergläubische Menschen an hölzerne Gegenstände pochen, wenn sie fürchten, ihn durch Betonung ihres Glücks herausgefordert zu haben. Es wird auffallen, daß er in vielen Wirkungen der Sonne verwandt ist, bis zu einem gewissen Grad wird man das auch bei Mars, ja, sogar Venus finden. Das erklärt sich dadurch, daß diese drei Planeten differenzierte Qualitäten der Sonne sind: Macht, Lebenskraft und Einigkeit.
Der Schütze ist das Zeichen des Jupiter, in dem er sich positiv manifestiert. Sein Symbol ist der Zentaur. Dieses Zeichen gilt in der ersten Hälfte als menschlich, wie die Zwillinge, die Jungfrau und der Wassermann, in der zweiten als tierisch, wie die übrigen Zeichen des Tierkreises. Für die urheidnische Anschauung aber ist der Gott eine Mischung höchster menschlicher Geisteskraft mit äußerster tierischer Elementarkraft. Zugleich hat der Schütze eine besondere Beziehung zum Menschlichen, dieser eigentümlichen Mittelschicht zwischen Himmel und Erde, während die eigentlichen Tierzeichen als Symbole die himmlischen Kräfte, als sichtbare Formen deren irdische Wirksamkeit unterhalb der menschlichen Stufe bezeichnen. Der Mensch steht zwischen diesen beiden Ebenen, und die menschlichen Zeichen dienen ihm als Mittler zwischen Tier und Engel. Beim Wassermann haben wir das schon erklärt, wir werden es wieder finden bei den zwei Merkurzeichen Jungfrau und Zwillinge, und nun sehen wir es auch beim Schützen. Jupiter heißt ausdrücklich der Vater der Götter und Menschen. Er ist das Gesetz der Weisheit, und zwar in einer für göttliche und menschliche Wesen geeigneten Ausprägung. Die Zentauren sind ausgesprochene »Joviskinder«, im Mythos häufig wegen ihrer Weisheit zu Heldenerziehern bestimmt und mit Heilkräften bedacht. Im Gegensatz zu dem beweglichen Erdzeichen Steinbock, in dem Saturn aus der Stoffgebundenheit zu seiner Idee als Gott mit negativem Vorzeichen, als Gegengott emporstrebt, was ihn zu der höchsten Menschlichkeit des Wassermanns führen muß, senkt sich Jupiter aus dem Himmel herab, wendet sich im Zeichen Schütze dem Menschen zu und erreicht im edelsten der Tiere, im Pferd, sogar die oberste Stufe des Tierreichs. So umfaßt Jupiter im Schützen Göttliches, Menschliches und Tierisches, je nach der Entwicklungsstufe des Individuums. Der Schütze macht Seher, Propheten, Priester. Die Leichtigkeit, die der von Jupiter begünstigte Mensch in dieser stofflichen Welt empfindet, macht ihn leicht übermütig, stolz und scheinbar rücksichtslos gegen die, deren Nöte er nicht versteht. Intellektuellen Unterscheidungen ist er nicht geneigt, ist doch die Welt für ihn nicht Problem. Gern vertraut er seinem Stern, und er hat Recht, denn dieser Stern ist ja Jupiter, in der alten Astrologie das Große Glück (fortuna major) genannt. Hier soll der Intellekt schweigen, um die Intuition nicht zu stören. Kaum etwas verdirbt den Jupiter mehr, als schlechte Merkureinflüsse. Die Haupteigenschaften des Schützen sind: Munterkeit, Beweglichkeit, Impulsivität, Ehrgeiz, Leidenschaft, Unabhängigkeit, Gerechtigkeit (fair play), Tätigkeit des Leibes und Geistes, Neigung zu Übertreibung, Gutartigkeit, Zuverlässigkeit, sympathisches Wesen. Die unter dem Schützen Geborenen lieben die Autorität und verkörpern sie oft selbst, aber sie ertragen nicht eine schlechte Autorität. Darum sind sie nie revolutionär, obwohl man sie bisweilen unter den edleren Typen der Revolution findet, sondern Frondeure. Sie sind nicht Rebellen von unten, sondern von oben, nicht um das Niedere zu erhöhen, sondern um zu hindern, daß die Höhe niedrigen Händen verfällt. Sie vertragen keine enge Umgebung. Sie lieben die Weite. Ihre Gefahr ist viel eher der Aberglaube, als der an die exakten Tatsachen zu eng gebundene Positivismus der Wissenschaft und der auf bloße Nützlichkeit ausgehenden Bestrebungen. Bei schlechter Bestrahlung entfaltet der Schützentypus folgende Fehler: durch Mars Roheit, Frivolität, Jähzorn, Gewalttätigkeit, durch Saturn Heuchelei, Mißtrauen, Argwohn, durch Merkur Oberflächlichkeit, Falschheit, Schwätzsucht, durch Venus Genußsucht. Sonne und Mond vermögen ihm weniger zu schaden. Äußere Kennzeichen sind: Größe, oft Schönheit, guter, etwas fleischiger Wuchs, edle starke Nase, kluge, meist dunkle Augen, offener Blick; mittelgroße, nicht ganz anliegende Ohren, großer, stark geschweifter Mund, ähnlich wie der Venusmund, nur noch stärker die Oberlippe in der Form eines etwas eingekerbten Bogens (Bogen des Cupido) ausprägend, gesunde, große Zähne, die zwei Vorderzähne besonders groß, starke Backenknochen.
In dem Wasserzeichen Fische ist Jupiter tief in die Materie hinabgestiegen. Hier leidet seine edle Art unter dem Stoff, seine Weisheit unter der Unvernunft der Welt. Die Fische sind das typische leidende, tragische Zeichen. Nicht ohne Grund ist der Fisch Symbol des gekreuzigten Gottessohnes. Die unter den Fischen Geborenen sind selten glücklich. Ihr guter Wille und die sinnlose Welt stehen in zu großem Mißverhältnis. Dabei ist diesem veränderlichen Wasserzeichen wenig Energie und Widerstandskraft verliehen. Hindernisse aller Art, Enttäuschungen türmen sich auf, und Mißerfolge werden zum alltäglichen Erlebnis. Empfänglichkeit im Guten wie im Schlechten charakterisiert dieses Zeichen. Bald zeigt sie sich in Demut, bald als Charakterschwäche. Stets stellen die unter den Fischen Geborenen ihr Licht unter den Scheffel. Bei guter Konstellierung hat ihr inneres Wesen alle guten Jupitereigenschaften in passiver Form: sie sind vertrauenswürdig und vornehm, bescheiden, aufopfernd, nur zu ängstlich und unselbständig, zur Nachahmung geneigt. Man möchte bei ihnen von einem dienenden Jupiter sprechen, und in der Tat findet man diesen Typus oft unter den alten, treuen Herrschaftsdienern, die ihren Herrn als Kind auf den Armen getragen haben und auf Gedeih und Verderb mit dem Schicksal der Familie verknüpft sind. Das Zeichen Fische macht bequem bis zur Faulheit und Indolenz, sinnlich, Behagen liebend und gern den anderen Behagen schaffend, gastfrei, aber nicht heiter, kränklich und sehr unter dem Druck der Materie leidend. Das kann zu einem tiefen Erlösungsbedürfnis und echter jupiterhafter Frömmigkeit führen, aber auch zu dumpfer Resignation, die bis in die tiefsten Abgründe tierischer Dumpfheit verfallen kann. Dann verwandelt sich Jupiters Neigung zum Wohlleben in eine niedrige, unsaubere Sinnlichkeit. Im ersten Fall sind sie die geborenen Tröster im Unglück, das sie andere zu tragen lehren, im letzten verfallen sie dem Alkohol und anderen Narkotika. Man findet sie dann als menschliche Ruinen in den Tiefen der Großstadt, als verhältnismäßig harmloses Gesindel auf einer kaum vorstellbaren Stufe der Verkommenheit. Zum eigentlichen Verbrechen fehlt es ihnen an Tatkraft. Ihre Laster sind wie ihre Tugenden durchaus passiv. Fast immer sind sie musikliebend. Besonders die gefühlsschwelgerische Musik Wagners wirkt auf sie. Auch sind sie meist mediumistisch, und diese Fähigkeit wird leicht von anderen mißbraucht. Sie können nicht nein sagen, stets sind sie friedlich, freundlich, nachgiebig. Ihr Charakter ist sehr veränderlich und ruhelos. Selbsterkenntnis ist ihre schwächste Seite, auch werden sie von anderen schwer erkannt. Ist ihre zurückhaltende, sich zurückziehende Stille das Schweiger, der Dumpfheit, ja, Dummheit, oder der Weisheit? Das ist oft schwer zu entscheiden. Auch die so rätselhafte Spaltung der Persönlichkeit (double life), die einen Menschen neben seinem geordneten bürgerlichen Leben, ohne daß er es selbst weiß, ein zweites Leben in Verbrecherkneipen oder dergleichen führen läßt, das Quartalsäufertum, das oft zu einer ähnlichen Spaltung führt, der Somnambulismus, der krankhafte Wandertrieb (Poreuomanie), der schon Kinder immer wieder von Hause durchbrennen läßt, alle diese, den Kern der Persönlichkeit auflösende Erkrankungen stehen meist unter dem zweikörperlichen Zeichen der Fische, das übrigens dem XII. Feld entspricht (Auflösung der Persönlichkeit, Wiedergeburt). Selten wird man einen Fischtypus finden, der nicht Geheimnisse hat oder leicht in geheime Dinge verflochten wird. In irgendeinem wörtlichen oder übertragenen Sinne bleibt er stets im Dunkel, im Hintergrund oder im Abgrund. Bei all seiner Schwäche ist er dennoch zäh, ja, eigensinnig und kann daher auch oft sehr quälend auf entgegengesetzte Temperamente wirken, zumal man so schwer dahinter kommt, was er eigentlich will. Darum ist er bei all seiner Bescheidenheit doch oft nicht leicht zufriedenzustellen. Vielleicht weiß er selbst nicht, was er will, oder ob er überhaupt ernstlich will. Dazu kommt die Ungenauigkeit des Ausdrucks. Er kann sich nicht formulieren (Merkur ist in den Fischen vernichtet) und fühlt sich daher stets zurückgesetzt. Dies kann ihm eines Tages zur Seligkeit werden: »Der Gerechte muß vieles leiden.« Dann wird er der wahre Christ, der im Selbstunterricht selig ist. Die göttliche Natur erkennt sich in ihm gerade daran, daß sie am Stoffe leiden muß. Das Leid wird Auszeichnung, Beweis der Gotteskindschaft: Offenbarung auf die ausgesprochen christliche Art hat stattgefunden, »die Letzten werden die Ersten sein«. Christus ist zu den Zöllnern und Sündern gekommen und verschmäht auch die Dirne nicht. Das Zeichen Fische ist das Zeichen des Unglücks (Kreuzigung) und der Wiedergeburt. Der den Stoff verirrte Gott hat sich wiedergefunden, aber nicht wie im Wassermann durch Erhöhung des Menschen als Hemmung der Erkenntnis. Das Ziel ist dasselbe: die Selbsterkenntnis Gottes durch die Schöpfung, einmal auf positivem, das andere Mal auf negativem Wege.
Das Zeichen der Fische beherrscht wie das XII. Feld Klöster, Spitäler, Gefängnisse, kurz alle die geschlossenen Anstalten, wo der Mensch vom Leben abgesondert ist. Äußerlich machen die Fische untersetzt oder klein, eher dick als schlank. Die Haltung und der Ausdruck haben etwas Schläfriges, Füße und Hände sind eher groß. Dazu kommen träumerische, graublaue Fischaugen, volle Wangen, die im Alter oft hängend werden, reiches, aber sehr dünnes Haar, bleiche Farbe, schlechte Zähne, eine etwas fleischige Nase. Das Zeichen Fische macht körperlich empfindlich und ängstlich vor Erkrankung, wenn auch nicht in dem Maße wie die Erdzeichen Stier und Jungfrau. Die Ursache aber ist dieselbe, ein der Materie entgegengesetzter Planet (hier Jupiter) ist zu ihr hinabgestiegen und leidet nun unter ihrem Druck. Mars, Saturn und Mond fühlen sich den niederen Elementen äußerlich weniger fremd, als Venus, Merkur und Jupiter. Die Sonne aber ist allen Elementen gleich vertraut. Frauen, die unter den Fischen geboren sind, haben nicht selten einen nixen- oder undinenhaften Reiz. Sie sind selten glücklich. Im Zeichen Fische ist Venus erhöht, d. h. vermag hier besonders gut ihre seelischen Eigenschaften zu entfalten und gibt dann den Menschen leicht den Zauber von kühlen, aber gutartigen Elementarwesen, die nicht ganz zu den Menschen gehören, aber sich nach ihnen sehnen. Man denke an das Märchen von Undine. Wenn Venus hier keinerlei Stütze erhält, kommt es leicht zur Unterschätzung sozialer Distanzen, wodurch oft genug aus einer falschen Humanität von oben die Revolution begünstigt wird.
Jupiter ist erhöht im Krebs. Wie in den Fischen, kommt hier seiner großherzigen Fülle das Element Wasser entgegen, aber der Krebs ist ein bewegliches Zeichen. Von dieser Bewegung des Stoffes fühlt sich Jupiter getragen. Hier hat er nichts von der Unentschiedenheit des Zeichens Fische. Die ihm im Schützen, wie wir sahen, oft anhaftende stolze Rauheit ist von der Flut glattgespült. Seine Erhabenheit hat sich in dem Wasserzeichen mehr dem Stoff angepaßt, und so vermag er im Zeichen Krebs den ganzen Reichtum seines irdischen Segens besonders fruchtbar zu entfalten: Erfolg, Ruhm, Rang, Reichtum. Das feste Wasserzeichen Skorpion dagegen bindet ihn wiederum zu sehr; sein Herrschertum nimmt gewaltsame, selbstsüchtige Gestalt an und verbindet sich mit den gefährlichen Eigenschaften dieses Zeichens.
Am gehemmtesten in seiner höheren Wirkung ist Jupiter in Erdzeichen. Er ist zu tief in den Stoff hinabgestiegen. Im Saturnzeichen Steinbock ist er in seinem Fall. Hier beeinträchtigt Saturn alle seine Gaben, und er selbst erhält saturnische Eigenschaften: er wird ein schlechter, aufsässiger Herr mit trübem Gemüt. Im Zeichen Stier ist Jupiter gänzlich materialistisch, aber seine Verwandtschaft mit dessen Herrscherin Venus gibt Erfolg und Glück auf der materiellen Ebene. In den beiden Merkurzeichen Jungfrau (Erde) und Zwillinge (Luft) ist Jupiter »vernichtet«, aber auch das vermag seinen Einfluß nicht ganz zu brechen. Er wird merkurisch gefärbt, das paßt sehr schlecht zu ihm. Er wird geschwätzig, prahlerisch, aufschneiderisch, unwahr, verliert sehr an eigener Kraft, entwickelt dagegen die Kräfte Merkurs bis zu einem gewissen Grad und stört sie gleichzeitig durch Voreiligkeit des Schließens, Oberflächlichkeit, Unaufrichtigkeit. Alles, was bei dem Weisen Tugend war: Glaube, Intuition, Einbildungskraft, verwandelt sich im Bereich des exakten Merkur in Mängel.
In den beiden anderen Luftzeichen Waage und Wassermann verstärkt Jupiter durch Hinzufügung seines Einflusses beträchtlich die günstigen Vorbedingungen dieser Zeichen, ebenso in den beiden Feuerzeichen Löwe und Widder. Besonders in diesem Marszeichen mildert er die allzu starke Leidenschaftlichkeit seines Herrn.
Die Beobachtung hat gelehrt, daß der Planet Neptun in seiner Wirkung dem Zeichen Fische so nahe verwandt ist, wie Uranus dem Zeichen Wassermann. So wie man nun Uranus dem Wassermann als zweiten Herrscher neben Saturn zugeordnet hat, so Neptun den Fischen neben Jupiter. Es ist aber von vornherein zu bemerken, daß das für die große Mehrheit der Menschen nicht stimmt. Nur wer überhaupt den höheren Einflüssen jener beiden Tierkreiszeichen zugänglich ist, wird von Uranus, andere als zerstörende Wirkungen empfangen. Bei den meisten wirkt Neptun verwirrend. Neigen sie zum Okkultismus, so führt er sie in dessen Kloaken, d. h. Hypnose und anderem, die Vitalität zersetzendem, müßigem Zeitvertreib mit bedenklichen Folgen. Neptun, der nicht eigentlich entdeckt, sondern von Leverrier aus den Abweichungen der Uranusbahn errechnet und dann erst mit dem Fernrohr gefunden wurde, entführt uns aus dem Irdischen, und diesen Weg kann nur der ungestraft gehen, dessen Irdisches gebändigt und geordnet ist. Andernfalls ist es Desertion. Neptun beherrscht neben der echten Mystik auch alle die billigen Arten, der Wirklichkeit zu entfliehen, vor allem die Berauschungen jeder Art durch Alkohol, Narkotika, Visionen, Illusionen. Er begünstigt Schwindel und Betrug. Die neptunischen Schwindler sind im Gegensatz zu den weltkundigen merkurischen, die mit der Wirklichkeit rechnen, stets Phantasten und erwecken auch bei dem besonnenen Laien leicht Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit, während sie unkritische Menschen oft bezaubern und ganz und gar einzuspinnen vermögen. Stets führen sie große Worte im Munde, nennen sich Idealisten, Jünger der Schönheit, höhere Menschen, Edelnaturen und dergleichen. Obwohl selbst nicht gewalttätig, glauben sie an Revolution, denn sie sind unverbesserliche Utopisten, die nie sehen, was ist, sondern was nach ihrer Meinung sein sollte. Dabei vergessen sie völlig das Naheliegende, vor allem ihr eigenes Privatleben, das meist in einer kaum verständlichen Unordnung und Unsicherheit verläuft. Dabei sind sie im Innersten gutartig und freundlich. Man findet sie viel häufiger unter Lebensreformern und Kunstbeflissenen, als unter den meist weniger harmlosen sozialen Revolutionären. Ihre Unkorrektheiten, ja, Schwindeleien in Geld- und sonstigen Eigentumsfragen erklären sich dadurch, daß ihnen tatsächlich der Sinn für Mein und Dein fehlt, was sie für allgemeines Brüderlichkeitsgefühl ausgeben. Die Besseren unter ihnen sind aber keineswegs habsüchtig oder diebisch. Ebenso unbefangen wie sie über fremdes Gut verfügen, geben sie auch eigenes her. In ihren Fehlern wird man oft verzerrte Tugenden erkennen. Die innere Gelöstheit vom Besitz ist gewiß eine hohe Stufe der Entwicklung, aber sie äußerlich so zu praktizieren, als gäbe es keinen Besitz, ist ein tiefes Mißverständnis des Weltsinnes. Nichts hindert die innere Entwicklung mehr, als die freilich nur relativ gültigen Spiegelregeln einer Welt, in der wir eine Stelle auszufüllen haben, dauernd durch absolute Forderungen zu stören. Man darf nicht päpstlicher sein wollen, als der Papst oder göttlicher als Gott. Wo es Privateigentum gibt, ist seine Verletzung Diebstahl, zum mindesten Irrtum; wo es keines gibt, wäre seine heimliche Anhäufung Unterschlagung, wie sie Ananias und Saphira (in der Apostelgeschichte) begingen in einer Gemeinde Gutgläubiger, die freiwillig zusammenlegten, was sie hatten. Wie weit im übrigen der Einzelne seine Seele an das Eigentum hängt, das ist eine andere, und zwar weit wesentlichere Frage, als die der sogenannten gerechten Verteilung des Eigentums im sozialen Sinn. Ein stark von Neptun Beeinflußter, dem nicht ein guter Jupiter sagt, was Recht und Unrecht ist, oder den nicht ein ernster Saturn auf der Erde festhält, kann es zu Hellseherei und anderen Kunststücken, niemals aber zu einer wirklichen, höheren Entwicklungsstufe bringen, die er übersieht. Wohl blickt er durch manches Schlüsselloch in das Außermenschliche, aber es ist nur dann Gewinn, wenn es nicht auf Kosten seines Menschlichen geschieht. Dies darf nicht übersprungen, es muß »ausgelebt« werden, freilich in einem andern Sinn, als dem, welchen man gewöhnlich diesem Worte beilegt. Die zu frühen Vorstöße, die Neptun in das Reich des Geheimnisvollen macht, werden stets mit Hysterie und Neurose bezahlt, während wahre, stufenweise erworbene Erkenntnis gesund macht, indem sie dem Menschen immer mehr die innere Stelle zeigt, von wo er, unabhängig von äußeren Umständen, ganz er selbst sein kann. In dem Maß aber, wie jemand das vermag, ist er der Harmonie des Kosmos eingeordnet – denn er gibt für jeden einen ihm entsprechenden Platz – und die Folgen sind Gesundung und Glück. Die Neptunier verdanken jedoch ihre »Blicke ins Jenseits«, wie sie gern sagen, einer krankhaften Überempfindlichkeit. Im gewöhnlichen Leben sind sie leicht abgestoßen und leicht abstoßend, ängstlich, ausweichend, nachahmerisch. Niemand unterliegt mehr dem Selbstbetrug in Hinsicht auf eigene und fremde Eigenschaften. Ohne zu wissen wie, geraten sie unter allen möglichen irreführenden Phrasen und Vorstellungen in die sonderbarsten Abenteuer, Hinterhalte, Geheimnisse, Verschwörungen, Logen, ja, Ausschweifungen, Skandale und Verbrechen. Alle diese Dinge erscheinen ihnen in einem »astralen« Licht. Ihre Visionen sind nun nicht einfach im Sinn der heutigen Psychiatrie als Einbildung zu betrachten. Sie sehen da in der Tat Dinge, von denen auch die echten Mystiker, ja, manche Künstler berichten. Ihr Unheil ist nur, daß sie die Schichten der inneren Wahrnehmung nicht unterscheiden können und die Erfahrungen der getrennten Ebenen nicht auseinanderhalten, wie der Künstler, der seiner Visionen Herr wird, indem er sie gestaltet, oder der Mystiker, der, nachdem sie ihn verlassen haben, durch ein tieferes Erkennen gestärkt, in sein menschliches Leben zurücktritt und dies in aller Schlichtheit weiterlebt. Was die Ärzte »Halluzination« nennen, ist oft genau so real wie eine Sinneswahrnehmung, aber darin werden die Ärzte immer recht behalten: eine Halluzination, was sie auch sei, ist keine Sinneswahrnehmung, und wer diese beiden Dinge nicht auseinanderhalten kann, ist krank. Das Leben der Neptunier scheint tatsächlich wie von Dämonen beherrscht: Heftige Angstzustände infolge von unsichtbaren Ursachen, viel Veränderung, unverhoffte Gewinne und Verluste, Intrigen und Klatschereien unglaublichster Art, die sie bald anstiften, bald zu erleiden haben, Bigamie, Doppelleben, (siehe oben unter »Fische«). Kaum scheinen sie aus einer Gefahr gerettet, da trifft sie erst der verderblichste Stoß aus dem Hinterhalt. Rätselhafter Tod, Verschwinden und Verschellen ist bisweilen ihr Los.
In dem Horoskop eines sehr entwickelten Menschen, den Charakter und Intelligenz gegen die Gefahren Neptuns schützen, wird dieser Planet zum Schlüssel letzter Erkenntnisse, wobei es nicht mehr so wichtig ist, ob seine Aspekte ganz gut oder schlecht sind. Jeder Aspekt gibt hier Möglichkeiten, der gute schützt nicht gegen Gefahren dieses Planeten, wenn das Horoskop sonst keinen Schutz verleiht, der schlechte wird zwar sehr heftig empfunden, aber ebenso innerlich verwertet, wenn überhaupt die Möglichkeit da ist, von Neptun Segen zu empfangen. Diese merkwürdige Tatsache erklärt sich dadurch, daß Neptun überhaupt nur auf einer Entwicklungsstufe wohltätig ist, wo die Art der Aspekte (auch bei anderen Planeten) nebensächlich wird gegenüber der immer tiefer erlebten Substanz ihres Wesens. Davon mehr im letzten Abschnitt. Jedem wahren Künstler und wahren Erkennenden ist Neptun ein Führer aus dem Menschlichen heraus. Er gibt tiefste, seherische Inspiration und Intuition; den Musiker läßt er Urklänge vernehmen (wie einige eine Göttersprache redende Motive bei Wagner: Walhalla, Rheintöchter, Erda, Loge), dem Dichter und Mystiker zeigt er die Archetypen der Dinge (die platonischen Ideen). Er bedeutet den Höhepunkt der schöpferischen Phantasie, wenn verstanden, den Abgrund der Schwindelhaftigkeit, wenn nicht verstanden. Mir ist ein Fall bekannt von zwei Menschen mit starkem Neptun, die am selben Tag geboren wurden, der eine wurde ein Künstler und Erkenner, der andere ein Hochstapler großen Stils, der sich schließlich im Untersuchungsgefängnis erhängt hat.
Über die Wirkung des Neptun in den verschiedenen Zeichen sind die Beobachtungen noch unvollständig. Als er im Jahre 1846 entdeckt wurde, stand er in den letzten Graden des Wassermann, heute steht er in der Mitte der Jungfrau. Die praktischen Erfahrungen der Astrologen bezeugen immer mehr, daß der Neptun auf jeden Fall in allen materiellen Dingen, seinem Zeichen Fische entsprechend, auflösend, zersetzend wirkt. Auf der geistigen Ebene mag er zu gewissen Zeiten eine Schau geben. Bei Künstlern, vor allem bei denjenigen, die die Saiteninstrumente spielen, steht er vielfach in hervorragender Stellung.
Da er im Zeichen Fische sein Domizil hat, steht er im Zeichen Jungfrau in seinem Exil. Nach dem Gesetz der Erhöhung (s. Joh. Lang: Neuentdeckte und totgeschwiegene Gesetze der Astrologie) steht er im Zeichen Zwillinge in der Erhöhung und im Zeichen Schütze in seinem Fall. Im Krebs ist er sehr ungünstig. Dieses Mondzeichen neigt schon ohnehin zu einem unbeherrschten Gefühlsleben. Ein großes Rätsel, das erst am Ende dieses Jahrhunderts die Erfahrung lösen kann, wird Neptun in dem mystischen Zeichen Skorpion aufgeben (s. dieses).
Ist Jupiter die Weisheit des göttlichen Weltgesetzes in der Form der Offenbarung für das menschliche Gemüt, so ist Mars die von der schöpferischen Essenz losgelöste Kraft, die sich differenziert zur Ermöglichung gesonderter Geschöpfe. Mars ist das priacipium individuationis, das Prinzip der Vereinzelung, der Trennung, ja, des Hasses und des Krieges, der Heraklit als der Vater aller Dinge gilt, und zwar darum, weil Trennung der Pole die Vorbedingung ihrer Vereinigung durch Liebe ist (Venus ist das Gegenprinzip zu Mars). So ist Mars nur insofern das Böse, als er den Sinn der Individuation, als Vorstufe zur liebenden Vereinigung, nicht erkennt, die Individuation als Selbstzweck betrachtet, was man Egoismus nennt. Andererseits ist er die Tragkraft alles menschlichen, Wertes. Was sich nicht stark »individuiert«, kann sich auch nicht liebend hingeben, vielmehr nur wegwerfen. Die menschliche Forderung des Altruismus und die Gegenbehauptung, Altruismus sei gar nicht möglich, denn wer Gutes gern tue, dem sei es eben auch nur ein egoistisches Vergnügen, und alle die talmudistischen Spitzfindigkeiten, ob eine Handlung wirklich ein Opfer und darum verdienstlich war, fallen vor der Astrologie als leere Sophistik zusammen durch die Erkenntnis, daß Liebe Trennung voraussetzt und Trennung Einigung sucht. Sinn der Trennung ist die Einigung, Sinn der Einigung die Trennung. Kein wesentliches Werk, keine wirkende. Tat, die nicht von einem sehr bewußten Ego getragen wurde, kein wesentliches Ego, dessen Werk und Tat nicht auf andere, d. h. auf Einigung zielte. Gleichermaßen gegen den Weltsinn verstoßen die in der Trennung erstarrenden, nur ihre Ichsphäre ausbauenden Naturen, vom kleinlichen Egoisten bis zum Verbrecher, wie jene, die das principium individutionis als das Böse auf Erden bekämpfen, die Menschheitsverbrüderer politischer und religiöser Richtung. Auch sie verwechseln zwei Lebensschichten. Daß jede tiefere Erkenntnis bedingt ist von der Überwindung des »principium individuationis«, wodurch allein das Eintauchen in den Weltgrund möglich ist, daß unsere Selbstheit jenseits dieses Prinzips steht, das ist gewiß, aber nachdem wir einmal durch unsere Geburt in dieses Prinzip eingetreten sind, ist es wider alle Vernunft, uns zu gebärden, als wäre es nicht so, d. h. wider die zur Zeit für uns gültige Natur dieses Prinzip zu opfern, während wir es noch verkörpern. Und was ist das Ergebnis solcher büßenden Haltung? Etwa die Beschleunigung der Menschheitserlösung? Zunächst soll und kann sie gar nicht beschleunigt werden, da jedes Individuum von selbst aus seiner leidvollen Trennung vom Ganzen herausfinden muß. Opfert sich aber ein Individuum für die Gesamtheit der anderen, statt aus seiner Trennung heraus seine Einung zu finden, so wird dadurch weder seine Individuation noch die der andern aufgehoben, sondern das, was er wegwirft, wird von andern Individuen, die schlechter sind als er, genommen. Es ist zwar unbedingt richtig, daß jeder für das Ganze da ist, aber zu dem Ganzen gehört doch auch er selbst, und das bedeutet: Jeder ist auf seine individuelle Weise für das Ganze da, hat also die Einigung dort zu suchen, wo die Schnittflächen zwischen Ich und Nicht-Ich aufeinander passen. Während der Egoist sich selber nur vereinzelt, nicht in einem Ganzen sieht, will der grundsätzliche Altruist alle Grenzen verwischen in einem Allerweltsmischmasch, in dem keine Individualität mehr gilt, und somit auch keine Liebe möglich ist. Dies ist das Ziel aller kommunistischen und bolschewistischen Lehren. Wo sie sich kurze Zeit realisieren, sehen wir, daß die gewaltsame Aufhebung aller individuellen Trennungen zwar keine Liebe schafft, wohl aber ein neues Trennungsbedürfnis, das sich als Haß äußert. Aber man braucht nicht so weit zu gehen. Alle Lehren, die dem principium individuationis, d. h. Mars, zu wenig gerecht werden, von der zu buchstäblich genommenen christlichen Nächstenliebe bis zu den Gleichheits- und Brüderlichkeitslehren der Revolutionen, haben nur das Gegenteil dessen bewirkt, was sie sagten. Die grundsätzlichsten Betonungen des schrankenlosen Individualismus, der lebt, als sei er allein auf der Welt, hat gerade das christliche, stets Kollektivitäten wie den Staat oder das Volk oder die Menschheit vergötternde Europa zu allen Zeiten hervorgebracht vom mittelalterlichen Raubritter bis zum modernen Erwerbsmenschen. In diesen Typen findet sich Mars in völliger Lösung aus dem kosmischen Zusammenhang, der Trennung will, um zu einen. Geht aber in Europa einem ein Licht auf, daß dies Selbstzerstörung ist, so will er auch die Einigung meist wieder mit gewaltsamen Marsmitteln herbeiführen. Wir sehen daher immer wieder kollektive Bewegungen, die plötzlich alle auseinanderstrebenden Bewegungen »unter einen Hut« bringen wollen, wobei die Liebe nichts gewinnt. Diese will gar nichts »unter einen Hut« bringen, sondern kann sich freuen an der Mannigfaltigkeit, die das »principium individuationis« des Mars in den sonst formlosen, saturnischen Stoff bringt, denn wo viel Trennung ist, ist viel Liebe möglich. Haben sich aber bei uns einmal ein paar Menschen über etwas geeinigt, so ist das erste, was sie tun, daß sie »Front« machen müssen gegen andere Gruppen. Gutgläubig meinen sie, um überhaupt etwas zu »erreichen«, müsse es ihr wenn auch praktisch unerreichbares Ideal sein, die ganze Welt zu sich zu bekehren. Damit aber zieht jede Vereinigung den Fluch der Vernichtung auf sich. Sehr bald finden sich schon innerhalb der Gruppe selbst »unzuverlässige Elemente«, die nicht den »rechten Geist« haben; statt der Pflege des bezwickten idealen Gutes zu dienen, erschöpft sich das Zusammensein in prinzipiellen Streitfragen; Sezessionen entstehen, welche sich mit der Muttergruppe heftiger befehden, als mit den ursprünglichen Feinden. Optimisten nennen das dann ein frisch-fröhliches, Erstarrung vermeidendes Leben, ohne darin die völlige Unfruchtbarkeit einer richtungsblinden Masse zu sehen. In der Tat: Erstarrung ist nicht die Gefahr des Mars (im Gegensatz zu Saturn), dagegen wird Mars, der den Anschluß an Venus versäumt, steril. Seine Wirkung vollzieht sich, wenn er allein bleibt, in sinnlosen Wirbeln, die Leben Vortäuschen, in Wirklichkeit nur leere Bewegung sich gegenseitig vernichtender Tendenzen sind.
Beherrschte Jupiter das vegetative Leben des Pflanzenreichs, so Mars das Tierreich. Er ist der Herr des Animalischen, der Begierden und Leidenschaften, der Zeugung, der physiologischen Seite des Geschlechtslebens, vor allem seines angreifenden, überwinden wollenden Charakters. Die Krankheiten, die er verursacht, sind stets an ihren hohen Fiebergraden zu erkennen. Er gibt den von ihm Beherrschten eine gute Muskulatur, ein lebhaftes, übereiltes Temperament. In günstigen Konstellationen macht er gute Ärzte, Feldherrn, auch Redner und Advokaten, in schlechten: Soldaten, Metzger, Räuber, Diebe, Scharfrichter. Er beherrscht alles, was mit der Verarbeitung der Metalle zu tun hat, Gießereien, Schmieden (gemeinsam mit Saturn), Waffenfabriken, alle Berufe, die mit Feuer und scharfen Instrumenten arbeiten, Ingenieure, Chirurgen, Zahnärzte usw. Er verursacht Feindschaft, Streit, Duelle, Militarismus, Sieg und Niederlage, Verschwendung, Zerstörung, Brandlegung, gewaltsamen Tod, Ehebruch, Notzucht, Laster, Rachsucht, Schmähsucht, Zynismus, Frivolität, Verspottung der Religion, Wunden durch scharfe Gegenstände, Feuer und giftige Bisse, heftige Schmerzen. Ist seine stets Trennung betonende Kraft irgendwie gebunden, so verwandelt sie sich in höchsten Segen und gibt dem aspektierenden Planeten besondere Kraft (bei guter Aspektierung im guten Sinne). Mit Jupiter macht er Pioniere der Kultur, gibt er große Generosität, Edelmut, Ritterlichkeit (schlecht bestrahlt: Unbotmäßigkeit, Gesetzesverachtung, Verschwendung), mit Venus unwiderstehliche Männlichkeit (bzw. Ausschweifung), mit Merkur höchste Verstandeskraft, Witz, Schlagfertigkeit, Treffsicherheit (bzw. Sophistik, vernichtende Satire, Unwahrhaftigkeit, Taktlosigkeit, Verleumdung, alle Zuge des nie um Mittel und Argumente verlegenen Pamphletisten), mit der Sonne äußerste Steigerung der Lebenskraft und des Mutes, auch bei schlechter Aspektierung; ebenso wirkt gute Aspektierung mit dem Mond; schlechte gibt ein äußerst rohes Gefühlsleben, oft Feigheit und Neid. Mars und Saturn in Aspekt machen höchst entschlossene, vor nichts zurückschreckende, Naturen. Auch bei guter Aspektierung wird man die Fehler beider Planeten spüren. Dasselbe gilt von Aspekten mit Uranus und Neptun. Mars schlecht mit Uranus ist der zerstörerischste Aspekt, den es gibt, Mars schlecht mit Neptun der verworrenste. Mars, die Energie alles Lebens, die Unabhängigkeit an sich, ohne wesentliche Beeinflussung durch andere Planeten, macht unfruchtbar, beschränkt, ja, dumm, dabei äußerst zäh und rechthaberisch, derb, aufsässig, materiell, brutal, gewaltsam, oberflächlich. Diese niedrigsten Marstypen findet man vorzugsweise in den unteren Chargen beim Militär. Sie verachten z. B. die Generalstäbler, deren Mars mit Merkur und Jupiter gute Beziehungen unterhält, weil sie nicht im Feuer sind. Der reine Marstyp glaubt an nichts als an die rohe Kraft und sieht nicht, daß er nichts wäre, als Zerstörung, ohne diejenigen, die ihm die Richtung geben. Die richtungslose Kraft rennt gern blind in den Untergang, und diese rein instinktive Bewegung gilt leicht als Tapferkeit. Umgekehrt wäre alle Richtung nichts, als ein in die Luft gezeichneter Strich ohne die den saturnischen Stoff in Bewegung setzende Marskraft; noch niemals gab es auf dieser Erde ein starkes Werk oder eine wirksame Tat, ohne daß sein Urheber einen starken Mars gehabt hätte. Erkenntnis, Verstand, Gefühl, Empfindung verwirklichen sich nicht ohne die Individuation durch Mars. Mars gilt für den Planeten Deutschlands. Das erklärt dessen unverwüstliche Kraft, aber auch seinen oft richtungslosen, selbstzerstörerischen Individualismus, den die Welt nicht ertragen will.
Äußerlich gibt Mars eine kräftige Gestalt, eine kurze Adlernase mit weiten Naslöchern, vorstehende, hochsitzende, stark gerötete dicke Ohren. Der Mund ist groß, die obere Lippe dünner als die untere, meist sind die Lippen geschlossen und etwas rauh mit vielen gekreuzten Linien. Großes knochiges Kinn, hohe Backenknochen, hohle Wangen kennzeichnen die Marsphysiognomie.
Das Zeichen Widder eröffnet als erstes den Tierkreis, denn von der Schöpfung aus gesehen gilt das Wort: »Im Anfang war die Kraft.« Der Mars ist »Herr« vom Widder. In seiner feurigen Beweglichkeit entspricht es ihm am meisten. Hier tritt daher Mars am unverfälschtesten hervor, als naiver, den Stoff angreifender Wille. Hier ist Mars ganz und gar unproblematisch. Widdertypen, mögen sie infolge sonstiger Konstellationen hohe oder geringe Ziele haben, sind die Menschen, denen ihr Wille niemals fraglich wird. Kühnheit, Entschlossenheit, Schnelligkeit, Fähigkeit zu führen, andere anzuspornen, neu zu beginnen, zu befehlen und Gehorsam zu finden, Unbefangenheit, naive Leidenschaft, Optimismus, Ehrgeiz, Jähzorn, Tapferkeit, Ritterlichkeit, Idealismus, Wahrheitsliebe, Ungenauigkeit in Einzelheiten, Streitsucht, Neigung zum Übertreiben, Übereiltheit, mit dem Kopf durch die Wand wollen, blindes Draufgängertum, Roheit, Aggressivität ohne Bosheit, die aber infolge ihrer derben Sorg- und Rücksichtslosigkeit viel Böses anrichten kann, schlechte Menschenkenntnis, Begeisterungsfähigkeit, welche die Dinge gern sieht, wie man sie haben möchte, Unvorsichtigkeit und Indiskretion, alle diese guten und schlechten Eigenschaften ergeben das wohlbekannte Bild des Willensmenschen, der, nicht von des Gedankens Blässe angekränkelt, stets seinen Weg macht, und wenn er gestrauchelt ist, unverwüstlich immer wieder aufsteht. Auf dem Gebiet der Erkenntnis hingegen, auch praktischer, ist er nicht vorgeschritten, falls nicht andere Planeten seine Pionierkraft lenken. Er ist ausgesprochen unwissend, Führer etwa eines Regiments, aber nicht Schlachtenlenker, allenfalls guter Taktiker, niemals Strateg. Da er sich über nichts den Kopf zerbricht, kann er ebensowohl zäh an der konventionellsten Auffassung von Gut und Böse, Recht und Unrecht festhalten wie voraussetzungslos alle Tradition verachten, als beginne mit ihm erst die Welt. Verständnis und Liebe für das Andersartige besitzt er nicht, aber dafür kann man ihn »behandeln«, ohne daß er es merkt; dann geht er in die gewünschte Richtung, die er für die seine hält. Das kommt daher, daß es ihm auf Richtung im Grund überhaupt nicht ankommt, so wie der Ritter des Mittelalters ohne Bedenken das Lager wechselt, wenn er nur dreinschlagen darf. Nur um Auswirkung der Kraft ist es ihm zu tun, die er gar nicht von ihrer Richtung unterscheidet. Eben darum ist er, ohne es zu ahnen, von anderen mit einem vielleicht weniger starken, aber bewußt geleiteten Willen unschwer in eine bestimmte Richtung zu bringen, dagegen verachtet er alle die, welche vermeinen, Wille und Tat durch Intellekt und Wort ersetzen zu können. Am besten für ihn ist es, wenn er seine Richtung in einer ererbten Überlieferung vorfindet, als Ritter, als Offizier. Der kleine Adel bringt diesen Typus sehr häufig hervor. Den vorgefundenen Ehrenkodex nimmt er dann als durchaus selbstverständlich hin, als gäbe es nichts anderes, und als seien Andersartige mißratene Exemplare der Menschlichkeit, auf die es nicht ankomme, die man verachten und zum Gegenstand roher Spaße machen dürfe, aber ohne ihnen allzu ernstlich zu schaden, denn schlecht und eigentlich grausam ist dieser Typus nicht, dazu ist er zu primitiv. Auf dem Gebiet des Humors kennt er nur den Schabernack. Die Leiter jener nicht böse gemeinten und doch für feinere Naturen bisweilen fürchterlichen Mißhandlungen neu ankommender Kameraden, wie sie bei Seeleuten, in Kadettenschulen, ja, eigentlich überall vorkommen, wo viel junges Mannsvolk beisammen ist, sind meist Widdertypen. Daß diese Bräuche sich allmählich doch mildern, beklagen sie als trauriges Verfallszeichen. Ohne eine gegebene Richtung wirkt dieser Typus geradezu zerstörerisch. Wehe dem Staat, an dessen Spitze er gerät, statt von dem Staatsmann niedergehalten zu werden, der ihn in Kriegszeiten nach Bedarf loszulassen hat.
Äußerlich sind die Widdertypen groß und sehnig, sie haben eine gerötete trockene Haut, starke Nase, stechende Augen. Das Haar ist tief in die Stirn gewachsen, meist rötlich, üppig nur im Schnurrbart, auf dessen Stattlichkeit sie oft stolz sind. Auffallend ist ihre Unempfindlichkeit gegen Kälte.
Im Gegensatz zu Saturn, der, in den Stoff gefesselt, durch das Bewußtwerden seiner Idee aus dem Erdzeichen Steinbock in das Luftzeichen Wassermann aufsteigt, löst sich die Kraft des Mars aus dem Sonnenfeuer, erreicht im Widder ihr ungebundenes, richtungsloses Dasein und muß in den Stoff hinab, um ihm das Prinzip der Individuation aufzuprägen, damit er sich in Einzelgeschöpfen gestalte. Der Skorpion ist das andere Zeichen des Mars, ein festes Wasserzeichen, in dem wir ihn in die Tiefe des Stoffes hinabgetaucht sehen. Es ist das Zeichen seiner Extreme, des Guten und Bösen. In der antiken Astrologie heißt dieses Zeichen anfänglich nicht Skorpion, sondern Adler. Wie erklärt sich dieser äußerste Gegensatz zwischen dem Kriechtier mit dem giftigen Stachel – statt dem Skorpion wird auch oft die Schlange als Symbol gewählt – und dem königlichen Flieger in demselben Himmelszeichen? Hier packt zunächst die sich aus der Ganzheit des Kosmos aufs schärfste unterscheidende Ichheit in all ihrer eigensüchtigen, unwissenden Unbeherrschtheit die Materie mit ihrem grenzenlosen Egoismus an; eben dadurch offenbart sie die rasende Gewalt des individuellen Willens, der, solange er sich nicht in seiner Gänze erkennt, nämlich nicht nur in einem Individuum, sondern als derselbe in allen Individuen allgegenwärtig, den Krieg aller gegen alle entfesselt und durch Zerstörung seiner eigenen Geschöpfe Auflösung und Zerstörung jeder Gemeinschaft bewirkt. Die Ichheit, die sich nur in dem eigenen Ich erkennt und nicht auch zugleich negativ im Nicht-Ich, in allen anderen Ichen, ist dem Fluch allen sich aus der kosmischen Gesetzlichkeit (Jupiter) loslösenden materiellen Lebens geweiht: der Vergänglichkeit. Sie sät Haß und muß Tod ernten. Der Skorpion ist das VIII. Zeichen im Tierkreis und entspricht dem VIII. irdischen Feld, dem Ort des Todes. Aber hier steht auch, bewacht von der »Schlange«, der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. »Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben«, hat der alte Gott gesagt, der den Menschen das Paradies als Aufenthalt bestimmt hatte. Die Menschen aßen dennoch und beluden sich mit dem Fluch der Erbsünde, der Ichsucht, die sie des göttlichen Geschenks ihres paradiesischen Daseins verlustig gehen ließ. Aber die Schlange hat gesagt: »Ihr werdet mitnichten des Todes sterben, sondern Gott weiß, daß, welchen Tages ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.« Der Mensch hat also die Frucht gekostet, sich dadurch tief in den Stoff verstrickt, den Abgrund der Verbrechen und Laster durchwatet. Wo aber bleibt die Erkenntnis, die Hin zum Gott macht und die ihm die »Schlange« versprochen hat? Warum ist er kein Gott? Weil er sich durch seine eigenmächtige Individuation ausgesondert hat aus der göttlichen Substanz. Aber wer hat sich denn ausgesondert? Etwa dieses menschliche Individuum? Mitnichten; denn dieses ist ja erst die Folge jener Aussonderung. »Ich« war also schon vor dieser vermenschten Ichheit da. Diese ewige Ichheit erscheint uns zerspalten in unzählige Individuen. Ihrem Wesen nach ist sie die Selbstheit aller Kreatur, die Selbstheit des Schöpfers, die nicht bewußt hätte werden können ohne die Verrichtung im Geschöpf. So ist die Marskraft im Widder ganz unwissend dessen, was sie da eigentlich individuiert, und schwelgt in ihrer Entfaltung an sich. Vor dem Auge des im Skorpion Geborenen aber türmen sich die Leichen dieser sich selber gegenseitig zerstörenden Individuen so hoch und stinken Laster und Verwesung derart gen Himmel, daß hier in der verworfensten Tiefe des Abgrunds, gerade hier und nur hier, plötzlich das große Geheimnis offenbar werden kann, das die Menschen zu Göttern macht, daß nämlich jeder, der Ich sagt, ein Sprachrohr ist des göttlichen Selbst. Diese Erkenntnis hebt die Trennung des Sünders von der göttlichen Einheit der Welt mit einem Blick auf.
»Allah braucht nicht mehr zu schaffen,
Wir erschaffen seine Welt.«
(Goethe.)
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, denn er ist dasselbe. Hassen wir in ihm nicht das am meisten,, was wir in uns selbst am heftigsten bekämpfen? So lieben wir in anderen auch am meisten das, was in uns selber am verborgensten ist. Nun weiß das Ich, was gut und böse ist. Böse ist das Vergessen des großen einen Selbsts in der Begrenzung des kleinen unterschiedenen Ichs. Gut wird alles, wenn es aus der göttlichen Mitte der Welt kommt. Dies ist die Erkenntnis, die den niedrigen Skorpion plötzlich in den alle Menschlichkeit überfliegenden Adler zu verwandeln vermag, der zu dem Throne Jupiters strebt, um an dessen Stufen zu ruhen.
»Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die selige Schar
Mit herzlichem Willkommen.«
Diese Worte stammen von einem Dichter, der den Skorpion im Aszendenten hatte (vgl. das Horoskop Goethes), und der ein Kenner der Höhen und Tiefen war. Nun erklärt sich, wieso der Skorpion häufig als das allerböseste Zeichen gilt, unter dem die meisten Verbrecher vorkommen, und zugleich das mystische Zeichen derer ist, die zu höchsten Aufgaben berufen sind. Alle Gegensätze sind hier vereint: er ist marsisch, aber doch fest. Wenn Skorpion in einem Horoskop besondere Bedeutung hat, steht immer eine große Aufgabe und eine harte Prüfung bevor. Am Boden kriechen, mit dem giftigen Stachel zerstören – gen Himmel fliegen zu den Stufen des Zeus: keinem Skorpiontypus dürfte die erste dieser zwei Möglichkeiten fremd sein – Goethe fühlte die Fähigkeit zu jedem Verbrechen in sich –, die zweite Möglichkeit sehen nicht wenige; sie aber entschlossen ergreifen, das gelingt nur einer kleinen Zahl, und sie werden nicht verstanden. »Siehe, Adam ist geworden wie unser einer; und weiß, was gut und böse ist.
Der Skorpion ist auch äußerlich das Zeichen der Wandlung. Keine Konstitution ist zäher als die skorpionische, erneuert sich leichter und steht wie verjüngt von Krankheiten auf, die als Reinigungsprozesse erscheinen. Skorpiontypen sind entweder sehr unsauber oder sehr reinlich. Sie schätzen das Bad und besonders das Schwitzbad. Ihre Fähigkeit zur Transpiration ist oft erstaunlich. Immer wieder werfen sie die Schlacke ihrer Unreinigkeiten ab und fühlen sich wie neu geboren. In der Jugend wirken sie oft alt, im Alter jung. Das eigentliche Jünglinghafte, aber auch das Knabenhafte, Kindische liegt ihnen nicht. Sie interessieren sich außerordentlich für die Materie, ob sie ihr durch Begierden unterliegen oder ob sie ihre Herren werden. Erkenntnis als solche, wie sie der höhere Merkurtypus sucht, ist ihnen wesenlos. Ihre Erkenntnis will Macht über den Stoff. Darum wollen sie auch nur das wissen, was sie brauchen. Sie sind Scheidekünstler, Alchymisten, Magier, die den Stein der Weisen und die Universalmedizin suchen, bald auf materiellem Wege als Naturforscher und Ärzte, bald als Philosophen. Ich habe mir bisher Nietzsches Horoskop nicht verschaffen können, aber ich will wetten, daß bei diesem größten geistigen Scheidekünstler, der das Buch »Jenseits von Gut und Böse« schrieb, der Skorpion und sein Herr, Mars, keine geringe Rolle spielen. Auch im Körper beherrscht der Skorpion die Scheidung der Nahrung in Lebensstoff und Abfall, sowie die Pforten, durch die dieser ausgestoßen wird; ferner die physiologische Seite des Geschlechtslebens, das die Pole des Stoffes in ihrer Begierden erweckenden Trennung zeigt. Der Skorpion trennt und mischt. So stehen Chemiker und Apotheker unter ihm, bei sehr gefährlicher Konstellation, auch Giftmischer. Immer stellt er den Gegensatz dar: Degeneration und Regeneration. Er ist Kain, und er ist Judas. Er ist das Ärgernis, doch Christus sagt: »Es muß ja Ärgernis kommen, aber wehe dem Menschen, durch den Ärgernis kommt.« Zugleich soll er die Zirbeldrüse beherrschen, dieses geheimnisvolle Organ, dem das dritte Auge entspricht, das die Buddhas und Bodisatwas auf der Stirn tragen und mit dem sie das Rätsel der Welt durchschauen. Skorpion ist das Zeichen der Mystiker magischer Richtung, deren Ziel nicht bloß Versenkung in die göttliche Substanz ist, sondern deren Ausstrahlung in den Stoff. Diese Magie kann schwarz oder weiß sein. Im Gegensatz zu dem andern mystischen Zeichen Fische, bei dem soviel Sinnestäuschung mit unterläuft, gibt es hier keinen Selbstbetrug. Betrügt der Skorpiontypus, dann niemals sich selbst. Er ist im gemeinen weltlichen wie im höchsten erkennerischen Sinne der Durchschauer aller Täuschung. Oft beginnt sein Erkenntnisdrang mit sinnlicher Neugier, die unreiner Seele den Stoff betastet und schmeckt. Niederste Sinnlichkeit und asketischste Selbstbeherrschung, das Wühlen im Untermenschlichen und die Erhebung zum Übermenschen, zynische Würdelosigkeit und unerschütterlichstes Selbstbewußtsein, roher Materialismus und erhabenste Mystik, alle diese Gegensätze sind skorpionisch, und zwar treten sie immer mit größter Entschiedenheit auf. Die Frömmigkeit des Skorpiontypus wird, wenn nicht anderweitig gedämpft, stets dazu neigen, zum Äußersten zu gehen: Fanatiker und Märtyrer gehören hierher, die für Alles – oder Nichts den Scheiterhaufen besteigen. Auch wo sie sich opfern, geschieht es noch im Sinne einer Trennung, einer Unterscheidung. Wird aber der Skorpiontypus Atheist und Feind der Religion, so ist er es ebenfalls mit der Inbrunst eines religiösen Fanatikers.
Der Skorpiontypus hat alle Marseigentümlichkeiten des Temperaments, die wir bereits genannt haben in mehr konzentrierter, als expansiver Art. Auch er ist mutig, entschlossen, aggressiv, eifer-, streit- und rachsüchtig, zynisch, roh, sarkastisch, aber viel zurückhaltender und vor allem ohne die Naivität des Widdertypus. Er ist im Gegensatz zu jenem wirklich haßfähig, lieblos und oft ausgesprochen böse. Fast immer hat er etwas Geheimnisvolles. Geistig ist er auch auf niederer Stufe stets sehr scharf unterscheidend. Er prüft die Worte auf ihren ursprünglichen Sinn und entzaubert daher oft mit einem Schlag Irrtümer, Mißverständnisse, Zweideutigkeiten, ist aber, wenn er will, selber ein Meister der Zweideutigkeit. Sein Geist ist paradox, aphoristisch (Nietzsche). Er ist viel ausdauernder als der Widder, der der Hindernisse nur da Herr wird, wo er sie im Sturm überrennen kann. Sein Führertum ist weniger sichtbar, als das des Widdertypus, oft zieht er es vor, im Hintergrund die Drähte zu lenken. Sein Mut ist mehr der passive der selbstbewußten Kraft, als der aktive der sich stets ausstürmenden Leidenschaft. Er ist ganz unfähig, Zwang zu ertragen, und läßt sich auch nicht leicht wie der Widder in eine nicht selbst erkannte Richtung einspannen. Er hat nicht den blinden Mut des Draufgängers, sondern den sehenden dessen, der die Gefahr kennt, aber sich zutraut, sie zu überwinden.
Was das Äußere betrifft, so gehört Skorpion zu den häßlichen Zeichen, doch ist er, wenn einiges Günstige sich mit seinem Einfluß mischt, oft die Ursache dieser so mächtigen »beauté de diable«. Frauen unter Skorpion gehören oft dem Typus »belle laide« an. Der Körperbau ist meist kräftig, mittelgroß, untersetzt und breitknochig, die Beine sind oft zu kurz oder mißgestaltet. Häufig ist ein Muttermal im Gesicht zu finden. Das Haar ist dunkel und sehr stark, das Gesicht hat wenig Farbe; Kinn und Kiefer sind knochig, eckig und breit. Skorpion gibt die stärksten, meist gelbliche Zähne. Der festgeschlossene Mund drückt selbstbewußte Zurückhaltung aus.
In dem beweglichen Erd- und Saturnzeichen Steinbock ist Mars erhöht. Hier gibt ihm Saturn Festigkeit und teilt ihm die Bewegung nach oben mit. In diesem Zeichen zeigt Mars vielleicht am wenigsten von seinen schlechten Seiten. Dagegen sind ihm sonst die Erdzeichen ungünstig. Im Stier ist er vernichtet, völlig in der harten Materie verstrickt und mit Zähigkeit ihren mühevollen Zwecken in geistloser Arbeit zugekehrt. Im Zeichen Jungfrau erweckt er alle die egoistischen Instinkte dieses Zeichens und gibt ihnen ungeheure Kraft. Auch die Wasserzeichen (außer dem Skorpion) taugen ihm nicht. Im Krebs ist er in seinem Fall. Hier wie in den Fischen bestärkt er die schlechten Anlagen: Das Schwankende wird durch ihn zur positiven Charakterlosigkeit. In Wasserzeichen macht Mars zum Trunk geneigt. In dem Venuszeichen Waage ist er vernichtet wie im Stier. Hier verliert er sehr an Kraft und verkehrt die Venuswirkung in ihr Gegenteil. Statt Einigung bringt er Trennung, Familienzwist, Krankheit infolge geschlechtlicher Ausschweifung und Infektion. Mars ist hier zerstörerisch in das Revier der Venus eingedrungen. Dagegen wirkt er sehr belebend und stärkend in den beiden anderen Luftzeichen Wassermann und Zwillinge, deren Zielen er sich unterordnet, ebenso in den Feuerzeichen, die seinem Wesen am verwandtesten sind; freilich verstärkt er auch deren Bedürfnis nach Macht und ihrer Betonung.
Die Individuen, die Mars aus der kosmischen Einheit durch Vervielfältigung des Stoffes scheidet und trennt, treibt Venus, die Liebe, wieder zur Vereinigung. Ihr Ziel ist mitnichten die Aufhebung des Marswerkes, was ja nur ein Rückfall wäre in die ungeschiedene, formlose, unbewußte Stofflichkeit. Vielmehr erkennt sie gerade die Individuation an, ohne welche die von ihr gewünschte höhere, bewußte Einigung nicht möglich wäre. Saturn war die feste, starre Materie mit ihrer Kohäsionskraft, Venus setzt ihre volle Auflockerung voraus. Sie ist nicht Kohäsion, sondern Attraktion, nicht Masse, sondern Gemeinschaft, und darum liebt sie den rauhen trennenden Mars, der ihr Werk vorbereitet. Sie ist das, was man gemeinhin die Seele nennt, das sanfte Band, das die Individuen lustvoll, niemals mit Zwang vereint.
»Das artige Wesen, das, entzückt,
Sich selbst und andre gern beglückt,
Das möcht' ich Seele nennen.«
(Goethe.)
Vor ihr muß Mars die Waffen strecken, und er, der keinen Zwang erträgt, fügt sich gern ihren Rosenketten, ja, wenn er sich selbst erkennt, ersehnt er diese Niederlage, die sein höchster Sieg ist, erfüllt sie doch erst den Sinn der von ihm gewaltsam geschaffenen Individuation. Venus liebt Maß und Ausgleich.
Sie entwickelte dem Trüben
Ein erklingend Harfenspiel,
Und nun konnte wieder lieben,
Was erst auseinander fiel.«
(Goethe.)
Darum ist die von ihr begünstigte Frau in allen höheren Kulturen die Hüterin der einigenden Sitte. »Willst du genau erfahren, was sich ziemt usw.« »Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte« (Goethe, Tasso.) Dagegen ist ihr das Gesetz etwas Fremdes. Sie macht es nicht, wütet aber auch nicht dagegen. »Les femmes ont leur jurisprudence à elles«, sagt Balzac. Wo das Gesetz herrscht, schmiegt sich Venus ihm ein und sucht es erträglich zu machen. Wo es sich auflöst, unterliegt sie leicht der Roheit entfesselter Marskräfte, – » ... und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts« – und die Frauen mit Marsnatur oder schlechter Venus gewinnen Oberwasser (Mannweiber und Dirnen). Ihre große Empfänglichkeit und Hingebung macht Venus schutzbedürftig. Sie braucht eine gute Umgebung, worin ihre Empfänglichkeit nicht zu sehr in Gefahr kommt, Verderbliches aufzunehmen. Dann ist die Venushafte »die Seele« des Kreises, worin sie lebt, ihr Wirken ist ein Walten, ein zwangloses Verbinden. Sie ist das Ideal der männlichen Männer, deren Fehden ihr Blick zur Ruhe bringt. In ihrer Gegenwart schweigen die Waffen. Sie ist rein in der höchsten Lust, aber niemals asketisch oder prüde. Sie ist idealistisch, aber nicht kämpferisch, fühlend, aber nicht überschwänglich und zerflossen, bescheiden aus Anmut, dankbar, genuß- und glücksfähig, mitleidig, zärtlich, kunst- und musikliebend. Maß zeichnet sie aus in allem, im Gegensatz zu dem Unmaß des Mars, der ihr Gegenpol, aber mitnichten ihr Feind ist. Ihr Segen bringt Glück auf allen Gebieten: Beliebtheit, Wohlwollen, Gewinn, Erfolg, Liebe, Schönheit, Harmonie. Sie beherrscht Gärten, Lustwälder, Wiesen, Blumen, Vergnügungen, Feste, Fröhlichkeit, Schmuck, Zierat, die Künste, Liebesangelegenheiten, die Kultur. Sie macht milde, nachgiebig, freundlich, dankbar, manierlich, geschmack- und taktvoll, versöhnlich und flieht nichts mehr als Streit. Vor allem gewährt sie Grazie und Anmut des Leibes und der Seele. Ihr unterstehen Künstler, besonders Sänger, da ihr von den Organen der Kehlkopf zugeordnet ist, Juweliere, Parfümeure, Coiffeure, Blumengärtner, alle Berufe und Geschäfte, die mit der Verschönerung des Daseins und mit Vergnügungen zu tun haben, bei ungünstigen Mars- und Saturneinflüssen auch Kupplerinnen, Dirnen und Freudenhäuser. Bei schlechter Konstellation, ja, oft schon bei zu geringer Unterstützung durch andere Planeten, wie Jupiter oder Saturn, schlagen ihre Tugenden mehr oder weniger in Fehler, ja, Laster um. Aus ihrer Liebe zu Friede und Gleichgewicht wird die passive Indolenz, die alles gehen läßt, wie es will, zu allem »ja« sagt. Venus ist daher die hohe Schutzpatronin der Schlamperei, und nicht umsonst steht Österreich unter ihrem Zeichen Waage. Bei guter Konstellation ist jedoch das Bedürfnis der Venus nach Nettigkeit und Anmut ein Gegengewicht gegen diese Schwäche. Besitzt sie Ordnung, dann niemals aus moralischen, sondern aus ästhetischen Gründen. Ihre weiteren Fehler sind bei schlechten Aspekten oder in ungünstigen Zeichen zu starke Sinnlichkeit, Eitelkeit, Gedankenlosigkeit, Albernheit, Widerstandslosigkeit gegen Stimmungen, Eifersucht, Vergnügungssucht bis zur Liederlichkeit. Bei schlechter Bestrahlung macht Mars sie ausschweifend, Saturn lasterhaft und niedrig, Mond launenhaft und unsauber, Uranus emanzipiert, Jupiter übertrieben in allem Venushaften, das stets des Maßes bedarf, um Segen zu sein. Schlechte Venusaspekte führen auch leicht zu Tratsch und Skandal.
Von Menschen beherrscht Venus in Horoskopen die Gattin oder die Geliebte. Von Metallen untersteht ihr das Kupfer, das sich wegen seiner Weichheit so sehr zu »Legierungen« eignet.
Äußerlich gibt Venus Anmut und Schönheit, eine mittelgroße harmonische Gestalt mit guten Bewegungen. Auch wo sie etwas zuviel Rundung verleiht, wirkt das nicht plump. Das Gesicht zeichnet sich durch Freundlichkeit und lachende Blicke aus. Die Ohren sind klein, rund, rosa und dicht anliegend. Die leicht geschweifte, sehr rote Oberlippe wurde von den antiken Dichtern oft mit dem Bogen des Kupido verglichen. Grübchen in den Backen verraten fast immer Venuseinfluß. Die Zähne sind klein, regelmäßig und sehr weiß, das Kinn ist fleischig, rund. Unter der Unterlippe findet sich ein starker Einschnitt. Die Kiefer sind wenig markiert, die Wangen sind voll und bleiben es bis ins Alter, ohne zu hängen.
Die Unterscheidung des Plato, Venus Urania und Venus Pandemia, finden wir als himmlische und irdische Liebe im Mittelalter wieder. Beide unterscheiden sich nicht dem Wesen nach, sondern nur nach dem Grad, in dem Venus zum Stoff hinabgestiegen ist, um dort ihre Aufgabe der Einung der von Mars zerteilten Materie zu erfüllen. In der Astrologie entspricht das Taghaus Venus, die Waage, der Urania. Sie ist ein Luftzeichen und verkörpert somit eines der beiden höheren, geistigen Elemente.
Venus erkennt die von Mars geschaffene Individuation an, um sie der allgemeinen Weltharmonie einzufügen, ja, nach diesem Prozeß wird das marsische Individuum erst Individualität. Durch Venus wird seine Trennung von dem Ganzen gerechtfertigt. Die Marskraft ist, wenn auch in zahllose Individuen zersplittert, ihrem Inhalt nach noch gänzlich kollektiv. Venus in der Waage bedeutet also auf gar keinen Fall die blinde Anziehung der Geschlechter, sondern die Liebe, die ein Erkennen des anderen ist. Ihre Sehnsucht nach Einigung ist nicht wahllose Vermischung, sondern höchste Harmonie, die nur möglich ist, wenn jeder Ton etwas ganz Bestimmtes für sich ist. Dadurch wird Venus die wahre Besiegerin des Egoismus, nicht indem marsisch das Ego unterdrückt wird, was nur immer wieder einem anderen, im Augenblick stärkeren, Ego zugute kommt, sondern indem sie jedem Ego seinen Platz anweist, an dem es, sanft gebändigt, in seinen Grenzen bleibt, sich erfüllend, indem es sich vereint. Das Zeichen der Waage beschenkt bei guter Konstellierung mit den edelsten Gaben der Venus: Inspiration, Intuition, Kontemplation, künstlerischer Begabung, Idealismus, Weichheit, Takt, Diskretion, Fähigkeit und Würdigkeit zur Liebe, Barmherzigkeit, Empfänglichkeit, Ausgeglichenheit und jener anmutig-bescheidenen Selbstsicherheit, die ohne Ehrgeiz nur dort stehen will, wo sie hingehört, da aber ganz sie selber ist; Venus zeigt Bereitschaft, eigenes Unrecht einzusehen, denn Harmonie ist ihr mehr als um jeden Preis recht behalten. Sie gibt Unparteilichkeit und Gerechtigkeit, deren besonderes Symbol ja die Waage ist, Gleichgewicht, das aber durch ungünstige Einflüsse sehr leicht gestört wird. Dann erscheinen die Waagetypen oft hilflos gegenüber der zu heftig auf sie einstürmenden Welt. Erwerbsfähigkeit und praktische Tüchtigkeit, sowie die Fähigkeit, sich selbst zur Geltung zu bringen, ist nicht ihre Sache. Sie verlangen die kongeniale Umgebung, die sie anmutig, ja, reich und glänzend wünschen. Zu grober und sehr mühsamer Arbeit sind sie nicht fähig. Sie sind nicht anpassungsfähig. In ungeeigneten Verhältnissen gehen sie ein wie edle Tiere. Wo sie aber verstanden, geschätzt und vor allem geliebt werden, da wirken sie Wunder im Überbrücken der Gegensätze. Im Kosmos wie im kleinen menschlichen Kreis begünstigt die Waage die coincidentia oppositorum. Ihr ganzes Wesen ist mehr sanfter Antrieb, Aspiration, als Vollendung in eigener Tat. So sehen sie immer mehr das Mögliche, als das derzeitige Hier, über das sie im günstigen Fall hinwegschweben, wobei sie noch diejenigen tragen, auf die sie Einfluß haben, während sie im ungünstigen Fall an der Wirklichkeit leicht zerschellen. Stets sind sie hilfreich, aber ihre Hilfe ist nicht planmäßig und daher oft praktisch bedeutungslos. Am meisten geben sie dem, welcher nichts anderes von ihnen erwartet als die Ausstrahlung ihres beglückenden, blumenhaften Wesens. Bei ungünstigen Bestrahlungen sind ihre Fehler Ungeduld, Unbesorgtheit bis zum Leichtsinn, Empfindlichkeit, Unbeständigkeit, Vergnügungssucht, Oberflächlichkeit, Beeinflußbarkeit. Ihr eigenstes Bereich ist Ehe, Familie und Geselligkeit verfeinerter Stufe. Die von Venus vernachlässigten Naturen halten deren Gaben gern für Beigaben, oft nicht eigentlich real, mehr für Spiegelungen der Phantasie. Nun ist aber die Schönheit eines im Abendfrieden daliegenden Dorfes nicht minder wirklich, als die Tatsache, daß in den Häusern vielleicht Schmutz (Neptun) und Bosheit (Mars) herrschen,. Auch »wenn man die Bauern kennt«, bleibt diese Schönheit, die nichts mit eingebildeter Romantik zu tun hat. Ja, sie erhält durch ihren Gegensatz noch Relief, denn Schönheit ist nicht Monotonie, sondern Harmonie, und die setzt Dissonanz voraus. Die Schönheit gräbt Lettern in den Stoff, die man erst dann ganz rein zu lesen vermag, wenn man von allem, was der Stoff sonst noch erzählt, zu abstrahieren vermag. Das ist das uninteressierte Anschauen der Schopenhauerschen Ästhetik, durch das man auf eine von Jupiter, Saturn und Mars verschiedene, nämlich venushafte Art den Weltsinn erfahren kann.
Auch Venus muß, um ihre Aufgabe zu erfüllen, den Stoff durchdringen, und so ist es nicht erstaunlich, daß, wie Jupiter und Mars, auch sie ein Zeichen in den niederen Elementen beherrscht. Es ist das feste Erdzeichen Stier. Hier ist sie tief eingedrungen in die rudis indigestaque moles des saturnischen Stoffes, dem sie Schönheit verleiht, wodurch er liebenswert wird. Was Venus im Stier bedeutet, hat der persische Dichter Hafis in einem sehr anmutigen Gedicht dargestellt (Übersetzung von Daumer):
Es ist ein Stern vom erhabenen Himmel gefallen,
herab ins irdische, tolle Getümmel gefallen.
Da sah er umher die Kräuter und Blumen der Wiese;
ihm hat das lustige, bunte Gewimmel gefallen.
Er sah, wie ein Roß leicht über die Heide dahinflog,
ihm hat der herrliche, fliegende Schimmel gefallen.
Er hörte die Glöckchen am Halse der Herden läuten;
ihm hat das klingende, kleine Gebimmel gefallen.
Nicht wieder empor zum erhabenen Himmel verlangt er;
er blieb, was er war, blieb gerne vom Himmel gefallen.
Venus erweckt im Stoff im Gegensatz zum aktiven Willen des Mars den passiven Willen: den Wunsch. Sie teilt dem Stoff ihre Empfänglichkeit mit und gibt ihm zugleich Anziehungskraft, ja, die Kraft, zu bezaubern, zu verführen. So wird sie im Zeichen Stier zur irdischen Liebe, die nicht mehr bloß die ideale Verbinderin des Gegensätzlichen ist, sondern, in die Materie versprengt, aus der Not der Vereinzelung für sich selbst die Bindung erstrebt und dabei auch egoistisch sein kann bis zur Tyrannei. Dann wird sie Abgrund, der alles in sich einschlingen will, dem Geist und Weisheit nichts gelten, die oft ganz ihrer dämonischen Versuchung unterliegen. Sie ist die natura naturata des Spinoza, die »heidnische Natur«, welche die Kirchenväter und christlichen Heiligen so sehr fürchteten, daß sie, die zugleich in der Mutter Gottes die himmlische Liebe anbeteten, aus dem irdischen Weib das unreine Gefäß der Sünde machten. Freilich: ohne das Uebermaß von Schönheit, das Venus über ihn ergießt, wäre der saturnische Stoff plump, das Fleisch reizlose Masse, die keinem weisen Menschen zu verführen vermöchte, der je in den Reichen des Jupiter empfangen worden ist. Die Beobachtung des ersten Christen hat Schopenhauer unterstrichen mit der Behauptung, die Natur habe das Weib während einiger Jugendjahre darum mit soviel berauschender Anmut ausgestattet, weil ein vernünftiger Mann bei klaren Sinnen sich kaum entschließen würde, sich an sie zu binden und die Zwecke der Natur zu erfüllen. Das ist nicht unrichtig gesehen, aber die Schlußfolgerung ist falsch. Eben der Segen, den Venus über die Materie streut, beweist, daß diese nicht verneint werden soll. Das Göttliche selbst ist es, das in den Stoff hinein will, freilich nicht um sich darin zu verlieren, sondern um bewußt zu werden, und wenn auch dem im Abgrund der Materie Versinkenden zum Zwecke der Selbstbesinnung eine zeitweilige Askese nur empfohlen werden kann, so wie der Arzt einen kranken Magen zum Zwecke der Gesundung zeitweise auf Hungerdiät setzt, so wird der, welcher den göttlichen Gegensinn des Stoffes im Inneren erfahren hat, ohne Angst des Versinkens, ungestraft, ja reich belohnt die Fahrt in den Schacht wagen dürfen, und je tiefer ihn Venus Pandemia in das Geheimnis des Stoffes eingeweiht hat, desto höher vermag er nach dem Gesetz der Pendelschwingung ihrer Schwester, Venus Urania, in die Höhe zu folgen. Im Grunde sind sie ja eins: die Schönheit, die alles verbindet, also auch Geist und Stoff. Wer sie fürchtet und nur in reinem Geist verweilen möchte, fehlt nicht minder, als der, welcher blind in den Stoff hinabstürzt. Trennung und Einigung sind zusammen der Sinn dieser Welt, und nur der nimmt die göttliche Mitte ein, der erkennend beide Funktionen erfüllt. Askese ist genau so »sündhaft« wie Unzucht, sie ist die negative Unzucht des Geistes. Demgegenüber gibt es heute eine Richtung, die alle Liederlichkeit rechtfertigen möchte, indem sie kurzerhand den Stoff heilig spricht, womit sie wähnt, den Spuren der heidnischen Götter zu folgen. Diese Mischung ordinärer Triebe und hilflosen Denkens duftet den Göttern nicht lieblich. Der Stoff ist nicht heilig. Gott schuf ihn, indem er ihn von sich als Saturn abspaltete, damit das Unheilige sei, und wer ihm blind verfällt, den verglichen schon die Alten mit dem selben grunzenden Tier, wie wir. Aber nun hat die Gottheit die Weisheit des Jupiter und die Schönheit der Venus in den unheiligen Stoff hinabgesandt, auf daß er geheiligt werde durch Gesetz und Liebe. Damit solche Heiligung möglich sei, ist das Unheilige Voraussetzung. Erst wer dies erkannt hat, vermag ungestraft den Weg der Venus gleich dem weisen Hafis zu wandeln. Nur von hier aus, nicht für den Instinkt freigelassener Knechte, ist alles rein. Nacktheit kann schön sein, Nacktkultus ist Exhibitionismus, der sich selber als unanständig empfindet, aber gerade darüber so außer sich ist vor Freude, daß man jetzt plötzlich unanständig sein darf. Das ist gerade das Gegenteil dessen, was Venus will, nämlich die Heiligung des Stoffes, es ist vielmehr der durch Mars in Bewegung gesetzte unheilige Stoff, aber durch einen bereits degenerierten Mars, der sich mit Schauen und Betasten begnügt und dadurch keine Katastrophen mehr zu befürchten hat. Er besitzt nur gerade noch so viel Kraft, um den Kitzel, nicht die Gewalt der Begierde hervorzubringen. Venus hingegen ist im Geist wie im Stoff und zwischen beiden Einung, sie stellt die Wahlverwandtschaft des Getrennten dar. Ja, ihr dürstender Schoß will alles einschlingen, auch Geist und Wille, aber nicht in ein totes Grab, sondern um alles wieder neu im Stoff zu gebären. So ist Venus im Stier die Venus genitrix der Alten, die nicht unmittelbar vom Himmel Herabgestiegene, sondern durch die Nacht des Meeresgrundes Gegangene, die nun überrieselt von der dämonischen Schönheit des Elementes als Cypria aus dem Wellenschaum hervortaucht, und der Tempel zu Amahunt und Paphos standen. An den Stoff gebunden, gilt sie in ihrer Unerlöstheit als die Gattin des niedrigen, mühseligen, mißgestaltenen, von Arbeit berußten Vulkan, aber sie verachtet ihn, entzieht sich seinen Armen, um dem Geliebten entgegenzueilen. Der kann kein anderer sein, als Mars (im Widder), dessen Rauheit wiederum allein Venus im Stier zu binden vermag: die erlöste Erlöserin. Freilich, unwissend sind beide dessen, was sie tun. Alles, was durch sie geschieht, ist Trieb, wenn nicht Laune, und das ist es, was Begierde und Lust so gefährlich macht, besonders wenn noch Saturn seine Gewichte daran hängt. Darum hat es seinen Grund, warum diese Belebung des Stoffes durch Mars und Venus nicht erst dem Christentum als dämonische Tragödie erschien. Erst des Weisheit des olympischen Jupiter wird sie zum Spiel der Götter, welche der Dämonen Herr geworden sind, sie sanft einordnend in das kosmische Gesetz, aber ohne sie, wie die Menschen tun, durch Sondergesetze zu fesseln.
Das Zeichen Stier bedeutet also die starke, aber aus der Stofflichkeit noch nicht erlöste Venus mit allen Wünschen und Hemmungen des Stoffes; es macht daher vor allem stoffverwandt, also sinnlich, wollüstig, verliebt, geduldig, geeignet zu körperlicher Arbeit, bald schweigsam, bald geschwätzig, bald fleißig, bald träg, phlegmatisch, bequem, behaglich, materialistisch, aber auch, wenn nicht gereizt, gefügig, zäh, standhaft, vorsichtig, sehr reizbar, aber den Zorn lange sich verbeißend, langsam, mürrisch, melancholisch, selbstsüchtig, erwerbend, praktisch, tüchtig, instinktiv, neidisch, zuverlässig, genußsüchtig, beschränkt, ja dumm, bigott, dogmatisch, genau, am Wort und an Einzelheiten klebend, keinen Widerspruch ertragend, eifersüchtig, nachtragend, sehr auf die Gesundheit bedacht und Krankheit übermäßig fürchtend, hypochrondrisch, dabei entschieden produktiv, aufbauend mit viel Sinn für das Gegenwärtige, Wirkliche. Als Künstler bevorzugen die Stiertypen die schwere Materie (Architektur, Skulptur). Sie sind mehr sorgfältige Zeichner als Impressionisten, jeder Theorie und Abstraktion abhold. Wenn sie ein Ziel erreichen, sind sie nicht länger von Ehrgeiz gequält, vielmehr zufrieden, liebefähig, treu, dankbar, schwer erregbar, aber auch schwer zu beruhigen oder sonstwie zu beeinflussen.
Man erkennt hier den gebundensten aller Typen, ist doch der Stier das feste Erdzeichen, und das erklärt es, warum man hier auf den ersten Blick mehr materielle als Venusmerkmale erkennt. Die Venus ist, wie gesagt, hier gänzlich in den Stoff eingesprengt und wartet auf Erlösung. Der Stiertypus ist daher von einem innerlich glimmenden, leidenschaftlichen Feuer erfüllt, das ohne Hilfe von außen nur selten Flammen zu schlagen vermag. Steht in einem Horoskop Venus unverletzt im Stier, so vermag sie mit allen Gütern des stofflichen Lebens Liebe, Genuß, Reichtum, ja, Erfolg zu segnen.
Äußerlich macht der Stier untersetzte Gestalten, mit breiter niedriger Stirn, dickem Hals, starken Schultern, Stiernacken, gutmütigen Augen, wie sie ein in der Wiese träumender, nicht gereizter Stier hat. Die Nase und der Mund sind klein, das Haar ist meist dunkel, die Gestalt etwas plump. Trotz allem gießt Venus über diese Fleischlichkeit ihre Anmut. Besonders unter diesem Zeichen geborene Frauen haben eine etwas derbe, aber sehr gewinnende Hübschheit, freundliche Augen, einen üppigen, anmutig geschweiften Mund, etwas rundliche Formen, Patschhändchen mit Grübchen und oft sehr viel echte Herzlichkeit. Sie sind verliebter Natur, nicht gerade intelligent, bei richtiger Behandlung gefügig, sonst voll Eigensinn, und sehr musikalisch. Das Zeichen Stier beherrscht Hals und Kehlkopf. Es ist erstaunlich, wie viele Bühnensängerinnen unter diesem Zeichen geboren sind, besonders Koloratursängerinnen. Es ist das typische Zeichen der Primadonna mit all ihrer Anmut und den durch die Tradition der Bühne fast geheiligten Fehlern. Sie ist die irdische Venus in Reinkultur, deren Weh und Ach nur aus einem Punkte zu kurieren ist, und das versteht am besten Mars im Skorpion. Der Eigensinn und die zähe Launenhaftigkeit der erdgebundenen Venus will im Grunde nicht siegen, sondern besiegt werden. Nie wird sie das zugeben, aber einer weiß es von selbst, ohne daß man es ihm gesagt hat, so dumm er sonst oft ist: Mars im Skorpion.
In den anderen beiden Erdzeichen ist Venus schlecht. In der Jungfrau (in ihrem Fall) schadet ihr der Egoismus dieses Zeichens, im Steinbock verfällt sie Saturn. Hier ist sie materiell bis zur Liederlichkeit, und die Beweglichkeit dieses Zeichens führt sie weit. Am schlechtesten ist sie wohl in dem festen Wasserzeichen Skorpion. In diesem, dem Stier gegenüberliegenden Haus ist sie vernichtet. Hier ist ihr Feuer ganz und gar gebunden, entweder ist sie überhaupt frigid oder lasterhaft mit Kälte, stets von den schlechten Marseigenschaften verdorben. Auch in dem beweglichen Mond- und Wasserzeichen Krebs ist Venus nicht am Platz. Hier fehlt ihr aller Halt. In dem Wasser- und Jupiterzeichen Fische hingegen vereinigt sie sich mit dem Jupitereinfluß. Hier ist sie erhöht. Ausgezeichnet ist sie in den Zwillingen, wo sie sich mit Merkur verbindet, weniger günstig im Wassermann, dessen saturnisches Wesen selbst auf dieser Stufe (Luftzeichen) sich schwer mit ihr paart. Sie wirkt hier effeminierend. In dem feurigen Marszeichen Widder ist sie vernichtet. Hier wird sie zu hitzig und bei Frauen ausgesprochen roh, während die beiden anderen Feuerzeichen Löwe und Schütze ihre Sonnen- und Jupiterwirkung mit ihrer Sinnlichkeit aufs günstigste verbinden.