Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

II. Mein eigener Weg zur Astrologie (Geburtsastrologie)

Im Jahre 1900 schlenderte ich eines müßigen Nachmittags in Paris an den Seinequais umher. In den auf den Steinbrüstungen aufgestellten Kästen der Buchhändler stöbernd, fand ich das mir seit langer Zeit empfohlene Werk von Desbarolles: »Les mystères de la main.« Ich kaufte es und ließ es zwei Jahre unbeachtet in meiner Bibliothek stehen. 1902 packte ich meine Koffer für eine mehrmonatliche Reise nach dem Süden. Als ich meine Bücherei nach Reiselektüre durchsuchte, fiel mir der Desbarolles in die Hand. Ich fand nun in ihm unterwegs ein gut geschriebenes, psychologisch klares Kompendium der Handlesekunst. Wie weit sie auf Wahrheit beruht, kann nur lange Erfahrung feststellen. Die Gesetzmäßigkeit dieser Kunst indessen ist aus diesem Buch zu lernen. Man unterscheidet 7 psychologische Grundprinzipien, die durch die Erhöhungen unter den 5 Fingern, den Handballen und die 2 ihnen in der unteren Handhälfte gegenüberliegenden, leicht schwellenden Flächen dargestellt werden. Diese Grundprinzipien heißen: Jupiter, Saturn, Sonne, Merkur, Mars, Venus, Mond. Hier ist der Zusammenhang der Chirologie mit der Astrologie, die sich auf dieselben 7 Grundprinzipien aufbaut. Desbarolles gibt nun eine kurze Darstellung der astrologischen Psychologie. Diese fesselte mich bedeutend mehr, als die ganze Handlesekunst. In einem Zypressen- und Pinienhain bei Ospedaletti überfiel sie mich geradezu an einem sonnigen Aprilmorgen und ergriff derart von mir Besitz, daß ich eine Zeitlang wie besessen war. Ich versuchte nun, mich selbst, mir nahestehende Menschen, Gestalten der Geschichte, kurz jede mich interessierende Person als ein anderes Wirkungsverhältnis, sonnen- und mondhafter, merkurischer, jovischer, venus- und marshafter Kräfte zu erfassen, deren Wesensart Desbarolles sehr klar darstellt. Dabei war es ihm ganz gleich, ob diese Kräfte in der Tat von den Gestirnen ausgingen, vielmehr neigte ich dazu, sie mit den antiken Göttern, deren Namen sie trugen, in Verbindung zu bringen, schienen mir doch jene Götter nichts anderes als typische Steigerungen bestimmter menschlicher Wesenheiten. Weder vor- noch nachher im Leben hatte ich bei Studien je wieder in demselben Maß das Gefühl, hier endlich etwas gefunden zu haben, was ich seit langen suchte, nämlich eine gesetzmäßige Individualpsychologie.

Psychologie! Dieses Wort hatte ich mit etwa sechzehn Jahren zum erstenmal gehört. Mein Vater ließ es mich, an meine griechischen Kenntnisse appellierend, als Seelenkunde, Lehre von der Seele, übersetzen. Wie? Das gab es? Ich hatte schon allerlei gelesen. Ich interessierte mich für Literatur, Kunst, Philosophie, Geschichte, Sprachen, soziale Fragen, aber nun merkte ich erst: was ich in alledem suchte, war – Psychologie. Wo konnte man denn die studieren? Das wußte mein Vater nicht. Es war in den achtziger Jahren. Als Student der Rechte kam ich später nach Leipzig und München. Ich hörte Wundt, ich hörte Lipps, aber war deren Lehre die gewünschte Seelenkunde? Ich merkte bald, daß die Psyche dieser Psychologie mit der Seele nicht mehr zu tun hat, als die Physis der Physiologen. Es war zwar nützlich, die psychischen Funktionen unterscheiden zu lernen, besonders Gefühle von Empfindungen, aber all das war kollektiv, betraf die Menschen überhaupt, die mir von Kindheit an stets sehr gleichgültig waren, denn mich interessierte nur der Mensch gerade im Hinblick auf das, worin er sich von den Menschen unterscheidet. »Dann sind Sie hier an der falschen Stelle,« sagten mir einige gescheite Kommilitonen, »was Sie suchen, finden Sie bei den Dichtern. Lesen Sie Balzac und vor allem Dostojewskij.« Dort fand ich es in der Tat, und noch mehr fand ich es im Leben selbst, das ich allmählich mit anderen Augen sehen lernte, aber ich wünschte mir doch noch etwas anderes, etwas, was alle diese Einzelerfahrungen untereinander verbindet. Ist auch jeder einzelne Mensch etwas für sich, was sich keinem System unterordnen läßt, so liegt doch dieses Einmalige, soweit es in Erscheinung tritt, in dem jedesmal anderen Mischungsverhältnis derselben Elemente. Es gab nur einen Goethe, aber das Dichterische ist doch etwas, an dem alle Dichter und unendlich viele Nichtdichter Anteil haben. Mag es selbst etwas Letztes, Unauflösliches sein, es äußert sich in 3 Funktionen, die an sich jedem geläufig sind: Phantasie, Intellekt, Sprache. Wenn Menschen Visionen und Erkenntnisse überhaupt mitteilen, so geschieht es mit denselben Mitteln, deren sich das alltäglichste Leben zu seiner Äußerung bedient. Vielleicht ist jedes Wesen in sich schöpferisch. Ob das Dichterische aber auch zum Ausdruck kommt und wie weit, hängt wohl davon ab, wie stark jene Funktionen entwickelt, d. h. gerade für das Dichterische durchlässig sind. Das aber zu erforschen, wäre Psychologie.

Nun las ich z. B. im Desbarolles, daß das Künstlerische, die verfeinerte Sinnlichkeit, Geschmack und Phantasie unter Venus stehen, Intellekt und Sprache unter Merkur. Sind beide einem Menschen günstig, so ist jedenfalls eine Vorbedingung für literarisch-poetische oder künstlerische Äußerung erfüllt. Da wir uns hier nicht für Handlesekunst interessieren, will ich gleich vorgreifen. Viel später, als Astrologe, erfuhr ich, daß Richard Wagner tatsächlich Venus und Merkur vereint in einem Venuszeichen Den 12 irdischen Feldern entsprechen die 12 Zeichen des Tierkreises. Jedes Zeichen ist von einem Planeten beherrscht. Daher gibt es Venuszeichen, Merkurzeichen usw. Davon später mehr. hat, Ludwig II. von Bayern besitzt dieselbe Konjunktion in einem Merkurzeichen, Richard Strauß hat Merkur in einem Venuszeichen, Venus in einem Merkurzeichen. Man nennt diese Gegenseitigkeit Rezeption. Sie verstärkt die Einflüsse. Gustave Flaubert und George Sand haben beide günstige Aspekte zwischen Merkur und Venus, bei Goethe steht die Venus in einem Merkurzeichen im Haus des Berufs. Literarisch-dichterische Veranlagung kann astrologisch freilich auch durch andere Einflüsse bewirkt und durch Gegeneinflüsse verhindert werden. Damit daraus ein ursprünglicher Dichter wird, ist noch mancherlei anderes nötig, als ein Venus-Merkuraspekt; vor allem muß er in geeignete Häuser wirken.

Noch ein anderes Beispiel: Ich las bei Desbarolles, daß Saturn tiefe Konzentration und finsteren Ernst gibt; Jupiter dagegen ist der Herr der Ordnung, des Gleichmaßes, der Gesetzmäßigkeit, er macht großmütige Herren, gerechte, menschliche Richter; Saturn macht einsame, suchende Denker. Treten sie nun astrologisch in freundliche Beziehung, so geben sie zusammen tiefe, echte Religiosität, wahres Priestertum; bestrahlen sie sich feindlich, so entsteht ein Zwiespalt zwischen Denken und Ordnung, Empörung gegen Gesetz und Religion, oder unehrliche Unterordnung: Heuchelei. Im Horoskop Luthers z. B. befinden sich Jupiter und Saturn in Konjunktion und dazu an der Stelle, die für das höhere Denken und die Religion entscheidend ist, im IX. Felde. In Luther sehen wir nun in ganz besonderem Maße Jupiter- und Saturneigenschaften vereint. Die Konjunktion dieser beiden sehr entgegengesetzt gearteten Planeten ist zunächst kein freundlicher Aspekt. Beide werden ihre Natur stark zum Ausdruck bringen, oft gegeneinander. So erklärt sich bei Luther die Vereinigung des Empörers mit dem Ordnungsmenschen. Sowohl sein starrköpfiger Individualismus wie sein Obrigkeitsbegriff haben saturnische Färbung; aber seine warme Menschlichkeit und Großherzigkeit tragen jovisches Gepräge. Der ernste, saturnische Luther war ein sehr »jovialer« Mann. Wenn Jupiter und Saturn sich ausgesprochen günstig bestrahlen, das heißt in Sextil oder Trigon, dann ist ihre Wirkung einheitlicher, weniger problematisch. Aber hier sei gleich bemerkt, daß es die Problematiker sind, d. h. die Menschen mit nicht durchaus günstigem Horoskop, welche die Welt bewegen. Sogenannte gute Horoskope bringen jene Mittelmäßigkeiten hervor, die mehr Glück haben als Verstand.

Bis in das späte Mittelalter wurde für jede irgendwie bedeutende Person die Nativität gestellt. Die antike Astrologie ist uns in dem Tetrabyblos und den Aphorismen des Ptolemäus überliefert, aber dieser alexandrinische Kompilator chaldäischer und ägyptischer Fragmente ist der lebendigen Astrologie schon so fern, wie ein später Apologet den heiligen Schriften einer Religion. Er ist ein reiner Intellektualist, seine »Rezepte« haben das ganze Mittelalter und die Renaissance beherrscht, die wenig Neues hinzufügten, das sich bewährt hätte. Die Trümmer indischer Astrologie, die durch die Araber nach Europa kamen, haben mehr verwirrt, als geklärt.

Die Hypothese, unsere Periode intellektueller Erkenntnis sei eine solche intuitiv-visionärer Erkenntnis vorausgegangen, der die Urvölker ihr Wissen verdankten, ähnlich der heute wiederum auftauchenden Fähigkeit der Psychometrie, lehne ich nicht ab, will aber, um nicht den Weg exakter Erfahrung zu verlassen, nicht darauf eingehen.

Es sei hier gleich näher erklärt, was unter den »Zeichen« zu verstehen ist. Eine genaue Wesensbeschreibung der 7 Planeten, der Zeichen u. der 12 irdischen Felder bildet den Inhalt des 2. Buchs. Vorläufig begnüge ich mich, von den Bedeutungen immer nur gerade das mitzuteilen, was zum Verständnis erforderlich ist. Vielfach wird angenommen, daß die 12 astronomischen Sterngruppen, die die gleichen Namen wie die Tierkreiszeichen führen, miteinander in Verbindung stehen. Dieser Auffassung muß entgegengetreten werden. Ebenfalls genügt die vielfach vertretene Ansicht, daß der Tierkreis die Bahn von Sonne, Mond und Planeten ist, nicht.

Der Tierkreis war bei allen alten Völkern bekannt. Die Einteilung in 12 Kraftfelder, eben diesen 12 Tierkreiszeichen, ist auch seit der ältesten Zeit überliefert. Erst die neuere Forschung in der Astrologie ist diesem Problem wieder nähergerückt (s. Nachwort).

Jeder Planet beherrscht eins oder zwei dieser Zeichen, d. h.: so wie die 7 astrologischen Planeten (zu denen Sonne und Mond gehören, nicht aber die Erde) 7 verschiedene Lebensprinzipien darstellen, so hat auch jedes der 12 Zeichen einen bestimmten Charakter. Da uns nun der Schein eines Planeten notgedrungen stets aus der Richtung eines solchen Zeichens erreicht, wird sein Charakter des Zeichens modifiziert. In den ihm besonders entsprechenden Zeichen heißt ein Planet entweder Herrscher, oder er gilt dort für erhöht; in den ihm entgegengesetzten Zeichen heißt er vernichtet, oder er ist in seinem Fall. Seine Wirkung ist dann geschwächt, unharmonisch oder verschlechtert. Hierzu nun gleich einige Beispiele: Ein Venuszeichen ist also ein Zeichen, worin Venus herrscht, d. h. besonders günstig wirkt. Steht z. B. Merkur darin, so nimmt Merkur (Intellekt) zu seinem Wesen etwas von der Venus hinzu, d. h. die Geistigkeit wird künstlerisch. Zwar hat auch Hindenburg, dem niemand eine künstlerische Geistigkeit zutrauen wird, eine Venus- Merkurverbindung, sogar in einem Venuszeichen, aber sie steht in dem alle Wirkungen abschwächenden, wenn nicht vernichtenden Haus des Todes und ist sehr schlecht von Mond und Uranus bestrahlt. Dennoch ist auch hier die Wirkung fühlbar. Alle, die ihm genaht, sind erstaunt über den Charme (eine Gabe der Venus), den dieses an sich unschöne Gesicht (eine Gabe des Saturn) ausstrahlt, sobald er zu sprechen beginnt. Des ferneren hat Hindenburg den Mars vernichtet, nämlich im Stier. Nun wird niemand behaupten können, daß ein Mann wie Hindenburg einen schwachen Mars habe. Er hat vielmehr einen ungünstigen Mars. Der Stier ist das materiellste aller Zeichen. Die seelenhafte Venus ist darin an ihrem Platz, hier entfaltet sie ihre sinnliche Fülle, die den Stoff belebt und verschönt. Wenn sich aber der von Haus aus elementare, ungeistige Mars in die Materie festrennt, so entsteht zwar keine Schwächung, aber jene eigenwillige, blinde Kraft, die sehr starker, geistiger Gegengewichte bedürfte, um Gutes wirken zu können. Von den geistigen Feldern steht nun das eine (III.) selbst im Zeichen des Stiers und beherbergt daher den Mars, das andere (IX.) wird von ihm beherrscht, denn es steht im Skorpion, einem der 2 Marszeichen. Dazu kommt die bereits genannte ungünstige Stellung und schlechte Bestrahlung des Merkur (Intellekt). Hindenburgs Mars konnte daher nichts anderes bewirken, als eine ungeheure Zähigkeit auf der materiellen Ebene bei ungenügender Einsicht in die höheren Zusammenhänge des Geschehens. Das militärische Gebiet ist überhaupt nur die stoffliche Form der Marsbetätigung.

Luther, gewiß eine Kampfnatur ersten Ranges, verabscheute den Kampf mit Waffengewalt. Er hat dennoch einen ausgezeichneten Mars, im Widder stehend, dem Zeichen, wo Mars am reinsten herrscht. Wegen dieses günstigen Mars ist es bei ihm ein Vorteil, daß das Feld der höheren Intellektualität (IX.) wie bei Hindenburg von einem Marszeichen, dem Skorpion, beherrscht wird (ganz abgesehen davon, daß Luther in diesem Feld 5 Planeten in Konjunktion hat); Luthers Mars ist an sich gut, und so sind es in seinem Horoskop auch die Marszeichen und die irdischen Felder, die sie beherrschen. Als Luther am 18. April 1521 gegen Sonnenuntergang die berühmten Worte aussprach: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders!« ging die Sonne über die Stelle des Himmels, wo bei seiner Geburt der Mars stand (ein solcher »Transit« ruft unter gewissen Bedingungen die besondere Wirkung eines Planeten hervor), und zwar befand sich diese Stelle zur Zeit im Feld der Gegner (VII.), während jenes fünffache Satellitium von Sonne, Jupiter, Merkur, Saturn und Venus, die bei seiner Geburt das geistige IX. Feld einnahmen, in diesem Augenblick sein I. Feld füllte, welches das eigene Ich darstellt. Diese fünf Planeten gaben ihm im Augenblick Größe, Redlichkeit, Verstand, Festigkeit und Maß gegenüber den Feinden. Ein Planet bedeutet nicht nur, was wir sind und vermögen, auch das, was uns widerfährt. So ist es in Luthers Leben vorgekommen, daß ihm die eigene Marskraft half gegen Sonne (Fürsten), Jupiter (Priester), Merkur (dialektische Gegner), Saturn (Hemmungen) und Venus (Anfechtungen). Diese steht bei ihm im Marszeichen Skorpion in ihrer Vernichtung. Er hatte also eine schlechte, d. h. gehemmte Venus. Seine sinnlichen Anfechtungen und beispiellosen Gewissensqualen um ihretwillen sind bekannt. Die Konjunktion mit Jupiter wirkt hier veredelnd und schützend. Man sieht aus alledem bereits, daß die Ansicht, Mars und Saturn seien nichts als Übeltäter, falsch ist. Ihre Wirkung ist nur außerordentlich heftig. Infolgedessen ist das Unheil ihnen immer nahe, aber sie allein geben wirkliche Kraft des Handelns und Duldens. Darüber, ob Luthers historischer Augenblick in Worms etwas Gutes oder Böses war, werden Katholiken und Protestanten verschieden urteilen. Daß es ein großer, starker Augenblick war, wird niemand leugnen.

Das Buch von Desbarolles machte mich nur mit einem Teil der astrologischen Psychologie bekannt, nämlich soweit sie für die Handlesekunst in Frage kommt. Von den Tierkreiszeichen und den Häusern ist dort nicht die Rede. Was mich nun zunächst abhielt, tiefer in die Astrologie einzudringen, war die Furcht vor der Mathematik, ein Fach, worin ich nie ein Meister war, obgleich mein Merkur (Verstand) einen guten Saturnaspekt (Konzentration) hat, was gewöhnlich gute mathematische Anlage gibt. Nun steht aber Merkur bei mir im Widder, einem beweglichen Feuerzeichen, und das macht ihn viel zu ungeduldig und vorwärtsdrängend, um bei umständlicher Rechnerei zu verweilen. Ich teile diesen Umstand mit, weil er wiederum ein Beispiel gibt für die Doppelwertigkeit (Ambivalenz) der meisten astrologischen Daten. Niemand kann sagen, ob es an sich gut oder schlecht ist, den Merkur im Widder zu haben. In der Mathematik kommt es nicht auf »Widder«vorzüge an, wie schnelles Kombinieren und lebhaftes Vorwegnehmen von Ergebnissen, sondern auf geduldiges Verweilen und langsames Weiterschreiten. Das widerstrebt nun dem Wesen des beweglichen, feurigen Widders durchaus. So hat mich auf dem Gymnasium Mathematik geradezu nervös gemacht, aber trotzdem war ich, gestützt durch einen guten Saturnaspekt des Merkur im letzten Jahre vor der Matura imstande, mich zusammenzunehmen, alles nachzuholen und eine befriedigende Prüfungsarbeit zu leisten. Ebenso ging es mir später mit der Astrologie. Schließlich habe ich mich dem mühsamen Rechnen doch unterzogen, aber noch heute traue ich meinen eigenen Berechnungen sehr wenig, ehe ich sie nochmals an verschiedenen Tagen durchgeprüft habe. Merkur im Widder reibt mich immer sofort zu den Ergebnissen der Kombination; da fühlt er sich in seinem Element, zumal er bei mir im IX. Haus (höheres Denken) steht.

Was heißt das nun eigentlich: ein bewegliches Feuerzeichen? Die Tierkreiszeichen sind nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt; deren wichtigste sind ihre elementare Qualität: Feuer- (leidenschaftlich), Luft- (geistig), Wasser- (sensitiv), Erdzeichen (materiell), und ihre Dynamik: bewegliche oder kardinale), feste und gewöhnliche Zeichen (sehr ungeschickt auch gemeinschaftliche Zeichen genannt). Die beweglichen machen vorwärtsstrebend, pionierhaft, die festen machen konservativ, Werte erhaltend, konzentriert, die gewöhnlichen haben keinen bestimmten Charakter. Bei unentwickelten Naturen macht die Mehrheit der Planeten in gewöhnlichen Zeichen charakter- und farblos, unentschieden, beeinflußbar. Hochentwickelte Naturen finden dagegen gerade wegen dieser mangelnden Bindung ein Jenseits von Ruhe und Bewegung, von Vergangenheit und Zukunft, eine buddhistische Indifferenz gegenüber allen festen Werten und beweglichen Zielen. Die Feuer- und Luftzeichen heißen auch männlich oder positiv und schöpferisch, die Wasser- und Erdzeichen heißen weiblich oder negativ, empfänglich und formgebend.

Ich kehre nun zu meinen eigenen Erlebnissen zurück, deren astrologische Deutung den Leser am schnellsten in medias res führen wird. Wenn mich Merkur im Widder und IX. Haus auch nicht zur Astrologie führte – dazu waren erst viel später Uranusdirektionen nötig, denn Uranus ist Signifikator für Astrologie –, so befähigte er mich doch zu weitgehenden Kombinationen über das bei Desbarolles Gelesene. Ich erkannte das Zusammenwirken sämtlicher Planeten vor allem in meiner eigenen Person, und das gestaltete sich mir zu einem jahrelang in mir herumgetragenen Bilde eines neuen Olymps. In einer sommerlichen Sternennacht des Jahres 1908 überließ ich mich auf dem Deck eines Dampfers zwischen der marokkanischen Küste und den Kanarischen Inseln einer tiefen Meditation über diesen Götterkreis, angeregt durch die Begegnung mit einem rätselhaften Menschen, der auf demselben Dampfer seit acht Tagen meinen einzigen Umgang bildete und mir in seiner strahlenden Weisheit, die sich bescheiden hinter den Formen eines großen Herrn verbarg, wie der leibhaftige Jupiter erschien. Äußerlich war er nicht viel: Beamter mittleren Ranges des amerikanischen Außendienstes, der »zufällig« schon seit einiger Zeit dieselben marokkanischen Orte besuchte wie ich, um sie den amerikanischen Einflüssen zu erschließen. Daß mir von allen Göttern in meinem Leben nur Jupiter in solcher Reinheit entgegentrat, erkläre ich mir daraus, daß er sich in meinem Horoskop im I. Haus befindet, welches das eigene Wesen darstellt. Nun kömmt bei mir selbst infolge vieler anderer Determinierungen des I. Hauses das Jovische äußerlich nicht zu besonders auffälligem Ausdruck, aber seit meiner Kindheit hat es mich innerlich gelenkt und mächtig angezogen und mir, mit dem eigenen Vater beginnend, viele jovische Begegnungen verschafft. Während der folgenden Wochen, in denen ich in einem luftigen Hotel auf Teneriffa Tür an Tür mit dem Amerikaner wohnte und ihn bisweilen auf seinen amtlichen Gängen begleitete, sein königliches, immer siegreiches Verkehren mit den Menschen aller Stände bewundernd, schrieb ich, in der Zimmerkühle gegen die tropische Morgenluft geschützt, die Novelle: »Die Begegnung der Götter«, die später in mein Buch: »Herr von Pepinster und sein Popanz, Geschichten vom Doppelleben«, (Verlag Georg Müller, München) aufgenommen wurde. Der Schauplatz der Geschichte ist der geheimnisvolle Berg Montsalvat in Katalanien, den ich im Frühjahr von Barcelona aus besucht hatte. Dort trifft der Held mit einer sehr sonderbaren Gesellschaft von sieben typischen Personen zusammen, von denen jede ihn an etwa ein halbes Dutzend früherer Bekannter und Freunde erinnert. Schließlich kommt er bei der unfreiwilligen Belauschung eines nächtlichen Gesprächs dahinter, daß diese Personen sieben griechische Götter sind, dieselben, die ich aus Desbarolles als die astrologischen Urprinzipien kannte. Dem Amerikaner habe ich in Lord Jove ein Denkmal gesetzt. Die Geschichte endigt damit, daß der Held, der in hoffnungsloser innerer Zerrissenheit in das Kloster Montsalvat geflohen war, von Merkur die Erklärung erhält, daß sein Zustand den Kreuz- und Quereinflüssen jener Götter zuzuschreiben ist. Merkur gibt ihm Weisungen, wie er sich auf seiner Entwicklungsstufe zu verhalten habe, und verspricht ihm seinen Schutz.

Ich war damals der Meinung, ich stünde am stärksten unter Merkureinfluß. Im Laufe der folgenden Jahre wurde mir dies immer zweifelhafter, und als ich viel später mein wirkliches Horoskop kennen lernte, erklärte sich dieser Irrtum. Merkur ist nach Zeichen und Haus bei weitem nicht mein stärkster Planet, aber er hat Aspekte mit beinahe allen anderen Planeten, und zwar fast ausschließlich günstige. Dadurch wurde mir die Gefolgschaft Merkurs besonders mühelos und abwechslungsreich, und nach dem Gesetz des geringsten Widerstandes, oder weniger schön gesagt: aus Trägheit hatte ich seine mir geebneten Wege eingeschlagen, ehe ich noch die wahren Probleme meines Lebens zu fühlen begann. So besaß ich eine ziemlich auffallende Frühreife und erschien mir und anderen wesentlich Intellektueller, solange mir noch meine eigentlichen, viel stärkeren, aber auch viel widerspruchsvolleren Triebkräfte verborgen waren. So ist Merkur nur das Schoßkind in meinem Horoskop. Fast alle Planeten bestrahlen ihn günstig, aber fast alle sind stärker als er, was ihre Stellung in Zeichen und Häusern betrifft. Der Widder ist nämlich ein dem Merkur »fremdes« Zeichen, d. h. ihm weder verwandt noch feindlich, und das IX. Haus ist zwar geistig, aber doch ein »fallendes« Haus. Am stärksten wirken die Planeten in den 4 Eckhäusern des Horoskops, schwächer in den 4 diesen nachfolgenden, am schwächsten in den übrigen, den 4 sogenannten fallenden Häusern. Nichtsdestoweniger wurde Merkur in den nächsten Jahren der Virgil auf meiner Barke durch Himmel und Höllen meines Lebens, bis ich, wie wir alle, 1914 gezwungen war, mich mit Mars auseinanderzusetzen. Mars steht bei mir in einem Eckhaus, in seinem eigenen Zeichen Skorpion, wo er herrscht und erhält 2 schlechte, freilich sehr verblassende Aspekte (von 10° Orbis). Ein Aspekt wirkt auch noch, wenn er nicht genau ist. Nur selten entsteht z. B. ein Winkel von 90°. Die Grade zwischen 80 und 100° Orbis (= Umkreis) sind noch als Quadratur wirksam, wenn auch immer schwächer, je weiter von 90° entfernt. Ein stark gestellter Planet gibt, wie ich schon bei dem Mars im Horoskop Luthers zu zeigen Gelegenheit hatte, nicht nur die Kraft an, die uns der Planet selber verleiht, er führt uns auch immer wieder zusammen mit den von diesem Planeten ausgehenden Gewalten. Handelt es sich um den Mars, so werden es starke Gegner sein. Bei mir handelte es sich um die heftige Verteidigung meiner persönlichen Sphäre gegen militärische Zumutungen, denen ich mich gesundheitlich nicht gewachsen fühlte, was aber schwer nachzuweisen war. Ich habe den hemmenden Saturn im Haus der Krankheit (aber in dem seine besten Einflüsse begünstigenden Zeichen Wassermann) im Quadrat zur Sonne. Das ist für einen Mann der böseste Aspekt, den es gibt. Glücklicherweise wird er durch den besten, den es gibt, ein Trigon zwischen Jupiter und Sonne aus Eckhäusern, die höher als er am Himmel stehende Sonne (Elevation) und noch einige gute Saturnaspekte in Schach gehalten, aber eine körperliche Labilität, der Militärdienst unerträglich gewesen wäre, ist doch die mir sehr fühlbare Folge. Nach zähestem Kampf erreichte ich die Anerkennung meiner dauernden Untauglichkeit, gestützt von meinem selber martialischen Merkur (im Marszeichen Widder) und der Sonne (sie bedeutet die höhere Individualität, das eigentliche Kraftzentrum), die bei mir ebenfalls im Widder steht, also auch den Mars und zwar im Skorpion und einem Eckhaus zum nicht leicht vor Zumutungen kapitulierenden Herrn hat. Man sieht wiederum, daß Mais als der Kriegsgott durchaus nicht mit Militarismus identisch ist, sondern mit dynamischer Energie und Kampf schlechthin, der geradesogut in der Uniform, wie von einer anderen Daseinsebene aus gegen sie entbrennen kann. Wer einen starken Mars in seiner Nativität hat, kann wohl gegen die Austragung der Völkerkonflikte durch Waffengewalt und gar gegen den Militarismus eingenommen sein, er wird aber nicht leicht das Wort des Heraklit leugnen, daß der Krieg (in einem tieferen Sinn) der Vater aller Dinge sei.

Nachdem sich der erste der verschiedenen Stürme dieser heftigsten Marsperiode meines Lebens beruhigt hatte, zog ich mich in die Einsamkeit einer vom Krieg wenig berührten Alpenstadt zurück und überließ mich gänzlich dem Studium buddhistischer, taoistischer und mystischer Schriften. Der Bau meines bisherigen Lebens war zusammengebrochen, ein Weltleben in der so veränderten Welt schien mir nicht mehr möglich, alle Voraussetzungen dazu sah ich entgleiten. Es gab nur ein Zurück in den Schmelzofen der Seele mit der Hoffnung, eine neue Lebensform zu prägen. Aus meiner anfänglich gänzlichen Einsamkeit wurde ich durch einen jener geringfügigen, äußeren Umstände aufgescheucht, die gerade, weil sie nur lästig und im übrigen mehr lächerlich, als tragisch sind; uns so leicht als überflüssig und ganz und gar sinnlos erscheinen. Ich bewohnte in einem fast leerstehenden Hotel ein angenehmes Zimmer in der Friedhofsruhe des sonst unbewohnten oberen Stockwerks, so wie es meinen viel Sammlung verlangenden Studien entsprach. Eines Tages wurde mir mitgeteilt, daß ich dieses Zimmer ab 1. Januar zu räumen hätte, da eine Dame mit Kindern und eigener Bedienung das ganze Stockwerk für ein Jahr gemietet habe. Ich wurde einen Stock tiefer einquartiert, viel weniger nach meinem Geschmack, und hatte geringe Lust, jene Dame kennenzulernen, der ich sogar aus dem Wege ging. Eines Mittags, als ich den Speisesaal betreten wollte, sah ich sie mit dem Besitzer des Hauses im Gespräch. Dieser machte mir irgendeine Mitteilung, ich blieb stehen, verbeugte mich flüchtig vor der Dame, und sie sprach mich an, ihr Bedauern ausdrückend, daß sie mich vertrieben habe, und sich erkundigend, wie ich jetzt untergebracht sei. Was wir dann sprachen, war nichts als der Austausch der in solchen Fällen üblichen Höflichkeiten, aber nichtsdestoweniger machte sie eine zufällige Anspielung, aus der ich sofort entnahm, daß sie um Astrologie Bescheid wußte. Von diesem Augenblick an folgten sich meine Berührungen mit Astrologie und Astrologen auf dem Fuß. Die Stunde hatte für mich geschlagen, in der sich mir der Tempel zu öffnen begann. Nachdem ich ihr mein Interesse bekundet hatte, sah mich meine neue Bekannte scharf an und sagte: »Wenn ich nicht sehr irre, müssen Sie die Sonne oder den Aszendenten im Löwen haben, außerdem fühle ich den Uranus stark.« »Was ist der Aszendent?« fragte ich; »daß Uranus ein im achtzehnten Jahrhundert entdeckter Planet ist, weiß ich zwar, aber unter den in der Astrologie vorkommenden 7 Gestirnen ist er doch nicht?« Ich erfuhr nun folgendes: Der Aszendent ist der Ekliptikgrad, der im Augenblick der Geburt am östlichen Horizont aufstieg. Hier beginnt die Zählung der 12 irdischen Felder, er bezeichnet also die Spitze des I. Feldes und ist für die Beurteilung der materiellen Auswirkung eines Horoskopes fast wichtiger, als Sonne und Mond, die beiden »Hauptlichter«. Aus der Tatsache, daß der Aszendent alle zwei Stunden in ein anderes Zeichen tritt, erklärt es sich, daß Zwillinge sich so ähnlich, aber auch so unähnlich sein können. Fällt nämlich zwischen die zwei mindestens doch fünfzehn bis zwanzig Minuten voneinander getrennten Geburten ein Zeichenwechsel, so wechselt auch der »Geburtsgebieter« beider Kinder, als welcher meist der Herr des Zeichens am Aszendenten gilt. Bei beiden haben zwar die Planeten gleiche Stellung und Aspektierung, aber ist z. B. die Sonne gut und der Merkur schlecht, und hat das eine die gute Sonne, das andere den schlechten Merkur zum Gebieter, so kann sehr wohl das eine ein hochstehender Mensch mit einigen Mängeln des Intellekts (Merkur), das andere ein Schwindler von starker Vitalität (Sonne), der erste ein dünner kränkelnder Mensch, der andere ein muskelstarker Naturmensch sein.

Was den Uranus betrifft, so wurde dieser, ebenso wie der erst Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gefundene Neptun, erst von den neueren Astrologen in den Kreis ihrer Berechnungen gezogen. Später überzeugte ich mich, daß infolge der Kürze der Beobachtungszeit die Wirkung dieser zwei Gestirne noch nicht annähernd so genau erforscht ist, wie die der übrigen Planeten; außerdem ist ihr Wesen an sich sehr rätselhaft. Jedenfalls bringt man mit ihrem Wirken die Tatsache in Verbindung, daß sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts die Welt plötzlicher und gründlicher verändert hat, als in der ganzen uns bekannten Geschichte. Schlecht gestellt, besonders wenn durch Mars oder Merkur verunglimpft, bringen beide Planeten Revolution, Uranus gewaltsame Zerstörung, Neptun mehr chaotische Auflösung. Uranus ist mehr intellektuell, Neptun mehr gefühlsmäßig. Der starken Wirkung des Uranus in den Horoskopen der wissenschaftlichen Pioniere verdanken wir die Entdeckung der Dampfwirkung, der Elektrizität, der Radioaktivität, der Luftschiffahrt, der Wirkung des Neptun den gänzlich neuen Ton der modernen Kunst mit all ihrem Chaos, dessen bisher erst einer Meister geworden ist: Richard Wagner. Bei ihm steht der Mond im Feld des Berufs (X.) unter günstigem Neptuneinfluß aus einem Eckhaus, indes sein Freund Ludwig von Bayern den Neptun, sehr schlecht von Mars und Sonne bestrahlt, im Haus der höheren Geistigkeit hat. Neptun gibt chaotische Visionen. Während sie sich bei Wagner zu neuartigen Kunstgebilden bändigen ließen, führten sie den unglücklichen König in den Wahnsinn. Bei beiden findet sich die oft beobachtete Nebenwirkung des undisziplinierten Neptun: die Geschmacklosigkeit. Es wird behauptet, daß heute nur wenige Menschen den überraschenden Einflüssen dieser beiden neuen Planeten gewachsen sind. Sie gelten daher als Unglücksplaneten. Den meisten bringen sie in der Tat nur unverhoffte Schicksalswechsel und Chaos. Aber andererseits ist es heute, wo alle bisherigen Formen in Frage gestellt sind und niemand schöpferisch genannt werden kann, der nicht in Erkenntnis der Kunst einen neuen Sinn mitbringt, undenkbar, daß einer ein eigenartiger Denker oder Künstler sei, ohne Uranus- oder Neptuneinfluß. Nur jener gibt den Mut zur Erkennen des Niegedachten, nur dieser zum Gestalten des Niegeschauten. Beide sind durch und durch unkonventionell und daher gefährlich für alle an das Konventionelle Verhafteten, sei diese Verhaftung positiv, indem man ihm als Sklave verfällt, sei sie negativ, indem man es als entronnener Sklave revolutionär bekämpft, aus dem Irrtum, der in der Konvention die Ursache der der eigenen inneren Gehemmtheit sucht. Erst wenn jemand durch innere Indifferenz die Distanz zu Konvention und überlieferter, als Gefäß noch unentbehrlicher, wenn auch sich immer mehr entleerender Form gefunden hat, erst dann werden ihm Uranus und Neptun zum Heil. Die große Menge wird durch sie nur in eine sinnlose Aufregung versetzt, die sich in äußerem Revolutionieren auf allen Gebieten zeigt, ohne wahrhaft die Beseitigung des Veraltenden ruhig dem natürlichen Wirken der Zeit überlassen könnte. Bolschewismus, Expressionismus, Futurismus, Massenokkultismus, Reformwut im Staat, in der Familie, ja, im Tanz und in der Erotik, alles dies sind Äußerungen unverstandenen Uranus- und Neptuneinflusses, denn, was alle diese Dinge von dem gemeinen Verbrechen und der gewöhnlichen Narrheit so deutlich unterscheidet, ist, daß in solcher Raserei etwas fühlbar ist, das man doch als notwendigen Gärungsprozeß empfindet; und das ist auch der Grund, warum es nicht einfach in Zucht- und Irrenhäusern aufgefangen werden kann. Um diese Dinge kommen wir nicht herum, wir müssen hindurch.

Daß bei den Okkultisten, echten wie schwindelhaften, Uranus und Neptun eine bedeutende Rolle spielen werden, ist nach dem Vorherigen anzunehmen. H. P. Blavatsky, die Begründerin der europäischen Theosophie, zeigt sich in ihrem Horoskop zu dieser Rolle in hohem Maß berufen. Uranus hat die für ihn sehr heilsame Konjunktion mit Jupiter (Religion) und zwar an der Spitze des IX. Feldes (höheres Denken), dazu im Zeichen Wassermann, worin Uranus stark wirkt. Diese Konjunktion wird obendrein im Trigon beschienen von dem Geburtsgebieter, dem Mond, der seinerseits in Konjunktion steht mit der freundlichen Venus in ihrem eigenen Zeichen. Eine bessere Berufung zu kühnem Eindringen in die geheimen Lehren des Ostens ist kaum denkbar. Die Opposition des Uranus zu der im übrigen vorzüglich gestellten Sonne zeigt die heftigen Gegnerschaften und Feindseligkeiten an, die Mrs. Blavatsky auf ihrem uranischen Pfad begegneten. Schlecht ist dagegen bei ihr Neptun, gänzlich unaspektiert, und dadurch in seiner Chaotik ohne Halt. Darum sind die Schriften von Mrs. Blavatsky doch nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen, und oft ist die Frage aufgeworfen worden, ob sie am Ende doch eine Schwindlerin war oder nur sich selbst betrog.

Noch bedenklicher steht es um die Zuverlässigkeit ihrer Nachfolgerin Mrs. Annie Besant, der Begründerin der theosophischen Gesellschaft. Wohl zeigt sich auch hier eine ausgesprochene Berufung zur höheren Erkenntnis. Herr des IX. Hauses ist Jupiter, und dieser hat eine Konjunktion mit dem Mond, eine Stellung, die einer Frau seelisch wie materiell alles Gute zu bringen vermag. Dazu stehen beide Gestirne in einem Eckfeld im Zeichen Krebs, wo Jupiter erhöht ist und der Mond herrscht. Der Uranus jedoch steht dicht beim Aszendenten im Marszeichen Widder und empfängt ausschließlich schlechte Bestrahlung von 5 Planeten, davon 3 aus dem Feld der offenen Feinde (VII.). Uranus verletzt auch jene günstige Jupiter-Mondkonjunktion, ferner steht Mars als Geburtsgebieter selbst im I. Feld. Das alles zeigt, daß hier der tendenziöse Kampf um die äußere Geltung der Ideen die eigentliche Versenkung in sie weit in den Hintergrund drängte. Mrs. Besant hat mehr das Leben einer politischen Versammlungsrednerin und Broschürenschreiberin, als das einer wahrhaft Erkennenden geführt. Auch die Konjunktion des Neptun mit dem hemmenden Saturn im XII. Feld (Täuschung, Lüge, Intrige, Geheimnisse, Verborgenheit) ist kein gutes Zeichen für wissenschaftliche Aufrichtigkeit. Hier ist der Verdacht der Unzuverlässigkeit noch begründeter, als bei Mrs. Blavatsky, neben einer unzweifelhaften Begabung für okkulte Erkenntnisse.

Nach Blavatsky und Besant wird gewiß auch das Horoskop Rudolf Steiners interessieren, des Begründers der Anthroposophie, der, aus deutscher Universität hervorgegangen, die allzu chaotische Theosophie angelsächsischer Herkunft in seinen besten Schriften auf ein ernstlich diskutierbares Niveau erhob. Steiner hat eine enge Konjunktion des Neptun mit Merkur (Intellekt) im Zeichen Fische, wo der Neptun herrscht, aber Merkur vernichtet ist. Aber sicher ist seine Hauptfähigkeit, das Neptunisch-Visionäre unter die Herrschaft des Intellekts zu stellen, wenn auch dieser Intellekt (Merkur im Wasserzeichen Fische) selbst etwas allzu Flutendes hat. Steiners Horoskop zeigt einen Menschen von außerordentlicher Kraft. Mars ist Geburtsgebieter, gekräftigt durch einen guten Sonnen-, gefestigt durch einen guten Saturnaspekt; aber er steht wie bei Hindenburg in dem materiellen Zeichen Stier, nur kommt hier die Fähigkeit höherer Erkenntnis hinzu. Nichtsdestoweniger ist dieser materialistische Mars auch bei ihm fühlbar. Steiner begann als Materialist Haeckelscher Richtung, und noch heute wirft man ihm vor, daß er die »Geisteswissenschaft« zu sehr nach Art der Naturwissenschaft behandelt, wodurch er sie andererseits auch wieder vielen Skeptikern geöffnet hat. Uranus im intellektuellen Zeichen Zwillinge steht auf der Spitze des mystischen Todesfeldes (VIII.), gut vom Mond bestrahlt, aber schlecht von Sonne und Saturn. Das deutet sehr heftiges Ringen auf seinem geistigen Pfad. Steiners hoher Aufstieg ist deutlich zu erkennen. Das Haus des Berufs ist beherrscht vom Sonnenzeichen Löwe, das Ruhm verleiht, und der wohltätige Jupiter steht an der Spitze. Aber auch Saturn befindet sich in diesem Haus in Opposition zur Sonne im IV. Feld (Ende des Lebens). Ein Sturz ist unvermeidlich. Überhaupt liegen Steiners Schwierigkeiten in seiner unglückseligen saturnischen Natur. Das Alter scheint dennoch freundlich zu werden, wie Venus im IV. Feld anzeigt, bestrahlt vom Mond aus dem Haus der Freunde und Hoffnungen. Die Frauen werden ihm wohl bis ans Ende treu bleiben.

Die Uranus- und Neptunwirkung in der Entwicklung der Menschheit offenbart sich erst unverkennbar, seit diese Planeten für uns sichtbar geworden sind. Zu erklären ist diese Tatsache nicht leicht, indessen nehme ich nicht an, daß ihre Sichtbarkeit die Ursache ihrer Wirkung ist, sondern umgekehrt. Ihrer Wirkung verdanken wir die wachsende Empfänglichkeit für das Inkommensurable des unendlich Großen und des unendlich Kleinen. Diese Entwicklung wiederum befähigt uns zu der Erfindung von mathematischen Rechnungsmethoden und astronomischen Instrumenten, die uns erlauben, den Himmelsraum erkennend zu durchdringen. Daß Uranus und Neptun schon vor ihrer Sichtbarkeit auf einzelne Auserlesene gewirkt haben, ist so wahrscheinlich, wie es sicher ist, daß Aspekte dieser Planeten bei Dutzendmenschen auch heute noch oft unwirksam sind, sowohl im Guten wie im Schlechten. Die so ausgesprochene Liebe Luthers zur Musik in einem innerlich tiefen, aber äußerlich auf schönste Art dilettantischen Sinn ist aus seinem Horoskop nur zu erklären durch Konjunktion des Mondes (Empfindungsleben) mit Neptun, die sich miteinander wohl vertragen, und zwar an der Spitze des XI. Feldes, das Freunde, Hoffnungen und Wünsche bezeichnet. Man weiß, wie die Musik für Luther vor allem ein Herzenstrost und die Seele freundlicher Geselligkeit war. Goethe hat einen ungewöhnlich guten Neptun im Wasserzeichen Krebs auf der Spitze IX (höhere Geistigkeit), gut aspektiert durch Jupiter, Venus, Mond und Saturn. Dagegen habe ich ausgesprochene Neptunwirkungen in den Horoskopen lebender Personen nur selten, und dann meist als hoffnungslose Verwirrung des Fühlens und Denkens bis zum Pathologischen, als Neigung zu betäubenden Mitteln, als Mediumismus, überhaupt als Zersetzungstendenz gefunden. Eine sehr interessante Neptunbeeinflussung hat der Maler Alfred Kubin. Neptun steht bei ihm im festen Venuszeichen Stier, einem Erdzeichen. Venus lenkt seinen Einfluß auf das Künstlerische, das feste Zeichen gibt dem allzu vagen Wesen des Neptun Halt. Kubins Werke sind daher sehr sonderbar und überraschend, aber nicht unverständlich, wie die der meisten Expressionisten. Sie wirken irgendwie auf jeden, auch auf die, welche nicht erst in Broschüren gelesen haben, was gemeint ist und dadurch zur Gewährung mildernder Umstände bereit sind. Kubins Neptun steht ferner im VIII. Feld, dem Haus des Todes und der Ewigkeitsfragen. Man weiß, wie ihn diese stets angezogen haben und eigentlich das geheime Thema seiner ganzen Kunst und seines Philosophierens sind. Dieser Neptun erhält nun einen sehr gefährlichen Quadrataspekt aus einem Eckhaus durch Mars, freilich einen erhöhten Mars (im Steinbock) d. h. edler Art. Dieser Umstand hat Kubin, ehe er seinen Neptun erkennen gelernt, tief ins Pathologische hineingetrieben, aus dem ihm der Trigonalschein des Jupiter (aus demselben Eckhaus) allmählich wieder heraushalf.

Ich komme nun zu der Begegnung mit jener Dame in dem Hotel der kleinen Alpenstadt zurück. Unser Gespräch dauerte keine zehn Minuten, da auf jeden von uns sein Mittagessen wartete. Sie hatte sich schnell meine Geburtsdaten aufschreiben lassen, die ich leicht geben konnte, da ich genau um Mittag geboren bin, eine etwas auffallende Stunde, die in Familien gewöhnlich nicht vergessen wird. Später erwies das Kirchenbuch meiner Heimatsgemeinde sie als zutreffend. Ich hatte mich nach Tisch kaum in mein Zimmer zurückgezogen, als es an die Tür klopfte. Die Zofe der Dame bat mich hinauf. Dort erfuhr ich nun – ich gestehe: unter einigen Schauern – zum erstenmal Näheres über mein Horoskop. Die Dame besaß die Verzeichnisse der Gestirnstände für viele Jahrgänge (Ephemeriden genannt), darunter auch für mein Geburtsjahr. Dort finden sich, für jeden Tag die Planetenstellungen um zwölf Uhr mittags, und da dies, wie gesagt, gerade meine Geburtsstunde ist, war es leicht, ohne umständliche Berechnungen in einer Viertelstunde Aspekte und Stellungen meiner Planeten nach Zeichen zusammenzuschreiben. Die Aufstellung des eigentlichen Horoskops mit den 12 Feldern, die erst zeigen, auf welchen Lebensgebieten sich die Einflüsse hauptsächlich äußern, wurde auf später verschoben. Immerhin erfuhr ich schon jetzt sehr viel Überraschendes, und mit einem Schlag erkannte ich, warum ich mich so lange für einen Merkurmenschen gehalten und daran dann wieder gezweifelt hatte. Es stellte sich heraus, daß bei mir 3 Planeten in eigenen Zeichen stehen und einer erhöht ist; später wurde festgestellt, daß 5 sich in Eckfeldern befinden, also nur 2, nämlich Merkur und Mond, ohne »Würden« sind, wie man sagt. Diese 2 aber sind mit allen anderen Planeten, auch unter sich, gut aspektiert, so daß ihre Auswirkung sich reibungsloser vollzieht, als die der stärkeren, aber mehr durch ungünstige Aspekte verunglimpften Gestirne. So mußte ich gerade meine wesentlichen Kräfte lange Zeit als Hemmungen, die Merkur- und Mondeinflüsse aber als mein positives Wesen empfinden. Nun erschien das sich gegenseitig Hemmende gerade als wesenhaft, aber auch die günstigen Einflüsse jener stärkeren Planeten, Saturn, Jupiter, Mars und Venus, die ich als selbstverständlich bisher gar nicht recht beachtet hatte, wurden mir nun bewußt. Welcher Planet eigentlich als der stärkste, der sogenannte Geburtsgebieter zu gelten habe, ließ sich nicht so ohne weiteres feststellen, zumal der Aszendent noch nicht berechnet war. Dessen Herr aber gilt, wie schon gesagt, wenn nicht gegenüber anderen stärkeren Planeten allzu schwach gestellt, meist als Geburtsgebieter. Ich verstand nun, daß ich Kämpfe und Bündnisse des ganzen Götterkreises in mir auszutragen hatte, und daß Merkur nicht mehr als ein freundlicher Berater sein konnte.

Die Astrologie jener Dame ist wesentlich auf Intuition gegründet. Die genauen Berechnungen überläßt sie einer Vertrauensperson, die ich im folgenden kurz die Sekretärin nenne, mit guten rechnerischen Fähigkeiten. Die treffenden Interpretationen meiner Bekannten überraschen mich oft noch heute, nachdem ich mich selbst fünf Jahre lang wissenschaftlich und praktisch mit Astrologie beschäftigt habe. Solche »intuitive« Astrologie ist natürlich gefährlich, sie verirrt sich leicht ins Unprüfbare und wird darum von exakten Lehrern oft verachtet. Meiner Meinung nach doch mit Unrecht, denn gerade die eigene Exaktheit schützt ja am besten gegen solche Grenzenlosigkeit der Intuitiven. Es ist leicht erlernbar, den Aszendenten eines Menschen auszurechnen, aber es ist eine seltene Gabe, ihn auf den Blick ins Gesicht und auf die Gestalt intuitiv zu erkennen. Die Annahme jener Dame, daß mein Aszendent sich im Löwen befinden müsse, erwies sich auch nach den Berechnungen der Sekretärin als zutreffend, ebenso daß Uranus bei mir eine wesentliche Rolle spielt. Er hat Aspekte mit den beiden Lichtern und Merkur und bildet noch gerade eine Konjunktion mit dem Aszendenten. Die Konstellierung des Aszendenten aber pflegt besonders auf das Äußere zu wirken. Nebenbei sei bemerkt, daß die Stellung des Uranus über Interesse für und Liebe zur Astrologie entscheidet. Das Sonnenzeichen Löwe im Aszendenten ergab in meinem Horoskop die Sonne als Geburtsgebieter, zumal sie im Widder erhöht ist und im Zenit des Horoskops (X. Feld = äußere Stellung, Beruf) eine starke, von Jupiter (aus dem I. Feld) gestärkte, aber von Saturn (aus VI.) und Uranus (aus XII.) sehr bestrittene Stellung hat.

Als nach einiger Zeit die Sekretärin von einer Reise zurückkam und mir mein nun genau berechnetes Horoskop vorlegte, erschrak ich nicht wenig über die vielen unglücklichen Konstellationen. Erst nach langer Meditation über alle die guten und schlechten Einzelheiten schloß sich mir das ganze zu einer Totalität zusammen, in der ich in der Tat den Spiegel meines Wesens erkannte. Dies aber – und nicht das Schauen in die Zukunft – ist der wesentliche Gewinn eines ernsten astrologischen Studiums. Wir sind immer geneigt, uns mit dem Teil unseres Wesens zu identifizieren, der sich im Augenblick am stärksten auswirkt. Aus Mangel an religiösem Bewußtsein, das durch das Erleben der eigenen Seele der Mannigfaltigkeit seines Wesens die Einheitlichkeit geben würde, zersplittert sich der moderne Mensch und hat schließlich nur noch die Teile seines Selbst in der Hand. Da zerbricht man sich den Kopf, ob man selber ein Intellektualmensch, ein Begierden- oder Gefühlsmensch sei, mehr künstlerisch oder verstandesmäßig veranlagt, mehr aufs Physische oder Metaphysische gerichtet, ob man im ganzen mehr Glück oder Unglück habe usw. Alle diese Fragen verstummen für den, der sich in sein Horoskop vertieft hat. Aus dem Entweder-Oder wird ein Sowohl-Alsauch, und aus den sich gegenseitig hemmenden oder gar bekämpfenden Widersprüchen (d. h. schlechten Aspekten) werden, je weniger man sein Ich mit einzelnen Anlagen identifiziert, Gegengewichte, welche die Bewegung des Ganzen regeln. In den Horoskopen mittelmäßiger Leute ist das Gleichgewicht von vornherein gegeben, sie leben in einem faulen Frieden dahin. Aber nur die Naturen, die ihr Gleichgewicht dauernd erkämpfen oder verteidigen müssen, bleiben lebendig und wirken schöpferisch. Jeder geniale Mensch fühlt in sich, wie Goethe, die Möglichkeit zum Verbrechen, zum Abgrund; nur dadurch gewinnt er den Tief blick in die Welt. Der Unterschied der Anlage zwischen Genie und Verbrecher liegt vielleicht nur darin, daß jenem durch Wille und Erkenntnis das Gleichgewicht über dem Abgrund gelingt, wodurch ungeheure Kräfte für Tat und Werk frei werden, während bei diesem die an sich nicht geringeren Kräfte zerstörerisch gegeneinander toben. Was Goethe betrifft, in dem wir doch den Inbegriff olympischen Gleichmaßes verehren, so zeigt seine Nativität, gegen wie große Widerstände es immer wieder erkämpft werden mußte, und seine Biographie bestätigt es. Goethe ist unter dem Marszeichen Skorpion geboren, was immer ein Leben mit schweren Aufgaben und Konflikten anzeigt. Dazu hat er den finsteren, Einsamkeit suchenden Saturn dicht beim Aszendenten. Und ist nicht Goethe im Grunde stets ein einsamer Mann gewesen, der unter seiner Einsamkeit zugleich litt und den tiefsten Gewinn aus ihr zog? Aszendent und Saturn haben freundliche Mondbestrahlung aus einem Eckhaus – darum vermochte er sich ohne Groll vor der Welt zu verschließen – aber zugleich eine Quadratur mit Uranus, der plötzliche Entfremdungen, Trennungen und Wechsel anzeigt. Nun, aber Jupiter muß doch dem alten Olympier günstig gewesen sein? Gewiß, er steht in dem ihm eigenen Zeichen Fische, in einem Eckhaus, aber seine Bestrahlung ist durchaus nicht ganz günstig. Wohl verbindet ihn ein Trigon mit dem auch von Venus bestrahlten Neptun von der Spitze des IX. Feldes her (höhere Geistigkeit), was den großen Künstler mit gebändigtem Chaos anzeigt, aber er empfängt schlechte Aspekte von Mars und Venus und diesen letzten aus dem X. Felde (Beruf, äußere Stellung). Das verrät, wieviel unfromme Unbotmäßigkeit, wieviel Eitelkeit und Begierde hier im Zaum gehalten werden mußte, bis der geckenhafte Leipziger Student die heilige Reinheit seiner Höhe erreicht hatte. Der größte Gegensatz dieses Horoskops aber ist die Opposition zwischen Sonne (höhere Individualität) und Mond (äußere Persönlichkeit). Nichts macht von Haus aus unharmonischer. Dieser Aspekt, dazu aus den Eckfeldern X und IV, stellt alles in Frage: Erfolg, Ruhm, Gesundheit, Liebe, Freundschaft, Finanzen, Beruf, Häuslichkeit, gerades Wollen und Seelenfrieden. Wer Goethes Biographie studiert, wird leicht finden, daß er auf allen Gebieten sein ganzes Leben hindurch erhebliche Schwierigkeiten hatte. Freilich strahlt am Zenit dieses Horoskops (Feld des Berufes und der Stellung) die Sonne in dem Zeichen Jungfrau, von Mars in dem ehrgeizigen Zeichen Steinbock im Trigonalschein bestrahlt, was eine ungeheuer gesteigerte Lebenskraft und großen Erfolg verleiht, während der in den Fischen im IV. Feld (Lebensende) stehende sensitive Mond durch einen guten Aspekt des Saturn vom Aszendenten her, besonders in späteren Jahren große Festigkeit, Haltung, Beharrungsvermögen, Organisationstalent gibt, kurz, einen Menschen ausmacht, dem vieles anvertraut wird. Da wir gerade bei Goethe sind, will ich Gelegenheit nehmen, noch an zwei Beispielen zu zeigen, bis in welche Einzelheiten sich der Einfluß der Planeten verfolgen läßt. Venus beherrscht unter anderem alles, was mit der Liebe der Geschlechter zusammenhängt. Bei Goethe steht sie im X. Feld (Stellung) und zeigt dort obendrein Glanz und Ehren an (ebenso bei Bismarck). Jupiter beherrscht unter anderem das Gesetzmäßige, legitim Geordnete und steht bei Goethe im IV. Feld, das den Charakter des eigenen Heims angibt. Beide Planeten stehen bei Goethe in Opposition zueinander und verkünden daher das Fragwürdige und anfangs Illegitime seines Zusammenlebens mit Christiane Vulpius, das seiner äußeren Stellung so sehr widersprach. Auch diese Disharmonie verstand Goethe so in die Totalität seines ganzen Daseins einzuordnen, daß sie heute nur ein puritanischer Pedant lieber nicht darin sähe. Das zweite Beispiel ist das schon erwähnte Quadrat, das der Aszendent (das eigene Wesen) von Uranus, dem revolutionären Planeten, aus dem intellektuellen III. Feld empfängt. Bekannt ist, wie Goethe alles revolutionäre Wesen persönlich zuwider war, und das ging so weit, daß er selbst in der Geologie die gewaltsame Katastrophentheorie als Erklärung der Erdveränderungen ablehnte. Diese Gereiztheit erklärt sich nun: Nichts hassen wir mehr, als die dämonischen Mächte, die wir in uns selber im Zaum zu halten haben. Sehen wir sie nun außer uns plötzlich Macht gewinnen, entfesselt von entweder ahnungslosen oder verbrecherischen Menschen, so entsteht entrüstete Ablehnung. Goethe hatte in sich selbst den heftigen saturnisch-uranischen Gegensatz ausgekämpft zwischen dem Starren und dem Fessellosen. Solche Menschen, nicht die Mittelmäßigen, die nur ihr Schäfchen im Trockenen behalten wollen, sind die entschiedensten Gegner äußerer Revolution. Der Durchschnitt läßt sich vielmehr, wie die sogenannte deutsche Revolution von 1918 gezeigt hat, widerstandslos mitreißen und vergißt leicht sein Schäfchen in der Hoffnung auf einen fetteren Hammel.

Ich sagte schon, daß sich nach der Bekanntschaft mit jener Dame und ihrer klugen Sekretärin die astrologischen Begegnungen bei mir auf dem Fuße folgten. Wenige Wochen nachher begann ich in einem Haus zu verkehren, dessen Herr, ein Okkultist magischer Richtung, bald mein guter Freund wurde. Er war gerade von einer Reise nach Deutschland zurückgekehrt und hatte von dort einige zusammengekaufte Bücher mitgebracht, unter denen sich ein eben erschienenes Lehrbuch der Astrologie befand, der er selbst bisher durchaus ferngestanden war. Er lieh mir dieses Buch, und nun begann mein Leidensweg durch die damals gänzlich unzulängliche astrologische Literatur, die mir zunächst erreichbar war.

Erst das siebzehnte Jahrhundert brachte in die aus dem Altertum überlieferte Wissenschaft den kritischen Geist exakter Forschung, oder wenigstens Beobachtung. So finden wir in Deutschland Kepler eine große Reinigung von abergläubischem Wust vornehmen, ohne der Astrologie grundsätzlich abzusagen, wie moderne Astronomen glauben machen möchten; in England tut dies Lilly, der als Nichts-als-Astrologe im übrigen nicht mit dem großen Kepler verglichen werden kann. Nachdem er im Jahre 1651 die Pest in London für 1665 und den Brand von London für 1666 richtig vorausgesagt hatte, wurde er königlicher Hofastrologe. In Frankreich bemächtigt sich ein Mann von kartesianischer Denkschulung, Jean-Baptiste Morin de Villefranche, der bisher so verworrenen Wissenschaft und bringt sie zum erstenmal in seiner in verhältnismäßig leichtem, elegantem Latein geschriebenen »Astrologia Gallica« in ein rein auf Erfahrung und Vernunft aufgebautes System. Ein wichtiger Teil daraus ist von dem modernen französischen Astrologen Selva in klares Französisch übersetzt. Ich bemerke gleich, daß dieses mir erst später zugänglich gemachte Werk die einzige brauchbare Grundlage ist, auf der wir heute weiterbauen können. Das achtzehnte Jahrhundert mit seiner Aufklärung drängte die Astrologie gänzlich in den Hintergrund. Immer mehr verfiel sie der Scharlatanerie. Nichtsdestoweniger gab es noch Lehrstühle für Astrologie an den Universitäten. In Deutschland war der letzte wissenschaftliche Astrologe ein gewisser Pfaff, der noch anfangs des neunzehnten Jahrhunderts zu Erlangen las. Sein Buch über Astrologie ist sehr selten geworden, doch habe ich es auf der Universitätsbibliothek in München gefunden. Viel Nutzen vermochte ich daraus nicht zu ziehen. Pfaff gehört zu jenen ängstlichen Geistern, wie man sie heute nicht selten unter deutschen Katholiken findet, die wohl an ihre Sache glauben, aber dauernd auf den Gegner schielen und ihm eine Konzession nach der anderen machen, bis nicht mehr viel vom eigenen Wesen übrigbleibt; damit aber wird keiner Sache gedient, weder im Sinn der Bejahung, noch der echten Kritik. So entschuldigt sich Pfaff gewissermaßen, daß er Astrolog ist.

Das neunzehnte Jahrhundert brachte in der materialistischen Wissenschaft die sogenannte Aufklärung auf ihren Höhepunkt, aber schon lange, ehe er erreicht war, begann die Gegenbewegung, und zwar gerade in den Ländern, die am schnellsten jenem Materialismus verfallen waren: in Frankreich und England. Dem französischen Charakter mit seiner glühenden Energie des Willens entsprachen unter den geheimen Wissenschaften vor allem Magie und Kabbala, die von Eliphas Levy wieder entdeckt wurden, während der den empirischen Tatsachen zugekehrte Geist der Engländer sich auch auf okkultem Gebiete verrät, und zwar in der Wiedererweckung der Astrologie. Hier ging man nun von vornherein methodisch vor. Zwar lockte die Erschließung indischer Geheimlehren durch Mrs. Blavatsky viele Astrologen in das »theosophische« Lager, aber in allen besseren englischen Schriften werden sogenannte »esoterische« und »exoterische« Astrologie klar auseinandergehalten. Kapitän Morrison (Zadkiel I), Simmonite, Sepharial, Pearce (Zadkiel II), Wilson, Raphael sind einige Namen bedeutender englischer Astrologen, deren Bücher alle sehr brauchbar sind; den Reigen beschließt der während des Weltkrieges verstorbene Alan Leo. Als Herausgeber einer vortrefflichen Zeitschrift »Modern Astrology« und einer großen Reihe von Lehrbüchern ist er weltberühmt als außerordentlich klarer Kopf und vorzüglicher Pädagog. Aus seinen Büchern kann man am besten lernen, was an der Astrologie überhaupt lernbar ist. In seiner Weltanschauung zwar durchaus auf theosophischem Boden stehend, vermeidet er doch gänzlich diese unleidliche Geheimniskrämerei, die Lücken der Erfahrung zudecken soll. Ebenso klar in der Erörterung der astronomischen Grundlagen, wie in der systematischen Anordnung der erfahrungsmäßig geprüften Regeln, schreibt er für jeden und gibt doch dem tiefer Denkenden eine Fülle wertvoller Fingerzeige. Dabei ist er ein scharfer Psychologe von umfassender Weltkenntnis.

In Frankreich ist H. Selva auf den bedeutenden Morin de Villefranche zurückgegangen, dem sein disziplinierter, lateinischer Geist verwandt ist. Seine Zeitschrift: »La Science Astrale« ist leider aus Mangel an Publikum eingegangen. Er ist nicht Organisator wie A. Leo, vielmehr der typische französische Gelehrte der guten Sorte, der zwar in der Stille schafft, aber dem es selbstverständlich ist, seine Ergebnisse in einer klaren Sprache zu veröffentlichen. Im Gegensatz zu seiner kartesianisch-deduktiven Richtung steht die induktive Methode Paul Flambarts, der, ebenfalls auf Morin fußend und auf Ptolemäus zurückgehend, deren Erkenntnisse durch Statistiken erprobt. Was die Franzosen vielleicht noch über die Engländer stellt, ist, daß sie nicht bei der Emperie stehenbleiben, sondern von hier aus wieder zu den Prinzipien aufsteigen, in deren Allgemeinheiten sie sich jedoch, durch Tatsachen gestützt, nicht gleich den arabischen und mittelalterlichen Astrologen verlieren. Es genügt ihnen nicht die Feststellung, daß ein Planet in einem bestimmten Zeichen anders wirkt als in einem andern, sondern sie ergründen, nach welcher Gesetzmäßigkeit dies so sein muß. Am weitesten ist hier F. M. Barlet in seinem Buch: »Les Genies Planétaires« (Libraire Chacornac, Paris) vorgedrungen.

Wie aber steht es in Deutschland? Frankreich hat Kultur, England Zivilisation, wir haben »Bildung«. Diese Bildung ist bekanntlich durchaus wissenschaftlich orientiert, und Wissenschaft hieß im neunzehnten Jahrhundert: Materialismus. Die gebildete Schicht schwor auf die exakte Wissenschaft; die Folge davon ist, daß sehr vieles zu ihr im Widerspruch Stehende fast nur von den Außenseitern dieser Universitätsbildung gepflegt worden ist. Soviel Verdienst in diesen »laienhaften« Bestrebungen steckt, es haften ihnen alle Fehler des Autodidaktentums an: mangelnde geistige Vorbildung, ungeschultes, unkritisches Denken, voreiliges Schließen, mangelhafte Beherrschung der Sprache und Unfähigkeit zum klaren, eindeutigen Ausdruck. Ich erinnere an die Naturheilkunde, Magnetismus und dergleichen Dinge, deren Pflege unter dem Widerspruch der gebildeten Klassen ein großes Verdienst der Mittelschicht bleibt; aber zu einem wirklichen Besitz wurden diese Dinge erst, seitdem sie von solchen in die Hand genommen werden, die zwar über die geistige Schulung der Wissenschaft verfügen, aber nicht deren Scheuklappen tragen. Genau dasselbe gilt von der Astrologie. Sollte es deutsche Astrologen geben, deren Schriften mir unbekannt geblieben sind, auf die das Folgende nicht paßt, so werden sie sich selber von dieser Verallgemeinerung ausnehmen. Die aber, welche sich durch meine Kritik getroffen fühlen, eben die sind hier gemeint.

Während ein englischer und französischer Astrologe ohne weiteres aus und zu dem höheren Bildungsmilieu seines Landes spricht, stehen die deutschen Astrologen bei all ihren Verdiensten des ehrlichen Kampfes gegen »wissenschaftliche Vorurteile« doch zu sehr außerhalb. Führt eine solche Stellung in der Medizin zur Kurpfuscherei, so in der Astrologie zu einer auffallenden Sterilität, sobald es sich um die Anwendung des Wissens handelt. Astrologie ist doch nur Mittel, Mittel zur Erkenntnis des Menschen; der Mensch aber entfaltet sich zeitlich in der Geschichte, örtlich in der uns umgebenden Welt. Was hilft aber nun die genaueste Kenntnis der astrologischen Technik, wenn die Werte, die dadurch genauer unterschieden werden sollen, aus Mangel an geistiger und Welterfahrung in ihrem Wesen nicht recht angeschaut werden. Was fruchtet ein Wissen über die Gestirnstellungen der Dichter, Denker, Heiligen, Staatsmänner, Industriekapitäne, Fürsten, Hetären usw., wenn die innere und äußere Anschauung dieser Realitäten fehlt? Wer nicht aus der Enge von Stand, Beruf, Nationalität, Partei, ja des eigenen Bekenntnisses (sei dies religiös, philosophisch oder wissenschaftlich) gänzlich herauszutreten vermag, kann wohl Astrologie wie etwa Mathematik betreiben, aber die Synthese in Anschauung und Urteil muß fehlen. Welterfahrung in der Art, wie sie etwa ein reisender Kaufmann oder ein Hotelangestellter macht, hilft so wenig wie Bücherwissen. »The world and the books«, wie Lord Chesterfield sagte, diese beiden Elemente zusammen machen erst wahre Bildung aus, die imstande ist, Gestalten und Begebenheiten der Geschichte mit dem Blick zu betrachten, den der erfahrene Weltmann nur für die Gegenwart hat, und die Gestalten und Begebenheiten der Gegenwart in die geschichtlichen Zusammenhänge einzuordnen, die der bloße Büchermensch nur in der Vergangenheit erkennt. Diese Art der Bildung ist in Deutschland, dem Land des fachmännischen Spezialistentums, selten, wird sogar oft als oberflächlich verdächtigt, und darum fehlen uns neben so viel Einzeltüchtigkeit gerade diejenigen Typen, bei denen solche Universalität unerläßlich ist. Echt deutsch ist ferner, daß immer wieder einer versucht, sein eigenes System aufzustellen. So wirft er zunächst die Fundamente um, auf welche die andern, bauen. In Deutschland gibt es mehrere Arten, Horoskope aufzuzeichnen, während man sich in England zu dem Kreis, in dem der Aszendent ein für allemal links in der Mitte und der Meridian senkrecht auf dem Horizont steht wie in der Natur, entschlossen hat. Alle andern Systeme führen infolge ihrer Unübersichtlichkeit immer wieder zu Seh-, Schreib- und Druckfehlern. {Übrigens haben sich auch die Franzosen noch nicht auf ein System geeinigt.) Aber haben wir nötig, die Engländer nachzuahmen? heißt es. Ich antworte: Warum denn nicht, wenn sie etwas besser machen? Während deren Pionierarbeit so wenig wie die französische voll anerkannt, ja, nicht einmal genau gekannt wird, findet man oft eine allzu große Abhängigkeit von der mittelalterlichen Tradition, deren Rezepte ungeprüft immer wieder abgeschrieben werden. Für den Planeten Uranus, dessen allgemein gebräuchliches Zeichen dem lateinischen H ähnlich ist – sein Entdecker war Herschel – haben die deutschen Astrologen ein eigenes Zeichen erfunden, das sehr leicht mit dem des Mars verwechselt wird. Ganz verwirrend sind plötzliche Neuerungen der Berechnung, etwa der Häuserspitzen, oder die Ausgrabung veralteter Quellen ohne eingehende Prüfung an Beispielen, da nur mitgeteilte Erfahrung auf der Grundlage von langen Versuchen mit einzelnen Horoskopen bekannter Menschen die Abweichung von allgemein geübten Bräuchen rechtfertigen würde, und zwar bei Zusammenarbeit mit anderen und gegenseitiger Überwachung. Die Folge solcher Eigenbrötelei ist, daß ein von deutschen Astrologen aufgestelltes Horoskop nicht ohne weiteres zu gebrauchen ist. Die Auslegung eines Horoskops kann ohnehin nicht aus Büchern gelernt werden. Die Originalität, die im Technischen ein Fehler ist, fehlt aber nun gerade da, wo sie mir unerläßlich scheint, nämlich bei der Auslegung. Hier kommt man mit überlieferten Rezepten nicht weit. Hier ist Phantasie, beherrscht durch philosophisches Denken, verstandesmäßige Kombination, belebt durch künstlerische Intuition, nicht zu entbehren, lauter Gaben, die sich selten vereint finden.

Da meine erste Beschäftigung mit Astrologie in die Zeit des Weltkrieges fiel, waren mir zunächst nur Lehrbücher zugänglich, die mit allen diesen Fehlern behaftet waren. Aus dem mühsamen Herumtappen im Dunkel erlöste mich die sonst nicht gerade willkommene Tatsache einer bevorstehenden militärischen Nachmusterung. Zu diesem Zweck mußte ich mich zum nächsten deutschen Konsulat begeben, und das war in Wien. Ein Verwandter versah mich mit einer Empfehlung an einen Freund,, einen Marineoffizier a. D., und als ich ihn nach den ermüdenden Kämpfen des ersten Tages abends endlich traf, entpuppte er sich als ernsthafter, wissenschaftlicher Astrologe. Von ihm wurden mir nun Bücher und Aufsätze jener oben genannten englischen und französischen Autoren nacheinander geliehen. Ich vergrub mich während des Sommers in einem kleinen Nest in Steiermark und fand endlich Klarheit. Als ich im Herbst nach Wien zurückkehrte, war ich imstande, selbst ein Horoskop zu stellen. Meine Auslegungen freilich verloren sich noch ins Uferlose. Etwa vierzehn Tage lang arbeitete ich nun vor- und nachmittags mit meinem neuen Freund durch, was ich mir im Sommer aufgezeichnet hatte. Er brachte Methode in mein aufs Geratewohl aufgestapeltes Wissen und gab mir dann zunächst einen Band des Morin de Villefranche mit auf den Weg, dem ich in der Kunst der Synthese neben meinem Lehrer selbst das meiste verdanke.

Ich will gleich hier bemerken, daß der englische Astrologe Raphael die Ephemeriden der täglichen Gestirnstände alljährlich herausgibt. In den letzten Kriegsjahren waren die englischen Ephemeriden plötzlich nicht mehr zu haben, und es wird sogar behauptet, daß die Engländer dadurch die Deutschen verhindern wollten, ihre kriegerischen Maßnahmen nach astrologischen Gesichtspunkten vorzunehmen. Über die sogenannte politische oder Mundanastrologie und die Astrologie der Stundenwahl, die hier in Frage kommt, spreche ich später. Viele werden über solche Kombinationen lächeln. Jedenfalls weiß ich, daß astrologische Ratschläge bis in die Nähe des deutschen Kaisers gedrungen sind. Wie weit nie berücksichtigt wurden, ist mir nicht sicher genug, um hier darüber bestimmte Aussagen zu wagen. Von englischer Seite ist behauptet worden, unsere ersten Siege hingen mit den für uns sehr günstigen Konstellationen zusammen, die klug zu Angriffen ausgewählt worden, wären. Die Engländer und Amerikaner dagegen hätten ruhig den Ablauf dieser Serie abgewartet, in der von Anfang an geäußerten Überzeugung,, daß wir die Schlachten, sie den Krieg gewinnen würden, und sich erst ins Zeug gelegt, als für uns ungünstige Aspekte kamen, zumal ihnen die Horoskope für die Augenblicke der verschiedenen. Kriegserklärungen als für Deutschland ungünstig bekannt waren. Dies alles erzähle ich mehr als, Merkwürdigkeit, immerhin ist es nicht grundsätzlich abzulehnen. Sicher weiß ich, daß eine dem deutschen Kaiser sehr nahestehende Person der Astrologie anhängt, und ferner, daß erste amerikanische Geschäftshäuser sich Hausastrologen halten, wie früher die Fürsten. Jedenfalls scheint es,, daß uns die Engländer während des Kriegs verhindern wollten, ihnen zum Schaden Astrologie zu treiben. Nun sind zwar für die letzten Kriegsjahre im Verlag Huber in Dießen bei München Ephemeriden erschienen, aber sie enthielten viele Druckfehler. Nichtsdestoweniger sind diese Veröffentlichungen sehr verdienstlich und ihre Schwächen verzeihlich, denn es ist in der Tat unmöglich, genaue Ephemeriden ohne weiteres aus der Erde zu stampfen. Die astronomischen Tafeln müssen nämlich für jeden Mittag des Jahres umgerechnet: werden, da sie die Gestirnstände angeben in Graden, die auf dem Äquator gemessen sind (Rektaszension), während für die Astrologie die Längengrade der Ekliptik, der scheinbaren Sonnenbahn, in Frage kommen. In England, wo diese Berechnungen seit einem Jahrhundert gemacht werden, hat man Zentralen, welche sie von mehreren Leuten gleichzeitig ausführen lassen, deren Ergebnisse dann immer wieder verglichen werden, und auch da kommen in den ersten Auflagen hie und da Druckfehler vor. So etwas ist nicht von heute auf morgen zu organisieren.

 

Heute haben wir in Deutschland noch die alljährlich im Verlage Huber Dießen erscheinenden Ephemeriden, die sich neben der englischen Ausgabe sehr gut eingebürgert haben, da die oben erwähnten Mängel heute überwunden sind.

 

Besonders sei aber auf das im Otto Wilhelm Barth-Verlag, Planegg bei München erschienene Ephemeridenwerk hingewiesen. In drei handlichen Bänden sind hier die Gestirnstände von 1850 bis 1950 für jeden Tag verzeichnet. Der Preis des Gesamtwerkes beträgt in der Leinenausgabe RM. 50,–; Bd. I und II 1850 bis 1930 RM. 20,– (einzeln RM. 15,–). Bd. III 1930 bis 1950 RM. 15.–

 

Noch ein Wort über die Astrologie im Weltkrieg. Vielleicht erinnert man sich noch des Horoskops Hindenburgs, das erst von der Zensur verboten, dann doch veröffentlicht wurde. Ist es denkbar, daß die Zensur an die Veröffentlichung die Bedingung geknüpft hat, daß Uranus und Neptun gestrichen wurden? Oder war der Patriotismus der deutschen Astrologen die Ursache, daß diese beiden Gestirne in dem Horoskop fehlten, was besonders hinsichtlich des Uranus zu den falschesten Ergebnissen führte? Richtig ist, daß das Horoskop Hindenburgs große militärische Erfolge voraussagen läßt. Das Haus des Berufs ist vom Mars beherrscht, der aus einem Eckhaus einen guten Aspekt von Jupiter erhält, an sich die beste Vorbedingung für äußeres Gelingen. Auch das aufsteigende Zeichen Steinbock (Ehrgeiz), dessen Herr, Saturn, im I. Feld einen Trigonalschein von der Sonne erhält, deutet auf eine große Laufbahn. Dazu steht Jupiter im Krebs erhöht und hat obendrein eine Konjunktion mit dem Mond, der im Krebs herrscht. Das gibt dieser Berühmtheit die besondere Note der Popularität, dem Charakter Edelmut und Gefühlsweichheit. Auch daß die äußeren Erfolge erst spät kamen, läßt sich astrologisch begründen. Das Feld des Alters (IV.) ist von einem Venuszeichen beherrscht. Venus selbst steht sehr stark im eigenen Zeichen, aber sie ist rückläufig und ihr Zeichen ist eingeschlossen zwischen zwei Häuserspitzen (gefangen). Beides wirkt verzögernd. Ferner hat Venus dort eine Konjunktion mit Sonne und Merkur und obendrein steht noch ein besonderes Zeichen – das sogenannte Glücksrad (Pars Fortunae) Siehe 2. Buch. – in demselben Venuszeichen (Waage). Das Schweigen der offiziellen Wissenschaft über die Astrologie wurde im Jahre 1918 durch Professor Dr. Franz Boll unterbrochen, der bei Teubner in Leipzig in der Sammlung »Aus Natur- und Geisterwelt« ein Bändchen »Sternglaube und Sterndeutung« erscheinen ließ, das inzwischen in erweiterter Neuauflage große Verbreitung gefunden hat. Das Goethesche Motto, das der Verfasser für sein Büchlein wählt, wäre im Mund eines exakten Forschers kaum möglich gewesen. Es ist ein Appell an das »Innerste« in uns, das sogar die Psychologie bisher vernachlässigen zu dürfen oder zu müssen glaubte:

»Daß wir solche Dinge lehren,
Möge man uns nicht bestrafen:
Wie das alles zu erklären,
Dürft ihr euer Tiefstes fragen.«

Prof. Boll ist nicht Astrologe, er nähert sich dem Gebiet mit der gebotenen Zurückhaltung des Historikers und folgt dabei der Rankeschen Forderung zu untersuchen, »wie es eigentlich gewesen ist«. Die moderne Astrologie wird nur kurz erwähnt. Am Schluß deutet er Goethes Horoskop nach den Regeln der hellenistischen Astrologie und kommt zu dem Ergebnis, daß es stimmt. Dieses vorsichtige und doch nicht ängstliche Buch ist sehr zu empfehlen.

Auch auf den kurzen, die Astrologie verteidigenden Aufsatz des Grafen Keyserling in seinem Buch: »Philosophie als Kunst« möchte ich hier nachdrücklich aufmerksam machen.


 << zurück weiter >>