Maximilian Schmidt
Glasmacherleut'
Maximilian Schmidt

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XI.

»Am Franzl merk i, daß i alt werd'!« sagte der alte Schrenk ungefähr fünf Jahre nach dem vorbeschriebenen Sunnwendfeste auf dem großen Falkenstein. Es war dieser Ausruf sicherlich ein Zeichen für sein eigenes Wohlbefinden; denn am Franzl merkte er sein eigenes Alter, nicht an sich selbst. Franz wuchs aber auch heran, daß es wahrlich eine Freude war, und niemand konnte es dem glücklichen Vater verdenken, wenn er mit freudigem Stolze auf seinen Sohn blickte. Keiner unter den Hüttenleuten durfte sich ihm gleichstellen. War er auch nicht so groß wie sein Vater, so entwickelte sich doch auch frühzeitig ein hoher Grad von Stärke, und seine Geschicklichkeit in Anfertigung der künstlichsten Gläser wurde von keinem andern Arbeiter übertroffen. So darf es nicht Wunder nehmen, wenn Franz schon mit neunzehn Jahren sein Meisterstück fertigen durfte, um als selbständiger Glasmacher in der Hütte angestellt zu werden. Herr Steigerwald überließ es dem strebsamen jungen Manne, sich nach eigenem Gutdünken das Meisterstück zu wählen, und so verfertigte Franz ein buntfarbiges, gläsernes Treppengeländer für die Villa des Hüttenherrn, und zwar so reizend und mit so viel Geschick, daß es dieser sofort in Rabenstein anbringen ließ und dem jungen Manne nicht nur den Meisterbrief, sondern auch ein köstliches Präsent mit den schmeichelhaftesten Worten und in der ehrendsten Weise 149 übermachte. War sonach Franz einer der geschicktesten Arbeiter, so ließ er auch in geistiger Beziehung alle andern weit hinter sich. Es soll damit nicht gesagt sein, als ob er ein wahres Genie gewesen wäre; denn seine durch das Selbststudium und den Unterricht des Hofmeisters von Rabenstein erworbenen Kenntnisse beschränkten sich auf Rechnen, Schreiben, Führen der Buchhaltung und Zeichnen; aber diese Dinge waren ihm geläufig, und da die übrigen Glasmacher sich größtenteils wenig mit derartigem »gelehrten Zeug« den Kopf zerbrechen wollten, darf es nicht Wunder nehmen, wenn Franz in geistiger Beziehung allen überlegen war. Man merkte ihm das auch schon auf den ersten Blick an. Auf seinem schönen, runden Gesichte mit den dunklen, lebhaften Augen war der Stempel der Bildung abgedrückt und gar wohl gefiel das den Mitarbeitern und oft sagten sie: »Dem Franzl kälbert noch einmal der Holzschlegel auf der Achsel!«Damit will der Wäldler einen rechten Glückspilz bezeichnen.

Der alte Schrenk hatte also in jeder Hinsicht Ursache genug, mit seinem Geschick zufrieden zu sein.

Nur eines wollte ihm noch immer nicht behagen und verdüsterte öfter seinen frohen Sinn: der Verzicht auf das edle Weidwerk. Und wie schön hätte sich ihm gerade jetzt Gelegenheit dazu geboten! Gleich in der Nähe der Regenhütte wurde für einen königlichen Förster ein Haus gebaut und ein äußerst liebenswürdiger Mann dort angestellt. Der Herr Förster besuchte öfters die beiden Schrenk, und da hatte ihm denn einmal der Alte anvertraut, daß er früher ein eifriger Jäger und mitunter auch Wildschütze gewesen sei. Der Förster stellte ihm und Franz, welcher 150 die Lust zum Weidwerk von seinem Vater ererbt zu haben schien, hierauf frei, zu jagen, so oft sie nur immer wollten.

Das gab dem Alten einen Stich ins Herz.

»So was,« rief er, »kann nur mir passier'n! Wenn i nur dös nöd verred't hätt'!«

»Was?« fragte Franz, welcher des Alten Seufzer vernommen hatte.

»So was kann nur mir alloa passier'n; lad't mi der Herr Förster selber auf d' Jagd ein und i kann's nöd annehmen, weil i's verschwor'n hab', nie wieder auf d' Jagd z' geh'n!«

»Ihr habt ja nur verschwor'n, nimmer z' wildern,« entgegnete Franz lächelnd.

»Was? 's Wildern hätt' i bloß verschwor'n? Ja, wenn i mit 'n Förster geh, is's ja nöd g'wildert! Verflixt noch amal – das is a schwere Sach'! – I moan aber alleweil, i hab' verschwor'n, nie wieder z' jag'n. Das müaßt der Zächerl wissen und der hat an no' mei' Flint'n von anno dazumal, wo mi bald der Kramerkropfet erschoss'n hätt'. Woaßt was, Franzl, wenn's d' wieder umigehst auf Lohberg, suchst 'n Zächerl in Schwarzenberg auf und fragst 'n, ob i dazumal 's Wildern oder 's Jagen überhaupt verschwor'n hätt'; denn i möcht da schon wissen, wie i dran bin. I möcht' do' grad aa nöd 'n Herrn Förster vor 'n Kopf stoß'n, weil er mi so freundli eing'lad'n hat; man woaß grad aa nöd, wie ma so an' Herrn wieder braucht, und i glaub's fest, es kränkt 'n, wenn i so bockboani bin.«

Franz konnte sich des Lachens kaum verhalten, als er den Vater so sich selbst überreden hörte; er hütete sich wohl, demselben Bedenken über das Wiederaufnehmen des 151 Weidwerks entgegenzustellen, im Gegenteil bot er sich an, sobald als möglich nach Lohberg und Schwarzenbach gehen und das Gewehr vom Zächerl holen zu wollen.

Dies sollte eher ausgeführt werden, als es Franz vorhatte, denn des Alten Selbstverleugnung wurde jetzt doch auf eine zu harte Probe gestellt. Eines Tages, es war gegen das Frühjahr 1818 zu, teilte ihm der Förster mit, daß er auf dem Falkenstein einen Wolf verspürt habe, welcher wahrscheinlich aus den fürstlich Schwarzenbergischen Waldungen herübergekommen sei, und daß überall hin Einladungen zu einer auf morgen anberaumten Wolfsjagd ergingen, und daß es ihn, den Förster, freue, wenn die beiden Schrenk sich auch dabei beteiligen wollen.

»A Wolfsjagd!« rief der alte Wilderer, »das is an' Ausnahmsfall! – Franzl, hol mir d' Flint'n, i hätt' koa' Ruah mehr, wenn i die Wolfsjagd nöd mitmach'n könnt'!«

Unter so bewandten Umständen war natürlich nicht lange zu zögern, und Franz machte sich unverweilt auf den Weg.

Es war ein herrlicher Maitag, als Franz den ihm wohlbekannten Weg über Elisenthal und den Brennes nach Lohberg zu einschlug, wo ihn der Lehrer und seine ganze Familie, wie immer, aufs freudigste begrüßten und den jungen Meister aufs herzlichste beglückwünschten.

Sobald der Lehrer, welcher ebenfalls ein Freund des Weidwerks war, von einer Wolfsjagd hörte, entschloß er sich sofort, dieselbe mitzumachen, und erklärte sich bereit, mit Franz noch heute über den Brennes zu gehen und im Waldhause zu übernachten.

Nachdem Franz einige Zeit hier ausgeruht, setzte er 152 seinen Weg nach dem noch eine halbe Stunde entfernten Schwarzenbach, dem Aufenthalte des Bärenkoppengirgl, fort. Auf dem Wege dorthin traf er zu seiner Freude einen andern alten Bekannten, den Kramerjakl, welcher ihn durchaus nicht mehr erkannte und ihm die schönsten Grobheiten sagte, daß er sich einen solchen Spaß mit ihm erlaube und sich für den Schrenken-Franz ausgebe, der unmöglich so groß und alt sein könne. Erst nach und nach schien er sich von der Richtigkeit von Franzens Persönlichkeit zu überzeugen; aber er hatte kein besonderes Interesse mehr für denselben. Der Alte war auf sich selbst zu sprechen gekommen und erzählte, daß er seit jener seltsamen Begebenheit auf dem Ossa, die ihm um so verworrener werde, je mehr er darüber nachdenke, aus Pladls Dienst getreten und von Herrn von Hafenbrädl, welcher in der Nähe eine Glashütte und großartige Waldungen besitze, als Holzaufseher angestellt worden sei und gegenwärtig, trotz seines Alters, diese Stelle noch gewissenhaft bekleide. Er versicherte dem Franz, daß er sich ganz wohl befinde und von Tag zu Tag unserm Herrgott größeren Dank sage, daß er nicht mehr in Pladls Dienst sei, mit dem ohnedies bald alles rapidi capiti abwärts gehen werde.

»So glaubt Ihr also,« fragte Franz, »Herr Pladl kann sich nicht mehr zu dem emporschwingen, was er noch vor wenigen Jahren war?«

»Is nöd möglich!« entgegnete der alte Jäger.

»Und warum ist's nicht möglich?«

»Das will i Enk sag'n.« Und mit geheimnisvoll gedämpftem Tone sagte er: »Es is unter dem Pladl sein' Haus was vergrab'n.«

153 »Vergrab'n?« fragte Franz. »Was ist vergrab'n?«

»Was 's is, dös woaß i nöd,« antwortete der Alte, »aber daß 's ä Hexenwerk is, das woaß i g'wiß und koana kann auf so an' Haus aufkommen, wo der Teufel oder d' Hexen was vergrab'n hab'n.«

»Gott mag's bewahr'n!« entgegnete Franz. »Nun da wird mei' Vater und der Prannes schau'n, wenn ich ihnen das erzähl'.«

»Der Prannes?« rief der Kramerjakl, »da habt's an' g'scheit'n Namen g'nennt.«

»Warum?« fragte Franz, »habt Ihr an meinem Göd was auszusetzen?«

»Enka Göd is's?. No', da hab' i aa schon gnua! Eine Kräh' hackt der andern d' Augen nöd aus. Ob i was an ihm ausz'setzen hab'? Verspricht er mir amal, er zoaget mir Hasen, die kraxeln können. Richti kommt er amal uma von Zwieselau und sagt, er hätt' die bewußt'n Hasen bei sich, i soll in Wirtsgart'n kommen und da könnt' i seh'n und, wenn i möcht', aa drauf schießen. Um mich von der Sach' zu überzeug'n, find i mi' am Platz mit meiner Flint'n ein. – Da schiebt der Prannes für 's Kuchelfenster zwoa Hasen 'raus. Mei' Hektor die Hasen seh'n und d'rauf zua war eins. – Was aber g'schieht? Der oane Has' kraxelt wirkli auf 'n nächst'n Birnbaum auffi. So was war mir in mein' ganzen Leb'n noch nöd vorkomma und d' Flint'n wär' mir bald aus der Hand g'fall'n vor lauter Ueberraschung. Aber was muaß i weiter seh'n? Der zwoat Has' fangt mit mein' Hektorl 's raufen an! – Hat man schon so was erlebt? »Hektorl!« schrei i, »da is der Teufl im Gspiel! Alle fass'!« Der Hektorl packt 'n Has'n bei der Woll; da schlupft er aus sein Balg 154 raus und lauft davon; der Hektorl hat 'n Balg im Maul, i aber hab' a Kreuz g'macht und hab' mi gar nimmer verkennt. – Der ander' Has' auf 'n Baum ob'n schreit iatzt, »miau! miau!« Bald närrisch wär i wor'n über so a Naturerscheinung. Da kommt der Prannes und a ganze Sippschaft dazu aus 'n Haus 'raus und alles schreit und lacht und schaut mi an und 'n Has'n auf 'n Baum. Und warum haben 's g'lacht? Weil 's mi ang'führt hab'n. – Katzen haben 's in d' Hasenbälg eini g'naht! Das war a schlechter G'spoaß und 'n Prannes vergiß i das nimmer, so lang i leb'!«

Franz, welcher alle Mühe hatte, während dieser ernsthaften Erzählung sein Lachen zurückzuhalten, konnte es jetzt nicht mehr länger unterdrücken und seine Heiterkeit steigerte sich um so mehr, je erzürnter der Alte darüber wurde, dessen Zorn schließlich in vollen Flammen aufloderte, so daß einige Zeit verstrich, bis ihn Franz wieder besänftigt hatte. Aber mit dem Geisterseher war nichts mehr anzufangen, und als Franz sagte, er sei auf dem Wege, den Zächerl in Schwarzenbach aufzusuchen, winkte der Alte bloß noch mit der Hand und sehr schnell hintereinander »Ades! Ades!« rufend, entfernte er sich von dem jungen Manne so schnell als er es vermochte. Franz aber war alsbald in Schwarzenbach und hatte Zächerls Wohnung aufgesucht.

Dieser saß auf der Gred vor seiner Hirwa und schmauchte sein Pfeifchen. Sein Anzug war noch derselbe wie vor sechs Jahren, nur älter, verschossener und zerrissener war er jetzt. Sein Gesicht hatte sich wenig oder gar nicht geändert; aber die Rückenlinie hatte eine 155 bedenkliche Krümmung angenommen, und recht zusammengekauert auf der Bank sitzend, fand ihn Franz. Auch hier bedurfte es längerer Zeit, bis Zächerl den Schrenken-Franzl wieder erkannte; dann aber reichte er ihm sichtlich erfreut die Hand. Die erste Frage war: ob der Vater heuer einen Auerhahn abgebäumt hätte. Es befremdete ihn nicht wenig, zu hören, daß der alte Schrenk seit jener Begebenheit auf dem Ossa keine Flinte mehr in die Hand genommen.

»Koa' Flint'n mehr in d' Hand g'nommen?« rief er, »und der Schrenk is um zehn Jahr jünger als i! – I ging heutigstags noch außi, wenn mir mei' Kreuz nöd so weh thaat'; aber i kann halt nimmer gen Berg steig'n und so muaß i mi elendi im Thal dahin frett'n. Nix is's mehr mit der Jagd, das is mei' oanziger Kummer, – mei' Kreuz! mei' Kreuz!«

»Wenn's Euch nur sonst gut geht,« tröstete Franz, »und Euch nichts abgeht in Euern alten Tagen.«

»Sonst wär 's g'rad nöd aus!« erwiderte der Greis. »Der Tabak geht mir nöd aus, seit i's erfund'n hab', daß man Krautbleka zum Rauch'n herrichten kann, und um an' Kreuzer an' Brisil leid't 's mir in der Woch'n aa an' etlich'smal. Mei' Hirwa g'hört mir, so lang i leb', und 's Ess'n krieg i von mein' Schwestersohn, 'n Koppenbauern; – aber was is dös alles, wenn eam 's Kreuz so weh thuat, daß man nimmer Berg steig'n, daß man nimmer auf d' Jagd kann!«

Franz übergab jetzt dem Alten ein großes Brisilglasl, vollgefüllt mit dem besten Schmalzler, welchen sein Vater selbst gerieben hatte, und bei dessen Ansichtigwerden der Zächerl in einen Freudenruf ausbrach.

156 »Ui Gottes, ui Gottes!« rief er, »da woaß i ja jetzt schon glei gar nimmer, wie r i mein' Dank ausdruck'n soll; – an' so an' guat'n Brisil! und so viel! und das schöne Glasl! – Wenn mir iatzt nur nöd mei' Kreuz so weh' thaat!«

Franz kam jetzt auf die eigentliche Ursache seines Besuches. Des Alten Augen glänzten, als der junge Mann von der morgigen Wolfsjagd sprach.

»Auf 'n Wolf geht's,« rief er aus, »und der Bärnkoppengirgl kann nöd mit! Himmlischer Vater, dös Glück wenn mir no' zu teil wör'n wär', aber mei' Kreuz! mei' Kreuz!«

Nachdem ihm Franz einiges Tröstende gesagt, fragte der Alte: »Du machst d' Jagd doch aa mit, Franzl?«

»Das versteht sich!« entgegnete dieser, »der Herr Förster leiht mir ein G'wehr, und mit 'n Schieß'n kann i aa schon umgeh'n.«

»Das is löbli,« sagte der Alte. »Aber sag' mir, lauft 's dir denn nöd eiskalt über 'n Buckel bei dem Gedanken, daß dir dös Glück könnt' b'stimmt sein, 'n Wolf z'samma z'schieß'n?«

Franz lächelte und meinte, daß ihm dies ohne Zweifel eine große Freude machen würde.

»I,« sagte Zächerl, »i wäret über so was ganz narrisch, aber es is was guat dafür.« Und sich von seinem Sitze erhebend, fuhr er fort: »I will iatzt dein' Vodan sei' Flint'n hol'n, damit d' eam's bring'n kannst zu der Wolfsjagd. Und nöd dein' Vodan sei' Flint'n alloan kannst mitnehmen, Franzl, auch die mei' tragst mit fort. Trag' 's du morg'n auf d' Wolfsjagd, daß doch wenigstens mei' Flint'n dabei is, weil 's mir mei' Kreuz nimmer leid't, 157 selber mit z' geh'n. Ich vermach' dir 's zum Präsent, Franzl, heb's auf zum Andenken an mi'; denn mit dera Büchs'n hab' i den Bär'n erlegt, drum is's an' Ehr'n-G'wehr, das man heilig halt'n muaß auf ewige Zeiten!«

Franz machte zwar verschiedene Einwendungen gegen die Annahme eines solch wertvollen Geschenkes; aber Zächerl winkte abweisend mit der Hand und ging in das kleine Häuschen, aus welchem er nach wenigen Minuten mit zwei Gewehren wieder zurückkehrte.

»Das,« sagte er, ihm eines der Gewehre überreichend, »is dein' Vodan sei' G'wehr; dös giebst eam wieder und grüßt 'n von mir und i wünsch eam viel Weidmannsheil!«

Franz nahm das Gewehr aus Zächerls Hand. Dieser fuhr jetzt zu sprechen fort, indem er das andere Gewehr mit beiden Händen umfaßte:

»Dös G'wehr aber – die Bär'nflint'n – leg' i in dei' Hand, Franzl, zum ewigen Angedenken. Nimm's und sei staad!«

Des Alten Stimme zitterte, als er so sprach, und man merkte ihm's wohl an, welchen Schmerz es ihm machte, sich von diesem Kleinode, dem Gefährten seines Lebens, zu trennen. Franz konnte sich gleichfalls einer Rührung nicht erwehren. Er trat einige Schritte zurück und sagte: »Ich kann's nöd nehmen, Zächerl. Warum wollt Ihr Euch von diesem Gewehre trennen, das so schöne Erinnerungen für Euch hat.«

»Grad deretweg'n,« erwiderte der Alte, »muaß 's aus 'n Haus. I kann's nimmer ansehn, so wehmüati wird mir immer dabei, weil i alleweil dran erinnert werd', daß 's nix mehr is mit mir. Und nacha möcht' i dennat aa, daß mei' Flint'n nach mein' Tod in solche Händ' 158 kommet, wo's g'acht't is und wo man gern erzähl'n wird vom Bär'nkoppengirgl, wenn er aa längst schon in der ewigen Ruah is. Bei dir is dös der Fall. Dir wird 's amal guat geh'n, Franzl, weil dein' Vodan ehrst, und i woaß g'wiß, wenn's d' aa noch so reich wirst, die Bär'nflint' veracht'st d'rum niemals nöd und hängst es auf a schön's Platzl in deiner Stub'n. Dös versprichst mir, Franzl, und iatzt spreiz di nöd lang' und nimm d' Flint'n!«

Franz sah, daß er den Alten beleidigen würde, thäte er nicht nach seinem Willen, und nahm das Geschenk mit Thränen in den Augen. Eine düstere Ahnung regte sich in seinem Herzen, und als er jetzt dem Alten die Hand zum Abschiede reichte, wurde er sonderbar gerührt von Zächerls Worten:

»Wenn's d' wieder nach mir fragst, wirst 'n Zächerl nimmer finden. Eine neue Zeit is angangen, so viel man überall erzählt; aber i paß nimmer eini in die neu' Zeit; i will abschließ'n mit der alt'n. Der Wind saust durch 'n Urwald und bricht die dürr'n Helm'Dürre Helme, d. i. dürre, rindenlose Stämme mit lang herabhängenden, vom Winde zerzausten Bartflechten. wie schwache Steck'n z'samm'; aber aus dem übermoosten Ranen keimt a frisch Leb'n und grüne, lebendige Stämm wachsen auf den vermoderten Leich'n. So wachst aus der alten Zeit die neue raus; aber auch die wird wieder z' Grund' geh'n, und die Unterlag' bilden zu oana, die d'rauf folgt. D'rum darf man das Vergang'ne nöd verachten, es is die Muada von der Gegenwart. Das, Franzl, mirk dir und geh iatzt mit der Flint'n hoam. Grüaß mir 'n Prannes und dein' 159 Vodan und halt in guat'n Ehr'n 'n Zächerl und sei' Flint'n!«

Der Alte sprach dieses im feierlichen Tone; dann ging er hinein in seine Hirwa. Franz aber entfernte sich, tief ergriffen von des Alten letzter Rede.

Es war seine »letzte Rede«; denn wenige Tage nach diesem Besuche steigerten sich des Alten Kreuzschmerzen derartig, daß sein altersschwacher Körper mächtig davon erschüttert wurde und, wie er selbst gesagt, gleichwie der Sturmwind die dürren Helme zu Boden wirft, so ward auch er hingeworfen auf das Krankenlager, von welchem man ihn schon nach wenigen Tagen als Leiche hinaustrug zur ungestörten Ruhe im Lamerer Friedhof. 160


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