Maximilian Schmidt
Glasmacherleut'
Maximilian Schmidt

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V.

Im Lohberger Wirtshause ging es am Nachmittage gar lebhaft her. Die Bauern der nächsten Umgegend sowohl, die eine Ehre darein setzten, alle Sonn- und Feiertage ihr Möglichstes und noch ein gut Stück darüber in der Vertilgung des braunen Stoffes zu leisten, und die Glasmacher und Hüttenleute insgesamt ruhten hier nach den Strapazen der Woche aus und thaten sich weidlich gut an Herrn Kellermeiers untadelhaftem Stoffe.

Es war aber auch ein Gesumme, als schwärmten hundert Bienenstöcke; der Qualm aus den kurzen Ulmern verbreitete im Gemache eine gewisse romantische Düsterheit; dazu der Mark und Bein durchdringende Gesang singlustiger Bursche, das Geklapper der Gläserdeckel, der Duft des unvermeidlichen Schmalzlers und – das Bild einer Dorfkneipe ist fertig.

Ein kleiner Verschlag an dem oberen Ende des Zimmers, der einen runden, eichenen Tisch enthielt, war für den vornehmeren Teil der Gesellschaft bestimmt. Es war die Elite der Dorfgemeinde, bestehend in dem Dorfschulmeister, einigen reichen Waldbauern aus dem Winkl, dem Jäger des Herrn Pladl, dem Schmelzmeister, dem Schrenk und dem uns bereits als Kirchendiener vorgestellten, schöngeistigen Schneider, welchem nur wegen seiner Unterhaltungsgabe ein Plätzchen an der Tafelrunde, wie sich die Gesellschaft nannte, gegönnt war. Aber das Schneiderlein 55 saß heute, gegen seine Gewohnheit, still und in sich gekehrt am Tische und kaute mißgestimmt an seinen Nägeln.

»Schneider, warum sind's denn heut so traurig?« fragte der Schulmeister, »das ist sonst nicht Ihre Art.«

»I hab' halt meine Launen,« antwortete der Gefragte, »hoam soll i geh'n, da möcht' i bleib'n – 's Bier schmeckt mir und arbeiten soll i; d' Feiertag san vor der Thür' und i miserabler Mensch kann mi von mein' Leichtsinn nöd erhol'n.«

»So trinken's halt noch a Halbe und machen's guate Vorsätz,« sagte lächelnd der Lehrer.

»D' Vorsätz wär'n guat, aber d' Nachsätz!« seufzte der Schneider. – »Ach du mein Gott, was ist der Mensch geplagt, der kein Geld nicht hat! Die Nachsätz, das Soll und Haben – bei mir heißt's alleweil »Soll«, alleweil »Soll«! Drum bin i granti. Da sitz i und z' Haus soll i sein; da trink i und z' Haus soll i schneidern; das is hart, wer das nöd empfunden hat, der –«

»Der,« fiel der Schulmeister ein, »kennt nicht die Bedeutung des schönen Liedes:

»Hoam soll i geh'n, da soll i bleib'n,
Meina Muadan soll i d' Erdäpfel reib'n;
Hoam geh i nöd, da bleib i nöd,
Meina Muadan reib i d' Erdäpfel nöd!«

Die gesamte Tafelrunde stimmte in den Gesang mit ein und der »grantige« Schneider sang schließlich selbst mit einer fast meckernden Stimme und mit an Verrücktheit grenzenden Bewegungen mit.

Während des Gesanges kamen mehrere Zuhörer zum Eingange des Verschlages, darunter auch ein alter, ärmlich 56 gekleideter, aber ehrwürdig aussehender Mann, bei dessen Ansichtigwerden sich der Kramerjakl bekreuzte. So hieß der Jäger des Herrn Pladl. Gewöhnlich nannte man ihn aber Kramerkropfet. Er hieß Kramer, hatte einen Kropf, und da es im Walde Sitte ist, den Personen noch einen Beinamen zu geben, hieß er kurzweg: »Kramerkropfet.«

Der am Eingange erschienene alte Mann war ein armer Austrägler eines nahen Dorfes und hieß Zächerl vulgo »Bärnkoppengirgl.«

Der alte Koppengirgl war kaum des Jägers ansichtig geworden, als er kehrt machte und sich mit eingezogenem Kopfe entfernte. Er setzte sich in der Stube auf die Ofenbank, schnupfte, mit pfiffiger Miene nach rechts und nach links hinschielend, seinen Schmalzler und aß die in seinem Maßkruge aufgeweichten Bierbrocken, welche er mit seinem »Nuscherl« vorsichtig herausfischte.

»Der Lumpenkerl!« schimpfte der Kramerjakl, »kann man nöd einmal sein Glas Bier ruhig trinken, tritt ein'n der Hexenmeister ins Garn!«

»So glaubt Ihr wirklich, daß er anbrennt ist?« fragte der Schneider mit der harmlosesten Miene.

»Ob ich's glaub'? G'seh'n hab' ich's und erfahr'n hab' ich's,« entgegnete bestimmt der Jäger.

»So erzählt's, daß man doch auch weiß, wie und wo.«

»Sollt's hör'n!« sagte jener, und man rückte zusammen, um die Hexengeschichte möglichst deutlich zu vernehmen.

»Es war vor etlich'n Jahren. – Oes wißt's, i brauch koa' Kraftpulver, um an' Hasen 's Purzeln z' lerna; aber 57 dazumal gab's eine Zeit, wo mir die Hasen an der Nase vorbeirutschten und i koan troffen hab'. So erging's auch den andern Jagern und wißt's, warum? – Weil's verzauberte Hasen war'n.« –

»Dös is a guate Ausred',« sagte lächelnd der Schneider, »wenn der Jager nix trifft, hat er neunundneunzig Ausreden; das ist die hundertste. He, he, he!«

»Du, Geißbock, mecker' nöd z' voreili, sonst erfahrst auch noch was, das i scho' weiß.«

»Und was denn?«

»Daß di dei' Frau mit'n Stecken holt. Obacht! Hopp, da is 's scho'!«

Und wirklich ging's: piff, paff! auf den Rücken des melancholischen Schneiderleins.

»Du Lump! Du Galgenstrick!« schrie eine weibliche, erhitzte Stimme, »muaß wieder alles versoffen sein und Weib und Kind müassen z' Haus darb'n? Gehst glei hoam oder i drischack di, daß d' an mi denkst!«

»Ob der an sie denkt!« rief der Schulmeister.

Der Schneider errötete vor Scham, stammelte einige Besänftigungsworte zu seiner Frau und glaubte sogar, sich wegen des plötzlichen Abganges von der Gesellschaft entschuldigen zu müssen; deshalb sagte er:

»Nöd wahr, Sie verzeih'n, daß i plötzli hoam muaß, es is was Wichtig's auskemma.« Und staubaus nehmen war eins; die Schneiderin mit der Elle hinten nach, und ein schallendes Gelächter im Hause folgte. –

Es bedurfte geraumer Zeit, bis der Kramerkropfet seine Erzählung von den verzauberten Hasen wieder aufnehmen konnte; dann aber lauschte alles mit gespannter Aufmerksamkeit seinen Worten.

58 »Also, daß i mei' G'schicht auserzähl',« so nahm er das Wort, »so hat si also herausg'stellt, daß d' Hasen von dazumal alle verzaubert war'n, oder daß i mi recht ausdruck, es war'n gar koane Hasen, sondern Teufel in Haseng'stalt zum Aergernis aller christlichen Schützen. Dös kann i aus eigner Erfahrung berichten. Bin i am Anstand g'stand'n hinter an' Buschen, sonst rings auf Schußweiten alles frei; da trillt a Has' an mir vorbei, i ziel' und, Gott straf mi! druck auf zwölf Schritt ab: da giebt's mir a Watsch'n, daß mir der Kopf sechs Wochen lang davon brummt hat, und der Has'? – haß 'n nöt g'seh'n, siehgst 'n nöd aa. So is's mir auf derselbig'n Jagd no' sechsmal ergang'n und statt der sieb'n Hasen hab' i sieb'n Watsch'n kriegt. Aber dös is no' gar nix. Der Daxlnazigirgl von Scheiben hat auf so an' Has'n g'schoss'n und schießt 'n in der Mitt' ab; was g'schieht? der halbete Has' lauft links davon, der halbete rechts, und es entsteht im Holz drin a Glachter, als wenn der höllische Feind an' arme Seel dawischt hätt'.«

»Dös is alles no' nix,« fiel Prannes lachend ein, »i aber hab' g'seh'n, wie die Hasen während da Jagd auf d' Bäum 'naufkraxelt san, zu oberst 'nauf bis auf d' Gipfel, daß 's das best' G'wehr nimmer hätt' erreich'n kinna.«

»A G'spoaß,« sagte der Jäger etwas mißstimmt, daß man seine ernsthafte Erzählung ins Lächerliche zu ziehen schien; »'s giebt koane Hasen, die kraxeln kinna.«

»So?« entgegnete Prannes mit etwas spöttischem Lächeln, »soll i Enk sölle zoag'n?«

»Nacha glaub i's,« erwiderte der Jäger, »aber nöd eher.«

59 »Soll a Wort sein,« sagte Prannes; »iatzt erzählt's nur wieder weiter in Enkara G'schicht'.«

Der Jäger nahm seine Erzählung wieder auf:

»An ander's Mal is große Jagd beim Herrn von Hafenbradl. An vierzig Schützen hat der Herr g'lad'n, trotz mein' Einreden, es sei nix drauß im Wald, als a paar Stuck Rehwildbret, und wenn der Hasenstand fünf Stuck betraget, sei 's eher z' hoch, als z' nieder griff'n. Was g'schieht? In jedem Bogen sein dir acht, neun Hasen, – dös hat man gar noch nöd erlebt; aber g'schoss'n is koaner wor'n. Watsch'n gnua, aber koane Hasen. Die san davon. D' Woll' liegt am Boden und der Schwoaß daneben – verend't am Platz hat koaner. Das kann i selbst beschwör'n; i war dabei und daß a Hexerei im G'spiel, dös war iatzt jedem klar, denn 's kommt wohl vor, daß man oan und 'n andern Hasen fehlt; aber vierzig Schützen, über hundert Schuß, und nöd ein Stück bleibt: a solche Schneiderei is noch gar nöd vorkommen, so lang 's a Weidwerk giebt.

Am Hoamweg aber hat sich's nachher g'schickt, der Sach' auf den Grund z' kommen. Mein Hund, i hab' dazumal noch 'n Hektorl g'führt, springt gaachs in a Dickicht und giebt Laut; i birsch' an in dem Glaub'n, es steht a Wild drin, dieweil, was muaß i seh'n? Sitzt enk der Koppengirgl in der Stauden drin, mäuselstad, den Huat voll Laubern zwischen den Füaßen. Und was treibt er mit den Laubern? Kloane Haserln schneid't er draus, 60 wirft's auf 'n Boden, macht seine Sprücheln drüber, und Gott sei bei uns! Aus den Laubern wer'n leibhaftige Hasen. d. h. was den Leib anbelangt, im übrigen g'hör'n 's auf die ander Seit'. I hab' an' solchen Hasen g'seh'n, wie er aus der Hand vom Koppen entstanden is. »Koppengirgl,« hab' i g'sagt, »was treibst da?« Da wird er blaß und will sein Huat verstecken; aber i tapp danach und greif' in die schönste Hasenwoll. Da geht mir a Licht auf! – I hab' einmal erzähl'n hör'n, daß man aus den Laubern Hasen zaubern kann, wenn man in an' g'wissen Einverständnis is (der Kramer zeigte mit dem Finger ein Teufelshörnchen auf der Stirne an), und wie i den Girgl so von der Seit'n anschau, wird mir die Sach immer klarer und klarer, daß er und koan anderer der Hasenzauberer is. Um mi aber vollständig zu überzeugen, pack i den Janker vom Koppengirgl, der neben ihm am Boden liegt; denn es is eine alte Sach, wenn man a Kleidungsstuck von an' Hexenmoaster schlagt, so g'spürt er selber die Schläg', grad als schlaget man auf sein'n Körper; i also trischack den Janker aus Leibeskräften, und richtig schreit der Koppengirgl »Au und Weh!« und bitt't und jammert, i möcht das Schlagen aufhör'n, er thuat's g'wiß nimmer. Da hab' i aufg'hört und er hat mir schwör'n müssen, daß er niemals wieder Hasen zaubert. Nur unter der Bedingung hab' i ihm das Leben g'schenkt; er hat's beschwor'n und seit der Zeit is mir koa' verzauberter Has mehr unter d' Hand kommen.«

»I meinet doch,« ergriff jetzt Schrenk das Wort, »daß, wenn's Oes alle Hasen für verzaubert halt's, die 's fehlt's, daß noch gnua solche rumlauf'n; was übrigens die G'schicht mit dem Bär'nkoppen anbelangt, so sitzt er draußen am 61 Ofen; der kann uns ja erzähl'n, ob uns der Kramer an' Bär'n aufbunden hat.«

»Ja, ja, dös hat er,« rief jetzt eine zitternde Stimme, »an' großmächtig'n Bär'n noch dazua! An' viel größern, als der war, weg'n dem der Kropfet auf'n Baum kraxelt is, von dem er nachher vor Schreck'n wie a Pudlkua wieder 'runter g'fall'n und ohnmächtig liegen blieb'n is.«

Man wandte sich gegen den Eingang und sah den Koppengirgl, der unbemerkt schon längere Zeit Zuhörer bei des Jägers Erzählung war.

»Nöd weil i Hasen zaubern kann, hab' i bitt,« fuhr er dann fort, »sondern weil mei' Brisilglas in der Tasch'n drin g'steckt is, dös er mir bei ein Haar z'sammg'schlag'n hätt'. Ja, wenn i zaubern könnt, hätt i schon längst bewirkt, daß dem Kramer seine Ohr'nwaschel so lang wern, als sie 's naturg'mäß nach seiner vorigen Erzählung sein sollt'n. I, meine lieb'n Herr'n, kann nix zaubern; hier is der beste Beweis davon.«

Damit zog er seinen ledernen Geldbeutel heraus und stülpte ihn um; es fiel nicht ein Pfennig heraus. Die Gesellschaft blickte fragend nach dem Jäger und in ziemlich unverhohlener Weise lachte man ihm gerade ins Gesicht.

Der Kramerkropfet war wütend über diesen Zwischenfall und gegen den Koppen gewendet schrie er:

»Wenn d' nöd verschwind'st, alter Lump, so –«

»So,« unterbrach ihn Schrenk, »so bleibt er da. Das is nöd christlich von Enk, daß's Oes dem armen Menschen so die Ehr' abschneiden wollt's. I kenn den Girgl lang und hab' noch niemals Ursach g'habt, ihn für an' Lumpen 62 z' halten. Da hast an' Zwanziger, Girgl, so und iatzt bleibst erst recht da. Im Wirtshaus hat ein jeder gleiches Recht, der zahlt. Der Girgl bleibt!«

»Ja, ja,« riefen alle andern, »der Schrenk hat recht, das darf nöd sein.«

»So; wenn enk der Girgl, der Lumpenkerl, lieber is, als i, so kann er mein' Platz einnehmen. I dank für die Ehr, neben ihm z' sitzen,« meinte der Jäger.

»Thuat's, was 's wollt's,« sagte Schrenk. »Es hoaßt Enk neamd geh'n; wenn 's aber durchaus nöd dableib'n wollt's, so is das auch grad koa' Unglück für uns.«

Der Jäger war nicht imstande, das Gelächter zu ertragen.

»Wenn i mein' Zwilling da hätt', wüßt i, was i thät,« sagte er mit wütender Stimme zu Schrenk.

»Und was thät't 's? Umhängen thät't 's 'n und d' Thür zumach'n, aber von außen.«

»Fried'! Fried'! meine Herrn!« beschwichtigte jetzt der Schulmeister, »für heut' ist's genug. Was soll'n die Reden hin und her? Sei g'scheit, Schrenk, und du, Kramer, bist alt genug zum Verstand annehmen.«

»Mei' Schuldigkeit, Wirt!« rief der Jäger, und nachdem er das nötige Geld hingeworfen, erhob er sich mit den Worten: »In dieser Gesellschaft sehgt's mi sobald nimmer!«

Unter allgemeinem Gelächter verließ er dann das Gemach und begab sich auf die Sommerau, um im dortigen Wirtshause seinen Aerger zu vertrinken. Der Bärenkoppengirgl wurde dagegen eingeladen, den verlassenen Platz des Jägers einzunehmen, und es wurde ihm auf Schrenks Geheiß eine Maß hingestellt.

»I will aber die Herrn gar nöd inkommodier'n,« 63 sagte er, »auf der Ofenbank draußen sitz i auch guat, denn i bin's nöd g'wohnt, in so vornehmer G'sellschaft z' sein. Wenn's mi aber da leid'ts, so schänd' i den Tisch auch nöd.«

Alle Anwesenden gaben ihm zu verstehen, daß er sich ohne Anstand zu ihnen hersetzen und ihre Unterhaltung teilen möge, eine Einladung, die den Alten sichtlich erfreute.

Der Bärenkoppengirgl trug eine Pelzkappe, einen alten, grünmanchesternen Janker mit hohen, bleiernen Knöpfen, eine gestreifte Weste, kurze, lederne Hosen, dicke gewirkte Strümpfe von grauer Schafwolle und festgenagelte, mit Holzsohlen versehene Schuhe. Aus seinem unrasierten, mit grauen Haarstacheln reich versehenen Gesichte blickten zwei kleine, schlaue, von roten Augenlidern eingefaßte Aeuglein unter einer niederen Stirne und wulstigen Augenbrauen hervor. Seine kleine Stumpfnase war im richtigen Verhältnisse zum kleinen Munde, in welchem, trotz des hohen Alters des Koppen, – er mochte über siebzig Jahre zählen, – fast kein einziger Zahn fehlte.

»Auf 'n Kramerkropfet sei' Reputation hin,« nahm er jetzt das Wort, »därfen mi die Herrn nöd verdammen, und wollt's die Ursach hör'n, von seiner Wuat auf mi, so kann i enks erzähl'n.«

Man ermunterte den Alten, die Geschichte zum besten zu geben, und derselbe war hierzu sogleich bereit.

»'s is über dreißig Jahr her, daß aus 'n Böhmischen nöd weniger als fünf Bär'n auf einmal ummakemma san ins Boarisch und sich am Ossa oben festg'setzt hab'n. D'rauf is a große Jagd veranstalt't worn und sackera! hat's mi g'stoch'n, so a Hetz mitz'mach'n. I bin dort scho' a 64 mantelmäßiger MannVerheiratete Männer tragen im bayerischen Walde zum Zeichen der Würde ihres Standes bei gutem und schlechtem Wetter über ihr Feiertagskleid einen Mantel, daher der Name »Mantelmäßiger Mann«. g'west und mei' Wei', Gott tröst's! hat große Aengst'n g'habt und große Not. »Girgl,« hat 's g'sagt, »thua mir dös nöd an und laß di fress'n von die Bär'n, schieß nöd ehnda, bis d' es dalanga kannst, und ruaf dein' Schutzpatron, den heiligen Georg, an, daß er dir beisteht in der G'fahr!« Dös hab' i ihr g'hoaß'n und mit viel'n andern Förstern, Jagern und Bauern bin i auszog'n auf d' Bär'n. Der Kramerkropfet, – er war dazumal Jagersg'hilf und schon viel bekannt wegen sein' g'ringen Verstehstmi und sein' Dadera vor allen Sach'n, wo's golt'n hätt', a Schneid z' hab'n, – war auch dabei. Bei jedem gaach'n Schrecken is ihm der Schnaufer ausgangen und is er ohnmächti hing'fall'n wie a Mamsell in der Stadt, wenn's nix anders mehr z' thuan woaß. Da könnt' i gar lustige Stuckln erzähln, aber i kommet z'weit ab von der Bär'njagd. Also dös Ding war guat, wir steig'n auf'n Ossa und stell'n uns z'naachst bei der kloan' Spitz um an' Bär'nriegel 'rum auf 'n Anstand. Der Kramerkropfet steht neben mir auf etli sechzi Gäng. D' Hund wern in 'n Riegel lass'n, und koane fünf Vaterunser lang steht's an, san 's 'n Bär'n auf der Spur. D' Jagd kommt grad her, wo i steh und der Kropfet und – Gnad' Gott! da is der Bär scho' aa! Der Kropfet schießt und fehlt, er schießt no' amal und fehlt wieder – Gnad' Gott! iatzt läuft der Bär schnurgrad auf ihn zua; der 65 Kramer wirft sei' Bix weg und kraxelt auf an' Baum, – der Bär ihm nach, denn daß der Bär kraxeln kann, hat er in sein' Schreck'n vergess'n. »Ui jegala!« schreit er iatzt, »aus is's und gar is's! Un weh und ach!« wie man's hat hab'n woll'n. Der Bär erschrickt völli über dös fürchterliche G'schroa, thuat an' Knurra, kraxelt vom Baam wieder awa und will Reißaus nehma; da aber kracht's aus meiner Bix und pautsch! liegt er da und brüllt und wälzt si in sein' Bluat. Der Kropfet aber is vom Baum g'fall'n wie r a Pudlkua vor lauter Schreck'n und is wie maustot lieg'n blieb'n lange Zeit.

»Wie nachher d' Jaga komma san und den Bär'n g'seh'n hab'n – den Augenblick vergiß i nimmer, so lang i leb; so a G'fühl kann ma nur im Himmel hab'n, und nöd amal dort, wenn's koane Bär'n z' schieß'n giebt! Zum Jagküni hab'n 's mi g'macht, fünf Gulden Schußgeld hab'n 's mir zahlt und d' Haub'n hab'n 's awa zog'n vor mir, wie 's d' Häusler vor an' Bauern thuan; und in der Lam hab'n 's mir an' Bär'neinzug g'halt'n, wie 's nimmer dahört is worn seit selbiger Zeit. Mei' Wei' hat g'flennt als wie r a Deandl, hat d' Bärnpratz'n g'opfert und seit der Zeit hoaß'n 's mi den Bär'nkoppengirgl.«

Dem Alten glänzten die Augen bei der Erinnerung an jenen für ihn ewig unvergeßlichen Tag, und indem er lächelnd den übrigen zuwinkte, nahm er zuerst eine Prise Schmalzler, dann aber griff er nach dem Kruge und trank auf das Andenken jenes Ehrentages in kräftigen Zügen. Alle Anwesenden stießen mit ihm an, und es fehlte nicht viel, daß der Alte vor lauter Freude über diese ihm widerfahrene Ehre geweint hätte.

66 »Und der Kropfet,« fragte jetzt Schrenk, »wie is der wieder lebendig worn?«

»Wie er g'merkt hat,« entgegnete der Zächerl, »daß der Bär erschoss'n is, hat er si von sein' Schrecken erholt und is wieder aufg'stand'n. Natürli hat alles drüber g'lacht. Er hat si nur tot g'stellt, hat 'r g'sagt sagt 'r, daß 'n da Bär für an' Aas halten sollt', wenn i nöd g'schoss'n hätt', denn 's is an' alte Sach, daß die Raubtier nur a lebendig's Fleisch mög'n und außer der Hyän gar niemals oans an' toten Körper anschneid't. Und seit dera Zeit kann er mi nimmer schmeck'n; daß i so g'acht bin worn und er so ausg'lacht, hat 'n kränkt. Wer ihm 's weiß g'macht hat, dös woaß i nöd, aber er glaubt's fest, daß i mit an' Kraftpulver den Bär'n damals g'schoss'n hab', denn er glaubt an' Hexen und Geister wie an verzauberte Hasen. Aber i krieg 'n scho' no' dran!«

Man lachte über Zächerls Erzählung und der Kramerkropfet war noch vielseitig die Zielscheibe des Witzes von der Tafelrunde.

Prannes gab noch einige lustige Huderln zum besten, welche die Gesellschaft in der heitersten Weise unterhielten; dann aber nahm der Lehrer die Zügel der Unterhaltung in die Hand, indem er die Guitarre zu spielen begann und Lieder zum besten gab, welche alle Anwesenden im Chore begleiteten.

Es wurde spät, bis die Gäste nach und nach das Wirtshaus verließen, und bald saßen nur mehr die Hüttenleute und der Koppengirgl an der Tafelrunde beisammen. Als auch dieser gehen wollte, lud ihn Schrenk ein, noch eine Maß auf seine Rechnung zu trinken.

67 »Thät' 's recht gern,« entgegnete der Alte, »aber i hab' heunt nacht noch a G'schäft vor und da muaß i z'erst noch etli Stund schlaf'n.«

»Vielleicht wieder a Hexeng'schäft?« fragte lachend Schrenk.

»I denk',« antwortete Girgl, »es soll mir ohne Hexerei glücken, an' Auerhahn abz'bäumen

»Woaßt an' Platz?« fragte Schrenk leise und neugierig.

»Mehr als oan,« entgegnete mit zufriedener Miene und schmunzelnd der alte Wildschütz.

»In der Staatswaldung oder im Kramerkropfet sein' Revier?«

»Nach der Auswahl, i hab 's an mehr als sieb'n Plätzen verhört und erst heut fruah bin i an' oan ang'sprung'n und bei meiner Hirwa liegt er eingrab'n.Man gräbt das Fleisch dieses Vogels einige Tage in die Erde, um es mürbe zu machen, bevor man es im Essig kocht und dann auf Wildbretart zurichtet.«

»Girgl, i geh mit dir,« sagte jetzt Schrenk entschlossen und sein Auge blitzte vor Begierde nach dem Gewinne eines so stolzen Vogels.

Prannes war jedoch nicht so schnell einverstanden; im Gegenteil machte er Einwendungen, welche selbst Schrenk auf einige Augenblicke anders bestimmen konnten, – aber schließlich blieb er doch bei seinem Entschlusse.

»Es g'langen nöd zwanzig Hahn, die i schon abbäumt hab' und i hab' iatzt noch neamd g'fragt,« meinte er.

»Der Kropfet därft grad heunt nix wissen,« entgegnete der Schmelzer, »der Mensch wär völli imstand, dir oans 'nauf z' belz'n.«

68 »O mei',« sagte der Girgl, »bis der morgen den ersten Fuaß aus 'n Bett hebt, hab'n wir schon zwoa Auerwild in sicher'm Verwahr. I muaß iatzt geh'n. Punkt halbe Zwoa komma z'samm naachst Eggersberg, wo der Steig auf'n Ossa führt; das Kreuz vor'm Hochwald is unser Zusammenkunft.« Und einigemal ermunternd mit dem Kopfe nickend, ging er fort.

Niemand im Hause hatte diese Verabredung gehört. Der Wirt schnarchte auf einem ledernen Großvaterstuhl und draußen in der Wirtsstube waren nur mehr wenige Hüttenleute beisammen. Diese waren aber in einer so lebhaften Unterhaltung begriffen, daß sie nicht einmal darauf achteten, was in dem Verschlage an der Tafelrunde ausgemacht wurde. Aber außer dem Hause hatte sie jemand belauscht und gerade derjenige, dem diese Jagd am ersten ein Geheimnis bleiben mußte. Der von Sommerau wieder zurückgekehrte Kramerkropfet hatte, vor dem Laden lauschend, alles gehört, was drinnen abgemacht wurde: er drohte mit der Faust hinein und machte eine glückliche Miene, daß sich so bald Gelegenheit fand, sich an dem stolzen Schrenk zu rächen. Als der Koppengirgl das Zimmer verließ, versteckte er sich hastig hinter einem Holzhaufen, wartete bis die beiden Glasmacher das Haus verlassen hatten, und begab sich hernach zum Schrecken des Kellermeier wieder in die Gaststube. Er verlangte noch eine Maß Bier und legte sich dann auf die Ofenbank, um hier zu übernachten, da er morgen, wie er sagte, in aller Früh ein wichtiges Geschäft hätte.

Schrenk und Prannes wanderten nach der Hütte. – Es war eine prachtvolle Nacht. Des Mondes goldene 69 Sichel schimmerte gerade über dem Ossagebirge, nach welchem der leidenschaftliche Wildschütze sehnsüchtig hinblickte.

»I muaß doch für 'n Franzel an' Osterbrat'n herricht'n,« sagte er zu seinem Freunde. »Aber dei' Frau muaß 'n richt'n und wir speis'n dann in Gesellschaft.«

Der Schmelzmeister lachte. »Kennst die G'schicht von der Bär'nhaut?«

»Ja, ja; aber wenn d' Hoffnung nöd wär', schleichet i mi g'wiß nöd außi in d' Wälder, um was zu erleg'n. I find nix Unrechts drin, bloß was G'wagt's, und wer nix wagt, der g'winnt nix; dös is mei' Glaub'n.«

Im Hüttengebäude angekommen, trennten sich die beiden Freunde, um sich in ihre Wohnung zu begeben. Franz stand mit einem Lichte unter der Thüre, den Vater zu begrüßen. Er war noch nicht zu Bette gewesen, sondern hatte infolge seines heutigen Vorsatzes, Hüttenherr zu werden, in einem Rechenbuche so eifrig studiert, als ob er schon morgen ein solches Amt übernehmen müsse, und überdies wollte er auch seinen Vater noch wachend erwarten.

Schrenk richtete seinen Schießzeug zurecht und gab dem fragenden Blicke des Knaben nur ausweichende Antworten. Franz, des Vaters Vorhaben erkennend, konnte aber nicht mehr länger an sich halten, ihn vor Pladl und dem Jäger zu warnen und zu bitten, nicht mehr hinauszugehen zum Wildern, wo sein teures Leben einer so großen Gefahr ausgesetzt sei. Er sagte ihm alles, was er von dem Hüttenherrn und dessen Familie seit gestern zu erdulden gehabt, er erzählte ihm's mit Thränen in den Augen und bat so eindringlich, daß ihm der Vater gewiß nachgeben mußte.

Der alte Schrenk hörte seinen Sohn ruhig an. Er saß auf dem alten, ledernen Sopha; den rechten Ellbogen 70 auf das Knie gestützt, lehnte er seinen Kopf in die Hand und schien über Franzens Erzählung ebenso ergriffen, als nachdenkend; als aber dieser näher zusah, war der Vater in festen Schlaf versunken und somit die ganze schöne Rede in den Wind gesprochen. Schrenk schlief so fest, daß ihn Franz gar nicht aufwecken konnte; deshalb nahm er ihn bei den Füßen und legte ihn bequem auf das Sopha, schob einen Polster unter seinen Kopf und in der gewissen Hoffnung, daß es für heute nacht mit der Auerhahnfalz vorüber, schlich sich der junge Student in die an die Wohnstube stoßende Schlafkammer und war eingeschlafen, noch bevor er seinen Abendsegen vollendet.

Armer Franz, hättest du geahnt, daß einige Stunden später dein Vater geräuschlos das Haus verlassen und dem Hochwalde zueilen würde: dein Schlummer wäre weniger friedlich gewesen; denn während du in süßen Träumen befangen fortschlummerst, droht dem Vergehen schon die Strafe und hängt an schwachen Fäden deines Vaters Leben. 71


 << zurück weiter >>