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Hilferufe aus Teschen

Ein anderes Antlitz, eh sie geschehen,
Ein anderes zeigt die vollbrachte Tat.

Schiller.

Kleinberg selbst wandte sich, nachdem er auf Bettelheims Verlangen seine eigenen Abänderungen zurückgezogen und dadurch die Beseitigung seines Aufsatzes veranlaßt hatte, beschwerdeführend gegen de Gruyter an den Schutzverband deutscher Schriftsteller in Berlin. Der Wortlaut der Beschwerdeschrift ist mir bisher nicht bekannt geworden, wohl aber die Antwort. Der Schutzverband sandte nämlich seine beiden Vorstandsmitglieder Kinzel und Breuer zu de Gruyter und diese erteilten dem Gesuchsteller Kleinberg nach genauester Prüfung des Sachverhalts folgende Abfuhr:

Schutzverband deutscher Schriftsteller an Dr. de Gruyter.

Berlin, 6. Juni 1918.

Nachdem wir die uns vorgewiesene Korrespondenz aus der Angelegenheit Bettelheim – Kleinberg / May – de Gruyter geprüft haben, um festzustellen, inwieweit Ihrerseits Herrn Professor Bettelheim und damit der Freiheit des Schrifttums Unrecht zugefügt worden ist, müssen wir erklären, daß solche Annahme nicht bestätigt worden ist. Wir haben aktenmäßig bewiesen gefunden, daß Sie als Verleger in vollem Maße Ihre Pflicht getan haben. Sie haben sich schützend vor Herausgeber und Autor gestellt und dies, obgleich Sie von vornherein, das heißt, nachdem Sie den Wortlaut des inkriminierten Artikels kennengelernt hatten, sich nicht mit ihm identifizieren wollten. Wir müssen ferner zugeben, daß die Möglichkeit sehr groß war, daß aus dem fraglichen Nekrolog ein Strafverfahren gegen Sie erwirkt und ebenso zivilrechtliche Forderungen geltend gemacht werden könnten. Besonders die Stelle des Nekrologs, die der noch lebenden ersten Frau des Karl May »die abscheulichsten Dinge« nachsagt, hätte im Fall eines Strafprozesses mit Sicherheit zu einer Verurteilung geführt. Aber auch die Stelle, die Karl May Einbrüche und Raubanfälle nachsagt, ohne, wie sie selber feststellt, den aktenmäßigen Beweis hierfür erbringen zu können, hätte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wegen Verunglimpfung eines Toten eine Verurteilung zur Folge gehabt.

Wir haben auch festgestellt, daß der Autor des Nekrologs, Herr Professor Kleinberg, die vom Karl-May-Verlag beanstandeten Stellen, zu denen auch die beiden oben genannten gehören, abzuändern bereit gewesen ist. Wir haben diese an sich geringfügigen Abänderungen eingesehen und dabei zugleich festgestellt, daß durch sie der entscheidende und kritische Charakter des Nekrologs in keiner Weise geändert worden wäre. Wir haben nicht feststellen können, warum Herr Professor Kleinberg diese von ihm bereits vollzogenen Änderungen wieder rückgängig gemacht hat. Unter diesen Umständen hatten wir keine Veranlassung, gegen eine Rechtsbeschränkung der freien schriftstellerischen Meinung zu protestieren.

Nun flüchtete sich Kleinberg zu Ferdinand Avenarius in Blasewitz bei Dresden und schrieb ihm einen Brief, den ich dem zweiten Juni-Heft 1918 des Deutschen Willens entnehme:

Sie haben den May-Rummel und die May-Reklame schon so oft abwehren müssen, daß Sie und Ihre Leser der jüngste Vorstoß des May-Verlages gegen die freie wissenschaftliche Forschung interessieren wird.

Für den 18. Band des »Biographischen Jahrbuches und deutschen Nekrologes« verfaßte ich im Auftrage von dessen Herausgeber Anton Bettelheim eine kurze Biographie Karl Mays und schickte davon dem May-Verlag in Radebeul einen Sonderdruck ein. Der May-Verlag, vertreten durch den einstigen Gegner Mays in den Münchmeyer-Prozessen, Dr. Gerlach, und zwei in meinem Nekrolog erwähnte Künstler verlangten vom Verleger des Jahrbuches, Gg. Reimer in Berlin, unter Klagedrohung Zurückziehung des Bandes, und zwar rügten sie nicht nur einzelne beweisbare Stellen, sondern auch den Ton meiner Darstellung, als ob dem May-Verlag darüber eine Zensur zustände. Nachdem Herr Prof. Dr. Bettelheim das über May vorliegende Material geprüft hatte, lehnte er, um die Freiheit der wissenschaftlichen Kritik zu wahren, das Ansinnen ab, meinen Nekrolog aus dem Jahrbuch zurückzuziehen, und auch der Reimersche Verlag stellte sich zunächst, allerdings unter dem Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung, auf meine Seite. Am 15. Dezember 1917 entschloß er sich aber, dem Drängen des May-Verlags nachzugeben, und teilte mir am 22. Januar 1918 mit, daß er meinen Aufsatz durch einen anderen ersetzen werde. Darauf trat Prof. Dr. Bettelheim, der schon am 21. November 1917 seine weitere Tätigkeit als Herausgeber an den unveränderten Bestand des 18. Bandes geknüpft hatte, von der Herausgabe des »Jahrbuches« zurück, mir aber erübrigt nur, ihm für die entschlossene Verteidigung einer freien, unabhängigen Forschung von ganzem Herzen zu danken.

Da Avenarius an dem Artikel seines Schützlings diejenigen »kleinen Änderungen« vornahm, die ich im nächsten Abschnitt kennzeichne, so liegt die Vermutung nahe, daß auch der obige Brief Kleinbergs »kleine Änderungen« erfuhr, was sich wohl noch eines schönen Tages herausstellen wird.


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