Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Statt eines Vorworts


Es war im Frühling. Die Erde war wieder daran, sich zu erneuern, und streckte tausend Arme der Sonne entgegen, ließ sich durchsonnen, durchleuchten, durchwärmen. Und fing an zu blühen.

Es war wie immer. So natürlich und so wunderbar wie immer.

Tief unten im Keller standen die Blumentöpfe, die man über den Winter dahin geflüchtet hatte.

»Nun ist es Zeit, nun holt sie herauf und tragt sie in die Sonne,« sagte der, dem sie gehörten.

Und als man sie besah, da hatten sie im Dunkeln dennoch getrieben. Unkräftige, farblose Schossen, aber alle in die Höh', in die Höh', dem bißchen Licht nach, das durch einen Spalt zu ihnen herunterkam. Das fühlten sie, daß irgendwo mehr sei, und sie wollten auch davon haben.

Sonne wollten sie haben, Licht, Wärme, Kraft.

»Gebt uns einen Platz an der Sonne,« sagten die ausgestreckten Pflanzenarme. Und den bekamen sie nun auch. Denn es ist dort viel Platz; mag leicht sein, daß jedem sein bescheidenes Teil davon wurde. Und nun konnten sie ja vollere Triebe entfalten.

 

Sie wollten alle auch einen Platz an der Sonne haben, die Leute, die in diesen Blättern versammelt sind.

Es gibt so mancherlei Schatten und soviel Sonnenhunger auf der Welt, bewußten und unbewußten.

Davon ist in diesem Buch geredet. Und auch davon, daß sich die nicht täuschen, die, wie die Pflanzen im Keller, verlangende Triebe nach dem Licht hinsenden und ahnen, daß mehr da sei, als sie nun davon haben.

Ob sie sich selbst im Schatten stehen, wie der Großvater, der so spät das Lachen gelernt hat, ob sie sich nach Liebe sehnen, wie der mutterlose Bub' und die Magd Rosel, ob die Früchte allzuspät reifen wollen, wie bei der, die tat, was sie wollte, oder ob der Wanderer in »Unterwegs« ein Licht über den Abgrund hin erspähen möchte – sie haben alle Sonnenhunger. Ich will nicht versprechen, daß er gestillt worden sei. Dazu gehört viel. Das ist leichter gesagt, als erlebt. Denn wem der Hunger gestillt ist, der muß satt sein, ganz, und wer kann sagen, daß er das sei?

Aber sie empfingen doch alle ein Grüßen und auch noch mehr.

Doch, das wird man ja finden.

Und eines Tages werden sie auch satt geworden sein.

Aber das steht in einem anderen Buch.


 << zurück weiter >>