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Eine Heckenrose zwischen heissen Steinen

Diese Nacht ist farbiger Tau gefallen, der an der Sonne nicht vergeht: die Primeln blühn! Im Gebüsch am Waldrand blitzen bunte Anemonen, und an den sonnigen Plätzen breiten sich Hyazinthen und gelbe Narzissen aus. Die schönsten Narzissen, die Dichternarzissen, haben ihren Kelch noch nicht geöffnet, doch duften sie schon weit hinaus.

Die Kaiserkronen, gelb wie unreife Zitronen und rostbraun, riechen nach Tiger unter den parfümierten Veilchen.

Unter dem Blütenfall der Blutjohannisbeere schäumt die japanische Schneekirsche. Von dort fließen die Krokusse über den Rasen und bilden einen See, der morgens im Dampfe wogt... Sind sie nicht wie die letzten Kreuzzügler, diese Krokusse? Gelb, rot, blau, lila, purpur, weiß waren die Farben. So licht sind sie, daß man sie als Farbe entdeckt. Das ist die Farbe Rot, das die Farbe Gelb, das die Farbe Weiß reiner als in den Pokalen der Drogisten, und dies das katholische und apostolinische Lila. Wenn man sie später am Tag sieht, fröstelt man leicht. Es ist ein wenig zu hell, ein wenig zu luftig auf dem Rasen! Die Tausendundeine Nacht, über der es plötzlich Tag geworden ...

Hoch oben im Wald, zwischen heißen Felsen, habe ich eine Heckenrose gefunden, die schon blüht. Ein Wunder!

Man hat gut sagen, der Mensch sei so alt, wie er sich fühle. Es gibt einen Hauch auf der Haut, der noch der Lebensodem selbst ist, Knaben, Mädchen, in rosigen Morgenwind gekleidet, Tage mit einem Nachgeschmack wie von Erdbeere und Pfirsich. Man lebt sie nicht zum zweitenmal.

Als man sie aber lebte, wußte man nichts davon. Unser schönstes Alter gehört nicht uns, sondern den andern. Wir stehn alle unser Leben lang als Bettler davor ...

Jacquot, du weißt nicht, wie köstlich du bist!


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