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Die Klagen über den Unglauben unserer Tage sind kaum gerechtfertigt. Im Gegenteil, es dürfte sich unschwer beweisen lassen, daß zu keiner anderen Zeit neben der Glaubenslosigkeit eine so unerschrocken durch dick und dünn gehende Gläubigkeit vorhanden gewesen sei. Und sonderbarerweise manifestiert sich dieser entschlossene Glaubenseifer insbesondere auf einem Gebiete, das den Todfeind von jenem als legitimen Herrscher anerkennt, auf dem Gebiete des Einmaleins. Man hat den Materialisten vorwurfsvoll mit Mephisto zugerufen:
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern;
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht;
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht ...
aber das ist ein höchst ungerechter Vorwurf. Der Materialismus unserer Zeit klebt keineswegs sklavisch am Stoff – bewahre! Er operiert vielmehr oft, sehr oft mit dem puren, blanken Nichts, sofern man nämlich die Leichtgläubigkeit und blinde Gier der Menschen als ein Nichts bezeichnen will, und das Organ der Phantasie ist bei ihm nicht weniger entwickelt als bei einem Mönche zur Zeit der Kreuzzüge, nur nach einer anderen Seite hin. Seid still, ihr Herren Poeten! Eure Klagen über den Materialismus sind nur insofern begründet, als er euch Konkurrenz macht, bedrohliche Konkurrenz, und zwar, kaufmännisch zu sprechen, in eurem eigenen Hauptartikel. Ja, er konkurriert mit euch in der Erfindung, und jeder Tag liefert den Beweis, daß er euch darin weit überflügelt hat und den Markt vollständig beherrscht. Geht es noch eine Weile so fort, kann es nicht ausbleiben, daß die Firma Apoll und Komp. vor der Firma Mammon und Söhne völlig die Flagge streichen muß.
»Mein lieber Herr Hellmuth,« sagte der Herr Oberst zu mir, als ich mich am folgenden Morgen in seinem Kabinett eingefunden hatte, »die Spekulation, um welche es sich handelt, ist diese. Sie wissen, das Eisenbahnfieber hat auch bei uns zulande zu grassieren angefangen und dürfte binnen kurzem seinen Höhepunkt erreichen. Der Geschäftsmann muß solche Krisen benutzen: das ist sein Recht und seine Pflicht. Wir haben in letzter Zeit mit den Papieren der Eisenbahngesellschaften, die sich bei uns bildeten, schon recht hübsche Geschäfte gemacht. Die Operation ist sehr einfach. Man zeichnet gleich zu Anfang eine möglichst große Anzahl Aktien, und wenn der Kurs auf die möglichste Höhe hinaufgeschraubt ist, wenn das Publikum von nichts mehr träumt und redet als von der Eisenbahnherrlichkeit, schlägt man sie los. Indessen hat diese Seite der Eisenbahngeschäfte bereits den ersten Reiz der Neuheit verloren und demnach auch die Aussicht auf große Gewinnste. Ich bin daher auf eine neue Idee geraten, die mir Gelegenheit geben soll, einen großen Schlag zu tun ... Wie Sie wissen, haben infolge lebhaften Fabrikbetriebs bei uns die Holzpreise bereits eine ziemlich bedeutende Höhe erreicht. Durch den Betrieb der Eisenbahn müssen die Holzpreise sofort noch beträchtlich steigen. Dies berechnend, will ich eine Steinkohlenspekulation machen, die sehr lukrativ ausfallen muß; es kann gar nicht fehlen.«
»Man hat also endlich das Langgesuchte gefunden, ein Steinkohlenlager?«
»Das gerade nicht ... Warten Sie nur, Sie werden mich sogleich begreifen. Einheimische Kohlen fehlen uns, wir müssen sie schaffen oder wenigstens vorderhand eine Kohlenkompanie. Verstehen Sie?«
»Nicht ganz.«
»Aber das ist ja das Einfachste von der Welt. Alles hungert nach Steinkohlen, welche unserem Eisenbahnwesen sozusagen erst den rechten Bogen geben würden. Es muß also ein Steinkohlenlager schlechterdings entdeckt werden, und zwar jetzt entdeckt werden, wo, wie gesagt, das Eisenbahnfieber noch grassiert. Wir treffen also die passenden Maßregeln. Ein Professor der Naturwissenschaften, auf den ich mich verlassen kann, ist gewonnen. Wir bedürfen aber zunächst auch noch einer Feder, welche in den Zeitungen den gehörigen Lärm schlagen kann. Diese Feder sollen Sie führen.«
»Freilich. Sie schreiben, ohne Kompliment, einen guten Stil, und bei dieser Gelegenheit dürfen Sie nicht nur, sondern müssen Sie sich Ihrem alten Hange, möglichst blumenreich und poetisch zu schreiben, mit allem Eifer hingeben.«
»Aber, Herr Oberst, wo ist denn das Kohlenlager?«
»Unpraktische Frage! Wo es ist? Denke, droben am Kärtschenstock oder auf der Sandalp oder sonstwo. Der Professor wird das schon besorgen. Wofür wären solche Leute sonst da? Er wird sagen, das Kohlenlager ist gefunden. Schon das wird großen Jubel in Israel erregen. Dann kommen Sie, Herr Hellmuth, und eröffnen in den beiden einflußreichsten hiesigen Zeitungen – für die Aufnahme Ihrer Artikel stehe ich – den Feldzug mit pikantem Geplänkel, das heißt mit mysteriösen Winken und Andeutungen. Ist dadurch die öffentliche Aufmerksamkeit erregt, so rücken Sie mit dem schweren Geschütze vor, das heißt mit Lokalbeschreibungen, die möglichst poetisch gewürzt sein sollen, und dann mit einer recht geschäftsmäßigen Auseinandersetzung der ungeheuren Wichtigkeit der Sache, wie dadurch dem Eisenbahnwesen, der Industrie, der Hauswirtschaft ein ganz neuer Aufschwung bevorstehe, und dergleichen mehr. Je mehr Sie die Einbildungskraft der Leute in Flammen setzen, je mehr großbrockige Redensarten von öffentlicher Wohlfahrt, Steigerung der Zivilisation und dergleichen unpraktischem Zeug mehr Sie ausgehen lassen, desto besser. Ich bürge Ihnen dafür, die Leute werden bald die ganze Welt für ein Steinkohlenlager ansehen. Ist es so weit, so entwerfen Sie ein wundervolles Programm, auf Grund dessen wir eine Kohlenkompanie bilden, zu deren nominellem Direktor ich den gewandten Burschen, den Ziegenmilch, ausersehen habe. Man wird sich um die Aktien reißen. Wir sichern uns natürlich unter eigenem und fremdem Namen die Masse derselben, um sie, während das Unternehmen recht en vogue ist, mit mächtigem Profit zu verkaufen.«
»Aber, Herr Oberst, entschuldigen Sie, das ist ja ein –«
»Geschäft, wollen Sie sagen? Allerdings, und zwar zweifelsohne ein höchst profitables.«
»Aber die Natur dieses Geschäftes –«
»Ah bah, der Geschäftsmann hat nicht nach der Natur eines Geschäftes zu fragen, sondern nur danach, ob es vorteilhaft oder unvorteilhaft sei. Mit Katechismusmoral macht man keine Geschäfte, mein lieber Herr Hellmuth.«
»Aber das Kohlenlager ist ja gar nicht vorhanden. Sie spekulieren also mit einem und auf ein Nichts und –«
»Aha!« unterbrach mich der Herr Oberst, indem er seine Brille aufhob und mich mit einem Blicke gutmütigen Spottes ansah, »sehe, daß Sie in dieser Geschäftsbranche ebensowenig bewandert sind wie Herr Bürger. Nun, ich muß sehen, daß ich ohne die beiden Herren mit dem Unternehmen fertig werde, und mit Theodor und Herrn Ziegenmilch mich behelfen.«
»Brr!« machte ich, als ich die Treppe hinabstieg, und schüttelte mich wie ein nasser Pudel. »Ich sehe schon, daß ich nicht dazu gemacht bin, die Menschheit anzukohlen.«
Nachmittags ging ich, Ziegenmilch und Komp. meinen Besuch zu machen und von dort aus die Blumenausstellung zu besuchen, auf welche mich Fräulein Kippling bei Tische aufmerksam gemacht hatte. Sie hatte sich mit ruhiger Freundlichkeit gegen mich benommen, aber meinen bescheidenen Versuch, sie über ihren Besuch in Rothenfluh sprechen zu machen, scheinbar gar nicht beachtet. Ihr dagegen war es besser gelungen, mich erzählen zu machen, und nachdem ich ihre Neugierde hinsichtlich Roms, Neapels und Genuas, Valencias und Granadas möglichst befriedigt hatte, sagte sie lächelnd: »Da sieht man doch einmal, daß auch ein Kaufmann mit einigem Nutzen erzählen kann.« Dann abspringend, warf sie in eigentümlichem Tone die Äußerung hin: »Da Sie, Herr Hellmuth, zu Rom im Kolosseum gestanden haben, können Sie mir vielleicht sagen, ob es wohl Lord Byron mit dem Fluche, welchen er laut des vierten Canto von Childe Harold an jener Stelle ausgesprochen hat, ernst gewesen sei.« – »Mit dem Fluche, Fräulein?« – »Nun ja, mein Herr; Sie erinnern sich doch? My curse shall be forgiveness!« ... Bevor ich erraten konnte, welchen Bezug ich dieser Bizarrerie geben sollte, mischte sich der Herr Oberst ins Gespräch und nahm daher dasselbe eine andere Wendung.
»Mein Fluch, er sei – Vergebung!...« Ich grübelte über die Bedeutung nach, welche dieses Zitat aus der erhabensten Ausströmung der Byronschen Muse im Munde Julies möglicherweise haben könnte, als ich an einer Straßenecke fast Nase an Nase mit dem berühmten Redakteur der »Konservativen Hetzpeitsche« zusammenstieß, was daher rühren mochte, daß die genannte Person mit andächtig gen Himmel gerichtetem, ich aber mit nachdenklich zur Erde gesenktem Blick einherkam.
Von weitem hätte ich übrigens Herrn Rumpel gar nicht erkannt, denn statt des gentlemanliken Anzugs eines »höllisch flott« lebenden »Weltgenies« von Journalisten trug er einen langen, fast bis zu den Knöcheln hinabreichenden schwarzen Rock, eine hohe, steife weiße Halsbinde, auf schlicht an den Ohren niederhängenden Haaren einen sehr breitkrämpigen Quäkerhut und unter dem Arme ein großes Buch mit Goldschnitt und schwarzem Einband, welches sehr heilig aussah.
»Beim Zeus,« rief ich verwundert aus, »wie sehen Sie drein, bester Rumpel? Was soll die Maskerade am hellen Tage?«
»Maskerade? lieber Bruder in Jesu,« entgegnete der Angesprochene mit zuckersüßer Miene. »Bitte, behelligen Sie meine Ohren nicht mit solchen sündhaften Worten. Ich trage das Kleid der mir auferlegten Mission. Mögen die Spötter darüber spotten, ich lasse mich auslachen um Christi willen.«
»Nun, Herr Rumpel, bei allen Göttern! Wenn ich es nicht etwa mit einem Verrückten zu tun habe, so ist es hier, wie kaum jemals, am Platze, mit dem großen William zu sprechen:
Das ist die list'ge Ausstattung der Hölle,
Den frechsten Schalk verkleidend einzuhüllen
In fromme Tracht.«
»Ich verzeihe Ihnen, lieber Bruder, wie es einem Christen geziemt. Sie waren ja abwesend, können also nicht wissen, daß die Gnade endlich in mir zum Durchbruch gekommen ist und das Licht hereinleuchtet in meine Finsternis.«
»Darauf kann ich nur abermals mit Shakespeare erwidern:
Gar viel erlebt man: mit der Andacht Mienen
Und frommem Wesen überzuckern wir
Den Teufel selbst.«
»Shakespeare? Unheiliger, sündhafter Skribent – anathema sit!«
Dies sagte der Schuft mit einer Gebärde und Stimme, daß ihn der ausgelernteste Konventikelmann hätte darum beneiden müssen. Dann ließ er seine Augen rasch umhersperbern und flüsterte mir mit seiner natürlichen Rumpelstimme zu: »Es ist hier eine zu belebte Passage. Könnte leicht eines meiner Schäfchen vorbeigehen. Kommen Sie mit mir nach dem alten Quai hinunter. Sind dort ungestörter, unbelauschter – wissen Sie?«
Ich folgte dem Vorangehenden an den Fluß hinüber, und sobald wir an einer abgelegenen Stelle des Quai angekommen waren, wandte er sich um und sagte lachend:
»Vor allem, werter alter Freund, sagen Sie mir eins: spiele ich meine Rolle leidlich?«
»Ei ja doch,« versetzte ich, »Sie stellen einen ganzen Mucker vor.«
»Häßliches Wort! Aber unter uns mag es hingehen. Wenn man nur seine Rolle leidlich ausfüllt, das ist die Hauptsache. ›Die ganze Welt ist Bühne‹ und so weiter – wissen Sie?«
»O ja, ich weiß, ich weiß und – wissen Sie? Alter Rumpel – ich weiß noch mehr:
Der Mensch
Spielt solchen Wahnsinn gaukelnd vor dem Himmel,
Daß Engel weinen.«
»Sie sind ein hartnäckiger Shakespeareaner, Sie! Ob Engel über mein Spiel weinen, lasse ich dahingestellt sein. Mögen sie es tun, wenn es ihnen Spaß macht, Leben und leben lassen – wissen Sie?«
»Ja. Wie lebt denn die ›Konservative Hetzpeitsche‹?«
»Hat ausgeknallt. Verschwunden, verdunstet, verduftet, weg! Die Wahlen von neulich haben dem konservativen Parteifaß den Boden ausgeschlagen. Ausgeronnen die ganze Brühe – wissen Sie?«
»Wie, alle Ihre weltgeniemäßigen Findungen?«
»Zum Teufel gegangen, hast nicht gesehen? War der große Haufe viel zu dumm, um so viel verschwenderisch vor ihm ausgeschüttetes Weltgenie verdauen zu können – wissen Sie? Lief das Volk in den liberalen Ochsenstall zurück. Sind die Liberalen jetzt wieder am Brett und ist mein hochgestellter Gönner dem Rufe nach einer germanischen Universität gefolgt, wo er jetzt den dummen Jungen meine weltwissenschaftliche Methode, alten Plunder zu balsamieren, vorbrosämelt. Schlug daher frischweg eine andere Karriere ein. Mundus vult decipi – wissen Sie? – ergo vivat der Humbug! Schwindelte mich im Handumdrehen aus dem politischen in den theologischen Schwindel hinüber. Ward eines schönen Morgens ein Bekehrter, ein Frommer erster Sorte. Führen für einen Mann von praktischem Genie heutzutage alle Wege nach Rom, das heißt in den Geldbeutel seiner lieben, einfältigen, belogen und betrogen sein wollenden Mitmenschen – wissen Sie? Leben in einer Zeit, wo die zehn alten Gebote auf zwei reduziert sind: – Erstens: Du sollst nie unter einer Million stehlen! Zweitens: Wenn du schlechterdings gegen jenes Gebot sündigen willst, so laß dich wenigstens nicht erwischen, denn nur die großen Diebe läßt man laufen.«
»Alles schon dagewesen.«
»Freilich, aber, noch nie trat der Schwindel mit so festem Bewußtsein auf, ein sozialer Motor zu sein, wie jetzt. Goethes Mephisto würde heute nicht mehr den Kerl, ›der spekuliert‹, ein dummes Tier nennen – wissen Sie? Heutzutage spekulieren so ziemlich alle, immer der eine auf die Dummheit des anderen. Erinnern Sie sich noch der berühmten Leute, mit welchen wir mal bei Gottlieb Kippling zu Mittag speisten? Lauter Spekulanten, beim stygischen Jupiter! Spekulieren Gaukel, Schwarbel und Komp. auf die geistige Impotenz und den Ungeschmack der Zeit, spekuliert der Zarkle auf den Treubundsdusel, der Düngerling auf die gemeine Utilitätswut, der Schmirkli auf die totale Verblasenheit des protestantischen Kirchenwesens. Alle sind sie die Spekulanten, Scharlatane, Humbuger. Und ich, Cyrillus Chrysostomus Theophilus Rumpel, sollte mich besinnen, mitzuschwindeln in dem allgemeinen Schwindel und mein Netz in das Meer des Unsinns auszuwerfen? Quod non! Hat freilich seine Unannehmlichkeiten, in so einem Rock, so einer Halsbinde, so einem Hut und mit so himmelwärts gedrehten Augen über die Straße zu gehen, aber ich spreche mit dem Geizigen des alten Horaz:
Populus me sibilat, ad mihi plaudo
Ipse domi, simul ac numos contemplor in arca.«Obzwar mich auszischen die Leute, so klatsche ich Beifall,
Doch zu Hause mir selbst, beguckend im Kasten die Gelder.
»Ihr Geschäft ist also einträglich, Herr Rumpel?«
»Das will ich meinen!« versetzte er. »Wird aber noch einträglicher werden, wenn eine große Spekulation, die ich vorhabe, einschlägt.«
»Aber was treiben Sie denn eigentlich?«
»Hohen, höheren und höchsten Blödsinn – wissen Sie? Habe mir zwei Kreise in hiesiger Stadt gebildet, sozusagen zwei Bergwerke der Dummheit, die ich behaglich ausbeute. Ist der eine ein ganz gewöhnlicher Pietistenkreis, welchen ich demnach auch mit dem ganz gewöhnlichen Handwerkszeug bearbeite. Füttere die Schäflein mit aus Swedenborgismus, Chiliasmus, Apokalypsismus und anderen dergleichen Ismen geschnittenem Häckerling, wobei dieselben so gedeihen, daß mir ein hübsches Quantum Wolle zufällt. Der andere Kreis verlangt anderes Futter. Besteht er nämlich hauptsächlich aus Weiblein und Mägdlein, welche den sogenannten gebildeten Ständen angehören – wissen Sie? Auch unsere poetische Frau Ziegenmilch gehört dazu, weil ihr Herr Gemahl für ihre ›immense‹ Gefühlsvölle – wissen Sie? – keinen Sinn hat. Gesegnet seien die Trefflichen, welche das Tischrücken, das Geisterklopfen und jenes mysteriöse Ding, das Od, erfunden haben! Sind das Artikel, welche einem Mann von praktischem Genie schönste Prozenterchen abwerfen – wissen Sie?«
»Ich verstehe; aber wie, wenn ich im Interesse der Wahrheit in hiesiger Stadt eine öffentliche Warnung vor Ihrem Geschäftsbetrieb ausgehen ließe?«
»Käme mir das ganz gelegen, mein lieber Herr. Würde mein Geschäft nur noch mehr in Schwung bringen.«
»Wirklich?«
»Versteht sich. Will die Welt betrogen, nicht aber enttäuscht und aufgeklärt sein – wissen Sie? Würde Ihnen kein Mensch für Ihre Bemühungen danken, und würde auch hier das Wort des sterbenden Talbot beim Schiller in Erfüllung gehen: ›Unsinn, du siegst!‹«
Der Schuft hat leider recht, dachte ich, als ich den Spekulanten im Artikel Blödsinn verlassen hatte. Ja, die Welt will die Lüge und ermuntert den Betrug. Der Erfolg ist alles und Unrecht ist nur das Mißlingen. Was ist am Ende der Unterschied zwischen Kippling und Rumpel? Nur das, daß jener mit seinen Spekulationen Hunderttausende, dieser Hunderte gewinnt. Der Schwindel, das heißt die Sucht, rasch und möglichst mühelos reich zu werden oder wenigstens zu scheinen, liegt in der Luft. Wir atmen das Gift mit jedem Odemzug ein. Wer dagegen predigt, ist nur ein Prediger in der Wüste. Kein Wunder daher, wenn auch die Redlichsten mehr und mehr darauf verzichten, Lunge und Atem umsonst zu verschwenden.