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Das große Faß zu Heidelberg

der XXIV. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner zum 27. September 1865.

Tischlied beim Festmahl im Bankettsaal des Schlosses.

Glück auf! ein guter Genius
Kommt heut zum Schloß gezogen,
Kollegialisch dröhnt mein Gruß
Euch deutschen Philologen:
Denn Ihr durchforscht mit Blick und Glück
Die Vorzeit Schicht' um Schichte,
Und ich, durchmorscht, bin selbst ein Stück
Kultur und Sprachgeschichte.

Aegypten hat die Mumien gut,
Den Geist schlimm aufgehoben
Und sog des Palmsafts heil'ge Flut
Aus dicken Nilkanoben. Abbildung eines solchen mit Hieroglyphen übersäeten, enghalsigen und dickbäuchigen Krugungeheuers, dessen menschlich geformter Kopf eine der altägyptischen großen Naturgottheiten darstellte, siehe bei Minkwitz, Illustriertes Taschenwörterbuch der Mythologie, Leipzig 1853, s.v. Canobus p. 151.
Auch dem Assyrer fiel's nicht ein
Getränk zu überwintern,
Verschimmelt stand sein Dattelwein
In Keilschrifttonzylindern.

Der Stoff des weisen Salomo »Baalhamoner«, Salomo hatte einen Weinberg zu Baal-Hamon. Hohes Lied 8, 11. Auch der aus den Weingärten zu Engeddi gewonnene Stoff erschien preiswürdig. Hohes Lied 1, 14.
Kam nie zu feinem Hauche,
Denn sein Bukett blieb immer roh
Im dunkeln Geißbockschlauche.
Erst als Phöniker Sand zu Glas
Umschmolzen in den Aschen,
Sah Israel... zwar noch kein Faß,
Doch schon... pitschierte Flaschen.

Europa, sumpfig, feucht und leer,
Ließ wild die Rebe treiben,
Die Salamander drohten sehr
Den Menschen aufzureiben,
Der Erste, der im Urwald keck
Sich briet den Urstierschlegel,
Trug seinen Meth als Handgepäck
In einem schmalen Legel.

Der Kelte, der auf Pfählen saß
Und niedrer Bildungsstufe Siehe die Mitteilungen der antiquar. Gesellschaft zu Zürich, »Pfahlbauten«, Erster Bericht, Band IX. Abt. 2. Heft 3. – Fünfter Bericht, Band XIV. Heft 6]
Barg ein sehr zweifelhaftes Naß
In zweifelhafter Kufe.
In der Kimmerier Nebelgrau,
Bei Völkern rauh und zottich,
Kam auch kein großes Faß zum Bau,
Nur Bütte, Pott und Pottich,

Alt-Hellas fand die Faßform früh,
Noch nicht für Bacchus Wonnen;
Man pflag statt Weins Philosophie
In leeren hohlen Tonnen.
Das zweckbewußte Römertum
Bedurfte starker Labe:
Zum magnum vas vinarium
Schlich Plinius schon als Knabe. Vasa vinaria, siehe Plinius hist. nat. c. 21. Erhaltene Exemplare im Museum der helvetischen Römerstadt Aventicum, jetzt Avenches im Waadtland. S. Joh. v. Müllers Geschichte der Schweiz I, 63.

Doch das antike vasum war
Von Ton und spitz nach unten,
Und auch vom cadus ist nicht klar,
Ob Reif er trug und Spunten.
Das echte Faß zeigt deutschen Schwung,
Es gingen die Germanen
Schon auf die Völkerwanderung
Mit Trinkglas, Faß und Hahnen. Glasbecher aus altdeutschen Gräbern siehe Cochet, Normandie souterraine. Paris 1855. p. 183, – Lindenschmit, das germanische Totenlager bei Selsen in Rheinhessen p. 27. – Hassler, das alemannische Totenfeld bei Ulm, in den Verhandlungen des Vereins für Kunst und Altertum in Oberschwaben. Bd. XIII. p. 28.

Faßhahnen aus altdeutschen Gräbern siehe Hassler 1. cit. p. 23, und die Abbildungen auf Tafel II: Fig. 12 und 13.

Dietrich von Bern rief oftmals froh
Im Keller seines Schlosses:
» Thata liubo fat, thata, mikilo!
Du liebes Faß, du großes!«
Und oft sah ihn der Gothen Heer
Vergnügt dem Reichsschenk winken:
»Schafft eine Maß zu trinken her!
Scapia maziaia drinkan! Hie neigt sich das große Faß hochachtungsvoll vor den versammelten Mitgliedern
der germanistischen Sektion und dekliniert sich selbst auf gothisch wie folgt:

Sing. nom. das große Faß      fat thata mikilô
gen. des großen Fasses      fatis this mikilins
dat. dem großen Fasse       fata thamma mikilin
accusativ wie nominativ.

Plur. nom. die großen Fässer fata tô mikilôna
gen.       der großen Fässer fatê thizê mikilanê
dat.       den großen Fässern fatam thaim mikilam
acc.       wie nom. –

Die Erklärung des gotischen »scapia maziaia drinkan« siehe bei Massmann Gothica minora, in Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum Band I. S. 379.

Des Rotbarts Kaisermacht empfing
Den Reichstag gern beim Fasse
Und sang, wenn's auf die Neige ging,
In althochdeutschem Basse:
»Iz rinnit nich ein tropho mêr,
Der wîn ist vortgehupfit...
Ou wê mîn grôzaz vaz stât lêr,
Sie hâ'nt mirz ûz gesupfit!...«
Hier neigt sich das große Faß vor den anwesenden Germanisten zum andernmal und dekliniert sich selbst auf althochdeutsch wie folgt:

Sing. nom. das große Faß       vaz grozâz oder vaz daz michila
gen.       des großen Fasses vazzes grôzes oder vazzes des michilin
dat.       dem großen Fasse vazze michilemu oder vazze demo michilin
acc.       wie nom.

Den Pluralis fügt dasselbe nicht mehr bei, um nicht allzu ausführlich zu werden Feliciter bibatis!

Als edler Bildungsdurst die Welt
Erfüllt mit edlem Streben,
Rief mich ein Kurfürst und ein Held
Als Burgfaß hier ins Leben.
Noch steh ich fest, wo alles fiel,
Des Pfälzer Geists ein Funken:
Groß im Gedanken, flott im Stil
Und gänzlich – leergetrunken.

O wär' ich voll heut', Mann und Glas
Füllt' ich mit Rheinweinmassen!
Doch weh und ach!... dem Hauptwort »Faß«
Fehlt längst sein Zeitwort »fassen«.
»Geleerter Größe« bricht der Mut
Zu bacchischem Gedichte...
... Ich bitt' nur um die Note »gut«
In »Sprache und Geschichte«.


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