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Samstag abend ist für einen Bauernhof eine arbeitsvolle Zeit; besonders in der Heuernte, wo alle Hausbewohner den Tag über auf der Wiese beschäftigt sind, gibt es abends viel zu schaffen, und es ist oft schon weit in der Nacht, ehe der Hof zur Ruhe kommt. Auch im Veitenhof, der etwas abseits vom Dorf drüben über dem Bach einsam in seinen Baumgärten liegt und etwas vernachlässigt aussieht, geht es lebendig her. Die älteren Brüder sind eifrig daran, einen Futtervorrat auf morgen herzurichten, die Ställe gründlich zu reinigen, das Vieh zu striegeln und zu bürsten. Die jüngeren Buben – der Veitenbauer ist mit äußerst zahlreicher Nachkommenschaft gesegnet – müssen zuerst den Ochsen, Kühen und Kälbern die Schwänze auswaschen, sodann ziehen sie mit sämtlichem Schuhwerk der Hausgenossenschaft hinab an den Bach, auch dieses gründlich zu reinigen – was es, beiläufig bemerkt, gar wohl bedarf, denn Stiefel und Schuhe werden nur jeden Sonnabend gewaschen, am Sonntagmorgen sodann mit Fett eingerieben und geschwärzt, dann müssen sie eine Woche lang aushalten. Im Kuhstall eilen die Mädchen hochgeschürzt auf und ab; Bärble, die sonst hier das Regiment führt, ist nicht zu erblicken, dafür geht die Mutter sorgsam ab und zu, damit auch heute dem Vieh 26 sein Recht wird. Der Veitenbauer sitzt schon lange im Wirtshaus – er konnte kaum das Abendessen abwarten – und so hat Bärble im Haus freien Raum für ihre Tätigkeit. Die Tische, Bänke und Stühle sind mit weißem Sand abgerieben und stehen auf einem Haufen im Hausplatz, auch die Fensterscheiben hat sie hell geputzt – jetzt richtet sie eine greuliche Überschwemmung in der Stube an, eine halbe Bütte Wasser gießt sie auf einmal aus und kratzt und fegt mit einem Birkenbesen eifrig in der Sintflut herum. Endlich trocknet sie die schwarze Brühe auf, überspült den Fußboden noch einmal mit reinem Wasser und bestreut ihn mit seinem weißen Sand. Ehe sie die Geräte wieder in die Stube räumt, in der es jetzt sonntäglich sauber aussieht, haben die Brüder noch die Messingbeschläge der Geschirre geputzt und sie neben den Stalltüren in Reihe und Glied gehängt, die kleinen Buben schoben Wagen und Pflüge in Ordnung, und die jüngeren Schwestern rieben im Bach die Bütten und Gelten mit knirschendem Sand ab. Ehe noch völlige Dunkelheit eintritt, ist die Sonnabends-Arbeit vollbracht, das junge Volk sucht müde die Betten auf, die älteren Brüder brennen ihre Pfeifen an und schlendern ins Dorf zu ihren Kameraden. Bärble aber huschte auf ihre Kammer. Nach einem kalten Bad zöpfte sie die Haare neu, schlüpfte in die Sonntagsgewänder, suchte ihr Strickzeug und ging langsam hinab in den Hof. Sie mußte im Anfang viel leiden wegen der Gewohnheit, sich am Sonnabend noch umzukleiden; die Eltern brummten, die Geschwister schalten über Stolz und Hoffart, zuletzt aber hatte sich die Mutter ihrer angenommen, und so ließ man Bärble gewähren. Eben stieg der Mond hinter den Bäumen im 27 Garten empor, als sie durch die Hecke von Jelängerjelieber und Blutnüssen, die im weiten Kreis den mächtigen Kastanienbaum im Hof umgaben, schlüpfte, das einfache Bänkchen sorgfältig abwischte und sich dann seufzend niedersetzte. Es war still ringsum, nur der Bach rauschte und murmelte nicht weit vom Hof, und drüben vom Dorfbrunnen tönte dann und wann ein lautes Lachen herüber. Bärble strich ihre Schürze glatt, fühlte sich wie neugeboren in der frischen Wäsche und freute sich heimlich der wohlverdienten Ruhe, während drüben im Dorfe die Haustöchter und Mägde noch am Brunnen stehen mußten. Dabei regte sie fleißig die Hände, und während sie Masche um Masche verknüpfte, standen auch ihre Gedanken nicht still. Bald lächelte sie nicht mehr; als ein Mondstrahl durch das dichte Blätterwerk den Weg bis zu ihr fand, schimmerte eine Träne in ihrem Auge.
In ihrer Versunkenheit überhörte sie die leise näherkommenden Schritte, erst als sich ihr plötzlich zwei Hände über die Augen legten, schrie sie erschrocken auf. Gleich darauf aber rief sie: »Ach, was bin ich doch dumm! Geh' nur, ich kenne den Schleicher! – Wie du mich erschreckt hast, du bös', gut's Mädle! Komm', Dorle, setz' dich zu mir!«
»Und schon wieder Wasser in den Augen?« sagte eine klare Stimme. »Bärble, Bärble! Wo soll das noch 'naus?«
»Komm', setz' dich,« erwiderte Bärble ausweichend. »Wie hast du's nur angefangen, so bald loszukommen?«
»Ja, 's heißt eben sich fix drehen!« lachte Dorle, die große Beckenmagd, und zog ihr Gestrick aus der Tasche. »Und du schon wieder so sauber! – Lieber Gott, wenn ich's nur so weit hätt', daß ich mir wenigstens die Haare 28 machen könnte! – Hu – das würde einen Lärm geben bei meinen Haustöchtern, wollte sich eine Magd so was unterstehen!«
»Es hat eben jeder Mensch seine Plag'!« seufzte Bärble.
»Ja, aber mit Unterschied. 's gibt zweierlei Plag'; eine, das ist die richtige, wer die auf dem Rücken hat, der weiß, was das Leben besagt; die andere dagegen macht man sich selber, meistens vergeblich, und d'rum meine ich, die darf man gar nicht mitzählen.«
»Du meinst, das ist mein Fall? – Du lieber Gott, hättest du recht, wer wäre froher als ich?«
»Ja, das ist das Verkehrte, daß man sich einbildet, die gemachte Plag' wär' eine wirkliche. – Bärble, hör' einmal auf, dich zu sorgen und zu grämen, der Fritz ist's wahrhaftig nicht wert! Laß ihn laufen, den Hansdampf, du bleibst nicht am Weg liegen.«
»Darum ist mir's nicht!« sagte Bärble leise und ließ ihr Strickzeug in den Schoß sinken. »Ach, das ist ja das Elend, ich kann nicht von dem Türkenfritz lassen, und wenn ich tausendmal einseh', er ist mein Unglück – ich kann nicht!«
»Bist ein wunderlich's Ding!« entgegnete Dorle kopfschüttelnd. »Kann dich nicht verstehen! 's weiß der liebe Gott, der Bernhard ist mir doch auch lieber wie's eigne Leben, – aber wenn ich ihn nichts mehr estimieren könnt', wenn er mir nur halb antät', was dir der Fritz schon zugefügt hat – und müßt' ich darüber sterben: ich gucket' ihn nimmer an!«
»Hast gut reden!« schluchzte Bärble. »Du weißt eben, so was kann dein Bernhard gar nicht.«
Eine Weile war es still unter der Kastanie; drunten 29 murmelte das Bächlein, ein Nachtvogel strich langsam über den Hof, der höher steigende Mond übergoß Haus und Bäume mit seinem Silberlicht, dann und wann streifte ein Strahl die beiden Mädchengestalten unter der Kastanie und glänzte in den Tränen, die auf Bärble's Wangen standen. Leise seufzend begann Dorle, wie zu sich selber sprechend: »Seid wunderliche Menschen, ihr Reichen! Ihr könntet's gut haben, 's ist Euch so leicht gemacht, braucht nur zuzugreifen, so habt ihr das Glück, und doch quält und plagt ihr euch – so vergeblich! Wüßtet Ihr, wie schwer das Leben ist, muß man's alle Tage neu verdienen; müßtet ihr auch jedes Lümple Kleidung, jede kleine Notdurft erst mit eurem Schweiß bezahlen: Ihr würdet bald vernünftig werden! – Du lieber Gott! wie lang sind ich und der Bernhard schon einig, wie sehnen wir uns nach einem eignen Haushalt – und immer fehlt's am Besten, immer heißt's: Geduld haben! – So gehen die schönsten Jahre hin, eines nach dem andern, und wer weiß, ob nicht zuletzt all' unser Mühen doch vergeblich war!«
»Ihr habt den Trost, daß es nicht an Euch gelegen; – was soll dagegen ich sagen? Armut ist ja freilich traurig, aber was der Reichtum für Glück bringt, siehst du an mir. Ach wär' der Fritz arm, blutarm, aber brav und ordentlich, – ich wollt' ja warten, so lang's sein müßt', wollt alles ertragen, und keine Klage sollt' über meine Zunge kommen, hätt' ich doch eine Hoffnung. – Aber so! – Ach, Dorle, wofür bin ich auf der Welt?«
»Bärble, du weißt nicht, was du sagst! Iß nur dein Brot unter fremden Leuten, häng' nur immer von anderen ab, die dich weniger besser achten als ihr Vieh, – du verstehst nicht, was es heißt, tagtäglich im Geschirr stehen und 30 gar nie dein eigen sein! – Bist nicht selber schuld an deinem Jammer? Könntest's so gut haben, jeden Tag freien – gibt's denn 'nen rechtschaffenern, ansehnlichern Burschen wie den Grundmüllersjakob? Und durch ein Feuer ging er dir, auf den Händen trüg' er dich!«
»Hab' ich mir alles wohl hundertmal gesagt, – aber was hilft's. Der Fritz ist mir einmal ins Herz gewachsen, schon von klein auf war er mir der liebste unter allen Buben, – was hilft's Reden? – Ich hab' ihn eben einmal gern, – und hing meine Seligkeit davon ab, einen andern nehm' ich nicht – nie und nimmermehr!«
»Mit dem Jakob hättest du ein bess'res Leben!«
»Bess'res Leben, wenn einem das Herz aus dem Leib genommen ist? – Geh', Dorle, du redest nicht aufrichtig, – oder du hast deinen Bernhard kein Linsele gern!«
»Du wirfst dich weg!«
»Dorle – verzeih' dir's Gott! das hat weh' getan!« rief Bärble und blickte mit großen Augen auf die Freundin. »Nein, Dorle, das verdien' ich nicht! Und sollt' ich sterben, wegwerfen tu' ich mich nicht! – – Dorle, er wird kommen, wird wieder ausgleichen wollen, – steh' mir bei, red' ihm ernsthaft ins Gewissen, du kannst's besser wie ich; mir tut das Herz allzu weh, muß ich ihm ein bös' Wort sagen. Steh' mir bei, er muß ernstlich versprechen, daß er anders wird, so kann's nicht gut tun!«
»Das ist ja eben mein Reden! Hab' ich's nicht immer gesagt? Du bist zu gut, viel zu gut und untertänig! Wärst du früher ernsthaft aufgetreten, jetzt ständ's gewiß anders; so leichtsinnig der Fritz ist, solch' ein Hasenfuß ist er auch. Zehnmal steck' ich ihn in den Sack, bin ich gleich nur ein Mädle. Sei jetzt gut, vor mir hast du Ruh', ich seh', dir 31 ist doch nicht zu helfen, aber den Fritz – nimm mir's nicht übel – den Fritz – aber ich will lieber nichts sagen. Tu' mir nur den einz'gen Gefallen und sei nicht gleich so weichherzig, laß ihn einmal zappeln, der läuft dir nicht davon.«
»Ach, Dorle, mir ist's so weh, so weh im Herzen, – gib acht, das nimmt noch ein traurig End'!« weinte Bärble heftiger und verbarg ihr Gesicht an der Brust der Freundin. Dorle ließ sie still gewähren, sie wußte keinen Trost, dazu war ihr eigenes Herz schwer genug. So ging die Zeit hin; als die Turmuhr halb zehn verkündete, zuckte Bärble zusammen, allein Dorle flüsterte: »Sei still – horch! – er kommt! – Laß mich nur machen – und gib nicht gleich nach, ich bitt' dich!« Bärble richtete sich auf, strich das Haar glatt, legte Schürze und Halstuch zurecht und griff nach ihrem Strickzeug, – aber die Stricknadeln klirrten, und Dorle schüttelte den Kopf.
Fritz kam wirklich vorsichtig näher; als er Dorle neben Bärble sitzen sah, runzelte sich seine Stirn und er stand einen Augenblick überlegend still, dann trat er rasch unter die Kastanie und streckte Bärble die Hand entgegen. Diese jedoch beugte den Kopf tief auf ihr Strickzeug, und Dorle tat, als bemerke sie ihn nicht. Fritz war in großer Verlegenheit, endlich begann er kleinlaut: »Guten Abend zusammen! – Bist du's Dorle?«
»Wenn's kein Pöpel ist – wahrscheinlich!« war die schnippische Erwiderung.
»Das versteh' der Kuckuck! – Was soll's?«
»Narr! – Auf eine dumme Red' gehört eine dumme Antwort!« lachte Dorle.
»Dein Mundwerk geht einmal wieder wie g'schmiert!«
32 »Und dir sieht man's auf hundert Schritt an, daß dir's Fett ausgegangen ist!«
»Du bist ein grob's Ding!«
»Bedank' mich für die gute Meinung, du Feiner!«
»Brauchst dir auf deine Unart nichts einzubilden!«
»Meine Unart ist immer noch nicht so schlimm als deine Art!«
»So ist's recht, lob' dich nur selber!«
»Das tu' ich nicht; wenn einen Kerle wie du schimpfen, ist's Lobes genug!«
»Was willst eigentlich? Meinst, ich bin deinetwegen kommen?«
»'s ist dein Glück, daß ich das nicht denk'!«
»Du mußt nicht recht bei Trost sein! Laß mich in Frieden, ich mag mit dir gar nichts zu schaffen haben!«
»Geh' weiter, ich halt' dich nicht auf! Wenn du nichts mit mir zu schaffen haben magst, was redest mich an?«
Fritz kaute ärgerlich an seiner Pfeife, – das war ein schlimmer Empfang; sollte er gehen oder bleiben? Unentschlossen paffte er dicke Rauchwolken vor sich hin; da aber Bärble gar nicht tat, als bemerke sie ihn, begann er kleinlaut: »Ist noch Platz?«
»Der ganze Hof voll!« lachte Dorle.
»Wenn ich übrig bin«, fuhr Fritz gekränkt auf, »braucht ihr's bloß zu sagen, ich mach' mich nicht aufdringlich!«
»'s hat dich kein Mensch hergeheißen, – sonsten fürchten wir uns auch nicht vor dir!«
Fritz schluckte heftig, er wußte wieder nicht, sollte er das für eine Abweisung oder Einladung nehmen. So viel war sicher, sehr angesehen war er heute nicht; aber wenn ihn das auch ärgerte, so machte es ihn noch mehr ängstlich. 33 In ganz verändertem, zutraulichem Ton sagte er darum: »Dorle, dein Bernhard ist nach Grumbach, ich hab' ihn bis in die Erleswiesen mitgenommen«.
»Ist 'ne grausame Ehr' für ihn, seitdem du die Leut' überall vom Weg auflies'st!« entgegnete Dorle verächtlich.
Fritz fuhr sich mit der Hand ins Halstuch, das ihm plötzlich zu eng ward, hustete heftig, und sagte dann, sich gewaltsam aufraffend: »'s hat alles seine Zeit, das Gekippel hab' ich nun satt. Wollt ihr, daß ich dableib', rückt zu, außerdem find' ich meinen Weg weiter!«
Lachend machte Dorle nun doch Platz, aber so, daß sie zwischen Fritz und Bärble zu sitzen kam. Fritz war das freilich ungelegen, doch fügte er sich und sagte: »Bärble, gönnst du mir gar kein Wort?«
»Sie soll sich wohl bedanken für die Ehr' vom vorigen Sonntag?« fiel Dorle schnippisch ein.
»Hör', Dorle, red' jetzt vernünftig oder schweig' still!« entgegnete Fritz, der wirklich ärgerlich ward. »Was hängst du dich immer in meine Sachen?«
»'s Bärble ist mein Kamerad; was ihr zu leid geschieht, tut mir auch weh! – Fritz, hast du denn das Herz, dem Bärble unter die Augen zu kommen?«
»Herrgott, macht nun nicht gar aus einer Mücke 'nen Elefant! 's war ja freilich ein dummer Streich, was anders geb' ich d'rum, könnt' ich ihn ungeschehen machen. Aber die Geschicht' ist doch auch des argen Aufhebens nicht wert. 's sollt eben ein Spaß sein!«
»Fritz – und das magst du noch sagen?« weinte Bärble. »Ach, nun seh' ich erst, wie du mich so gar nichts achtest!«
34 »Herrgott von Bentheim!« rief Fritz in heller Verzweiflung und fuhr sich in die Haare. »Mädle – was hast? – Ich sitz' da, wie ein Büble, dem die Gäns' fortg'flogen sind! – Red' nur ein einzig's g'scheit's Wörtle, ich weiß gar nimmer, wo mir der Kopf steht! – Was hab' ich nun wieder verbrochen?«
»Fritz – 's ist das beste, wir gehen auseinander! – – Ach, daß ich das erleben muß! Aber es ist so: wir passen nicht füreinander! – Geh', such' dir ein Mädle, das sich zum Narren halten läßt, ich bin dazu verdorben! – – Laß mich, das ist's ja eben, daß du nicht einsiehst, wie du durch solche Bubenstreiche mich und dich verschimpfst. Zum Spott und Gelächter machst du dich überall, die kleinen Buben haben dich zum besten, jeder Nichtsnutz rechnet dich zu Seinesgleichen. Dabei hast du noch große Rosinen im Kopf, meinst wunder, was du bist, – ach, ich hätt' noch viel zu sagen, aber ich kann nimmer, 's drückt mir das Herz ab! – Merk dir's, wen ich lieb haben soll, vor dem muß ich zuerst Respekt haben, sonst ist's nichts mit der Lieb'! Du aber hast keine Ehr' und Reputation im Leib', du hältst nichts auf dich – wie soll ich dich nachher achten? – Nein, Fritz, wir passen nicht zusammen, – d'rum ist's besser, wir scheiden uns!«
»Deine Lieb' muß nicht gar groß sein,« sagte Fritz kleinlaut, »sonst würdest du mich nicht so arg 'runtersetzen!«
»Denk' das immerhin, obgleich's umgekehrt ist. Daraus erseh' ich wieder klärlich, daß du mich auch kein Linsele verstehst. – Aber das ist's nicht allein, daß ich dich nichts achten kann, – du selber achtest mich auch für nichts! – Spaß, sagst du, wär' die Geschicht' vor acht Tagen gewesen? Daß sich Gott erbarm'! – Nein, Fritz, ich mag 35 weder einen Hanswurst zum Schatz, noch taug' ich zur Närrin! Ich bin ein ehrlich's Mädle und halte was auf mich, – ich will auch Respekt haben. – Geh', Fritz – wir sind einmal nicht für einander geschaffen!«
»Hätt' nicht gedacht, daß du mich so leichtfertig fortschicken könntest!«
»Leichtfertig? – Das willst du mir vorwerfen? Schäm' dich, Fritz, weiter sag' ich nichts!«
»Und ich glaub' nicht, daß 's dein Ernst ist, 's kann ja nicht sein! Bärble überleg', was du tust, mach nicht leichtsinnig dich und mich unglücklich!«
»Ich mach' mich nicht erst unglücklich, ich bin's schon lang; weil ich das Elend nimmer ertragen kann, d'rum sag' ich: 's soll aus sein!«
»Bärble, tu's nicht! – tu's nicht! – Denk' doch: was soll nachher aus mir werden, – wie soll ich ohne dich bestehen?«
»So sagst du stets, – heute machst du mich damit nicht weich. Wär's, wie du sagst, würdest du mich in Ehren halten! Nein, ich weiß jetzt, ich bin dir nur so nebenher gut genug; kannst du eine Reichere kriegen, lässest du mich sitzen. Die Schande will ich mir ersparen, der erste Verdruß ist besser, als der letzte, – geh' nur, ich werd' auch nicht am Weg liegen bleiben!«
»Jetzt lob' ich dich, Bärble!« fiel Dora ein. »Redest doch auch einmal, wie sich's gehört. Bleib' nur dabei, laß dich nicht breit schlagen, 's wär' doch nur zu deinem Unglück!«
Aber diese Worte verfehlten ihre Wirkung nach beiden Seiten. Bärble erschrak, daß ihr Dorle den Rückweg fast abschnitt, und Fritz waren die Worte erwünschte 36 Gelegenheit, sich zu erzürnen. Heftig fuhr er auf: »Oho, pfeift der Wind daher? – Dacht' ich's doch! Das ist nicht schön, Bärble, daß du auf andere Leute mehr gibst, als auf mich! – Hätt' nicht geglaubt, daß du dich verhetzen ließest!«
»Bin nicht verhetzt, hör' auch auf niemand!« entgegnete Bärble und spielte verlegen mit ihren Stricknadeln. »Ich wollt' ja auch lieber, ich könnt' dich lieb haben, könnt' dir vertrauen, – ach, was wär' das für ein Glück!«
»Bärble – sag's, was soll ich tun, daß du wieder gut wirst?« rief Fritz aufatmend. »Sag' – red'! – Durch's Feuer und Wasser geh' ich dir!«
»Damit ist mir nicht gedient!« seufzte Bärble beklommen. »Ach Fritz, ist dir in Wahrheit was an mir gelegen, so zeig's. – Werd' ordentlich – und – mach' Anstalt zur Heirat!«
Fritz atmete auf; also war es ihr doch nicht Ernst. Wohl rührte ihn die Anhänglichkeit des Mädchens, wohl war er hocherfreut, daß sie sich ihm wieder zuwendete, – aber auch sein Leichtsinn erwachte wieder, die Eigenliebe und Selbstsucht raunten ihm zu: »Sie kann nicht von dir lassen, die ist dir sicher, – nun laß dich nur nicht fangen; immer die Hände frei! Das ist das Wahre!«
Dorle beobachtete Fritz scharf, sie ahnte, was in ihm vorging, und sagte vorwurfsvoll: »Bärble, Bärble, was machst? Warum läßt du ihn nicht wenigstens noch eine Zeit zappeln? Du wirst's bereuen, gib nur acht! Ich verwett' meinen Kopf, der denkt schon daran, wie er sich auf die hintern Füß' stellt!«Redensart für falschen Sinn, hier: ein Versprechen geben mit der Absicht, es nicht zu halten.
Fritz war heftig erschrocken; um das nicht merken zu 37 lassen, fuhr er auf: »Was hast du dich wieder darein zu hängen? Sorg' du für dich selber! – Bärble, hab' tausend, tausend Dank. Ich werd' anders, verlaß dich d'rauf, und heiraten – heut' lieber als morgen, wenn's ging! – – Aber, meine Alten wollen nun einmal eine reiche Schnur, kann ich sie zwingen, daß sie ihre Einwilligung geben?«
»Fritz, deine Mutter ist so freundlich gegen mich, – wenn du mich betrügst? – Ich bin doch auch nicht ganz leer. – Und was haben deine Eltern sonst an mir auszusetzen?«
»Nichts, gewiß nichts, aber ihr seid halt gar zu viel Geschwister. – Und wenn sie auch wollten, – worauf sollen wir heiraten? Ich kann doch nicht verlangen, daß sie jetzt schon die Güter aufgeben?«
»'s Dorle hat Recht, du suchst Ausfluchten! – Könnten wir nicht euren hintern Hof pachten?«
»Das Höfle?« rief Fritz verächtlich, setzte aber sogleich erschrocken hinzu: »Ja, ja doch, mir soll's ja recht sein! Hab' nur Geduld – ich kann doch bei meinen Alten auch nicht mit der Tür ins Haus fallen!«
»Aber auf den Herbst muß es gewiß sein, länger laß ich mich nicht auftrödeln!«
»So macht ein End' und vertragt euch, – du bist eben einmal ein gut's Närrle!« rief Dorle und sprang auf. »Aber dir, Fritz, sag' ich, mit mir hättest du nicht so leichtes Spiel! Ich muß dir schon sagen, hielt' das Bärble nicht so große Stücke auf dich, die doch das bravste Mädel ist weit und breit – mir dürftest du drei Schrittle vom Leib' bleiben, mitsamt deinem Reichtum und allem! Schäm' dich! Ist's eine Art, zwei, drei Mädlen zugleich nachzurennen? Einer jeden, die dir in den Weg kommt, schön zu tun, wenn sie nur Geld hat? – Ich sag' nichts; 38 aber wärest du nur eine Stund' Meiner, ich wollt' dir die Schelmkappe abtun, ich brächt's so weit, du müßtest dich vor deinem eigenen Schatten schämen!«
Fritz wollte auffahren, allein Bärble legte ihre Hand auf seine Schulter und sagte: »Laß nur! 's Dorle meint's gut, und 's ist ja leider Gottes die Wahrheit, was sie sagt. – Noch einmal will ich vergessen, was vergangen ist, will dir glauben und vertrauen, Fritz; aber denk' nicht, du könntest immer mit mir machen, was dir beliebt! 's ist wahr, ich hab' dich gern, vielleicht zu gern, – deswegen weiß ich aber doch, was ich mir selber schuldig bin! Daran halt' ich fest, Fritz: ich nehm' nur einen richtigen Mann, einen, vor dem ich Respekt haben muß in allen Stücken, und von dem ich weiß, daß er mich auch in Ehren hält! – Ich sag' dir's jetzt: wirst du nicht anders, kannst du's nicht lassen, nach andern Mädlen zu gucken, – dann ist's aus zwischen uns, und sollt' ich darüber sterben!«
»Holla, soweit ist's schon wieder? – Fritz, du hast wahrlich mehr Glück als Verstand!« sagte Bernhard, der unbemerkt näher gekommen war, sich auf das Bänkchen setzte und Dorle auf seine Knie nahm. »Na, Gott lenk's zum besten, und laß dich's nicht gereuen, Bärble; du, Fritz, kannst dir aber merken: was ich dir heut' gesagt habe, das bleibt bestehen, davon geht kein Tippele ab, – richt' dich darnach!« Ein paar große Silberstücke in Dorles Hand legend, fuhr er fort: »Mein erster Meisterlohn! – Freu' dich, Mädle! Gibt jetzt der Herrgott seinen Segen, soll der letzte Berg bald überstanden sein – morgen halten wir Verspruch! – Wenn ihr zwei mit ein paar Schalen Schusterkaffee vorlieb nehmen wollt', so kommt nachmittags zu meiner Mutter, ihr seid von Herzen willkommen!« 39