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An einem Oktobertage des Jahres 1700 gerieten die Bürger von Berlin mitsamt dem Kurfürsten Friedrich III. in nicht geringe Aufregung. Fast unmittelbar vor den Toren der Stadt war am hellen Morgen in einem Gehölz eine kurfürstliche Stafette überfallen, erschossen und ausgeraubt worden. Der Reiter war von Wien gekommen und hatte wahrscheinlich Briefe und Staatsschriften für den Kurfürsten zu überbringen gehabt. Ob er auch Wertsachen bei sich geführt hatte, wußte man noch nicht, aber man nahm es an, weil ja sonst – so meinte man – eine Beraubung gar keinen Zweck gehabt hätte.
Am meisten erregt über den Raubmord war der Kurfürst, und das hatte einen weit tieferen Grund, als man im Publikum ahnte. Seit längerer Zeit stand er schon in lebhaftem Briefwechsel mit dem kaiserlichen Kabinett zu Wien, und zwar handelte es sich um nichts Geringeres, als um die Frage, unter welchen Bedingungen wohl der Kaiser Joseph geneigt wäre, seine Zustimmung dazu zu geben, daß Friedrich aus seinem Kurhut eine Königskrone machte. Bereits zwei deutsche Kurfürsten hatten in letzter Zeit eine Königskrone erlangt, der Kurfürst von Hannover, der den Thron von England bestiegen, und der Kurfürst von Sachsen, der zum König von Polen gewählt worden war. Da wollte denn auch Friedrich III. nicht länger bloß einfacher Kurfürst von Brandenburg bleiben, sondern ebenfalls den stolzen Titel eines Königs führen. War doch auch sein Staat durch seinen Vater, den Großen Kurfürsten, so fest gefügt und gekräftigt worden, daß eine solche Rangerhöhung durchaus gerechtfertigt erschien.
Aber der Weg zur Königskrone war voller Hindernisse. Wohl besaß der Kurfürst das souveräne Herzogtum Preußen, das unabhängig vom Deutschen Reiche war, und er konnte dies auch aus eigener Machtvollkommenheit zu einem Königreiche erheben, dennoch wagte er nicht, das ohne die Genehmigung des Kaisers von Deutschland zu tun, denn er durste bestimmt annehmen, daß der Kaiser die Anerkennung des neuen Königreiches versagen würde. Und dann hätte er sich im günstigsten Falle durch seinen Schritt nur lächerlich gemacht.
Seit vielen Monaten war daher der kurbrandenburgische Gesandte Graf Dohna in Wien unablässig tätig, den Kaiser für die Wünsche des Kurfürsten günstig zu stimmen, und es wurde hin und her beraten, unter welchen Bedingungen der Kaiser sich wohl für die Rangerhöhung aussprechen könnte. Aber dann stockten wieder die Unterhandlungen, dieser oder jener kaiserliche Rat hatte wieder diese oder jene Bedingung geltend gemacht, und die ganze Angelegenheit ruhte aufs neue mehrere Wochen hindurch, so daß der kurfürstliche Gesandte in helle Verzweiflung geriet.
Da traten allmählich Verhältnisse ein, die den Wünschen des Kurfürsten sehr zustatten kommen sollten. In Spanien lag König Karl II. todkrank danieder. Er besaß keine Nachkommen, es erlosch mit ihm also, wenn er starb, der spanische Zweig des Hauses Habsburg, und Spanien mußte nach altem Rechte an den österreichischen Zweig zurückfallen. Allein nun bewarb sich, wie verlautete, auch bereits Frankreich um die Erbschaft, weil König Ludwig XIV. geltend machte, daß er der Gemahl der älteren Schwester Karls II. sei. So unberechtigt diese französischen Forderungen nun auch waren, da die Gemahlin Ludwigs XIV. vor ihrer Verheiratung ausdrücklich auf die Erbfolge in Spanien verzichtet hatte, so hatten sie doch ihre sehr ernste Seite; Ludwig XIV. rüstete sich sogar schon, um sofort im geeigneten Momente mit Waffengewalt von Spanien Besitz zu nehmen.
Dem Kaiser Joseph blieb also nichts anderes übrig, als ebenfalls seine Heere zu sammeln. Aber es war nicht alles so in Ordnung, wie es wohl sein sollte, zudem durfte er aus verschiedenen Kronländern das Militär nicht herausziehen, er bedurfte also tüchtiger Hilfstruppen, und diese sollte ihm nun Brandenburg liefern, das ja so trefflich geschulte Soldaten besaß: um den Preis der Königskrone!
Die Verhandlungen hierüber durften aber nur ganz im geheimen geführt werden. Erfuhr man in Frankreich auch nur ein Sterbenswörtchen, so konnte man in Berlin sicher sein, daß vom Hofe zu Versailles mit allen Mitteln, auch den verwerflichsten, versucht werden würde, die Verständigung zu vereiteln oder wenigstens zu verzögern.
Bisher war es denn auch geglückt – so meinte man wenigstens – die Verhandlungen durchaus geheimzuhalten. Jetzt aber, bei der Ermordung der Stafette, stutzte der Kurfürst und schöpfte Verdacht. Sollte die Ausraubung des Depeschenreiters eine tiefere Ursache haben, als die gemeine Habgier irgendeines herabgekommenen Menschen, eines Straßenräubers? Sollten die Fäden zur Abfangung der Stafette bis nach Versailles reichen? Der Kurfürst ging erregt in seinem Zimmer auf und ab, es wurde ihm ordentlich unheimlich zumute. Er klingelte, und als der Diener erschien, verlangte er den Offizier der Schloßwache. Schon in wenigen Minuten war der Gewünschte zur Stelle.
»Ah, Sie haben zurzeit den Dienst, Keith«, rief er dem jungen Manne entgegen, als dieser im Rahmen der Tür erschien.
»Zu Befehl, kurfürstliche Durchlaucht«, versetzte der Angeredete. »Auf vier Wochen bin ich zum Schloßdienst kommandiert worden.«
»Das ist mir lieb,« fuhr der Kurfürst fort, »ich kenne Sie als zuverlässigen Mann. Schließen Sie die Tür vorsichtig und kommen Sie näher.«!
Etwas verwundert entsprach der Offizier dem Befehle.
»Sie wissen,« nahm der Kurfürst wieder das Wort, »daß sozusagen vor den Toren von Berlin eine Stafette erschossen und ausgeraubt worden ist. Es schwebt über der Tat noch ein vollständiges Dunkel; jeder Anhalt für eine einigermaßen begründete Vermutung fehlt; dennoch setzt sich in mir, je weiter ich mir die Angelegenheit überlege, die Ansicht fest, daß dem Raubmord politische Motive zugrunde liegen!«
»Politische Motive!« rief der Offizier unwillkürlich erstaunt aus.
Der Kurfürst nickte. »Seit vielen Monaten«, fuhr er dann fort, »finden zwischen mir und dem Kaiser in Wien lebhafte Verhandlungen statt – doch ich teile Ihnen das nur mit in dem Vertrauen auf Ihre Verschwiegenheit.«
Der Offizier verbeugte sich. »Eure kurfürstliche Durchlaucht sollen sich nicht getäuscht sehen«, versicherte er.
»Ich weiß es, Sie sind zuverlässig«, stimmte der Kurfürst zu. »Diese Verhandlungen betreffen die Erhebung Preußens zu einem Königreich. Der Kaiser ist geneigt, seine Zustimmung zu dieser Rangerhöhung zu geben, wenn ich ihm zu dem Kriege, der möglicherweise demnächst wegen der spanischen Erbfolge zwischen Österreich und Frankreich ausbrechen wird, mehrere tausend Mann Soldaten als Hilfstruppen stelle. Nur noch Nebenpunkte unseres Vertrages sind zu regeln, die ermordete Stafette konnte in ihrer Brieftasche die endgültige Antwort des Kaisers haben – die Brieftasche ist geraubt worden. Ist von unserer Verhandlung vielleicht etwas bis nach Versailles durchgesickert, und haben wir es bei der Ermordung der Stafette mit einer unerhörten französischen Frechheit zu tun?«
»Das wäre ja entsetzlich!« brach es aus dem Munde des Offiziers hervor.
»Und ich glaube es sogar!« rief der Kurfürst. »Ja, ich fürchte, es werden noch weitere Versuche von seiten Frankreichs gemacht werden, um die Abschließung meines Vertrages mit dem Kaiser zu verhindern und meine Erhebung zum König von Preußen zu hintertreiben. Schon die ganze Zeit her habe ich gefürchtet, daß meine Krönung noch in letzter Stunde vereitelt werden könnte, ich habe daher bereits alles mögliche vorbereitet. Die Proklamationen und die Rundschreiben an die Großmächte sind entworfen, in Königsberg, wo die Krönung vollzogen werden soll, sind im geheimen bereits alle Vorkehrungen dazu getroffen, und oben in dem kleinen blauen Zimmer, das, wie Sie wohl bei Ihren Inspizierungsgängen schon bemerkt haben, seit Wochen durch große Schlösser und Eisenstangen fest verschlossen ist, befinden sich schon die Insignien des neuen Königreiches: Zepter und Krone. Die letzte ist«, setzte er mit sichtlicher Befriedigung hinzu, »ein ganz besonderes Kunstwerk von außerordentlicher Pracht. Ein Goldschmied arbeitete ununterbrochen drei Monate daran. Man soll dereinst nicht sagen, daß die Krönung Friedrichs eine klägliche war.«
Er ging einige Schritte schweigend im Zimmer auf und ab. »Aber was nun,« nahm er seine Rede wieder auf, »wenn Frankreich fortfährt, durch Spionierereien und Verbrechen den Gang der Verhandlungen zu durchkreuzen, so daß vielleicht die Ausführung des nun so lange schon gehegten und gepflegten Planes abermals auf unabsehbare Zeit verschoben werden muß!«
»Sehen Eure kurfürstliche Durchlaucht nicht etwas zu schwarz?« wagte der Offizier einzuwerfen. »In der Residenz selbst dürfte doch wohl irgendwelches verbrecherisches Eingreifen oder Vorgehen Frankreichs ganz unmöglich sein. Auf die Treue –«
»Ich weiß,« unterbrach ihn der Kurfürst, »daß ich mich auf die Zuverlässigkeit meiner Truppen und Diener verlassen kann, allein was leben nicht sonst noch für allerlei Persönlichkeiten in Berlin, von den Pariser Perückenmachern, Tanzmeistern und Sprachmeistern an bis hinab zu den französischen Köchen. Wie leicht ist es für die lange Versailler Hand, hier irgendwo einzuhaken. Ich habe deshalb sowohl bei der Polizei, wie auch beim Militär die strengste Order gegeben, auf alles, was in der Stadt vorgeht, zu achten, und auch im Schlosse hier soll eine verstärkte und verschärfte Aussicht eingeführt werden. Statt einer sollen künftig zwei Kompagnien Grenadiere das Schloß und die Umgebung desselben bewachen. Sie, Keith, haben die Aufsicht über diesen Flügel erhalten, während der Flügel der Frau Kurfürstin dem Leutnant v. Rosenfeld zugeteilt worden ist. Ich erwarte nun besonders von Ihnen, der Sie den wichtigeren, die Staatsakten und Insignien enthaltenden Teil des Schlosses zur Bewachung erhalten haben, daß Sie mit aller Umsicht und Unerschrockenheit auf Ihrem Posten sind und den Flügel weder am Tage noch in der Nacht ohne meine besondere Erlaubnis verlassen.«
»Eure kurfürstliche Durchlaucht können sich fest auf mich verlassen«, versicherte der Offizier sich verneigend. »Es soll nicht das Geringste meiner Aufmerksamkeit entgehen.«
Der Kurfürst nickte. »Ich weiß wohl, daß ich mich auf Sie verlassen kann«, sagte er dann und machte die übliche Handbewegung, mit der er andeutete, daß die Unterredung zu Ende sei.
Der Offizier verließ mit militärischem Gruß das Zimmer und stieg in seine neben der Wache gelegene Dienststube hinab. Hier warf er die Tür ziemlich unsanft hinter sich zu, setzte sich auf den ersten besten Stuhl und blickte starr vor sich hin.
»Bombenelement!« brach es endlich aus ihm hervor. »Diese Order kommt ja gleich nach dem Stubenarrest – und auf heute abend hatte sie nun endlich das so lang ersehnte Plauderstündchen festsetzen können! Ist das nicht zum Tollwerden?«
In der Tat trafen die Bestimmungen des Kurfürsten den jungen Offizier weit härter, als es so obenhin schien. Seit Jahren war er heimlich mit einer Hofdame der Kurfürstin Sophie Charlotte, mit dem anmutigen Fräulein Eva v. Tretzow verlobt. An eine eheliche Verbindung hatte er aber bisher noch nicht denken können, weil sein sowohl wie Evas Vermögen nur sehr gering war. In den Kämpfen des Großen Kurfürsten mit den Schweden waren die Stammsitze beider vollständig verwüstet worden. Er mußte mit seiner Verheiratung wenigstens so lange warten, bis er Hauptmann war.
Leider war es ihm aber auch nicht einmal vergönnt, die Geliebte öfters zu sehen, obgleich er in Berlin lag, denn die Frau Kurfürstin war eine äußerst lebendige Dame, die stets einen sehr regen gesellschaftlichen Verkehr unterhielt und dabei große Ansprüche an ihre Hofdamen stellte. Dieselben hatten daher nur selten einmal eine freie Stunde.
Um nun aber doch die Geliebte hier und da wenigstens einmal flüchtig, wenn auch vielleicht nur auf Minuten, sehen und sprechen zu können, hatte er es durchzusetzen gewußt, daß seine Kompagnie vor einigen Tagen auf die Schloßwache kommandiert worden war, um hier vier Wochen hindurch den Wachtdienst zu versehen.
Mit jubelndem Herzen hatte er die Wache bezogen, und seine fröhliche Stimmung war dann noch dadurch erhöht worden, daß die Geliebte ihm mitgeteilt hatte, der berühmte Leibniz, der Freund der Kurfürstin, sei aus Hannover angekommen, so daß nun, da sich die Kurfürstin jetzt mit dem Philosophen in lange Gespräche vertiefen werde, der gesellschaftliche Verkehr eine wesentliche Einschränkung erfahren dürfte. Schon für den nächsten Dienstag sei ein solcher philosophischer Abend angesetzt, und sie für diese Stunden beurlaubt worden. Sie lade ihn deshalb ein, in dieser Zeit zu einer kleinen Plauderei zu ihr hinauf in das ihm ja bekannte gelbe Erkerzimmerchen zu kommen.
Wie hatte er sich über das Briefchen gefreut! Wie sehnlich hatte er den Dienstag herbeigewünscht! Endlich war er gekommen, und nun saß er da wie ein gefangener Vogel! Nur einige hundert Schritte weit war das niedliche gelbe Erkerzimmerchen – und er durfte nicht hinüber!
Er stampfte mit dem Fuß auf die Erde, er schlug mit der Faust auf den Tisch, aber die Sache blieb dieselbe; schließlich holte er Papier und Tinte und schrieb folgenden Brief:
»Teuerste Eva!
Erwarte mich heute abend nicht, ich kann nicht kommen! Den Grund meines Fernbleibens darf ich nicht angeben – Staatsgeheimnis. Ich darf überhaupt fürderhin den ganzen Schloßflügel der Kurfürstin nicht mehr betreten, er wird von jetzt ab von einer anderen Kompagnie bewacht werden. Mein Gebiet hört bei der großen Treppe, die beide Schloßflügel scheidet, auf. Aber ich muß doch hier und da ein Lebenszeichen, einen Gruß von Dir haben, soll ich in meiner Abgesperrtheit nicht ganz vergehen. In der Nische an der großen Treppe steht eine Flora mit einem Körbchen; in dieses Körbchen wirf, so oft Du kannst, ein Briefchen. Du wirst dann auch eine Antwort an dieser Stelle finden. Da die große Treppe in den gewöhnlichen Zeiten ja fast gar nicht benutzt wird, so wird sich der Austausch unserer Briefe wohl ohne Aufsehen bewerkstelligen lassen. Dein
Wilhelm.«
Er atmete auf, als er zu Ende gekommen war; bei seiner Aufregung hatte ihm das Schreiben große Mühe gemacht. Dann versiegelte er den Brief aufs sorgfältigste, hatte nun aber Not, einen Bedienten aufzutreiben, der den Brief im geheimen besorgte.
Als ihm das endlich gelungen war, fühlte er sich etwas erleichtert, jedenfalls wollte er, so nahm er sich vor, den Befehl des Kurfürsten auf das genaueste befolgen.
Das war jedoch keineswegs so leicht. Wollte er den sehr umfangreichen Flügel des Schlosses mehrmals am Tage inspizieren, so hatte er sehr viel Lauferei, die ihn recht abspannte.
Da waren denn die Briefchen Evas, die er nun fast täglich in dem Korbe der Flora fand, eine ganz außerordentliche Erquickung für ihn, sie bildeten die Lichtpunkte in seinem monotonen Leben, und wenn er das eine Billettchen gelesen hatte, so freute er sich schon wieder auf das nächste.
Und Eva wußte auch in der Tat ganz allerliebst zu plaudern. In ihrem ersten Schreiben jammerte sie ja allerdings ebenfalls sehr, daß die erhofften Zusammenkünfte nun nicht stattfinden könnten, dann aber suchte sie ihn zu trösten, ihn durch allerlei Plaudereien über ihre Umgebung und ihre kleinen Erlebnisse freundlich zu stimmen und wohl gar zu erheitern. Sie berichtete ihm über Herrn Leibniz, der mit der Kurfürstin über Philosophie spreche; über das kleine allerliebste Möpschen, das die Kurfürstin sich angeschafft und das nun dem Papagei der hohen Frau die Schwanzfedern ausreiße, worauf dann dieser immer entsetzlich schreie; von dem Mohren der Kurfürstin, der das ganze Frühstück mit allen Tassen und Tellern auf den Teppich geworfen habe, weil ihm das Möpschen zwischen die Beine gelaufen war, und dergleichen mehr.
Darüber vergingen die Tage, ohne daß sich etwas Außergewöhnliches ereignet hätte; dagegen machte sich in der Bevölkerung der Stadt mehr und mehr eine gewisse Erregung bemerkbar. Daß alle Nachforschungen über den Mörder der Stafette ohne jeden Erfolg blieben, beunruhigte offenbar, ebenso die Verschärfung in der Bewachung des kurfürstlichen Schlosses.
Aber auch noch etwas anderes erfüllte die Gemüter, besonders die ängstlicheren.
Man begann nämlich zu munkeln, daß es im Schlosse nicht ganz geheuer sei. Wie das Gerücht entstanden war, wußte niemand zu sagen, aber einer raunte es dem anderen zu, und dieser oder jener schmückte es auch noch etwas weiter aus. Schließlich erzählte man sich sogar, die weiße Frau sei im Schlosse erschienen, in einem Korridore sei sie gesehen worden.
Das kam denn endlich auch zu den Ohren des Kurfürsten. Er ließ den Leutnant v. Keith kommen und befragte ihn über die Angelegenheit, aber der Offizier vermochte nichts zur Aufklärung der Angelegenheit mitzuteilen; er konnte nur versichern, daß ihm nichts Verdächtiges vorgekommen sei, und daß auch von den Wachen nichts Derartiges gemeldet worden, doch könne er nicht verhehlen, daß sich eine gewisse Beängstigung unter der Mannschaft bemerkbar mache; die Leute seien eben meist ungebildet und abergläubisch.
Der Kurfürst befahl, der Mannschaft ernstlich vorzustellen, daß ja von dem ganzen Gerede auch nicht das Geringste erwiesen sei und daß man sich daher nicht weiter aufregen solle.
Das geschah, aber damit war der interessante Gesprächsstoff und die Bewegung in den Gemütern doch keineswegs aus der Welt geschafft, ja plötzlich schlugen die Wogen der Aufregung noch einmal so hoch empor.
Eines Abends saß Leutnant v. Keith spät noch in seinem neben dem Wachtlokale gelegenen Dienstzimmer, um das Parolebuch in Ordnung zu bringen, als ein Soldat hereinstürzte, kreidebleich und an allen Gliedern zitternd. Er habe soeben die weiße Frau gesehen, stöhnte er, oben in dem langen Korridor. Kurz, nachdem es Zwölf geschlagen, sei er vorschriftsmäßig den langen Korridor entlanggeschritten, da sei sie hinten erschienen, habe gar keine Bewegung weiter gemacht und sei dann wieder verschwunden, er wisse nicht wie.
An der Wahrhaftigkeit der Aussage war nicht zu zweifeln, wenigstens sagte der Mann ganz gewiß das aus, von dem er auf das bestimmteste überzeugt war.
Keith schüttelte befremdet den Kopf, als er den mit bebender Stimme hervorgestoßenen Bericht des Grenadiers vernahm und tadelte den Mann, daß er seinen Posten verlassen habe. Dann aber stellte er sich sofort an die Spitze von fünf Grenadieren, die er scharf laden ließ, und stieg mit diesen und der noch immer zitternden Wache zu dem besagten Korridor hinauf. Nirgends war etwas Außergewöhnliches zu entdecken, überall herrschte eine wahre Totenstille, nur die Tritte der Soldaten hallten unheimlich in dem langen Gange wider. An der Tür zu dem blauen Zimmer untersuchte Keith die Schlösser und Eisenstangen – alles fand er in bester Ordnung.
»Der Kerl ist ein Hasenfuß und leidet an Wahnvorstellungen«, murmelte er vor sich hin, ließ aber die Wache ablösen und stellte statt des einen zwei Mann in diesem Teil des Stockwerks auf, auch ließ er in dem fraglichen Korridor noch eine zweite Laterne aufhängen, da durch nur eine der lange Raum bisher bloß teilweise erleuchtet worden war.
Am anderen Tage erstattete der Leutnant natürlich sofort dem Kurfürsten Bericht über den Vorfall, und der Kurfürst ließ dann auch noch den Wachtposten selbst zu sich kommen; Neues kam dabei aber nicht zutage; der Mann blieb dabei, die weiße Frau leibhaftig gesehen zu haben, eine hohe weiße Gestalt, die lautlos gekommen und dann wieder spurlos verschwunden sei, aber weiter wußte er nichts anzugeben.
Den Eindruck der Wahrhaftigkeit machte der Bericht des Soldaten auch auf den Kurfürsten; er wurde sehr ernst und entließ den Leutnant und den Grenadier, ohne weiter ein Wort zu sagen.
Weit lebhafter äußerte sich natürlich die Wirkung der Nachricht, daß nun in der Tat die weiße Frau erschienen sei, bei den übrigen Schloßbewohnern und draußen in der Bürgerschaft. Ein allgemeines Grauen befiel die Dienerschaft; niemand wollte mehr, sobald es dämmerig geworden, durch die entfernter gelegenen Korridore gehen, und die Gegend, wo die weiße Frau sich gezeigt haben sollte, mied man überhaupt. In der Bürgerschaft aber steckten besonders die Frauen beständig die Köpfe zusammen; sie waren überzeugt, daß nun demnächst ein großes Ereignis im Schlosse eintreten werde, wahrscheinlich ein Todesfall, denn meist kündige ja die weiße Frau den Tod eines Mitgliedes der kurfürstlichen Familie durch ihr Erscheinen an. Wer war es nun aber, den das Los jetzt treffen sollte? Die Phantasie hatte den weitesten Spielraum, denn niemand in der kurfürstlichen Familie war augenblicklich krank.
Tage vergingen wieder, und die allgemeine Aufregung begann sich schon etwas zu legen, als die Angelegenheit plötzlich eine ganz neue Wendung erhielt. Allerdings erfuhren von derselben zunächst nur sehr wenige Personen.
Der November hatte begonnen, dicke Nebelwolken lagerten auf der Stadt und versetzten jeden in eine gewisse melancholische Stimmung. Auch der Leutnant v. Keith litt unter diesem Gemütszustande, ja vielleicht noch mehr als mancher andere, da sich nach den Aufregungen der letzten Zeit bei ihm auch eine gewisse Abspannung geltend machte.
Eines Morgens war er verdrießlicher denn je, und um sich daher wieder etwas aufmuntern zu lassen und auf andere Gedanken zu kommen, stieg er schon gleich nach dem Frühstück die große Treppe hinauf; vielleicht fand er bereits in dem Körbchen der Flora ein Briefchen von seiner Eva vor. Als er, an der Statue angelangt, sich unbemerkt sah, griff er schnell in das Körbchen hinein, und siehe da, es lag ein Brief darin! Rasch steckte er ihn zu sich, ging die Treppe vollends hinauf, bog in den nächsten Korridor ein und stellte sich dort an das erste Fenster, um die Zeilen der Geliebten zunächst nur einmal flüchtig zu durchfliegen.
Wie alle Briefe Evas, die ihm durch die gütige Vermittlung der Göttin Flora zugingen, trug auch dieser keine Adresse, aber im übrigen sah er doch wesentlich anders aus, als die bisherigen. Das Format war größer und das Papier erheblich derber. Verwundert drehte er ihn hin und her, dann aber riß er ihn auf und nun fuhr er ganz erstaunt zurück, denn er blickte auf ein ziemlich langes Schreiben von ihm unbekannter Hand. Es war in französischer Sprache abgefaßt und trug keine Anrede.
»Die Frucht ist jetzt reif«, begann es, »und muß eiligst gepflückt werden. In dieser Nacht ist ein Kurier vom Minister aus Versailles angekommen, der die Mitteilung überbracht hat, daß König Karl II. am 1. November in Madrid gestorben ist. Noch wird man am Wiener und hiesigen Hofe davon nichts wissen, aber vielleicht schon morgen wird man es auch dort erfahren, und der Kaiser Joseph wird sich dann nicht länger besinnen, seine Zustimmung dazu zu geben, daß sich der Kurfürst zum König von Preußen macht, damit Österreich die versprochene Hilfe von Brandenburg in dem nun losbrechenden Kriege mit Frankreich erhält. Darum muß es verhindert werden, daß die Krönung alsbald vor sich gehen kann. Hat erst eine Schlacht stattgefunden, und ist in dieser der Kaiser geschlagen worden, so wird er sich gewiß zu einem Vergleiche mit Frankreich bequemen, zugleich aber wird er auch, wenn die Krönung in Königsberg noch nicht hat stattfinden können, seine so widerwillig gegebene Zustimmung zu der Rangerhöhung des Brandenburgers unter irgendeinem Vorwande wieder zurückziehen. Das wäre dann die Erfüllung eines lebhaften Wunsches unseres glorreichen Königs, der besorgt, daß mit dem selbständigen Auftreten Preußens der Keim einer neuen politischen Macht im Norden Deutschlands ersteht. Ich schlage daher vor, daß schon in der nächsten Nacht Krone und Zepter beseitigt werden. Das Kostüm der weißen Frau hat sich ja bestens bewährt, nachdem wir vorher so vorzüglich Stimmung gemacht. Nach den Wachsabdrücken, die ich in jener Nacht von den Schlössern des blauen Zimmers nahm, habe ich die verschiedensten Nachschlüssel anfertigen lassen, so daß die Öffnung der Tür gewiß leicht zu bewerkstelligen sein wird. Wenn nicht, so brauchen wir schnell Gewalt; allerdings müssen zuerst die zwei Grenadiere in die Flucht gejagt werden, aber auch das wird gelingen, denn einem Gespenste gegenüber sind sie alle Hasenherzen. Kommen Sie also womöglich schon heute vormittag zu mir, damit wir das Nähere besprechen und veranlassen können.«
Unterzeichnet war das Schreiben nicht.
Keith zitterte vor Zorn, als er es gelesen hatte. »Diese Schufte!« rief er unwillkürlich. Dann aber faltete er das Blatt eiligst wieder zusammen, steckte es in seine Brusttasche und stieg schleunigst zu den Gemächern des Kurfürsten hinab, wo er sich sofort bei dem hohen Herrn melden ließ. Es war jedoch eben der Staatsrat zusammengetreten, der Leutnant wurde daher beschieden, sich gegen Mittag wieder zu melden. Allein dann konnte bereits etwas versäumt sein, er ließ daher nochmals bitten, die Audienz sofort zu gewähren, da es sich um eine Sache von höchster Wichtigkeit handle. Jetzt entsprach der Kurfürst dem Wunsche des Leutnants.
Keith eröffnete dem Kurfürsten in kurzen Worten, auf welche Weise er in den Besitz des Schreibens gekommen sei. Der Kurfürst las das Schreiben mit gespannter Aufmerksamkeit durch; als er zu Ende war, hatte er sich vollständig entfärbt. Mehrere Minuten stand er da, ohne ein Wort zu sprechen. Endlich brach er die Stille.
»Um die Schurken zu fangen«, sagte er, »wird es das richtigste sein, wenn wir den Brief wieder an seine Stelle legen und das Gespensterstück sich abspielen lassen; es wird uns dann leicht sein, den nötigen Knalleffekt dazu zu liefern.«
Auch Keith hielt dieses Verfahren für das zweckmäßigste, worauf der Brief, der nur mit Siegellack verklebt, nicht aber mit einem Petschaft regelrecht zugedrückt und darum beim Öffnen nicht verletzt worden war, wieder verschlossen und vorsichtig an seinen früheren Ort gelegt wurde. Zugleich stellte sich Keith hinter einem Pfeiler auf die Lauer.
Er brauchte nicht lange zu warten. Ein französischer Friseur, namens Beau, der täglich mehrere Kammerherren frisierte, kam, sein Päckchen mit Kämmen, Bürsten, Scheren und dergleichen unter dem Arm, die große Treppe hinauf. Als er in der Nähe der Flora war, sah er sich vorsichtig um, und als er niemand gewahrte, griff er schnell in das Körbchen und hatte im Nu den Brief zu sich gesteckt. Darauf kehrte er um und stieg in beschleunigtem Schritt die Treppe wieder hinab.
In einiger Entfernung folgte ihm Keith. Der Bursche schritt erst durch verschiedene Straßen, dann blieb er in einem Winkel stehen, zog den Brief hervor und las ihn schleunigst. Daraus ging er weiter noch durch mehrere Straßen, bis er vor dem Hause des französischen Gesandten anlangte, in das er eintrat.
Keith wußte nun genug. Er erstattete seinem kurfürstlichen Herrn Bericht, und dieser ordnete sodann alles zur Abfangung der Kronenräuber an. Dem Leutnant v. Keith wurde natürlich die Führerrolle zu erteilt.
Als der Abend herabsank, bemächtigte sich Keiths nach und nach eine große Aufregung; war doch bei aller Umsicht nicht abzusehen, wie die Sache ablaufen würde. Es war beabsichtigt, die Burschen vor allem lebend zu bekommen, sie also rasch zu überfallen und mit Stricken sofort zu binden. Es ließ sich dann bei den Verhören noch manches Interessante herausbringen. Nur im Notfalle sollte geschossen werden.
Gegen elf Uhr wurde geräuschlos eine Anzahl genau instruierter Grenadiere in verschiedene dunkle Nischen und Winkel postiert; in den beiden Laternen des Korridors wurden die Dochte möglichst zurückgeschoben, so daß der Raum nur spärlich erleuchtet war; Keith selbst stellte sich mit einer verschlossenen Blendlaterne hinter eine Draperie, und nun sah man den Ereignissen, die jetzt eintreten sollten, mit Spannung entgegen. Vor allem war man begierig zu beobachten, von welcher Seite die »weiße Frau« kommen würde; bei ihrem ersten Erscheinen hatte die Wache eben nur bemerkt, daß sie plötzlich dagestanden hatte.
Es liefen nämlich an dem Ende des Korridors zwar noch zwei Seitengänge nach rechts und links, diese hatten aber keine weiteren Zugänge. Es war also einigermaßen rätselhaft, wie die Räuber von dort hinten her zur Tür des blauen Zimmers kommen konnten.
Nur langsam verging den Harrenden die Zeit. Endlich schlugen die Uhren von den Türmen Zwölf. Jeder verdoppelte seine Aufmerksamkeit, aber es blieb zunächst noch alles still. Abermals verging eine Viertelstunde. Da knackte etwas ganz leise, kaum hörbar. Unwillkürlich fuhr jeder der Grenadiere leicht zusammen, während Keith die Laterne fester faßte. Jetzt wurde ein leise schlürfender Schritt vernehmbar – und siehe, da stand sie, hinten am Ende des Korridors, die erwartete weiße Gestalt!
Die beiden Wachen machten, wie verabredet war, die Gebärden von lebhaft Erschreckten und flohen zur Treppe. In demselben Augenblick sprang eine zweite, aber dunklere Gestalt herbei und machte sich sofort mit großer Eile an der Tür des blauen Zimmers zu schaffen.
Jetzt aber riß Keith die Blenden von der Laterne und stürzte aus seinem Versteck hervor. Zugleich kamen unmittelbar hinter ihm seine Grenadiere von allen Seiten.
»Ah, ihr Schurken!« rief er, »diesmal habt ihr euch verrechnet! Ergebt euch –«
In diesem Moment krachte ein Schuß und zugleich stürzte Keith mit einem leichten Aufschrei zu Boden. Die Laterne entfiel ihm und erlosch. Eine allgemeine Verwirrung entstand, die noch durch den Pulverdampf vergrößert wurde. Die Grenadiere hoben den Gestürzten auf. Schon nach wenigen Sekunden hatte er seine Besinnung wieder.
»Wo sind die Kerle?« fragte er. »Es ist nicht viel mit mir. Schnell hinter ihnen her!«
Einer der Soldaten hielt den Verwundeten, die anderen zündeten schleunigst die Blendlaterne wieder an und suchten nun den Korridor und die Seitengänge ab, aber nirgends war auch nur eine Spur von den Flüchtigen zu finden. Schließlich schleppte sich auch noch Keith, der einen Schuß in das linke Bein erhalten hatte, durch die Gänge, doch vermochte auch er nirgends zu entdecken, auf welche Weise die Schurken entwichen waren.
Endlich mußte man sich bequemen, dem Kurfürsten, der befohlen hatte, ihm noch in der Nacht von dem Ergebnis des Unternehmens Bericht zu erstatten, mitzuteilen, daß die Sache etwas anders verlaufen war, als man erwartet hatte.
»Dachte ich's doch fast!« rief der Kurfürst, als er den Bericht vernommen. »Es müssen überhaupt geriebene Kerle sein, die so einen abenteuerlichen Plan auszuführen unternahmen!« Dann sprach er sein lebhaftes Bedauern aus, daß Keith so schlimm bei der Sache weggekommen war, und ordnete an, daß dem Verwundeten ein kurfürstliches Zimmer eingeräumt und sofort der Hofarzt geholt wurde. Endlich erklärte er, noch einen letzten Versuch machen zu wollen, der Schurken habhaft zu werden, und ordnete an, die sämtlichen Tore von Berlin am Morgen nicht eher zu öffnen, als bis die ganze Residenz durchsucht worden sei.
Es gab daraus in der ganzen Stadt eine große Aufregung, und in der französischen Gesandtschaft war man sogar aufs höchste entrüstet darüber, daß man auch hier vom Keller bis zum Dache jeden Winkel durchforschte – von den Gesuchten ward aber keiner gefunden.
Im Schlosse wurden die Gänge bei Tageslicht von mehreren Sachverständigen untersucht, und da fand man in dem einen Seitenkorridor hinter einem ausrangierten, dort aufgehängten Gemälde eine, alte Tapetentür, die zu einer Wendeltreppe führte, welche hinab bis in eine Rumpelkammer des Erdgeschosses, eine frühere Dienerstube, ging. Das Fenster dieses Raumes, das nach dem Lustgarten zu lag und dessen eine Scheibe zerbrochen war, stand halb offen. Von hier also waren die Räuber ohne Zweifel eingedrungen und hier waren sie auch wieder entwichen. Ihre weitere Flucht war gewiß von langer Hand vorbereitet worden, so daß schon ein kleiner Zeitverlust es unmöglich machte, ihnen auf die Spur zu kommen.
Vermochte nun auch der Kurfürst nicht, dem räuberischen Einbrüche die entsprechende Strafe folgen zu lassen, so war er doch immerhin hoch befriedigt, daß er hinter die französischen Schliche gekommen war, und äußerte seine Dankbarkeit gegen den Leutnant v. Keith in reichem Maße. Er ernannte ihn zunächst zum Hauptmann, machte ihm ein namhaftes Geldgeschenk und gestattete seiner Braut Eva v. Tretzow mit Genehmigung der Kurfürstin, daß sie einen Teil der Pflege bei ihrem Verlobten übernahm.
Das alles beglückte natürlich den anfangs sehr mißgestimmten Verwundeten im höchsten Grade, und bei dieser frohen Stimmung nahm denn auch die Heilung der Wunde den besten Verlauf.
Auch die Angelegenheit des Kurfürsten entwickelte sich jetzt in durchaus glatter Weise. Durch die Ausraubung der Stafette, die offenbar – wenn es auch nie hat bewiesen werden können – von den Franzosen veranlaßt worden war, hatte die Verständigung mit Wien nur eine kurze Unterbrechung erfahren. Der eigentliche geheime Kronvertrag wurde erst jetzt entworfen, und dann, nachdem er die Zustimmung des Kurfürsten erhalten hatte, am 16. November vom Kaiser unterschrieben.
In diesem Vertrage verpflichtete sich der Kaiser, den Kurfürsten, wenn er sich als König von Preußen krönen würde, auch als diesen anzuerkennen und zu achten, und der Kurfürst erklärte, als Gegenleistung zu dem Kriege, welcher jetzt zwischen Österreich und Frankreich wegen der spanischen Erbfolge entbrennen würde, dem Kaiser 8000 Mann Hilfstruppen zu stellen.
Nach der Ankunft des Vertrages in Berlin traf der Kurfürst schleunigst alle Vorbereitungen zur Krönung und brach bereits am 17. Dezember mit großem Gefolge nach Königsberg auf. Am Dienstag den 18. Januar 1701 ging bekanntlich die Krönung in Königsberg unter großer Prachtentfaltung vor sich. Der Kurfürst Friedrich III. nannte sich nun fortan Friedrich I., König von Preußen.
Als Hauptmann Keith wieder stehen und gehen konnte und mit der Geliebten fröhliche Hochzeit machte, da war der erste Trinkspruch, welcher an der Tafel erscholl, der auf die neue Krone, die er ja doch mit hatte retten helfen, und durch die er nun früher, als er hatte hoffen können, mit der Geliebten vereinigt worden war.
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.