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Wer zuletzt lacht.


In einer so lebhaften und allgemeinen Erregung hatte sich der kurfürstliche Hof von Berlin noch nie befunden, wie im Frühlinge des Jahres 1688. Keine Soiree ging vorüber, in der nicht das Thema, das alle beschäftigte, erörtert oder doch wenigstens berührt wurde, ja selbst auf den Spaziergängen hielten die Bekannten einander an und konnten nicht fertig werden, die Angelegenheit von A bis Z durchzusprechen und Für und Gegen abzuwägen. Und was war es, das diese allgemeine Unruhe hervorrief? Wollte man einen Krieg anzetteln, oder großartige Reformen im Lande vornehmen, oder sonst irgendeinen Umsturz herbeiführen? Nichts von alledem, nur um die kleine, schöne Hand einer jungen hohen Dame handelte es sich; freilich war diese junge Dame überaus liebreizend und anmutig und zudem außerordentlich reich.

Luise Charlotte hieß die Vielumworbene; sie war eine geborene Prinzessin Radziwill, eine Tochter des unermeßlich reichen Fürsten Bogislaus Radziwill, und vor etwa anderthalb Jahren mit dem Markgrafen Ludwig, einem jüngeren Bruder des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, verheiratet worden, hatte den jungen Gemahl aber bereits nach wenigen Monaten wieder durch den Tod verloren und sollte nun aus Gründen der »Staatsraison« vermählt werden. Aber wer sollte der Glückliche sein, der sie heimführen durfte? Darüber waren eben die Meinungen sehr geteilt. An Bewerbern fehlte es natürlich nicht. Zunächst bemühte sich der jüngste Bruder des Kurfürsten um sie und wurde bei seiner Werbung von Friedrich III. unterstützt. Dieser letztere wußte sehr wohl, daß eine Verbindung mit der Radziwillschen Familie unter Umständen für das emporstrebende Kurfürstentum Brandenburg sehr wichtig werden konnte. Schon die Heirat der Prinzessin mit seinem Bruder Ludwig hatte er vermittelt, und da diese Ehe nun so schnell wieder durch den Tod getrennt worden war, so suchte er jetzt das zerrissene Band durch seinen jüngsten Bruder aufs neue zu knüpfen. Ein zweiter Bewerber um die schöne, reiche Markgräfin war Prinz Jakob, der Sohn des Königs Johann Sobieski von Polen. Für diesen mußte selbstverständlich die Tochter eines der einflußreichsten polnischen Fürsten noch weit begehrenswerter sein, als für den jungen Hohenzollern, er zog daher auch – wie man so sagt – alle Register, um die schöne Frau zu erlangen, und genoß dabei der lebhaftesten Beihilfe Frankreichs, das aus politischen Gründen nicht wünschte, daß Brandenburg sich etwa enger mit Polen befreunde und dadurch vielleicht mehr Einfluß gewinne. Ein dritter Bewerber endlich trat in dem jungen Pfalzgrafen Karl Philipp, dem Sohne des Kurfürsten von der Pfalz, auf, der Luise Charlotte einmal vor mehreren Jahren, als sie mit ihrem Vater eine Reise durch Süddeutschland machte, kennen gelernt hatte. Damals war eine stille Neigung zueinander in den beiden jungen Herzen aufgekeimt, aber man hatte sich nicht ausgesprochen, und die Vermählung der Prinzessin mit dem Hohenzollernprinzen hatte sodann alle Hoffnungen Karl Philipps schnell vernichtet. Nun aber, nach dem Hinscheiden des Markgrafen, flammte die alte Liebe im Herzen Karl Philipps aufs neue auf, und der Kurfürst Philipp Wilhelm von der Pfalz beeilte sich, für seinen Sohn die nötigen Schritte am brandenburgischen Hofe zu tun. Allein er war so sehr in allerlei Kriegshändel verwickelt und besaß auch so wenig Anknüpfungspunkte in Berlin, daß er im großen und ganzen in dieser Angelegenheit nur wenig ausrichten konnte.

Die junge verwitwete Markgräfin befand sich bei diesen verschiedenen Bewerbungen in der schlimmsten Lage, und da nun auch alsbald die verschiedensten Intrigen um sie gesponnen wurden, so verlor sie jeden klaren Blick; der eine riet und berichtete ihr dies, der andere das, und sprach dabei – das fühlte die kluge Frau wohl heraus – meist nur so, wie es seinem persönlichen Vorteile am günstigsten war, und was das schlimmste war, die wichtigsten Verhandlungen wurden geführt, ohne daß sie darüber auch nur das Geringste wußte. Wurde doch in jener Zeit eine fürstliche Heirat fast einzig und allein vom politischen Standpunkte aus erwogen. Die Herzen der beiden Personen, welche vermählt werden sollten, wurden dabei fast nie befragt und mußten sich dann zueinander finden, so gut es eben ging. Das wußte auch die Markgräfin, sie wußte aber auch, daß sehr oft der junge Gemahl, nachdem er sein Ziel erreicht, die günstige Heirat abgeschlossen, sich völlig gleichgültig von seiner jungen Gemahlin abwandte und sie einem einsamen, traurigen Leben überließ. Zu einem solchen wollte sie sich aber keineswegs verhandeln lassen, und während nun die Kabinette in langatmigen Briefen die verschiedenen Heiratsprojekte vom hohen politischen Standpunkte aus umständlich erwogen, suchte sie auf eigene Faust ihre Politik zu treiben, aber nur die Politik des Herzens.

In betreff des jüngeren Bruders des Kurfürsten Friedrich von Brandenburg war sie bald im klaren; der junge Herr sagte ihr durchaus nicht zu, er hatte nur Sinn für die Jagd, für Pferde und Hunde, und sie beschloß daher, sich gegen diesen von vornherein abweisend zu verhalten. Bei dem Hinblick auf den Prinzen Jakob regte sich in ihr ein gewisses Heimatsgefühl, und bei dem Gedanken an Karl Philipp tauchte die Erinnerung an die mit ihm verlebten schönen Tage in Mannheim und auf dem Schlosse in Heidelberg wieder auf. Für beide junge Männer hegte sie also ein gewisses Interesse, und es war nun zu wünschen, daß sie Gelegenheit finden möchte, beide jetzt genauer kennen zu lernen, und zwar durch persönlichen Umgang. Aber wie sollte das bewerkstelligt werden! Einem offiziellen Besuche, den die Prinzen etwa in Berlin machen konnten und der dann doch mit allen Förmlichkeiten und Festlichkeiten vor sich gehen mußte, widerstrebte der Kurfürst, der noch immer mit aller Energie die Interessen seines Bruders vertrat, aufs heftigste, und einem geheimen stellten sich die größten Hindernisse entgegen, da der Kurfürst die Markgräfin mit Argusaugen bewachen ließ. Sie mußte im kurfürstlichen Schlosse zu Berlin wohnen, durfte nie allein, sondern immer nur in Begleitung zweier Hofdamen und eines Kammerherrn, aus dessen Zuverlässigkeit der Kurfürst bestimmt rechnen konnte, ausfahren, und hatte die Weisung, unterwegs niemals auszusteigen.

Luise Charlotte war also vollständig von dem direkten Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen, trotzdem ließ sie den Mut nicht sinken. Sie besaß in ihrem Privatsekretär Werner einen ihr sehr treu ergebenen Menschen, der mit einem ruhigen, klaren Blick ein sicheres Urteil verband. Wiederholt hatte sie bereits verschiedene ihrer Angelegenheiten mit ihm beraten und machte ihn daher auch mit ihrer jetzigen Situation bekannt. Werner erkannte vielleicht noch klarer wie sie das Mißliche ihrer Lage, aber auch er war der Ansicht, daß sie kein Mittel unversucht lassen solle, um eine solche Wahl treffen zu können, durch die sie auch wirklich glücklich zu werden vermöge. Und darum riet er ihr, jedem der beiden Prinzen einen Wink zukommen zu lassen, der sie von ihrem Wunsche unterrichte; beide junge Herren möchten dann ihren Scharfsinn anstrengen und sehen, wie sie irgendeine Zusammenkunft mit ihr ermöglichten. Diesem Rate stimmte die Markgräfin bei, und daraus fertigte Werner sofort zwei Briefe aus, den einen an einen Starosten Bielinsky, der am Hofe in Warschau lebte und den er kannte, den anderen an einen Kammerdiener des Kurfürsten von der Pfalz, namens Rümmlin, mit dem er weitläufig verwandt war. In beiden Briefen deutete er in sehr geschickter Weise den Wunsch der Markgräfin an, bemerkte aber auch, daß die größte Vorsicht nötig sei. Darauf liefen schon sehr bald die entsprechenden Antworten ein; sowohl Prinz Jakob als Karl Philipp ließen Werner benachrichtigen, daß sie mit Vergnügen bereit wären, nach Berlin zu kommen und auch die nötige Maske ausfindig machen würden, in der sie erscheinen könnten, um unentdeckt der Markgräfin sich nähern zu können.

Es war nun nichts natürlicher, als daß sich der Markgräfin eine große Unruhe bemächtigte; sie hatte gleichsam mit einem leisen Druck ein großes Uhrwerk in Bewegung gesetzt, dessen Ablaufen sie nun nicht mehr zu verhindern vermochte, ja, dem sie geduldig gegenübersitzen mußte, harrend, wie es zu Ende gehen werde. Doch sollte sie des unbehaglichen Abwartens bald überhoben sein. Bereits wenige Tage nach dem Eintreffen der Antworten erschien zunächst der Starost Bielinsky in Berlin; er kam in einer prächtigen Equipage, mit reich betreßten Lakaien und allem Pomp, den ein polnischer Großer damals zu entfalten pflegte, verriet aber nicht im geringsten den wahren Grund, welcher ihn in die kurbrandenburgische Hauptstadt führte. Vielmehr gab er sich den Anschein, als interessiere ihn die Heiratsangelegenheit des Prinzen Jakob nicht im entferntesten und als haben nur einzig und allein rein staatliche Interessen seine Reise veranlaßt. Schon am nächsten Tage nach seiner Ankunft ließ er sich denn auch beim Kurfürsten melden und überreichte demselben ein Schreiben seines Königs, in welchem dieser ihn bevollmächtigte, einige kleine Grenzregulierungen zwischen Polen und Kurbrandenburg, die schon seit längerer Zeit der Erledigung harrten, zum Abschluß zu bringen und außerdem beauftragte, ein engeres Schutz- und Trutzbündnis zwischen den beiden Ländern, von dem wiederholt die Rede gewesen war, anzubahnen und womöglich zustande zu bringen. Infolgedessen ließ sich der Kurfürst täuschen, behandelte den polnischen Abgesandten mit großer Zuvorkommenheit und beauftragte zwei Räte, sich der beregten Angelegenheit aufs wärmste anzunehmen.

Der erste Schritt war also leicht gelungen, und Bielinsky machte sich daher schnell an die weiteren. Mit der Geschmeidigkeit des höflichen und zuvorkommenden Polen wußte er alsbald verschiedene wichtige Bekanntschaften bei Hofe zu machen, bald hatte er diesen und jenen Diener durch polnische Dukaten für sich gewonnen, verschiedene Hofdamen der Markgräfin durch wertvolle Präsente auf seine Seite gebracht und nicht lange, so stand er eines Abends auch der Markgräfin selbst in einer geheimen Zusammenkunft gegenüber. Er überbrachte ihr die untertänigsten Grüße seines Prinzen und die Versicherung, daß derselbe schon jetzt, da er die Frau Markgräfin nur erst im Bilde kenne, die heißeste Liebe für sie empfinde, und dann setzte er noch mit kluger Berechnung hinzu, daß es auch wohl in ganz Europa weiter keinen jungen Mann gebe, der so vollständig zu der Frau Markgräfin passe wie Prinz Jakob. Denn er sei ein Muster von einem Kavalier, von schönem, gewinnendem Äußeren, eleganten Manieren und vor allem begabt mit einem durch und durch edlen Herzen. Der Starost suchte dadurch die Markgräfin schon so weit für den Prinzen einzunehmen, daß er diesem bereits begründete Hoffnung machen könnte; allein die kluge Frau war sehr auf ihrer Hut, sie drohte lächelnd mit dem feinen Finger, als Bielinsky so mit vollen Backen lobte, und als er geendet hatte, rief sie belustigt: »Ei, das wäre ja ein wahrer Mustermann; doch einen solchen will ich keineswegs; ich muß auch manchmal etwas zu schelten haben, um mich wohl zu befinden, das ewige Einerlei des Guten und Vortrefflichen ist mir entsetzlich langweilig. Aber der Prinz wird gewiß auch Eigenschaften besitzen, die dieser Richtung meines Geschmackes Rechnung tragen – allein nur ich bin imstande, dieselben zu bemerken und herauszufinden, darum wollen wir uns jetzt noch nicht, auch nicht mit dem geringsten Wörtlein binden; kommt der Prinz nach Berlin und findet er den Weg zu mir – und daran ist nun ja, nachdem Sie, Herr Starost, ihn sich offen gelegt haben, nicht zu zweifeln – so wird sich alles weitere ja schnell finden.«

Der Starost wußte damit genug. Ohne die Gegenwart des Prinzen war auch nicht der geringste Schritt möglich; er fertigte daher noch an demselben Abend eine Stafette ab und bat den Prinzen, umgehend zu kommen, er werde ihn in Bernau, einer kleinen Stadt, einige Meilen nördlich von Berlin, im Gasthofe »Zum Hirsch« erwarten. Dem Prinzen kam diese Aufforderung zwar wenig genehm, da er nach den bisherigen Dispositionen erst in etwa acht Tagen abreisen und vorher noch eine große Bärenjagd mitmachen wollte, allein er machte sich dennoch sofort auf den Weg und traf auch ganz richtig zu jener Zeit, die Bielinsky berechnet hatte, in schlichtestem Anzuge und nur von einem Reitknechte begleitet, in Bernau ein. Auch der Starost war pünktlich zur Stelle, er hatte eine scheinbar ganz harmlose Spazierfahrt nach Bernau unternommen und bewerkstelligte die geheime Überführung des Prinzen nach Berlin nun dadurch, daß er ihn in die Kleidung eines Lakaien steckte und hinten auf seine Kutsche stellte. Der Streich gelang vollständig, weder der Torschreiber noch die Torwache hatten eine Ahnung davon, daß sie getäuscht wurden. In der Stadt nahm der Prinz sodann Quartier beim französischen Gesandten Grafen Gravelle.

Der erste Teil des kecken Unternehmens war also im vollen Umfange geglückt; weit gefahrvoller war aber der zweite: Eine geheime Zusammenkunft mit der Markgräfin zu bewerkstelligen, und zwar mit Bielinsky, der doch den Prinzen der Markgräfin vorstellen mußte. Die Sache war um so schwieriger, als die Oberhofmeisterin Luise Charlottes, die Frau v. Viereck, keine Sympathien für den Prinzen hegte und von Bielinsky weder durch Überredungskünste, noch durch Präsente hatte gewonnen werden können. Um daher so sicher wie möglich zu gehen und die Gefahren so viel als nur angänglich aus dem Wege zu räumen, hatte sich Bielinsky der Mithilfe eines gewissen Faviole, eines französischen Hauptmanns außer Dienst, und eines gewissen Possière, der früher Sekretär der französischen Gesandtschaft gewesen war, versichert. Diese beiden Männer waren in Liebesaffären außerordentlich bewandert, kannten alle Schliche und Kniffe und besaßen eine große Personalkenntnis. Sie hatten bereits ausspioniert, wie es zur Zeit allabendlich im kurfürstlichen Schlosse zuging, wann und in welchem Zimmer der Kurfürst und die Kurfürstin mit den kurfürstlichen Prinzen und Prinzessinnen, sowie der Frau Markgräfin zu Nacht speisten, und wann sich letztere endlich in ihre Gemächer zurückziehen konnte. Auf diese genaue Kenntnis war sodann der ganze Plan für die Zusammenkunft gebaut worden, und als nun der Prinz eingetroffen war, wurde beschlossen, noch am selben Abend das Tete-a-tete in Szene zu setzen. Die Markgräfin wurde davon durch ein Billett in Kenntnis gesetzt und antwortete, daß sie mit allem einverstanden sei und zwischen elf und zwölf Uhr den Prinzen erwarten werde.

Der Prinz sowohl wie Bielinsky waren daher in bester Laune, sie hofften, daß der ganze nächtliche Besuch ohne jeden unangenehmen Zwischenfall verlaufen werde. Den Eintritt in das Schloß wollten sie durch ein kleines Pförtchen von der Spreeseite aus nehmen, das für gewöhnlich verschlossen war, ihnen aber zur bestimmten Stunde durch einen bestochenen Kastellan geöffnet werden sollte; dann wollte der Prinz mit Bielinsky unten an der ersten Kreuzung der Korridore zunächst stehen bleiben und durch Faviole und Possière den übrigen Weg bis zu den Gemächern der Markgräfin rekognoszieren lassen. Erst wenn dann die Luft vollständig rein befunden worden, wollte der Prinz selbst mit Bielinsky hinaufschlüpfen.

Es war also alles mit der äußersten Vorsicht überlegt worden und es schien auch, als sollte alles glatt sich abwickeln; das Pförtchen war offen, im ganzen Schlosse herrschte bereits die tiefste Stille, alle traten leise ein, der Prinz und Bielinsky blieben an der ersten Kreuzung der Korridore stehen und Faviole und Possière schlichen weiter. Plötzlich entstand jedoch ein entsetzlicher Lärm, Stimmen schrien durcheinander und entsetzt hörten der Prinz und Bielinsky Possière jämmerlich schreien. Gleich darauf kam Faviole auf sie zugestürzt und rief mit halblauter Stimme: »Er ist von Lakaien, die eben von einer oberen Treppe herabkamen, ergriffen und zu Boden geschlagen worden und befindet sich jetzt schon in den Händen von zwei Wachen. Machen wir schnell, daß wir fortkommen!«

Das war allerdings das einzige, was sie jetzt tun konnten, sie verließen daher schleunigst das Schloß und kamen auch unangefochten bis in ihre Wohnung. Dort taten sie nun aber freilich die ganze Nacht kein Auge zu, sondern harrten beklommen, was sich am anderen Morgen begeben werde. Und das sollten sie bald genug erfahren. Possière hatte gleich im ersten Verhör in seiner Angst alles gestanden, und der Kurfürst war nun im höchsten Grade aufgebracht, daß ein solcher Streich sozusagen unter seinen Augen gewagt worden war. Er ließ auch den Hauptmann Faviole verhaften, und nachdem dieser ebenfalls verhört worden war, mußten Grenadiere die beiden Franzosen sofort über die Grenze bringen. Der Kurfürst ging also mit aller Strenge vor, und infolgedessen hielt es der französische Gesandte, Graf Gravelle, für angezeigt, dem Kurfürsten zu vermelden, daß er seit gestern den Prinzen Jakob bei sich beherberge; der Prinz habe um Logement gebeten und es sei ihm, dem Grafen, daher unmöglich gewesen, dem hohen Gaste eine freundschaftliche Aufnahme zu verweigern; zugleich reichte der Starost Bielinsky ein Schreiben ein, in welchem er den Kurfürsten bat, dem Prinzen Jakob zu gestatten, daß derselbe sich einige Zeit in Berlin aufhalten dürfe, »um die berühmte brandenburgische Hauptstadt näher kennen zu lernen.«

Der Kurfürst hätte natürlich am liebsten, ganz so wie Possière und Faviole, auch Gravelle und Prinz Jakob mit samt Bielinsky aus seinem Lande herauswerfen lassen, dann wäre er aber mit dem Könige von Frankreich und dem Könige von Polen in die schlimmsten Konflikte geraten, er mußte also wohl oder übel gute Miene zum bösen Spiel machen; ja er mußte sogar noch weitergehen. Die höfische Sitte verlangte, daß er den Prinzen in irgendeiner nichtoffiziellen Weise begrüße, und eine solche Begrüßung wurde denn auch noch am selben Nachmittage auf der Bibliothek arrangiert, und der Prinz bat dabei offen um die Erlaubnis, sich um die Hand der Markgräfin bewerben zu dürfen, wozu natürlich der Kurfürst nicht nein sagen konnte, so fatal es ihm auch war.

Der Prinz ließ sich nun in aller Form bei der Markgräfin einführen, zeigte sich in hohem Grade liebenswürdig, wußte, mit Ausnahme der Oberhofmeisterin Frau v. Viereck, sämtliche Hofdamen durch kostbare Geschenke für sich zu gewinnen und selbst bei der Markgräfin Eindruck zu machen. Zwar fand die Markgräfin sofort, daß seine Persönlichkeit bei weitem nicht so einnehmend war, wie sie Bielinsky ihr geschildert hatte, sein Teint war fast braun, auch besaß er einen breiten, häßlichen Mund und, was sie noch besonders unsympathisch berührte, seine dunklen Augen irrten, während sie mit ihm sprach, beständig unruhig im ganzen Zimmer umher, so daß eine behagliche Plauderei niemals auskommen konnte. Aber trotz alledem war er doch eine sehr ritterliche Erscheinung, die ihr, von den genannten Mängeln abgesehen, wohl gefallen konnte. Prinz Jakob merkte denn auch sehr bald, daß seine Liebesmüh nicht ganz erfolglos war, und da er herausbekommen hatte, daß demnächst auch noch der Pfalzgraf Karl Philipp ganz im geheimen in Berlin erscheinen werde, um sich die Markgräfin zu erobern, so betrieb er seine Bewerbung immer eifriger und stürmischer und war daher auch eines Tages im Lustgarten so glücklich, in einem erregten Momente von der Markgräfin die Zusicherung zu erhalten, sie wolle ihm ihre Hand schenken. Es wird von einer Seite auch berichtet, daß der Prinz mit der Markgräfin sogar bereits einen geheimen Ehevertrag abgeschlossen und mit ihr die Ringe gewechselt habe, doch wird dies wieder von anderer Seite, und wir meinen mit Recht, bezweifelt.

Jubelnd teilte er diesen endlichen Sieg Bielinsky mit und verabschiedete sich dann beim Kurfürsten und der Markgräfin, um nach Warschau zurückzukehren und sodann durch seinen Vater in aller Form und Feierlichkeit die offizielle Werbung vornehmen zu lassen. Gerade als er zur Abfahrt in die Kutsche stieg, wurde ihm noch die Nachricht hinterbracht, daß am vergangenen Abend auch der Pfalzgraf Karl Philipp in Berlin eingetroffen sei, was ihn derart belustigte, daß er in ein lautes, schallendes Gelächter ausbrach. Er war ja, wie er meinte, seiner Sache so sicher, daß der Pfalzgraf nur den Spott und Hohn herausforderte, wenn er sich nun ebenfalls noch um die Markgräfin bewerbe.

Karl Philipp kümmerte freilich diese Ansicht wenig, er ging unbeirrt seinen Weg weiter. Daß er erst sehr spät kam, wußte er wohl, allein daran war nicht seine Saumseligkeit schuld, sondern die mißliche Lage seines Vaters, durch die seine Abreise unliebsam verzögert worden war. Dafür genoß er aber jetzt, nach der Affäre des Prinzen Jakob, den Vorteil, daß er keine krummen Wege mehr zu gehen brauchte, sondern sogleich offen und frei mit seiner Werbung hervortreten konnte. Er ließ sich also schon am anderen Morgen nach seiner Ankunft in Berlin, just zur selben Zeit, als Prinz Jakob hohnlachend davonfuhr, beim Kurfürsten melden und wurde von demselben sehr freundlich empfangen, ja der Kurfürst führte ihn sogar selbst zur Markgräfin und erwies sich auch sonst in hohem Grade gefällig gegen ihn.

Die Markgräfin zeigte sich zunächst etwas beklommen; sie hätte wohl jetzt am liebsten den Pfalzgrafen gar nicht empfangen, allein bald schwand die Befangenheit und sie plauderte lebhaft mit dem jungen Süddeutschen. Schon nach kurzer Unterhaltung kam man auf die alten Erinnerungen, die Reise der Markgräfin durch Süddeutschland, auf die schönen gemeinschaftlich zu Mannheim und Heidelberg verlebten Tage und trat sich dadurch näher und näher, und als sich endlich Karl Philipp verabschiedete, reichte ihm die Markgräfin freundlich die Hand und er durfte sie herzlich drücken.

Das war also ein Anfang, mit dem der Pfalzgraf vollständig zufrieden sein konnte; er wiederholte daher schon nach wenigen Tagen seinen Besuch, kam dann öfter und öfter und war bald der tägliche, stets willkommene Gast der Markgräfin. Dabei konnte es aber nicht lange bleiben, das fühlte besonders die Markgräfin, ja sie geriet sogar in eine bange Aufregung und ihr Herz klopfte banger und heftiger, wenn sie daran dachte, wie sich die jetzige Situation lösen werde. Darüber war sie schon bald nicht mehr im Zweifel, daß ihr Karl Philipp weit sympathischer war als Prinz Jakob; er besaß weit mehr Gemüt, eine viel tiefere Bildung und hatte außerdem auch ein weit angenehmeres Äußere, besonders sehr schöne große, gewinnende Augen, aber sie hatte doch dem Prinzen schon ihre Hand versprochen – durfte sie jetzt ihr Versprechen zurücknehmen? Ihr Herz drängte sie dazu, aber ihr Rechtlichkeitssinn sträubte sich dagegen.

In ihrer Not bat sie ihre Oberhofmeisterin, die Frau von Viereck, um ihren Rat. Diese war eine sehr verständige Frau; sie erklärte der Markgräfin offen, daß ihr das ganze Auftreten des Prinzen Jakob durchaus nicht gefallen habe, er habe zur Erreichung seines Zweckes unlautere Mittel verwendet, verschiedene Hofdamen mit Schmucksachen und selbst Geld bestochen, damit sie bei der Frau Markgräfin Sympathien für ihn erwecken möchten, ja er habe sogar versucht, auch sie, die Oberhofmeisterin, zu bestechen. Sodann habe er der Frau Markgräfin offenbar das Eheversprechen nur durch künstliche Überredung abgelockt, es sei ganz gewiß nicht mit vollem Herzen gegeben worden, und endlich sei sie der Überzeugung, die Frau Markgräfin werde bei dem Prinzen sicherlich nicht das Glück finden, das sie suche; um ihr ein solches gewähren zu können, müßte er mehr Gemüt und Bildung besitzen, als er in der Tat habe.

Dieses rückhaltlose Urteil machte auf die Markgräfin einen tiefen Eindruck; sie fühlte sich schwer verletzt, daß der Prinz, um sie zu gewinnen, sogar Bestechungen angewendet habe, und empfand auch immer mehr, daß sie mit ihm nicht glücklich sein werde. Sie verbrachte daher einen peinvollen Tag, dann aber brach sich ihr resolutes Wesen plötzlich Bahn. Lange Auseinandersetzungen würden ihr in dieser delikaten Angelegenheit im höchsten Grade zuwider gewesen sein, wie Alexander wollte sie daher den Knoten nicht langsam lösen, sondern einfach durchhauen. Ohne weitere Umstände eröffnete sie Karl Philipp, daß er ihre ganze Liebe gewonnen habe und sie durch ihn gewiß das Glück finden werde, nach dem sie sich sehne, doch müsse, um es sich zu sichern, schnell gehandelt werden, schon am nächsten Tage müsse die Hochzeit sein.

Karl Philipp stimmte natürlich mit Freuden diesem Plane bei, er war überglücklich, daß er so schnell zum Ziel gelangt war, und beeilte sich, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Die Trauung konnte natürlich nicht öffentlich vollzogen werden, denn dann hätte der Kurfürst Protest gegen sie erhoben, sie verhindern und Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit dem Könige von Polen einleiten müssen, sie mußte daher ganz in der Stille vor sich gehen, und um dies zu bewerkstelligen, wandte sich der Pfalzgraf an den österreichischen Gesandten, Grafen Sternberg. Dieser besaß in seinem Palais eine Kapelle, hatte außerdem einen Geistlichen bei sich, der die heilige Handlung vornehmen konnte, und war überdies auch der Heirat sehr geneigt. Er war denn auch vollständig bereit, seine Kapelle zur Trauung zu öffnen und auch das übrige dazu zu veranlassen. Infolgedessen holte Karl Philipp am Nachmittage die Markgräfin in einer gewöhnlichen Hofkutsche, scheinbar nur, um mit ihr spazieren zu fahren, ab, wandte sich aber sofort nach dem Palais des Grafen Sternberg, begab sich hier ohne weiteres mit seiner Braut in die Kapelle, wo der Priester bereits des Paares harrte, die Tür der Kapelle wurde geschlossen und die heilige Handlung vollzogen. Darauf bat der Graf die Neuvermählten, in seinen Gesellschaftssaal zu treten, wo er ein elegantes Hochzeitsmahl hatte herrichten lassen und wo nun mit einigen Vertrauten die Hochzeit in der fröhlichsten Weise gefeiert wurde. Erst am anderen Morgen erfuhr der Kurfürst und die Stadt Berlin, was am vorigen Nachmittag und Abend beim österreichischen Gesandten geschehen war.

Der Kurfürst durfte natürlich diesen Schritt öffentlich nicht billigen, er mußte sich sehr erzürnt stellen, schrieb sofort an den König von Polen, daß die Heirat ohne sein Wissen vor sich gegangen sei, und verbannte den Pfalzgrafen mit seiner jungen Gattin aus Berlin; in seinem tiefsten Innern war er aber vollständig zufrieden, daß die Markgräfin nicht den Prinzen Jakob geheiratet und sich so resolut aus der Schlinge gezogen hatte.

Und auch die jungen Eheleute hatten ihren kecken Schritt nicht zu bereuen, sie siedelten nach Innsbruck über und lebten dort in den angenehmsten Verhältnissen und in überaus glücklicher Ehe. Mit dem Prinzen Jakob trafen sie nie wieder zusammen, in ihrer Unterhaltung tauchte er aber natürlich noch oft auf und dann bemerkte Karl Philipp gern in seiner humoristischen Weise: »Ja, ja, es bleibt dabei, auch er lieferte den Beweis: Nur wer zuletzt lacht, lacht am besten!«


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