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Drittes Kapitel.
Der Bankdirektor

Am nächsten Morgen war der Wind herumgeschraalt und kam nun halb und halb von vorn. Die Passagiere erschienen bald nach dem Frühstück an Deck. Poole, der zweite Steuermann, hatte die Wache. Er stand, den Arm um eine Pardune geschlungen, und beobachtete mit den gleichgültigen Blicken der Gewohnheit einen Walfisch, der sich, eine halbe Seemeile entfernt, in gleichem Kurse wie das Schiff gemächlich durch die sonnendurchleuchtete Flut schob.

Schwarz und glänzend vor Nässe schwoll der mächtige Körper des ungefügen Tieres mit den Bewegungen eines großen Fahrzeuges über dem Wasser empor, die Wogenhäupter in blendendes Schneetreiben zerstäubend; der dampfähnliche Wasserstrahl, den er in regelmäßigen Zwischenräumen in die Luft blies, neigte sich wie eine wehende Feder, wenn der Wind ihn erfaßte.

Langsam, die kurze Pfeife im Munde, kam Mr. Hankey die vom Hauptdeck aufs Achterdeck führende Treppe hinauf. Poole stand gerade oberhalb derselben. Hankey grüßte, überflog mit schnellem Blick die nächste Umgebung und äußerte einige bedeutungslose Bemerkungen. Dann trat er an den jungen Steuermann heran.

»Haben Sie schon mal gehört,« begann er, »daß jemand Jagd auf ein Klipperschiff machte, bloß um als Passagier an Bord desselben zu kommen?«

»O, gewiß,« antwortete der Gefragte, »es ist gar keine Seltenheit, daß Passagiere, die sich verspäteten, die bereits abgegangenen Schiffe in Booten und dergleichen einzuholen suchen.«

Er schaute hinter sich, um zu sehen, ob der Kapitän schon an Deck sei.

»Was mag der Kutter für solch ein Stück Arbeit wohl bezahlt erhalten haben?«

»Hundert Pfund Sterling zum mindesten, außerdem noch eine tüchtige Gratifikation, wenn die Jagd gelang.«

»Und all dieser Aufwand – wofür?« sagte Hankey, zu Mr. Murray hinüber blickend, der allein für sich am Heck stand und den Walfisch beobachtete.

»Hm!« machte der zweite Steuermann, die Achseln zuckend.

»Und nur ein kleiner Handkoffer,« warf Hankey hin.

»Das wäre nun wohl nichts Besonderes, wenn ein Mann Eile hat.«

»Hm,« machte jetzt Mr. Hankey seinerseits. »Merken Sie was?«

Der zweite Steuermann lächelte; sein Gesicht aber wurde gleich wieder ernst, als er den Kapitän wahrnahm. Er that einige Schritte rückwärts und hob den Kopf, wie um das Groß-Oberbramsegel genauer zu betrachten. Hankey ging die Treppe wieder hinab und setzte sich auf die unterste Stufe; es währte nicht lange, da fanden der Hauptmann Trollop, Davenire, Burn und Masters sich bei ihm ein. Trotz der verschiedenartigen Zusammensetzung dieser Gruppe herrschte dennoch unter den einzelnen Personen derselben eine unverkennbare, allerdings undefinierbare Gleichartigkeit, die jetzt selbst dem zweiten Steuermann auffiel, der sich von der richtigen Stellung des obersten Segels überzeugt hatte und auf seinen vorherigen Platz zurückgekehrt war. Den Mr. Hankey hatte er auf dessen Ausreise nach Sydney oberflächlich kennen gelernt und auch später an letzterem Ort gelegentlich ein Glas mit ihm getrunken. Soviel er wußte, stammte derselbe aus guter Familie und war ohne Zweifel ein Gentleman. Was aber war es, das die Männer da unten, die doch nichts weniger als übereinstimmend gekleidet waren, so seltsam gleich erscheinen ließ? Etwa das militärische Wesen, das einige von ihnen an sich hatten? Es war etwas anderes, worüber er sich nicht klar werden konnte. Er kratzte sich den Kopf, wendete sich um und schaute über das Heck hinaus in die blaue Ferne. Da erspähte er etwas; sein Blick wurde fest und forschend. Er murmelte etwas vor sich hin, darauf ging er zum Kapitän und legte die Hand salutierend an seine Mütze.

»Da ist der Qualm eines Dampfers in Sicht,« meldete er. »Gerade hinter uns.«

Der Schiffer beschattete die Augen mit der Hand; dann nahm er das Teleskop aus den Klampen unter der Kajütskappe.

»Ja,« sagte er. »Das ist ein Dampfer.«

Der zweite Steuermann schritt wieder nach vorn.

»Wonach sieht der Alte?« fragte Trollop, die Treppe halb heraufsteigend.

»Dampfer in Sicht,« lautete Pooles kurze Antwort. Als wachhabender Offizier durfte er sich mit den Passagieren nicht unterhalten. Trollop sprang schnell die Stufen herab und verkündete den andern leise, eifrig und wichtig:

»Ein Dampfer ist hinter uns her.«

Auf dieses Wort klopften die Herren sämtlich ihre Pfeifen aus und begaben sich auf das Achterdeck.

Zu jener Zeit galt ein Dampfer auf offener See noch für eine Merkwürdigkeit, namentlich in den subtropischen Gewässern. Das Interesse, welches die Erscheinung des sich immer deutlicher über den Horizont erhebenden Rauches sowohl unter den Passagieren als auch bei der Mannschaft erregte, war daher kein geringes.

Mr. Murray meinte, daß dieser Rauch vielleicht von einem brennenden Schiffe herrühre.

Der Kapitän heftete einen langen, zweifelnden, forschenden Blick auf das bleiche Gesicht des Bankdirektors.

»Sie irren sich,« sagte er. »Brennende Schiffe liegen still, jener Qualm aber nähert sich uns mit unverkennbarer Schnelligkeit.«

»Was könnte das für ein Schiff sein?« fragte Mr. Dent. »Als wir Sydney verließen, befand sich, meines Wissens, daselbst kein einziger Dampfer.«

»Den Schlepper ausgenommen,« warf Mr. Burn ein, dem man anmerkte, daß er in aller Frühe schon wieder sein Bier getrunken hatte.

Die Passagiere lachten. Die Idee, daß der kleine Schleppdampfer sich so weit in die See hinausgewagt haben sollte, erschien ihnen komisch.

Die ›Queen‹ hatte des konträren Windes wegen scharf anbrassen müssen und war trotzdem nicht im stande, den Kurs zu halten. Ihre Fahrt war keine sonderlich schnelle, und da die Brise während der Nacht nur mäßig gewesen war, so lag Sydney noch gar nicht so sehr weit hinter ihr.

Die Passagiere unterhielten sich eifrig über das mögliche Wer und Woher des immer näher kommenden Steamers, ohne dabei den alten Schiffer mit Fragen zu behelligen. Mr. Murray allein hatte versucht, denselben für sich in Beschlag zu nehmen, bis Benson ungeduldig einer der Damen seinen Arm bot und mit ihr davon marschierte. Der Bankdirektor hätte gar zu gern gewußt, ob der Dampfer etwa aus einem der andern australischen Häfen käme, oder ob derselbe wohl ein Kriegsfahrzeug sei. Konnte es nicht auch sein, daß er noch mehr Passagiere für die ›Queen‹ brachte? Es lag eine gewisse Verstörtheit auf des Mannes Zügen, die ihn plötzlich um zehn Jahre älter erscheinen ließ. Trollop, Davenire und einige der anderen bemerkten dies und tauschten ihre Bemerkungen darüber aus.

»Ich glaube nicht, daß der im stande wäre, als letzten Ausweg das Schiff in die Luft zu sprengen,« raunte Trollop dem schwarzen Caldwell zu.

»Wir halten uns viel zu nahe an dem vermaledeiten Lande,« rief Mr. Hankey, den Blick auf den fernen Rauch geheftet; »ich möchte wetten, daß man von der Bramraae aus noch immer die Küste sehen kann.«

»Wissen Sie, meine Herren,« sagte Mr. Storr, händereibend an die Gruppe herantretend, »wissen Sie, ich glaube, daß dies eine Reise voll von Aufregungen für uns werden wird.«

»Was hat Sie eigentlich nach Australien geführt?« fragte Trollop, über seinen großen Schnurrbart auf den kleinen Mann hinabschauend.

»Geschäfte, mein lieber Herr, Geschäfte,« antwortete der Auktionator.

»Und die gingen recht gut, wie?« fragte Mr. Masters.

»Ich habe nicht nach Gold gegraben,« entgegnete Mr. Storr, indem er einen sarkastischen Blick über das Aeußere des verlebten jungen Mannes schweifen ließ.

»So haben Sie also in der That gute Geschäfte gemacht,« sagte der Hauptmann Trollop. »Haha! Da hat der Gentleman einigen von uns etwas zu riechen gegeben, was, Hankey?«

Die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf Mr. Burn, der mit Miß Mansel und dem Schiffsteleskop nach hinten kam. Die Herren umdrängten dienstbeflissen die schöne junge Dame, ihr das schwere Fernglas zu halten und zu richten, und Mr. Masters ersuchte dieselbe inständigst, doch ja das Auge nicht zu schließen, mit dem sie durch das Rohr schaute.

Inzwischen hatte sich der Dampfer so weit genähert, daß bereits seine Radkasten über der Horizontlinie sichtbar waren. Der pechschwarze Rauch, der aus seinem Schornstein quoll, lag wie eine ungeheure Raupe wohl zwanzig Meilen lang hinter ihm auf der blauen See; er führte keine Takelung, nur einen Flaggenmast auf dem Verdeck, an dem gegenwärtig einige Signalflaggen gehißt waren, die man aber nicht erkennen konnte, da sie gerade achteraus wehten. Der Dampfer kam der ›Queen‹ wegen, daran war jetzt nicht mehr zu zweifeln. Mr. Dent, der ihn durch das Teleskop beobachtet hatte, erklärte, den Schlepper ›Bungaree‹ aus Sydney in ihm zu erkennen. Der Hauptmann Trollop sah sich nach dem Bankdirektor um, der aber war verschwunden.

Die Bark wurde so dicht an den Wind gepreßt, daß sie beinahe alle Fahrt verlor. Die Erregung an Deck nahm zu. Die zuvor durch den Kutter verursachte war mit der jetzt herrschenden nicht zu vergleichen. Zweimal in vierundzwanzig Stunden verfolgt zu werden, das ging dem alten Benson doch über den Spaß. Dem zweiten Steuermann war es endlich gelungen, das Flaggensignal heraus zu buchstabieren; dasselbe lautete nach Kapitän Marriats internationalem Flaggenkodex: »Muß mich mit Ihnen in dringender Sache in Verbindung setzen.«

»Lassen Sie backbrassen und beidrehen!« befahl der Schiffer dem zweiten Steuermann, und dieser eilte, das Kommando auszuführen.

Der Dampfer, ein kleines hölzernes Fahrzeug mit grünen Radkasten, kam heran. Auf seiner Brücke standen drei Männer. Mit verstärktem Gebrause schlugen die Paddelräder rückwärts, dann plötzliche Stille. Lautlos trieb der Schlepper noch ein wenig näher. Einer der drei auf der Brücke, ein Mann mit weißem, breitrandigem Hut und kurzem, leinenen Rock, rief die Bark an.

»Queen ahoy!«

»Hallo!« rief Kapitän Benson zurück.

»Ist jemand an Bord gekommen, seit Sie Sydney verlassen haben?«

»Ja, Sir!« antwortete der Schiffer.

»Hat der Kutter ›Jarra-Jarra‹ ihn gebracht?«

Benson erhob bejahend die Hand.

Jetzt nahm ein Mann in Uniform, der neben dem ersten Sprecher stand, das Wort.

»Sie müssen mir gestatten, an Bord zu kommen,« rief er dem Schiffer zu.

»Soll mir angenehm sein,« brummte der.

Der Kapitän des Dampfers neigte sich zu dem in den Maschinenraum führenden Sprachrohr; es erfolgten einige Radumdrehungen, und als der Schlepper dicht neben der Bark lag, paßte der Uniformierte den geeigneten Moment ab und kletterte, begleitet von dem dritten Mann, an Deck der Bark.

»Ach mein Gott!« rief Mrs. Dent ihrem Eheherrn zu, »das ist ja der Kriminalinspektor Fox.«

Der andere Mann mochte seinem nichts weniger als angenehmen Aeußeren nach ein untergeordneter Kriminalbeamter sein; während er dem Inspektor nach dem Achterdeck folgte, musterte er die umstehenden Passagiere mit unverschämtem Grinsen und mit stechenden Blicken.

»Sie sind der Befehlshaber dieses Schiffes, nicht wahr?« sagte der Inspektor, als er vor dem alten Benson stand.

»So ist es,« antwortete dieser, seinen Cylinder trotzig und unwirsch in die Stirn drückend.

»Ich bin gekommen,« fuhr der andere fort, »um Mr. James Murray, den Direktor der Kolonialbank, wegen Diebstahls und Unterschleifs zu verhaften.«

»O Gott!« sagte Benson. »Wieviel hat er gestohlen?«

»Sechsundsiebzigtausend Pfund.«

Der Hauptmann Trollop that einen langen, leisen Pfiff durch die Zähne. Der Begleiter des Inspektors musterte ihn eingehend.

»Das nennt man Pech,« flüsterte Caldwell dem neben ihm stehenden Cavendish zu, der den Vorgang mit einem Lächeln beobachtete, das durch das unmäßige Hervorragen seiner Eckzähne unter der Oberlippe abstoßend wirkte.

»Ich sehe meinen Mann hier nicht,« redete der Inspektor weiter, indem er seine Blicke zuerst über die Gruppen der Passagiere und dann hinab zum Hauptdeck schweifen ließ, wo die Matrosen alles stehen und liegen gelassen hatten, um ungehindert den Ereignissen dort hinten zuschauen zu können.

»Gehen Sie doch hinunter, Mr. Poole, und sagen Sie dem Bankdirektor, daß er hier oben verlangt wird,« sagte der Schiffer zu dem zweiten Steuermann. Der eilte die Kampanjetreppe hinab, auf dem Fuße gefolgt von dem Inspektor und dessen Begleiter.

Der Kapitän blieb an Deck. Die Passagiere redeten nur in Flüstertönen. Die Erregung hatte den Gipfel erreicht. Mr. Mark Davenire und einer der andern traten an das Oberlichtfenster und spähten und lauschten hinunter. Die Zeit war gegen elf Uhr vormittags. Die Sonne glühte heiß hernieder; mit dem Dampfer an der Seite hatte man fast den Eindruck, als läge man im Hafen; das blaue Wasser zwischen den Schiffen schlug schwappend hinüber und herüber, als die Fahrzeuge sich abwechselnd gegen- und voneinander neigten; Mr. Burn lehnte an der Reeling und unterhielt sich mit dem Manne, der am Ruder des Schleppers stand.

»Diese Erwartung und Ungewißheit ist schrecklich!« flüsterte Miß Mansel dem Mr. Shannon zu. »Was wird nun mit dem unglücklichen Manne geschehen?«

»Zunächst werden ihm Ketten angelegt,« bemerkte der in der Nähe stehende Schiffsarzt.

»Das entspräche ganz der Brutalität unserer Gesetze!« rief Shannon, auf dessen Gesicht sich plötzlich eine verhaltene Wut ausprägte. »Haben Sie jemals Kettensträflinge gesehen, Miß Mansel?«

Die junge Dame schauerte zusammen, dann antwortete sie, daß sie einmal Gelegenheit gehabt habe, bei dem Bau einer Eisenbahnstrecke Gefangene zu sehen, die mit Ketten aneinander gefesselt waren, und daß dieser Anblick sie entsetzt habe. Shannon war eben im Begriff, darauf zu erwidern, als er einen Blick des Hauptmanns Trollop auffing; eine zornige Drohung sprühte aus diesem Blick, aber nur einen Moment; im nächsten schien der soldatisch stattliche Gentleman lediglich auf das zu lauschen, was in der Kajüte vorging.

Da stürzte in Eile der zweite Steuermann die Treppe hinauf.

»Wo ist der Doktor!« rief er.

»Hier,« antwortete der Schiffsarzt.«

»Kommen Sie schleunigst herunter.«

Poole verschwand wieder und der Doktor eilte hinter ihm her. Das Antlitz des Schiffers nahm einen düsteren, harten, Schwer-Wetter-Ausdruck an; er ging in der Nähe des Ruders, abseits von den Passagieren, erwartungsvoll auf und ab.

»Was sollte der Doktor dort unten?« so fragten sich die Passagiere. Hatte Murray sich zu erstechen oder zu erschießen versucht? Den Knall aber hätte man doch jedenfalls gehört. Denn hier oben herrschte eine fast lautlose Stille; nur ab und zu kreischte in der Takelung ein Block, was dann fast wie ein Möwenschrei klang.

Mr. Storr, der neben der Kajütskappe stand, sprang plötzlich mit dem Ruf: »Allmächtiger Gott!« auf die Seite. Denn die enge Treppe füllte sich mit Männern, die einen regungslosen menschlichen Körper heraufschafften. Es gab ein allgemeines Zurückweichen; die meisten der Damen eilten nach vorn auf das Hauptdeck.

»Da haben wir's,« sagte Mr. Davenire. »Er hat sich umgebracht.«

Der Inspektor, dessen Untergebener und der zweite Steuermann legten das, was kurz zuvor noch der Bankdirektor James Murray gewesen war, nieder auf die Planken des Decks in den Sonnenschein, der grell die entstellten Züge des Leichnams beleuchtete, bis der Doktor ein Taschentuch über dieselben breitete.

»Was ist's mit ihm?« rief Benson, mit schnellen Schritten herbeikommend.

»Gift,« versetzte der Doktor.

»Er ist uns zuvorgekommen,« sagte der Inspektor, einen Blick des Mißfallens auf den Toten werfend. Auf einige Worte, die er sodann seinem Begleiter zuraunte, stieg dieser in die Kajüte hinunter und kehrte gleich darauf mit dem Handkoffer des Abgeschiedenen zurück.

»Er war auf so etwas vorbereitet gewesen,« sagte der Doktor zum Kapitän, hinter dem sich die Passagiere im Halbkreise gruppiert hatten.

»Aber womit?« fragte Benson.

»Mit Blausäure.«

»Wirkt schneller und sicherer, als eine Kugel,« flüsterte Hankey seinem Nebenmanne Masters zu.

»Jedenfalls ist's reinlicher,« sagte dieser, den Toten so unbewegt und kühl betrachtend, als wäre dieser ein Fisch den man soeben gefangen.

»Nehmen Sie ihn nun mit zurück?« fragte der Kapitän den Inspektor.

»Ja, und das hier auch,« antwortete der Beamte, auf den Handkoffer deutend.

»Dann machen Sie aber, daß Sie damit fortkommen,« rief der alte Schiffer in zorniger Ungeduld, »machen Sie um Himmels willen, daß Sie von meinem Deck kommen! Ich habe nun gerade genug und bin nicht gesonnen, mich noch ferner aufhalten zu lassen! Herr! Denken Sie vielleicht, daß das für meine Damen ein angenehmer Anblick ist?«

»Ich will Ihnen nicht länger unbequem sein,« versetzte der Inspektor, »nur möchte ich Sie noch bitten, einige von Ihren Matrosen anzuweisen, mir behilflich zu sein.«

Man legte den Leichnam auf eine Gräting und bedeckte ihn mit einem Stück Segeltuch, um den Damen seinen Anblick zu entziehen. Dann schaffte man den toten Verbrecher zum Fallreep und von dort auf den Radkasten des Schleppers.

» All right?« fragte der Kapitän hinüber, als die Gräting zurückgereicht worden war.

» All right, Sir!« sagte der Führer des Schleppers.

Keine Hand bewegte sich grüßend, kein Abschiedszeichen wurde ausgetauscht. Der Grund, der die Fahrzeuge zusammengebracht hatte, war ein zu häßlicher, widerwärtiger gewesen.

»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie erschüttert ich bin,« sagte Mrs. Peacock mit bebender Stimme zu der Frau des Auktionators. »Heute beim Frühstück hatte ich mich noch so angenehm mit ihm unterhalten! Und mein Mann kannte ihn so gut! Es ist mir ganz unmöglich, ihn mir als Kassendieb zu denken.«

»Und mir ist es schrecklich, überhaupt an ihn denken zu müssen, was doch gar nicht zu vermeiden ist,« versetzte Mrs. Storr. »Heute morgen sprach er mit meinem Manne und mir lang und breit darüber, sich in London durch meines Mannes Vermittlung ein Haus zu kaufen – denken Sie doch, beste Mrs. Peacock! Seine Stimme klingt mir noch immer im Ohr, wie die Stimme eines Geistes. Hu! Fürchten könnte man sich! Es ist nur gut, daß es Tag ist und die Sonne scheint.«

»Vollbrassen!« erscholl das Kommando des Schiffers. »Herum mit der Marsraae, Mr. Poole! Die Leute sollen sich tummeln!«

Der zweite Steuermann brüllte das Kommando nach wie ein junger Löwe, und eine Minute lang hallte das Schiff wider von dem Gestampf und dem ›Holioho!‹ der Matrosen. Der Dampfer brauste eine Strecke vorwärts, schwenkte rechts ab und nahm in einer weiten Kurve seinen Weg nach Sydney zurück, eine breite Schaumspur hinter sich lassend, die im Sonnenglanze wie Schnee leuchtete und glitzerte. Fast zu gleicher Zeit machte sich eine stärkere Brise auf, jedoch noch immer aus der alten, konträren Richtung; der Klipper neigte und bäumte sich unter dem Druck derselben wie ein Pferd, das die Sporen des Reiters verspürt. Hoch auf kräuselte sich die schäumende Flut vorn am Buge und wirbelte milchweiß an den glänzenden Seiten entlang nach hinten.

»Seine Ueberfahrt hat er bezahlt,« murmelte der alte Schiffer in den Bart, als er dem der Ferne zueilenden Dampfboote nachblickte. »Die fünfzig Guineen waren leicht verdient, der arme Teufel aber hat nichts dafür gehabt.«

Er stieg in die Kajüte hinab und kehrte bald darauf mit dem Sextanten im Arm zurück. Die Mittagszeit war da und er mußte ›die Sonne nehmen‹, wie es an Bord heißt. Er that dies mit gelegentlichen Seitenblicken nach der langen Rauchlinie in der Ferne, sowie nach dem Hauptmann Trollop und einigen anderen, die in eifrigem Gespräch im Lee des Besanmastes standen; er verstand kein Wort von der Unterhaltung der Herren, die augenscheinlich bestrebt waren, ihre Stimmen vorsichtig zu dämpfen, so daß nur ein monotones Gesumm an das Ohr des alten Seemanns schlug.


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