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Mit dem lieblichen Eiland im schwäbischen Meer ist der Name der Herren von Bodmann seit vielen Jahrhunderten innig verknüpft. Anfangs im Besitz des vieledlen Geschlechtes, ging die Insel im dreizehnten Jahrhundert in die Hand des deutschen Ritterordens über. Wie jene Besitzveränderung vor sich ging, darüber giebt die Sage Auskunft. Dazumal ruhte der gesamte herrliche Besitzstand in zwei zarten Frauenhänden. Das Fräulein hatte die mit allen Reizen der Natur geschmückte Insel zum Erbteil erhalten. Groß war die Zahl der Freier, welche nach der Hand und Herrschaft der schönen Maid strebten. Ihr Herz aber hatte bereits gewählt. Der wackere Junker von Langenstein war der Glückliche. Allabendlich, wenn die Sonne in den Fluten des Seees versank, schritt die Jungfrau hinab an den Strand und lauschte hinaus über die dämmernde Flut. Und nicht lange währte es, dann klang Ruderschlag nah und näher, und dem landenden Boot entstieg ein jugendlicher Ferge, den begrüßte die Maid mit verschämtem Kuß. Mit seligen Zukunftsträumen maß das bräutliche Paar die kurze Spanne Zeit, die sie noch von dem Tage trennte, wo sie offen einander gehören wollten vor aller Welt.
Da ist eines Abends der Junker in tiefer Niedergeschlagenheit gelandet und hat der Verlobten mit Trauer im Antlitz und Herzen berichtet, daß sein von der Gicht heimgesuchter Vater ihn verpflichtet habe, das Kreuzfahrer-Gelübde, das er selber Gott und dem Kaiser abgelegt, zu lösen.
Heiße Thränen entstürzten den Augen der Jungfrau. Er aber tröstete sie sanft.
»Vertraue mir und dem, für dessen Name ich dies Opfer bringe. Ich kehre heim! Diese Zuversicht beseelt mich.«
Und strahlenden Auges blickt der jugendliche Kreuzfahrer auf das trauernde Edelfräulein.
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Und allabendlich, wenn die Sonne in den Fluten des Sees versank, schritt das Fräulein hinab an den Strand und schaute mit sehnendem Blick hinaus in die nebelfahle Ferne. Der Frühling schwand, ihm folgte der Sommer und über den See hinweg zogen die Wandervögel nach Süd. Heiße Grüße gab ihnen die Jungfrau mit, und als die Winterstürme über den See und das Eiland brausten, da ward ihr liebliches Antlitz weiß wie die Flocken, die vor ihrem Fenster stoben. Denn aus dem Morgenland waren die Kreuzfahrer zurückgekehrt und hatten berichtet, daß der Langensteiner in Türkenhaft schmachte auf einem entlegenen Schlosse des Paschas. In thränenlosem, dumpfen Weh verbrachte das edle Fräulein ihre Tage. Sie redete wenig und betete viel.
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Im fernen Morgenlande aber saß hinter finstern Mauern ein jugendlicher Held und härmte sich in düsterem Brüten. Auch er betete viel und stöhnte manchmal laut auf, der Maid gedenkend, von der ein trauriges Los ihn vielleicht auf immer schied. Der Pascha hatte dem blondhaarigen Franken seine Lieblingstochter angeboten, eine verführerische Schöne des Orients, der Gefangene aber wendete sich verächtlich von der üppigen Orientalin ab, die ihn mit feuchtschimmernden Augen verheißend ansah.
In derselben Nacht hatte der Langensteiner einen Traum. Ein Engel schwebte zu seinem Lager nieder, und eine Stimme schien zu rufen:
»Gelobe Dich mir und Du wirst Deine Heimat wiedersehen!«
Der Ritter springt auf und spricht leise: »Das war Gottes Stimme!« Wild wogen die Gedanken in seiner Seele. Die Liebe sollte er opfern; doch er soll sie wiedersehen! Und er wirft sich nieder auf die Kniee und gelobt mit heiligem Schwur, sich dem Herrn zu weihen, wenn es ihm vergönnt würde, die geliebte Maid noch einmal zu schauen.
Ein Erdbeben hat die Veste geschüttelt in derselben Stunde und die Thür des Verließes gesprengt. Auf wunderbare Weise erhielt der Gefangene die Freiheit wieder. Zur Küste gelangte er, ohne daß des Paschas Häscher ihn fingen, und ein Schiff, das nach Venedig fuhr, nahm ihn auf. Aber je näher er der Heimat kam, um so heißer ward in des Ritters Seele der Kampf zwischen Liebe und Pflicht. Er war nahe daran, zu erliegen. Da mahnte ihn Gott aufs neue: das Boot, das dem Eiland zusteuerte, ward von plötzlichem Sturm erfaßt und dem Heimkehrenden drohte elendiger Tod in den Wellen. Da schrie er erschüttert zum bewölkten Himmel empor und leistete den Schwur nochmals. Der Sturm legte sich, und das Fahrzeug landete sein ursprüngliches Ziel verfehlend, an einer andern Uferstelle des Seees, dort, wo der Comthur des deutschen Ordens seinen Sitz hatte.
Zu ihm trat ein leiderprobter Waller und bat um Aufnahme, die ihm auch gewährt wurde. Dann hat derselbe stille Mann seinen Nachen noch einmal nach dem lieblichen Eiland gelenkt und hat dort mit einem schmerzlichen Kuß auf der Geliebten reine Stirn Abschied genommen von der Liebe und der Welt.
Stumm in das Geschick sich ergebend nahm die Jungfrau diese Botschaft auf. Bald war ihr Entschluß gefaßt: Sie schenkte die Insel Mainau, die für sie nunmehr verödet war, dem deutschen Orden unter der Bedingung, daß der Langensteiner des greisen Comthurs Nachfolger werde. Das bewilligte dankbar der Großmeister, und nun entließ das Edelfräulein ihr Gesinde und ging hinweg von dem Eiland im Bodensee. In ein Kloster soll sie eingetreten sein. Wo, das hat niemand erfahren. Von dem edlen Herrn Hug von Langenstein aber berichtet der Chronist, daß er ein vortrefflicher Comthur des deutschen Ordens auf der Mainau ward, dabei auch ein gottbegnadeter Sänger, dessen großes Gedicht über die Märtyrin Martina noch heute in alten Handschriften zu finden ist.