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Dünwald bei Mülheim

Die Eichensaat

War vor vielen Jahren zu Dünwald im Mülheimer Ländchen ein reiches Kloster dessen Mönche mancherlei Streit hatten mit dem benachbarten Junker zu Schlebusch. Es wandelte die geistlichen Herren einst die Lust an, einen großen Felderstreif dem Klostergut einzuverleiben, und sie glaubten auf ihrem Recht bestehen zu dürfen, maßen selbiges ihnen aus alten Pergamenten verbrieft sei.

Der Junker von Schlebusch war aber keineswegs gesonnen, der Mönche vorgebliches Recht anzuerkennen, zumal seit vielen Generationen der Erdstrich zum Anwesen seines Gutes gehörte. So kam der Streit vor die Gerichte und es ward viel hin- und herdisputiert auf beiden Seiten, so daß die beiden Schöffen selber nicht wußten, woran sie sich zu halten hatten. Wohl wissend, daß unchristliche Habsucht auch bisweilen hinter Klostermauern Einkehr hält, hätten sie gerne dem verklagten Junker den streitigen Grund gelassen: doch fürchteten sie gar sehr den Zorn der mächtigen Klosterherren. Wußten sich in salomonischer Weisheit nur so zu helfen, daß sie den Rechtsstreit endlos in die Länge dehnten, weise erwägend, es würden beide harte Köpfe, Abt und Junker, mit der Zeit noch mürbe.

Dem war aber nicht so. Der Abt, ein strenger Herr, drohte dem Junker mit dem Banne, wenn er nicht aufhöre, die Kirche zu schädigen, und der Junker ward sich wohl bewußt, wie gefährlich die Gegnerschaft mit den Dienern der Kirche sei. Er ließ deshalb dem Abt entbieten, er sei nicht abgeneigt, den langen Streit durch Abtretung des streitigen Grundstückes zu beendigen, nur möchten ihm die Mönche gestatten, noch eine Saat auf dem Acker reifen zu lassen.

Darob herrschte große Freude im Kloster Dünwald. Alsbald ward ein großer, wohldurchdachter Vertrag entworfen über jenen Ausgleich und mit allen Förmlichkeiten vollzogen. Der Junker ließ die Saat bestellen. Der Lenz kam und trieb die Saat aus der Erde. Neugiervoll betrachteten die Mönche das Feld, das bald des Klosters stattlichen Besitz um ein Großes vermehren sollten. Vergeblich aber deuteten sie die Fruchtart, welche der Junker hier zum letztenmale dem streitigen Grund übergeben; nicht Weizen war's noch Gerste, nicht Roggen noch Hafer. Zarte Blättchen keimten auf dem Acker, doch keine Halme. Bald auch erkannten sie voll Schrecken die Sprößlinge: eine Eichensaat hatte der witzige Junker in den Acker gelegt.

Der Prior machte ein böses Gesicht, und zerriß den wohlklausulierten Vertrag, der Junker lachte. Die Eichensaat gedieh vortrefflich. Als die Kronen der Bäume über das Kloster hinwegschauten, schliefen der streitbare Abt von Dünwald und der schlaue Junker von Schlebusch den ewigen Schlaf. Dann sind auch Burg und Klostermauern zerfallen, noch Jahrhunderte aber standen die Eichen und redeten von der merkwürdigen Art ihrer Entstehung stumme Sprache.


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