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Sie haben allesamt einen guten Klang, die dunkelroten Weine der Ahr, vor allem jener, der bei Walporzheim reift. Das ist übrigens nichts neues, und schon manchen, der zu tief hinabblickte in den Walporzheimer Pokal, hat auf dem späten Heimwege an der ›bunten Kuh‹ der verfluchte Kobold erwischt, gleich den biedern Gevattern Klaus und Velten, deren feuchtfröhliche Nachtwanderung ein rheinischer Poet gar erbaulich beschrieben: der Velten torkelt rechts und fällt stolpernd auf eine Felskante, der Klaus links geradeaus in die Ahr –
Dem einen strömten aus der Nas
Die hellen blutigen Perlen;
Der andre tief im Wasser saß
Und hielt sich an den Erlen. (Kinkel.)
Und das hatte mit seinem feurigen Wein der Kobold von Walporzheim gethan.
Ähnlich, doch minder feuchtfröhlich, ist es dem heiligen Petrus zu Walporzheim ergangen; denn kein geringerer als der Herr selber und sein schlüsseltragender Jünger haben eines Tages (ein vortreffliches Weinjahr war's eben) das Ahrthal aufgesucht und in verschiedenen Weinkellern Rast gehalten. Trefflich hat ihnen der Ahrwein gemundet und gar gehobener Laune war St. Petrus. Hat auch manchen tiefen Schluck gethan, trotzdem ihn der Meister stumm mahnend ansah. Schwer ward ihm endlich der Kopf, schwerer noch der mächtige Himmelsschlüssel in seiner Hand. Bei einem biedern Weinbauern sind sie just gesessen, und weil dessen Wein den himmlischen Zechern gar besonders gemundet, sind sie über Gebühr alldort geblieben. Erst als die Abendglocke den Walporzheimern die Feierstunde schlug und schon vereinzelte Sternlein neugierig durchs Himmelsdach blinzelten, winkte der Herr St. Peter ernstmild zum Aufbruch.
Da that der Jünger noch einen langen, letzten Schluck, warf einen schmerzlichen Abschiedsblick auf den ungetrunkenen Rest und folgte in schweigsamem Gehorsam dem Meister. Sputen mußte er sich, maßen schon etliche Seelen droben stürmisch Einlaß verlangten. Als sie eben an der bunten Kuh vorübergingen, merkte der heilige Himmelspförtner zu seinem großen Entsetzen, daß er den Himmelsschlüssel bei dem gastlichen Weinbauern zurückgelassen.
Da entschlüpfte ihm ein Zorneswort, wie damals, als er dem Malchus das Ohr abgehauen, und mit schwerem Herzen und schwerem Kopf ging er den Weg zurück. Aber der verfluchte Kobold spielte ihm einen Schabernack – Sankt Peter irrte rings in der Rund', weil er den Weg nicht finden kunnt', und ging endlich mit trotzigem Ärger von dannen, weil des Herrn Stimme von ferne ihn zu sich beschied.
Wie es St. Petrus dann droben ergangen, das hat die Sage nimmer erfahren, sintemal sie sich nicht zu solchen Höhen versteigt. Der Walporzheimer Schenkwirt aber hat bald erfahren, wer der Gast gewesen, der den mächtigen Schlüssel bei ihm zurückgelassen. Weil er ein pfiffiges Bäuerlein gewesen, hat er fortan sein Wirtshaus nach jenem hohen Gast getauft, den Himmelsschlüssel aber draußen über dem Eingang angebracht zum ewigen Gedächtnis – und wenn ihr heute einkehrt beim St. Pitter in Walporzheim, mögt ihr ihn selber sehen.
An den Ufern der Ahr stand in alter Zeit die Bergveste Neuenahr, ihr gegenüber, ebenfalls auf steiler Bergeshöh, Schloß Landskron. Die Herren beider Burgen waren einander in warmer Freundschaft zugethan; und um sich gegenseitig öfter besuchen zu können, hatten sie eine Brücke erbaut über die Ahr und also Burg mit Burg verbunden. Aber der Enkel Sinnen ist nicht immer gleich dem der Väter, bittere Fehde entzweite die Geschlechter und keines Hengstes erzbeschlagener Huf stampfte mehr wie vordem auf der Brücke, keines Ritters noch Edelfräuleins Fuß schritt hinüber oder herüber. Und kein Steinmetz kam, als die Brücke trauernd ob ihres unnützen Bestandes morsch wurde. Allgemach bröckelte das verwitterte Gestein, Regen und Sturm rasten höhnend um die wankenden Bogen, bis sie endlich einstürzten, sich begrabend in den Fluten der rauschenden Ahr. Nur die beiden Brückenpfeiler trotzten der Vernichtung. Gleich stummen Wachtposten, die man abzulösen vergessen, standen sie hüben und drüben und tauchten ihren Fuß in die neckische Flut.
Nun geschah es nach vielen Jahren, daß auf Schloß Landskron ein junger Ritter aufwuchs, derweil auf Neuenahr ein holdseliges Fräulein erblühte, und es geschah auch, daß die Augen der beiden jungen Menschenkinder sich begegneten, nicht in Haß wie die ihrer gestrengen Väter, wohl aber in Liebe, gar zärtlicher Liebe. Die Herzen des Ritters von Landskron und des Schloßfräuleins von Neuenahr hatten sich gefunden, trotzdem der Brücke Trümmer längst im Bett der Ahr verwitterten und kein Steg noch Furt die Burgen verband; daß dem so war, betrauerte niemand so sehr wie das liebende Paar. Gar oft saß die jungfräuliche Maid am Burgfenster ihrer Kemenate, und aus ihren Augen schaute die Sehnsucht verlangend nach der Veste drüben, indes ihr klopfendes Herz tausend fromme Wünsche spann über Fluß und Thal für den Geliebten drüben.
Während sie so einst wieder dort saß, da raunte ihr der lose Schalk im Flügelkleide, der körpertragende und herzenplagende, einen tollen Plan ins Ohr, und als sie ihn erfaßt hatte, da schüttelte das blitzäugige Schloßfräulein frohgestimmt das blonde Köpfchen. Hat dann heimlich eine Armbrust genommen aus der Rüstkammer, an den Pfeil einen Garnknäul geknüpft, dessen Endfaden befestigt und dann mit kundiger Hand – Erwartung in den Augen und ein Gebetlein auf den Lippen – den Bolzen hinüber gesandt zum Nachbarschloß. Der Liebe, die so also eine Fadenbrücke erbaut, hat dann die Mechanik treulich geholfen, und ein Ringlein an einer haarfeinen Schnur ist fortan fleißig hinüber und herüber gewandert. Manchen Pergamentstreifen, drauf in zierlichen Zeichen schwere Schwüre standen, hat jene Post auf der Luftbrücke hüben und drüben befördert.
Die Windsbraut hat gelächelt, als sie, über die Ahr schwebend, das Werk erschaute und gelobt, seiner gnädiglich zu schonen. Und die Vögel, die durchs Ahrthal kreisten, gelobten ein gleiches; denn auch das Schwälblein weiß heimliche Liebe zu achten.
Wie viele Monde die Liebenden also miteinander verkehrten, darüber schweigt die Sage. Doch weiß sie zu berichten, daß der unselige Zwist zwischen den feindlichen Geschlechtern ein Ende genommen und eines Tages der Ritter von Landskron die reizende Gräfin von Neuenahr heimgeführt hat als sein eheliches Gemahl. Und wiederum erstand die Brücke aus den Trümmern, hochgewölbt wie vordem, zwischen den beiden Burgen. Auf's Neu stampfte der Hengste erzbeschlagener Huf auf der Brücke, und manches Ritters, manches Edelfräuleins Fuß schritt hinüber und herüber.
Dann starb auch jenes Geschlecht aus, wie so manches im rheinischen Land. Die stolzen Vesten Landskron und Neuenahr sind zerfallen, auch die Brücke verwitterte und ist endlich zum andernmale zusammengebrochen. Kein Stein mehr blieb erhalten, und auch von den beiden Schlössern sind nur noch spärliche Trümmerreste vorhanden.
Trauernde Trümmerreste decken heute den Bergkegel, wo einst eine der stolzesten Vesten des Rheinlandes, das Schloß Altenahr gestanden. Trauernd berichtet die Sage von dem Letzten des stolzen Geschlechtes, das Jahrhunderte lang jene Burg bewohnt hat. Ein trotziger Paladin ist's gewesen, der nimmer den allgewaltigen Erzbischof anerkennen mochte, den als Schirmherr des Kaisers Majestät gesandt hatte in die rheinischen Lande. Aber stolz und gebieterisch war auch der Bischof, und finstern Groll nährte er gegen den Verächter seiner Rechte.
Nicht lange dauerte es, da lohte aus dem beiderseitigen Groll die Flamme der offenen Fehde, und vor die stolzeste Veste des Ahrthales wälzte sich des Bischofs und seiner Verbündeten Streitmacht. Einen eisernen Ring zogen sie um die trutzige Veste: aber ihren Besitzer störte es nicht: mit höhnischem Grimm spottete er der Belagerer vergeblicher Bemühung, den Felsen zu erstürmen, und mit ohnmächtigem Zorn sah der Bischof zahlreiche Mannen seines Heeres nutzlos verbluten. Er hatte sich verschworen, das unbesiegbare Felsennest als Sieger zu betreten und wenn auch bis zum jüngsten Tage der Kampf währen sollte; Und einen ähnlichen Schwur hatte der Herr von Altenahr gemacht. Keiner war dem andern an trotzigem Mannesmut unterlegen.
So zog sich die Belagerung schon etliche Monate hin. Immer stärker ward der Zorn der Belagerer, denn jeder Sturm kostete einer stattlichen Zahl von Reisigen das Leben, und nutzlos war es trotz alledem. Schon pflanzte der Mißerfolg Unzufriedenheit in die Kampfreihen des Bischofs und seiner Mitstreiter, und gar nicht selten traf es sich, daß des Morgens eine Anzahl der Söldner und Vasallen fehlte, die es vorgezogen hatten, einer nutzlosen Belagerung zu entsagen. Es schien gar Meuterei im Heere zu drohen, als eines Tages wiederum ein verzweifelter Angriff mit heldenmütiger Kühnheit von den versteckten Burgbewohnern blutig zurückgeschlagen wurde.
Des Bischofs Verbündete drangen in den strengen Mann, von seinem vermessenen Vorgehen abzustehen; er aber empfing die Waffengenossen mit einem finstern Lächeln. »Wenn Ihr mich verlaßt, naht mein größerer Verbündeter: der Hunger. Er kommt, des bin ich gewiß!« Da drangen aus nächster Nähe verworrene Stimmen; meuternde Reisige, durch den Wein kühn gemacht, haderten mit ihrem Führer. Andere schlossen sich den Recken an. Des Bischofs finsteres Lächeln erstarb.
»Noch einen Sturm harrt aus, ihr Mannen!« rief er mit mächtiger Stimme. »Er sei der stärkste und letzte!« Mit finsterm Antlitz schritt er davon.
* * *
Das Frühlicht wob seinen Purpurschleier über das Thal der Ahr. Drunten am Bergabhang herrschte reges Leben im Kriegslager; droben grüßte, umstrahlt vom rotgoldigen Morgenlicht, das Schloß von Altenahr. Schweigen floß um seine Zinnen. Da tönte plötzlich Fanfarenton vom verschlossenen Burghof, und auf die herabgelassene Zugbrücke sprengte auf milchweißem Renner der Schloßherr von Altenahr. Hoch über des Tieres Rücken ragte des Ritters mächtige Gestalt, flatternd wehte vom ergrauten Haupt der wehende Helmbusch und der erste Strahl der aufsteigenden Sonne strahlte tausendfach in seiner blitzenden Silberbrünne.
Nun hielt er den Hengst mit nerviger Faust, und den anstürmenden Belagerern, die vergebens sein Gefolge erspähten, deutete er an mit ausgestreckter Rechte, daß er reden wolle. Weit hinaus klang seine Stimme.
»Schaut hier den letzten Mann und das letzte Roß von allen, die in meiner Burg atmeten. Der Hunger raffte mir alle hinweg: Weib, Kind, Gefährten. Sie alle zogen den Tod der Knechtschaft vor. Ich folge ihnen nach, bis zur letzten Minute unbezwungen und frei.«
Hoch auf bäumte sich das edle Tier, von seinen Sporen getroffen. Ein mächtiger Sprung, gefolgt von donnerndem Getöse. Über Roß und Reiter schlugen die Wasser der Ahr schäumend zusammen.
Grauen packte die, welche es sahen. Des finstern Belagerers Antlitz ward totenbleich. Zur selben Stunde zog er ab. Ihm folgten die Verwünschungen der meuternden Reisige. Die Burg Altenahr blieb seitdem verödet; niemand wagte sich in die Räume, die todgeweihten, und so stand sie Menschenalter hindurch unbewohnt und gemieden, bis endlich der Zahn der Zeit auch ihre Mauern anfraß und ihre Hallen vernichtete.
I.
Er hieß Ronald, war hochgewachsen, blauäugig und blondgelockt, voll edlen Anstandes und ein Meister des Spieles und Gesanges. Eines Tages – eben feierte ein üppiges Fest der stolze Schloßherr von Neuenahr – tönte sein Harfenspiel und Lied auf der Zugbrücke. Da verstummte der Gäste lärmende Unterhaltung und Ritter wie Edelfrauen lauschten gebannt dem unsichtbaren Sänger. Und laut gebot der stolze Schloßherr von Neuenahr dem Pagen, den Fahrenden hereinzuführen. Also kam er, der hochgewachsene Mann, der Fremdling voll edlen Anstandes, der blauäugige und blondgelockte Sänger. Mit wechselnden Gefühlen betrachteten ihn die vornehmen Herren, schämig ruhte auf ihm manch schönes Frauenauge.
War auch eine drunter, eine wunderherrliche Maid, halb Jungfrau, halb Kind, des Burgherrn Töchterlein, deren Geburtstag feierte die vieledle Versammlung. Und es erhob sich der Schloßherr vom reichgeschnitzten Eichenstuhl und winkte dem Sänger, der sich tief vor den Rittern und Frauen, tiefer vor dem Gebieter der Burg verneigte.
»Ein Lied, Spielmann, zu Ehren der Siebzehnjährigen!«
Und des Spielmanns Augen hefteten sich in schweigender Bewunderung auf die Jungfrau. Die senkte die Lider, und holde Scham hauchte auf ihre Wangen liebliches Rot. Er aber griff in die Saiten, und nach einigen rauschenden Harfenakkorden sang er ein Lied der Huldigung; süßer Wohllaut war die Weise, süßer Schmeichellaut die Worte. Immer tiefer färbte sich das Rot auf dem Antlitz des Fräuleins, scheu schauten in den Schoß die schönen Augen, nur einmal, als des Harfners Lied sie pries, mit zwei Sternen sie vergleichend, so dem nächtigen Wanderer leuchten, da schauten sie aufflammend empor und begegneten den seinen, um sich rasch und zuckend wieder zu senken. Ihr schwanden vor Scham schier die Sinne; aus traumspinnendem Gedankenwiegen weckte sie der Gäste tosender Beifallsruf; sie sah den Vater den schweren Humpen heben und ihn dem Sänger reichen, sah, wie jener ihn zuerst gegen sie hob, hierauf gegen den Vater und die Gäste und ihn dann an die Lippen führte: und dann fühlte die Maid, wie sie nicht mehr Herrin sei ihres Herzens, des mächtig klopfenden.
II.
»Ihr mögt meiner Rothtraut das Harfenspiel lehren, Spielmann!« hatte der stolze Schloßherr von Neuenahr in weinfroher Laune gerufen. Sie hörte es wie im Traum und er hatte sich tief verneigt, von seiner Unwürdigkeit gemurmelt und des Ritters Wohlwollen leis dankend gepriesen.
Und also blieb er. Wohl empfand Schön-Rothtraut in tiefster Brust ein leises Bangen, gleich dem Kind, das unbekannt mit zager Scheu den Steg betritt, der hinüberführt zur blumigen Au: kein Mutterherz war da, dem sie anvertrauen konnte, wofür sie keine Worte fand, und so fügte sie sich mit wechselnder Empfindung in des Vaters Begehr, ihm der Abende Einsamkeit durch Sang und Spiel zu verkürzen. Leicht ward ihr jenes – eine Nachtigall schien in ihrem Busen zu schlummern – schwerer ward ihr dieses: die zarten Mädchenfinger schlugen manchen mißtönenden Dreiklang aus den Saiten, und behaglich lachte im hohen Lehnstuhl nebenan der Vater, derweil des Mägdleins Wangen sich mit glühendem Purpur färbten und ihre großen Augen wie scheue Vöglein von den Saiten zu dem Spielmann irrten. Wenn sie dann aber verschämt in den seinen ruhten, ward ihre Verwirrung noch größer.
Er war gar geduldig mit ihren schülerhaften Leistungen, tadelte nie, und lobte den bescheidensten, gelungenen Harfengriff über alle Gebühr. Und wenn er dann zum Schlusse ein eigenes Lied sang und eigener Töne goldenen Reifen um tiefempfundene Worte schlang: dann lauschte selbst der Schloßherr, der nebenan saß im hohen Lehnstuhl, und ihr ward wohl und weh um das junge Herz: sie wußte selber nicht warum, die reine Maid; er hatte sich ihr längst ins Herz gesungen und das keusche Mädchenherz zitterte, berührt von dem Flügelschlag der ersten Liebe.
Und die Liebe umkreiste sie eng und enger und breitete endlich triumphierend ihre Fittige aus über den beiden Herzen: im verschwiegenen Burggarten hielt Ronald, der Harfner, des Burgherrn Tochter liebend umfangen.
III.
Der Liebe Lust folgte noch stets der Liebe Leid. Auch Schön-Rothtraut mußte es erfahren. In des Spielmanns Armen überraschte der Schloßherr sein geliebtes Kind. Grimmig war des Ritters Zorn. Gleich einem Raubtier stürzte er auf den Sänger zu, doch mit einem Aufschrei stellte sich zwischen Vater und Geliebten die Tochter, die plötzlich zum Weibe gewordene schwache Maid. Was aus ihrem Munde er vernahm, traf mit Hammerschlägen des stolzen Burgherrn Seele: mit zitternden Lippen und glühenden Wangen bekannte das Fräulein das Geheimnis ihrer Liebe.
Bleich, doch fest, trat vor den Ritter der Sänger.
»Nur ein Fahrender bin ich, doch deshalb nicht ehrlos. Darum zerstört nicht die Blume, die Gott in unsere Herzen gepflanzt, mit rauher Vaterhand, sondern gebt mir Gewähr: ich will weiterfahren und singen und ringen im Lieder- oder Waffenstreit für meine Liebe – und nur, wenn ich als Edler zurückkomme, möget ihr mir die geben, die mich liebt. Als ein Ritterlicher werde ich wiederum vor Euch treten oder nimmer.«
Finster sah ihn der Burgherr an, leis weinend stand die Maid. Ihre Hand faßte Ronald.
»Lebt wohl, Jungfrau, und harre mein, Rothtraut!«
Die Büsche nahmen ihn auf, und ein klagender Wehruf entfuhr dem Munde des Fräuleins.
IV.
Um mancherlei Unrecht gegen Papst und Kirche zu sühnen und ein heiliges Gelübde zu erfüllen, war Kaiser Rotbart in seinen alten Tagen zum heiligen Lande aufgebrochen an der Spitze eines mächtigen Kreuzheeres. Gar viele Mannen sind ihm zugeströmt aus den deutschen Landen, und stolze Heeresmassen zogen über Byzanz, die Griechenstadt, in Levantens Steppen. Sind dann zum Saleph gekommen, dem traurigberühmten Bergstrom in Cilicien; ein Heldenleben hat hier geendet: Barbarossa ertrank und der Kreuzfahrer Augen wandten sich vertrauend an Heinrich, seinen Sohn. Ein eiserner Heerführer ist er gewesen, jener Kaiser, in der Reihe der Heinriche der sechste, dabei ein Freund des Gesanges. Hat selber zahlreiche Weisen erfunden, deren etliche uns erhalten blieben bis auf den heutigen Tag.
Manche aus des Kaisers Umgebung haben vermeint, daß nicht der gekrönte Minnesänger solches gedichtet, wohl aber des Kaisers Liebling, jener blondhaarige, blauäugige, Ronald geheißen, der Harfe wie des Schwertes gleich kundig. Ein stattlicher Kämpe war jener; schon manchen Türkenschädel hatte er gespalten. Als einst die Kreuzfahrer einen besonders rühmlichen Sieg erfochten, hatte er ein Lied gedichtet zu des Sieges Preis, hatte es selbst gesungen zu der Harfe und der Sang ist im Christenlager rundgegangen und der Kaiser Heinrich, der liederkundige, hat den Sänger zu seinem Freunde gemacht. Von jenem Tage an ist die Sonne der Huld nicht mehr von jenem gewichen. Aber die Schatten in Ronalds Seele hat sie nicht verdrängen können, und oft, wenn des Kaisers Harfner dem Herrscher eines seiner schönsten Lieder sang, hat er plötzlich mit schrillem Mißton abgebrochen und ist verstört hinausgeschritten zu dem Zelte. So hat ihn der Kaiser eines Tages gefunden, und er hat ihm beichten müssen, was Rotbarts Sohn längst erraten hatte aus des andern Wort und Wesen.
Etliche Tage drauf hat der Sturm der Kreuzfahrer begonnen auf Akkon, die unüberwindliche Türkenfeste. An Heinrichs Seite focht Ronald. Ein Türke schwang den krummen Säbel über des Heerkönigs Haupt, und mit wuchtigem Hieb spaltete Ronald dem Ungläubigen den Schädel. Am Abend desselben Tages hat Kaiser Heinrich vor den Kriegsmannen seines Zeltes einem wackern Kämpen den Ritterschlag gegeben mit eigener Hand: Ronald von Harfenstein ward sein Name, eine Leier, auf einem Krummsäbel und einem Christenschwert ruhend, sein Wappen. Und eine Burg hat ihm der dankbare Kaiser zu bauen versprochen an den Ufern des Rheins, die sollte Harfeneck heißen für alle Zeit.
Da ist die Pest in das Lager von Akkon gekommen und hat viele Kreuzfahrer weggerafft, darunter den Kaiser selbst. Trostlos war Ronald, der Sänger und Held.
V.
Zu den Ufern des Rheins ist ein müder Kreuzfahrer zurückgekommen aus dem Heere Leopolds, des Herzogs und Heerführers der morgenländischen Deutschen. Ihn hat man mancherorts gefragt, ob es wahr sei, daß Rotbart nicht ertrunken im Morgenlande, sondern im Kyffhäuser lebe, um bald wiederzukommen in das verwahrloste Reich: er aber hat den Fragern karg geantwortet und ist rastlos weiter geritten auf müdem Renner, das Rheinufer entlang. Und als endlich das Silberband der Ahr vor ihm auftauchte und die Schloßzinnen von Neuenahr, da hat der Reiter aufgejubelt und dem Roß die Sporen gegeben und ist im ersten Abendstrahl hinaufgeritten den Waldweg entlang zu jener Veste, wo er einst als Fahrender auf der Zugbrücke gestanden, wo er den Himmel gefunden in einer Jungfrau reinen Augen.
Den späten Gast hat der Burgvogt dem Schloßherrn gemeldet. Aus schmerzlichem Brüten erhob sich im reichgeschnitzten Eichenstuhl der gebeugte Ritter. Unbekannt war ihm der Fremde.
»Ronald bin ich, Ritter, durch des seligen Kaisers Heinrich Gnade ward ich Ritter im Lager von Akkon, und komme zu werben um Rothtraut, Eure Tochter.«
»Werbt sie vom Tod. Er raubte sie mir vor zwei Monden.« Und stöhnend wandte der Burgherr sein Haupt zur Seite.
Da ist ein Aufschrei durch das dunkle Gemach geklungen, gellend und verzweifelnd.
Herber Zwiesprach spärliche Worte sind dann gefallen hüben und drüben: eines liebenden Mannes trostloses Weh, eines reuigen Vaters scheue Selbstanklage. Zum blütendurchdufteten Winkel des Burggartens ist der Gast geschritten; an dem frischen Hügel, den man dort aufgeworfen vor zwei Monden – hier wollte ruhen des Burgherrn siechende Tochter –, ist er lange gestanden bis die Nacht hereinbrach und dunkle Schatten um seine Augen wob, wie der Schmerz um seine Seele.
Jählings ist er dann aufgebrochen, hat den Schloßherrn nicht mehr geschaut und ist fortgeritten in die Nacht.
* * *
Im Abendlande, wohin Rotbarts Kreuzfahrer zurückkehrten, hat man viel erzählt von den Heldenthaten, die nachher Richard vollführte, der englische Königssohn, den sie Löwenherz nannten seiner Kühnheit wegen. Auch die Türken kannten ihn wohl, den furchtlosen Heerführer; ihn und auch den deutschen Ritter, der an Richards Seite focht. Richard hat ihn hochgeschätzt, den tapfern Degen, obwohl sein Rittertum noch jung war. Zu seinem Vasallen wollte er ihn machen wenn er zurückkehre in die Heimat. Er that es nicht: ein feindlicher Lanzenstich, dem er oft entronnen, traf Richards Schwertgenossen und klagend rief der Königserbe: »Ronald, mein Getreuer!« Er hörte es nicht mehr. Der Spielmann von Neuenahr fand seine Ruhestätte im heiligen Lande; das Geschlecht der Harfensteiner erlosch mit des ersten Mannes Blüte und Schloß Harfeneck ward nie erbaut.