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(Aus Ausstellungsberichten.)
Das fünfzigjährige Regierungsjubiläum des Großherzogs hat Karlsruhe zu einer großen Kunstausstellung ermutigt. Sogar eine internationale Ausstellung ist es geworden.
Die Deutschen können zwar bei gewissen Gelegenheiten und nach gewissen Richtungen hinaus sehr chauvinistisch sein. Allein dieser Chauvinismus mit seinen rhetorischen Brusttönen hindert uns bei allen andern Gelegenheiten gar nicht, in herkömmlicher deutscher Art und Kindsköpfigkeit die höhere Vornehmheit immer wieder im Fremden zu sehen.
Haben wir vielleicht in der Tat Grund dazu? Eine böse Frage, nicht wahr? Ich meine, sie müßte wirken wie ein Peitschenhieb ins Gesicht. Hoffentlich geht sie wenigstens, die kleine böse Frage, ein klein wenig tiefer als die vielen zornigen und ihrerseits brusttönigen Strafpredigten, die schon über dieses Thema gehalten worden sind ...
Ein badisches Demokratenblatt hat bei Gelegenheit des Großherzoglichen Jubiläums die Meinung ausgesprochen und verfochten: nicht Bismarck, sondern der Großherzog Friedrich müsse der Gründer des Deutschen Reiches genannt werden. Es könnte also eine gewisse Ironie darin liegen, daß man die Franzosen eingeladen hat, das Fest dieses Fürsten durch ihre Gegenwart zu verherrlichen. Sie haben die Einladung angenommen. Aber eine besondere Ehre müssen sie nicht darin gefunden haben; sie haben fast nur alte Sachen geschickt. Oder es sind Bilder in deutschem Besitz.
Aufsehen erregte die Réjane von Besnard.
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Es war wohl berechtigt, daß unter den deutschen Künstlern diejenigen besonders begünstigt wurden, die in Karlsruhe oder im Großherzogtum selbst schaffen (oder schafften) oder durch Geburt oder Abstammung dazu eine Beziehung haben.
Ja, es hätte das noch weit mehr geschehen dürfen. Es hätten bei dieser Ausstellung, ihrer Veranlassung entsprechend, die badisch heimatlichen Leistungen viel mehr in den Vordergrund gerückt werden dürfen. Niemand hätte sich mit Grund darüber beklagen können. Eher kann man den Tadel erheben, daß hier, zu Gunsten einer eitlen Großtuerei mit dem Ausland, berechtigte Erwartungen nicht erfüllt worden sind.
»Großtuerei mit dem Ausland«, seltsames Wort! Die Reichen und Mächtigen tun groß mit ihrem Reichtum und ihrer Macht; aber die Armen und Schwachen und – die Bedienten, womit tun die groß? Die tun groß mit den Reichen, denen sie dienen ...
Ich weiß sehr wohl, daß es andere und durchaus berechtigte Gesichtspunkte gibt, die Sache zu betrachten. Aber wir haben wahrhaftig an internationalen Ausstellungen in Deutschland keinen Mangel.
Die Franzosen – deren übertriebene egoistische Engherzigkeit ich damit vielleicht keineswegs empfehlen will – haben sich immer, auf ihren großen Jahrhundertausstellungen, neben ihrer dezennaren zugleich eine säkulare Nationalausstellung geleistet. Das Ausland kam dann freilich um so kürzer weg. Ich sage »vielleicht keineswegs empfehlen«; dennoch ist das sicher: Ein starker und gesunder Organismus ist immer egoistisch, er macht sich aus allem Feindlichen seine Nahrung, er frißt es auf; unegoistisch ist der schwache und kranke Organismus, er läßt sich auffressen.
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Von älteren verstorbenen Künstlern war in Karlsruhe allein Anselm Feuerbach vertreten. Und er ist freilich von allen Toten, die je zu Karlsruhe in Beziehung getreten sind, der weitaus bedeutendste.
Feuerbachs »Erdenwallen« war, wie alle Welt weiß, auf weite Strecken ein Leidens- und Passionsweg. Und Karlsruhe bedeutet eine wichtige Station auf demselben. Dort hat Feuerbach die gröbsten Enttäuschungen erfahren. Er hat dort erlebt, was sich nur zu oft wiederholt: so lange er ein Schüler und Lernender war, hat man ihn freundlich begünstigt, der Großherzog vor allem; in dem Maße aber, wie sein eigener Charakter sich ausbildete und hervortrat, begegnete er nur noch Feindseligkeiten. Alles intrigierte gegen ihn in Karlsruhe, und mit solchem Erfolg, daß der Großherzog selber an dem Künstler irre wurde.
Wieder einmal hat sich Bureaukratismus und Hofkabale mächtiger erwiesen als der persönliche gute Wille des Fürsten.
Jedermann kennt das Feuerbachsche »Vermächtnis«, dieses Stück Bekenntnisse eines Künstlers, das in der Weltliteratur kaum seinesgleichen hat. Es sind Auszüge aus Feuerbachs Aufzeichnungen und Briefen, von der Mutter des Künstlers zusammengestellt und herausgegeben. Feuerbachs hinterlassene Papiere selber sind in der Königlichen Bibliothek zu Berlin aufbewahrt, und Julius Allgaier, der langjährige Freund und Biograph des Künstlers, versicherte mir, diese Papiere enthielten noch so viel Bedeutendes, ja Erstaunliches, daß das »Vermächtnis« in seiner jetzigen Gestalt nur als eine geringfügige Abschlagszahlung zu betrachten sei im Vergleich zu der vielleicht bald zu erhoffenden Ausbeute des Ganzen. Unterdessen ist Allgaier gestorben; sein Werk »Anselm Feuerbach« in zweiter vermehrter Auflage ist, herausgegeben von Karl Neumann voriges Frühjahr erschienen. Es sei hier empfehlend darauf hingewiesen.
Vier Bilder waren von Feuerbach in der Ausstellung. Sie sind sehr bedeutend. Das Kniestück, sitzende Frau (im Besitz der Frau Medizinalrat Wolf in Heidelberg) und die Frau am Meere in Lebensgröße (im Besitz des Herrn von Härder in Mannheim) gehören zum Persönlichsten und Intimsten der Feuerbachschen Kunstoffenbarung. Ebenso groß in der Form ist der Frauenkopf daneben. Es sind Werke, in denen uns das hohe Stilgefühl des Künstlers in aller Macht entgegentritt. Besonders gilt dies von der Frau am Meere. Dieses Bild ist auch koloristisch ein Feuerbach ersten Ranges. Das dunkelgraue Violett des Gewandes, das bräunliche Grau der Felsen und das weiß-grau-grünliche Meer bilden einen feinen Akkord. Und in dem vierten Stück der Ausstellung werden vielleicht die meisten Feuerbach zum erstenmal als Landschaftsmaler kennen lernen.
Anselm Feuerbach trat zu einer Zeit auf den Plan, wo die Historienmalerei – das Wort in seinem schlimmsten Sinn verstanden – ihre wildesten Orgien feierte. Dieser Kunst stand das stoffliche Interesse obenan. In Feuerbach aber lebte die Religion der Form. Er hätte nicht in einem schärferen Widerspruch zu seiner Zeit stehen können. Darin liegt seine Bedeutung.
Aber auch sein Verhängnis liegt darin. Er konnte in diesem für ihn so ungünstigen Zeitklima unmöglich sein Höchstes erreichen. Ein in der Kunst ihm nah Verwandter, Hans von Marées, hat ja sein Ideal noch viel weniger als Feuerbach zu verwirklichen vermocht. Wenn Böcklin glücklicher war, so lag das freilich zunächst daran, daß seiner romantischen Naturbeseelung und symphonischen Farbendichtung die Nation und die Zeit von vornherein mehr Verständnis entgegenbringen konnte als dem strengen Formenkult eines Feuerbach und Marées: es lag aber zum Teil auch nur an seiner größeren körperlichen Widerstandsfähigkeit.
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Sehr bezeichnend ist es, daß ein Karlsruher Professor der Kunstgeschichte in einem eingehenden Ausstellungsbericht an eine große Zeitung den Namen Feuerbach nicht nennt. Er nennt auch den Namen Fritz Böhle nicht, der ebenfalls aus Baden stammt und an den man bei Feuerbach denken muß, weil ihm eine ähnliche Großheit der Form zu eigen ist, wenn sie sich gleich, gemäß dem verschiedenen Herkommen und Bildungszustand, sehr verschieden äußert. Man sehe daraufhin seine Radierungen an, besonders seine großen Blätter, den Schweinehirten, den Ritter mit Pferd u. a.
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Im Zusammenhang mit Feuerbach geziemt es, Hans Thoma zu nennen. Beide teilen das Los, daß ihnen der Historiker der modernen Kunst, Richard Muther, nicht ganz gerecht wird. Thomas Kunst habe ich des öftern eingehend charakterisiert und kann mich darum heute auf einige Bemerkungen beschränken.
Thoma ist doch manchmal allzu sorglos, allzu genügsam. Und in seiner Freude an einer originellen Idee zeigt er gelegentlich eine große Gleichgültigkeit dafür, wie die Idee sinnliche Erscheinung wird. Der Grund liegt tief in seinem menschlichen Charakter. Thoma ist viel mehr Gemütsmensch als Sinnenmensch. Insofern liegt vielleicht in der ungeheuren Behauptung eines andern universitären Kunsthistorikers, der, mit seinem bekannten Parteifanatismus, Thoma den einzigen Vertreter der wahrhaft deutschen Malerei in unserer Zeit nennt, ein winziges Körnchen Wahrheit, das freilich aus dem Meer von Blödsinn herausgefischt sein will.
Man sollte aber Thomas Bedeutung nicht in seinen Schwächen suchen, sondern in seinen Stärken. Und besonders kennen die Thoma nicht, die solche gelegentlichen Nachlässigkeiten als Unvermögen deuten. Es war da ein Bild auf der Ausstellung: »Mädchen mit Hühnern«; ja, so wie das Gefieder dieser Hühner gemalt ist, wer das gemacht hat, an dessen Malenkönnen kann kein Vernünftiger zweifeln.
Und Thomas Landschaften samt und sonders liefern den Beweis hohen malerischen Vermögens – was überdies ihr geringstes Verdienst bedeutet. Die landschaftliche Natur steht ihm eben lebendig in der Seele, er hat zu ihr das intimste Verhältnis, sie sagt ihm Dinge, die sie sonst niemand verrät. Der menschliche Körper dagegen, als solcher, mag ihm weniger sagen.
Wenn wir noch ganz jung sind, erschrecken wir alle mehr oder weniger vor der Nacktheit, ganz nach dem Grad unserer Schamhaftigkeit. Und gewisse zart-schamhafte Naturen werden ein solches Erschrecken, eine solche Scheu ihr Leben lang nicht los. Bei unserer deutsch-protestantischen Erziehung ist das auch gar kein Wunder. Selbst bei einem Kerl wie Böcklin merkt man so was. Und bei Thoma ist dieses Phänomen besonders auffallend. Er ist – mehr Gemütsmensch als Sinnenmensch.
Er ist doch noch mehr Poet als Maler.
Noch eines fällt bei der Thoma-Ausstellung wieder sehr auf: daß dieser Meister, wie kaum ein anderer unter den Neuern, sein langes Leben lang sich fast ganz gleich geblieben ist. Man kann bei ihm kaum von Wandlungen, aber auch kaum von Entwicklung reden. Nur von seiner Landschaftsmalerei gilt dies nur bedingt, und das ist auch ein Fingerzeig.
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Nicht als Schüler, aber als Freund und Landsmann Thomas, muß hier Emil Lugo genannt werden, der trotz aller »altfränkischen« Malweise gerade in letzter Zeit, weil er eben doch eine zu markante Eigenart darstellt, die Aufmerksamkeit vielfach auf sich gelenkt hat und, bei aller Einsiedler-Existenz, selbst auf jüngere Lernende nicht ohne Einfluß geblieben ist. Diese herbe Künstlerpersönlichkeit, mit einem langen Leben strengsten Schaffens, die nie einer Mode auch nur haarbreit entgegengekommen ist, müßte freilich bekannter sein.
Es mag ja vielleicht seine Richtigkeit haben, daß die geringe Wirkung Lugos zum Teil auf einem gewissen Manko beruht, einem gewissen Mangel an Temperament, der sich z. B. als Farbenmangel kundgibt oder auf einem gewissen Pedantismus der Technik, wogegen man ja heute besonders streng ist – oft mehr als nötig wäre – oder auf seiner allzu ungeschickten und unzulänglichen Behandlung der Staffage. Es ist aber auch richtig auf der anderen Seite, daß diesem Künstler ausgesprochene Vorzüge hinderlich waren: sein starkes Streben, vielmehr seine Notwendigkeit, ein Eigener, ein Besonderer zu sein; seine absolute Unberührtheit von jeder Tagesmode; seine vornehm stolze Zurückhaltung im Leben wie im Kunstwerk. Jedenfalls ist er ein Künstler, der Achtung fordert.
Er hat seine hinterlassenen Werke – Lugo ist am 4. Juni 1902 gestorben – der Stadt Freiburg im Breisgau vermacht, wo man sie aber in ihrem eigentümlichen Wert nicht zu erkennen scheint. Der Mann hat den guten Landsleuten und ihrem Bürgermeister nicht genug lauten Ruhm. Man kann sich mit ihm nicht genug rühmen. Die liebe Eitelkeit kommt nicht genug auf ihre Rechnung.
Bei Gelegenheit der Böcklinfeier in München im Jahre 1897 schrieb mir Lugo: »Mir ist dies Lob und Gejauchz noch viel widerwärtiger als vorher das kalte Ablehnen und die stupide Gleichgültigkeit, die sich hie und da zur Feindseligkeit ermannen konnte. Diese Dinge sind doch das wahre Gesicht des Gesindels, das jetzt die Luft voll stinkenden Atems mit seinem Lob verpestet, das in jedem Wort die die vorige Verständnislosigkeit verrät ...«
In der Frankfurter Zeitung war nach seinem Tod zu lesen: Schirmer war sein verehrter Lehrer. Vielleicht ist mit Lugo dessen letzter Schüler gestorben – Schüler in dem Sinn genommen, daß er eben nicht nur zu dem Meister in die Schule ging, sondern daß dessen Einfluß in der Kunst des Jüngers nachwirkend blieb.
Wirklich stand Lugo die ganze erste Hälfte seines Lebens stark unter diesem Einfluß, von dem er sich erst nach und nach, zuletzt aber ganz frei machte. »Unter Einfluß stehen« braucht jedoch nicht gleichbedeutend zu sein mit Abhängigsein. In Lugos Atelier hing immer ein großes Landschaftsgemälde, sein erstes großes Werk. Das Bild mußte jeden frappieren, der den Raum betrat. Es war eine heroische Landschaft größten Stils. Man dachte unwillkürlich an vergangene Meister. Gewiß nicht an Schirmer. Das Bild war unter Schirmers Einfluß entstanden; aber er selber hat die Natur nie so groß zu fassen vermocht.
Lugo sprach von Schirmer immer mit Verehrung. Nur dessen enge Beschränkung aufs spezielle Fach, wozu er denn auch seine Schüler streng anhielt, beklagte er. Er empfand an sich selber die Nachwirkung dieser Methode aufs schmerzlichste.
Aber so lag es damals in der Zeit. So genügsam war man damals. Landschaftsmaler ließen sich ihre geringsten Staffagen von andern ins Bild malen. In das erwähnte Bild von Lugo hatte der Wiener Canon – der in Karlsruhe zu jener Zeit mehr als Mensch denn als Maler Aufsehen erregte – nackte Figuren gemalt. So klein sie waren, erregten sie in Freiburg Aergernis. Der Gendarm und der Philister haben, wie bekannt, an vielen Dingen pflichtmäßig Aergernis zu nehmen. Lugo ließ sich einschüchtern und übermalte die Figuren; er hat das später für die größte Sünde seines Lebens erklärt.
Nachdem er, als Maler, in der Darstellung der Natur, längst ein anderer geworden war, wurde er oft gefragt, von wem das Bild sei, das da so groß und feierlich von der Wand hernieder sah wie ein »alter Meister« und doch anders wie alle, die man kennt. Dann sah ich es oft ihm schmerzlich um die Lippen zucken. Und ich begriff wohl, was dabei in seiner Seele vorging. Er war in sich überzeugt, daß eigentlich dieser Stil ihn allein befähigt haben würde, sein Höchstes zu sagen, daß dieser Stil allein seiner Natur vollkommen angemessen war. Aber diesen Stil empfand die Zeit bereits als historisch und lehnte ihn ab. Das neue Empfinden oder richtiger die neue Kultur (Unkultur hätte Lugo lieber gesagt) verlangte einen neuen Stil.
Auch Lugo errang ihn sich. Nicht ohne Mühe und Not. Der alte streckte lange Zeit immer wieder sein Gesicht hervor. Lugo gelangte aber zuletzt zu einer ihm allein eigenen poetischen Interpretation der Natur, die immer freier wurde von allen historischen Velleitäten. Seine Schwarzwald-Bilder und später seine Bilder vom Chiemsee gehören durch ihre Absichtslosigkeit und schlichte Naturauffassung durchaus zur modernen Kunst, wenn sie gleich nicht mit moderner Technik gemalt sind und von der Masse der heutigen Malerei weit abstehen.
Technik war für Lugo keine kleine Frage. Aber auch auf diesem heute so schlüpferigen Terrain ging er eigene Pfade. Er suchte hier bei den alten Deutschen zu lernen. Der patzige Farbenauftrag gewisser Moderner war ihm der Greuel aller Greuel.
Die Farbe war indessen Lugos Stärke nicht. Man kennt ihn darum unvollständig, wenn man nur seine Oelbilder kennt. In seinen Federzeichnungen, Tuschblättern und Aquarellen offenbart er sich als viel bedeutender.
Eine intime Freundschaft verband Emil Lugo mit Hans Thoma. Der Briefwechsel beider müßte, von geschickter Hand einst herausgegeben, ein interessantes Buch werden, ein Dokument, das man vielleicht Feuerbachs Vermächtnis an die Seite stellen dürfte.
Lugo war als Mensch weit über das gewöhnliche Maß hinaus geistreich; er war stellenweise von sprudelndem Witz. Man merkte dann nichts von dem Ernst, der ihm im Grunde saß. Die Gabe, mit Wort und Gebärde zu karikieren, war ihm in hohem Grade zu eigen. Selbst zum Possenreißer ließ er sich in ganz intimen Kreisen gelegentlich gebrauchen. Er war viel gefürchtet wegen seiner scharfen spitzigen Worte, aber er konnte sich auch selber ironisieren. Dann ahnte man, welche tiefe Melancholie seine Seele erfüllte und wie sehr seine Gesamtstimmung ihre Grundfarbe hatte in dem schmerzlichen Bewußtsein von der Unerreichbarkeit eines Ideals, das mit den Tendenzen der Zeitseele allzusehr und bis zu einem gewissen Grad auch mit den eigenen Mitteln in Widerspruch stand.
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Emil Lugo hatte in München in einem Kollegen einen auffallenden Doppelgänger: Karl Haider. So groß war die Aehnlichkeit beider, daß sie oft miteinander verwechselt wurden.
Ich will nicht sagen, daß sie sich in ihrer Kunst ebenso gleichen. Haider bringt mehr materielle Schönheit in seine Bilder, mehr Glanz, mehr Reiz. Aber eine gewisse Verwandtschaft ist unverkennbar. »Altfränkisch« malt auch Karl Haider. Altdorfer war doch wohl ein alter Franke? Und an seine und ähnliche altdeutsche Landschaften erinnern die des Karl Haider. Jedenfalls hat er diese, heute eigentlich ganz unerhörten, Vorbilder fleißig studiert. Er sieht manchmal die Natur – unglaublich heute – ganz mit ihren Augen. Bei ihnen hat ja auch Schwind sein Bestes gelernt, wie auch Lugo ihnen nachstrebte, der jedoch zu tief in seiner eigenen Haut stack oder unbewußt doch auch unter anderen Einflüssen stand.
Aber bei Haider ist die Art zu sehen noch das wenigste. Er hat bei den Alten noch ganz andere Dinge geholt. Bis auf den Farbenauftrag und die ganze Behandlung des Materials hat er von ihnen gelernt. Seine Bilder sind überraschend durch Glanz in Oberflächenschönheit, und seiner nachweisbaren, aber, ach, gar weit abliegenden Vorbilder ungeachtet, ist Haider eine der originellsten Künstlererscheinungen unserer Zeit. Er hat lange gebraucht, um als das anerkannt zu werden. Man sollte meinen, eine so ungeheuer starke Eigenart hätte den Leuten die Augen früher öffnen müssen, sie hat sie ihnen wenigstens immer noch rechtzeitig geöffnet.
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Friedrich Fehr. Das ist ein Farbenfreudiger. Er scheint manchmal etwas allzutief in den Topf zu tunken. Besonders von Rot flammt es nur so in seinen Bildern, auch an Stellen, wo der Lokalton gar kein Rot verlangte. Aber Fehr liebt einmal diese schöne Farbe, und wenn seine Bilder auffallen, so fallen sie nicht unangenehm auf. Es geht eine große Freudigkeit von ihnen aus. Sie sind voll von Erinnerungen an farbigere und lustigere Zeiten.
Fehr hat, seitdem diese Zeilen geschrieben wurden, seine hohen Töne gedämpft, auf tiefere Akkorde gestimmt; sein Kolorit ist dabei nur reicher geworden.
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Ludwig Dill ist unstreitig der raffinierteste Tonmaler in der Landschaftsmalerei. Seine sanften, zurückhaltenden Mollakkorde in Grau, Oliv und Gelb, mit allen ihren Nuancen, wozu dann höchstens noch ein kühles Blau tritt, sind gewiß in der deutschen Malerei eine ganz neue Sache. Ob das nun große Kunst ist, im religiösen Sinn des Wortes, oder bloß große Virtuosität, das ist die Frage. Es ist, trotz ihrer Kühlheit etwas Wollüstiges in diesen Bildern, auch ohne daß eine Spur weiblicher Nacktheit darin vorkäme. Und faszinierend wirken sie, wie graublau-grünliche Schlangenhäute. Auch gerahmt sind sie raffiniert.
Ein Kritiker meinte: » Ein« Stück Erde habe uns Dill nun vorgeführt, nun möge er uns zeigen, wie ein anderes Stück Natur in seiner Umarmung aussieht. Ich meine der Herr Kritiker mißversteht Dill gründlich. Diesem Künstler ist es am wenigsten um die Umarmung der Natur zu tun. Dieser Sezessionist ist schon lange kein Naturalist mehr, – wenn er je einer war. Die Natur muß ihm wohl ihre Motive hergeben, aber dann mag sie sich zum Teufel scheeren; weiter will er mit dem ungeschlachten Weibsbild nichts zu tun haben. Neben einen »Dill« gehängt, wirkt ein Karl Haider fast wie die Natur selber neben einem Bild, und doch ist gewiß Karl Haider tausend Meilen weit vom Naturalismus entfernt.
Dills Bilder müßten auf rotseidenen Tapeten hängen.
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Franz Hoch. Er ist weniger raffiniert. Und er wirkt kräftiger. Er ist weniger Schlangenhaut und hat mehr Knochen. Er liebt auch die einfachsten Motive, aber er wählt sie mannigfaltiger aus. Und statt des kühlen Tons in Grau, Oliv und Graugelb liebt er warme, bräunliche, purpurne und violette Töne. Das Violett besonders hat es ihm angetan. Seine Entwicklung geht vom Tonigen immer tiefer ins Farbige.
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Schönleber hat alle Phasen der modernen Malweise getreulich mitgemacht. Er hat darin sogar, bis zu einem gewissen Grad, immer ein Persönliches auszudrücken gewußt. Kaum ein anderer deutscher Landschaftsmaler hat in der modernen Luftmalerei so vorzügliches geleistet.
Aber diese Malerei scheint nach und nach an sich selber irre geworden zu sein.
Das Schwummerige und Nebelige, das ihr anhaftete, zu überwinden, war zuletzt ihr Hauptbestreben. Aber strebte sie damit nicht gewissermaßen nach Selbstüberwindung?
Diese Frage drängt sich einem auf bei Betrachtung der letzten Schönleberschen Bilder. Wie hier wieder Motive gewählt werden, die an sich interessant sind – Veduten sagte man sonst – die Art, wie die Umrisse betont werden und wie die Gegenstände und wie die Lokalfarben hell, klar, leuchtend in der Luft, viel mehr auf der Bildfläche stehen: das sieht sehr nach einer Ueberwindung, Selbstüberwindung aus.
Schon Einer, einer der Allergrößten, hat bereits diesen Weg zurückgelegt. Segantini war ja auch bei den französischen Luftmalern in die Schule gegangen. Und was hat er auf dieser Grundlage geschaffen.
Schönleber hat sich keineswegs dessen Technik angeeignet und erreicht auch nicht eine gleiche wuchtige Wirkung; aber er verfolgte eine verwandte Tendenz und sogar mit verwandten Mitteln. Er wirkt intimer als Segantini. Und daß er das mit Bewußtsein will, zeigt er schon durch die Kleinheit seiner neueren Bilder. Sie sind nicht für Hallen und Paläste gedacht, sondern für deutsche Wohnräume.
Neben der technisch-formalen Wandlung geht bei Schönleber eine solche in der Stoffwahl nebenher. Er ist zurückgekehrt von Venedig und der Riviera und malt daheim kleine herzige Schwabenwinkel. Und er malt sie nicht nur interessant, er sorgt auch dafür, ganz nach der Art älterer Schulen, daß sie schon an sich, als Motive, interessant sind. Diese Tendenz hatte er immer. Er hat früher Venedig gemalt und heute malt er z. B. Besigheim am Neckar, nicht irgend einen beliebigen Sumpfwinkel. Das ist, wenn man so will, der unmoderne Zug in diesem Künstler.
Schönlebers Streben ist ehrlich und erfreulich.
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Ferdinand Keller war immer ein talentvoller Dekorationsmaler. Die Ausmalung des Stuttgarter Gewerbemuseums z. B. ist eine Leistung. Er hatte zwar keinen eigenen Stil. Er ging in den Fußstapfen eines früheren Großen. Man kann sagen, er war mehr von Tiepolo abhängig, als es ein Meister sein darf. Aber immerhin hätte er auf diesem Gebiet vielleicht, wenn er gewollt hätte, sich einen bleibenden Ruhm erwerben können. Auch als Maler fürstlicher Repräsentationsstücke war Keller immer beliebt. Und das war wahrlich kein undankbares Feld.
Aber nun, man sollte es nicht für möglich halten – er hält es offenbar für möglich – nun malt er – Böcklinbilder. Alle Böcklinschen Motive malt er noch einmal.
Und wie malt er sie!
Da hört alle Kritik auf. Wenigstens tut sie gut daran, aufzuhören. Es könnte ihr sonst leicht etwas passieren.
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Münchner Glaspalast und Sezession 1903. Die beiden Ausstellungen haben heuer das Gemeinsame: keine bietet eine Ueberraschung, Selbst diejenigen Künstler, die absichtlich aufs Verblüffen ausgehen, überraschen uns kaum mehr; wir kennen sie schon zu lange. Wir wissen heute genau, was für Gliederverrenkungen wir von ihnen, für die das Tanzen notwendig zum Seiltanzen wird, zu erwarten haben. Die tollsten Purzelbäume setzen uns nicht mehr in Erstaunen.
Reden wir vom Interessanten. Das braucht nicht immer gut zu sein. Es ist sogar manchmal weit davon entfernt, z. B. das heurige Lenbach-Kabinett – um gleich die erste Stelle gebührend zu vergeben. Zwar ein älteres Damenbildnis darin, nein, zwei, sind auch zugleich gute Lenbach-Werte. Aber schon das Familienbild ist bedenklich. Es hat wohl hohe koloristische Reize, denen man sich nicht leicht entziehen wird. Es klingt koloristisch wundersam wie ein Märchen aus alten Zeiten, sehr alten. Aber wie die Gruppe gestellt ist und wie die Augen alle, ganz sichtbar, ganz unverkennbar in den photographischen Apparat sehen, wirkt in einem freien Kunstwerk doch recht unerquicklich. Ganz fatal ist der Eindruck, den man von der kleinen Schönheitsgalerie in diesem Kabinett empfängt. Das sind in Wahrheit Fratzen. Man sollte meinen, die Schönheit am wenigsten würde Grimasse schneiden. Aber hier tut sie es, und mit großer Selbstgefälligkeit. Es bleibt dann freilich von der Schönheit, wenn man mir das Bild gestatten will, nichts weiter übrig als deren Larve. Lenbachs Manier wird hier schon zum Manierchen. Aber er ist ja am Ende alt genug, um schwach werden zu dürfen.
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Die » Böcklin-Malerei«. Sie ist keine erfreuliche Sache, und wenn das so weiter geht, so wird Böcklin für die deutsche Malerei so fatal wie einst Heine für die deutsche Lyrik. Ganz so weit hat das Uebel noch nicht um sich gegriffen, aber die Gefahr ist groß. Und das Schlimmste an einer solchen Afferei ist: sie kann einem fast die Wunder des Originals verleiden. Wenigstens auf Augenblicke bringt sie es fertig. Das sollten die Herren bedenken; denn Böseres kann ein Künstler in der Kunst nicht verüben.
Die mannigfachen Wirkungen, die von Böcklin ausgegangen sind und die besonders auf unseren Farbensinn völlig revolutionär gewirkt haben, haben damit nichts zu tun. Sie waren ein nie zu überschätzender Gewinn. Die Affereien, von denen hier die Rede ist, sind das Gegenteil. Diese Leute haben zu viel, vor allem aber zu wenig von dem großen Meister und Poeten. »Seid meine Jünger, aber folget mir nicht nach!« hat Nietzsche gesagt. Das Wort klingt wie ein Paradoxon und ist doch nur eine einfache Wahrheit.
Am schlimmsten treibt es ein gewisser Kuschel. Er hat allein fünf »Böcklin« ausgestellt. Er geht in der Nachahmung bis zur Unanständigkeit. Wenn er mit Bewußtsein Karikaturen von Böcklin geben wollte, könnt' er's kaum ärger machen.
Aber er macht es wenigstens mit einem gewissen Talent. Noch schlimmere Karikaturen und dazu ganz talentlos liefert Ferdinand Keller aus Karlsruhe. Der macht Böcklin-Landschaften und malt die Felsen wie wenn es Baumwollenbündel wären. Er nimmt – wie übrigens auch Kuschel – einfach die Motive Böcklins der Reihe nach und malt sie noch einmal. Eine größere Unverfrorenheit, kann man wohl sagen, ist in der Kunstgeschichte noch nicht vorgekommen.
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Auch Walter Geffken gehört in diese Reihe. Doch mit Einschränkung. Er ist freier, er hat mehr eigene Empfindung. Seine Sachen wirken mehr wie Reminiszenzen, denn als direkte Nachahmungen. Bei ihm ist die Hoffnung, daß er eines Tages ganz selbständig wird. Schon heute gewähren einige seiner Bilder fast eine reine Freude. Eine strenge Selbstzucht aber wird ihm noch lange nottun.
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Auf diesem Wege zur Selbständigkeit hat den Baseler Hans Sandreuter der Tod ereilt. Auch dessen Abhängigkeit von Böcklin ist groß. Aber groß war auch sein ehrliches Streben, und seine von Böcklin abhängigen Bilder unterscheiden sich von vielen dieser Art: aus ihnen spricht sehr stark eine tiefe und aufrichtige Verehrung für den geliebten Meister und ein ehrliches Ringen mit sich selber. Am originellsten ist er in seinen Aquarellen und primitiven Farbendruck-Holzschnitten.
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Die Physiognomie der Ausstellungen hat sich nach und nach doch gründlich geändert. Was ehemals die meisten Wände und größten Leinwände füllte: das Geschichtsbild, das patriotische Bild, das soziale und sonstige Tendenzbild, die Moritat, der Liebesroman, sie fehlen fast ganz. Wenn ja etwas von dieser Art noch vorhanden ist, hat es sich verschämt in irgend eine dunkle Ecke gedrückt, und man kann darauf rechnen, daß es aus Dresden oder Düsseldorf oder gar aus Berlin geschickt wurde, oder daß wir es mit einem »Wadlstrumpfmaler« zu tun haben.
Nicht häufiger ist das religiöse Bild. Im ganzen drei oder vier ziemlich nichtssagende und schlechtgemalte Stücke. Die Kirchenmaler sind heut eine besondere Gilde, die auf die großen Ausstellungen verzichten können. Und die sonst noch zur religiösen Kunst ein Verhältnis haben, werden immer weniger. Die Kirche kann ihre Bilder doch nicht brauchen! Uhde hat sein Leben lang nur für Galerien gemalt.
Sogar das eigentliche Genrebild ist ziemlich selten. Es ist vielfach durch bloße Interieurs vertreten, bei deren Wahl das koloristische Motiv die Hauptsache war. Alles Erzählen ist auf einmal in Mißkredit geraten. Man hatte zu viel Unfug damit getrieben. Man hatte zu lange Erzählen und Malen miteinander verwechselt. Endlich hat sich die Malerei wieder auf sich selber besonnen, und, einige Hinterwinkler abgerechnet, hat sich heute der Umschwung auf der ganzen Linie vollzogen.
Diese Tatsache gehört zu den erfreulichsten Errungenschaften unserer Zeit, und es ist sogar kein Unglück, daß das Prinzip jetzt schon manchmal allzu sehr auf die Spitze getrieben wird.
Es ist besser, daß unbedeutende Dinge gut gemalt werden, als daß die bedeutendsten und erhabensten Gegenstände im Himmel und auf Erden in miserabler Malerei eine traurige Rolle spielen.
Die ganze Technik wird heute ebenfalls nicht mehr ausschließlich auf die Stärke ihrer Ausdrucksfähigkeit hin vervollkommnet, sondern ebensosehr mit Rücksicht auf rein materielle Schönheitswirkung; man ist sich wieder bewußt, daß ein Bild wohl mehr sein soll, als ein Schmuck, daß es aber ein Schmuck sein muß vor allem. Das kann jeder Maler anstreben.
Weniger von seinem Streben und Fleiß hängt es ab, ob das Bild zugleich ein Gedicht werde, das des Lesens wert ist.
Gute Bilder nun, die zugleich gute Gedichte sind, darf man nicht allzu häufig erwarten.
In den Ausstellungen muß man diese feinen Sachen fast ausschließlich unter den kleinen Formaten und in den kleinen Kabinetten suchen. Es sind nicht immer stolze Oelgemälde; es sind manchmal bloß Gouache, Aquarelle, farbige Zeichnungen, Lithographien, Holzschnitte, Radierungen.
Ueberhaupt kann man wahrnehmen, daß die Schätzung der Oeltechnik im Abnehmen begriffen ist.
Jene Landschaften und Landschäftchen sind meistens von jungen Künstlern. Es sind einige Münchner darunter, aber die Mehrzahl sind Südwestdeutsche, sind Rheinländer im weitesten Sinne des Wortes, und alle ein wenig von Thoma beeinflußt. An aristokratischem Aussehen, an technischer Feinheit, an raffinierter Tonwirkung bleiben sie hinter ähnlichen englischen und schottischen Werken zurück; dafür sind sie viel unbefangener der Natur gegenüber, viel wahrer und aufrichtiger. Und sind viel persönlicher. Und viel entfernter von der Schablone. Sie erinnern mit ihren einfachen Mitteln, mit ihrer naiven Sprache an das Volkslied. Sie bevorzugen ähnliche Motive und vermitteln ähnliche Stimmungen. Sie sind manchmal wie die Musik zu Eichendorffschen Gedichten. Sie würden nicht in prunkvolle Räume passen; aber still vornehme Gemächer mit geistiger Atmosphäre werden sie weihevoll schmücken. Sie sprechen wohltuend zum Auge und haben außerdem der Seele etwas zu sagen.
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Stuck. Er hat schon lange nichts mehr neues zu sagen, weder an Ideen noch an Technik. Sein diesjähriger Saal ist herzlich langweilig. Seine Bilder sind aber sorgfältiger als je gemalt, sie haben eine große Oberflächenschönheit. Auch Stuck untersteht hier Einflüssen, die weit ab von den ursprünglichen sezessionistischen Tendenzen liegen.
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Diese vertritt am »unentwegtesten« Ludwig Herterich. Leider übertreibt er sie auch. Man meint manchmal, er wolle sie karikieren. Er scheint es gering zu achten, ein bewunderter Tänzer zu sein – im Bild gesprochen natürlich – und durch Schönheit oder meinetwegen auch durch Kühnheit des Tanzes hinzureißen; sein Ehrgeiz steht nach den Gliederverrenkungen des »Schlangenmenschen«. Und man muß zugeben: er hat dazu ein erstaunliches Talent. Seine Technik ist auf einem Gipfel der Virtuosität angelangt, man kann sich nur wundern, daß es ihr (oder ihm) nicht schwindlich dabei wird. Um etwas anderes als um Technik scheint es ihm nicht zu tun zu sein. Nur diese will er uns zeigen. Nur auf sie sollen wir achten. Sie ist ihm nicht Mittel, sie ist ihm Zweck. Er mag auch wirklich damit manchen Neid und manche Bewunderung herausfordern. Mir scheint, daß das Wort »l'art pour l'art« hier doch allzu eng, allzu handwerklich verstanden wird. Herterich wird dazu die Achseln zucken, und er hat recht; denn; ein Schelm, der mehr gibt, als er hat. Herterich hat einmal ein schönes Bild gemalt, den hl. Georg in der Pinakothek. Diese duftige Schönheit, diese tiefpoetische Stimmung hat er seitdem nicht wieder erreicht. Er ist aber natürlich überzeugt, sie durch Besseres, Stärkeres zu ersetzen.
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Ein tieferes Interesse erweckt Julius Exter. Nicht nur daß ihm an Farbenkraft und Glut, wie an Harmonisierung so hoher Töne keiner heute so leicht gleichkommt, er hat uns, auch über diese sinnliche Schönheit hinaus, noch etwas zu sagen. Vor seiner »Bauernhochzeit« bleibt man lange stehen. Man macht sich tausend Gedanken davor. Von berückender Farbenschönheit ist sein Märchenbild. »In die Netze gegangen«, und zwei Frauenbildnisse in Schwarz sind nicht nur virtuos, sondern im guten Sinne des Wortes meisterhaft gemalt.
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Leo Samberger. Er ist heute, was Lenbach einmal war, nur aber freilich doch ganz anders, neuer, frischer, moderner, kecker, packender. Seine bloß aufgetuschten Malerköpfe und andere sind, das kann man jetzt schon mit Sicherheit sagen, bleibende Werte der deutschen Kunst. Seine Mittel und was er damit ausdrückt, stehen in einem bewunderungswürdigen – umgekehrten Verhältnis.