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Vierzehntes Capitel.


Wir passiren den Südpolarkreis. – Wir werden wieder nordwärts getrieben. – Die grossen Pinguine. – Robben. – Fische. – Animalisches Leben. – Wir werden im Packeis eingeschlossen. – Sturm im Packeis. – Gefährliche Lage der Schiffe. – Beschädigungen während des Sturmes. – Ausbesserung der Schäden. – Abermals im Packeis eingeschlossen.


Trotz unsrer wenig versprechenden Lage wurde doch das neue Jahr mit denselben Gefühlen zuversichtlicher Hoffnung und Heiterkeit begrüsst, welche uns während unsrer Bemühungen auf der letzten Reise in diesen Regionen erfüllt hatten.

Obgleich wir in diesem Jahre das Packeis viel weiter nach Norden vorgerückt fanden und in einem so dichten Theile desselben festsassen, dass nicht der kleinste Canal offenen Wassers sich entdecken liess, sondern das Ganze sich dem Auge, so weit man von der Mastspitze sehen konnte, als eine allem Anschein nach undurchdringliche Masse darstellte, so hegten wir doch Hoffnung, dass in nicht allzugrosser Entfernung südlich offenes Wasser sein müsse; denn da das Eis, welches uns umschloss, vor jedem Südwind sich nordwärts bewegte, so musste dort, wo es ursprünglich gelegen hatte, das Wasser frei geworden sein. Wir waren schon 250 Meilen durch das Packeis vorgedrungen; und nach seiner Breite im vorigen Sommer, wo sie nicht 200 Meilen überstieg, konnten wir hoffen bald aus unsrer Gefangenschaft befreit und in Stand gesetzt zu sein, unsere Entdeckungen von dem Punkte an, wo wir die Eismauer im vorigen Jahre verlassen, weiter fortzusetzen. Unsere Mittagsbeobachtungen ergaben als unsere Breite 66° 32' südlich und als unsere Länge 156° 28' westlich; wir passirten daher den Südpolarkreis dieses Mal an demselben Tage wie voriges Jahr und 40 Längengrade oder gegen 1400 Meilen weiter östlich.

Unsere Schiffsmannschaft erhielt als Neujahrgeschenk einen vollständigen warmen Anzug und die gewöhnliche doppelte Festration von Lebensmitteln und Spirituosen. Da der Zustand des Eises jeden Versuch, weiter vorzudringen, unmöglich machte, blieben die Schiffe an der grossen Scholle befestigt und unsere Leute feierten diesen Tag mit verschiedenen ergötzlichen Spielen auf dem Eise, die sie selbst erfunden hatten; den Beschluss ihrer Festlichkeit bildete ein grosser Maskenball von ganz neuem und originellem Charakter, an welchem alle Offiziere Theil nahmen und die Heiterkeit und frohe Laune der Versammelten noch vermehrten. Wenn unsere Freunde in England Zeugen des Schauspiels hätten sein können, so hätten sie uns gewiss für das gehalten, was wir in der That waren, nämlich für höchst glückliche Leute.

Das Eis blieb so dicht, dass wir nicht hindurch kommen konnten; aber unsere Beobachtungen zeigten uns am 2. Jan., dass wir einige Meilen südlich und dann wieder nördlich getrieben worden waren, und den 3. Jan. Mittags war unsere Breite 66° 34' südlich und unsere Länge 156° 22' westlich. Die Temperatur des Meeres war in 1050 Faden Tiefe 39°, 6, auf der Oberfläche aber nur 28°. Wiederholte Versuche in Zwischenräumen von 150 Faden zeigten eine allmälige Zunahme von der Oberfläche gegen die grösste Tiefe.

Den nächsten Tag sprang der Wind nach Süden um und wehte mit grosser Heftigkeit; wir trieben mit dem Packeis schnell nach Norden, so dass zu Mittag des 5. unsere Breite 66° 15' südlich war. Diesen ganzen Tag über liessen wir uns von dem Eise forttragen; aber gegen Mitternacht bemerkten wir einige offene Lücken gegen Süden, und da der Wind kurz nach Mittag sich nach Osten wendete, machten wir uns los von der Scholle und gewannen wieder 8 oder 10 Meilen des verlornen Terrains, ehe uns das dichte, nach Süden sich ausdehnende Packeis wieder aufhielt. Indem wir in der grössten Oeffnung, die wir finden konnten, hin und her lavirten, gelang es uns die Schiffe frei vom Eise zu erhalten, obgleich mit einiger Schwierigkeit, da das Schneegestöber sehr dick wurde und uns jede Aussicht nahm.

Am nächsten Morgen (7. Jan.) wurde der Wind stärker und wuchs allmälig bis zu einem Sturme aus Westen, auf welchen eine starke südliche Brise folgte. Während des Sturmes erhielten die Schiffe einige gewaltige Stösse, aber ich wollte sie nicht vom Eise einschliessen lassen; und obgleich die Mühe, mit ganz von Eis und Schnee starrenden Verdecken und Tauwerk alle Viertelstunden zu wenden, sehr gross war und die grössten Anstrengungen von Seiten der Offiziere und der Mannschaft erforderlich machte, so wurde doch der höchst beschwerliche Dienst an diesem und den zwei folgenden Tagen munter und schnell verrichtet. Unterdessen trieb uns ein den ganzen 8. und 9. wehender Südwind mit dem Packeis nach Norden, trotz unserer Bemühungen zu bleiben wo wir waren.

Der zehnte war ein verhältnissmässig schöner Tag und der nur mässig aus Süden wehende Wind gestattete uns etwas von dem in den letzten Tagen verlorenen Terrain wieder zu gewinnen; zu Mittag fanden wir aber zu unserm Verdruss, dass wir immer noch unter 65° 59' südl. Breite waren. Das Eis hatte sich Nachmittags mehr vertheilt, und wir fuhren an einer grossen Anzahl Schollen vorbei oder liessen sie vielmehr an uns vorbeitreiben; denn obgleich wir nach unserer Rechnung mindestens zwanzig Meilen durch Windwärtslaviren zwischen dem Eise gewonnen zu haben glaubten, zeigten uns doch unsere Beobachtungen am nächsten Mittag, dass wir uns, anstatt weiter südlich, noch eine Meile nördlich von der gestern erreichten Stelle befanden. Wir hatten aber wenigstens den Trost, bis zum offenen Meer, das gegen Süden sehr weit aufgegangen sein musste, 20 Meilen weniger durch das Packeis dringen zu müssen.

Während der letzten Tage sahen wir viele grosse Pinguine, und mehrere derselben wurden gefangen und lebendig an Bord gebracht; sie zu tödten war ausserordentlich schwer und eine sehr grausame Operation, bis wir zur Hydrocyansäure unsere Zuflucht nahmen, von welcher ein Esslöffel voll ihrem Leben binnen einer Minute ein Ende machte. Diese riesenhaften Vögel wiegen 60 – 75 Pfund. Der grösste wurde von den Leuten des Terror erlegt und hatte ein Gewicht von 78 Pfund. Sie sind merkwürdig, einfältig und lassen den Jäger so nahe herankommen, dass er sie mit einem Knittel auf den Kopf schlagen kann; manchmal, wenn sie schon von einem Schlage ins Wasser gestürzt sind, klettern sie wieder herauf, als wollten sie auf ihre Verfolger losstürzen, ohne jedoch die geringsten Angriffs- oder Vertheidigungsmittel zu haben. Sie wurden zuerst auf Cook's Reise in diesen Regionen entdeckt, und von der schönen nicht veröffentlichen Zeichnung von Forster stammen alle Abbildungen und Beschreibungen englischer und anderer Naturforscher her. Mr. Grey hat daher in der Zoologie unserer Reise diesem Vogel, von welchem wir die ersten vollständigen Exemplare nach England brachten, den Namen Aptenodytes Forsteri beigelegt. Einige derselben pökelten wir vollständig ein, damit Physiologen und vergleichende Anatomen Gelegenheit fänden, dieses merkwürdige Geschöpf auf das Gründlichste zu untersuchen. Seine Hauptnahrung besteht aus krebsartigen und andern Schaalenthieren; in seinem Magen fanden wir häufig zwei bis zehn Pfund Steine, hauptsächlich Granit, Quarz und Trapp. Der Fang dieser Vögel gewährte unsern Leuten viel Unterhaltung, denn wenn sie aufgescheucht werden und fliehen wollen, wissen sie schneller als ein Mensch laufen kann über den tiefen Schnee fortzukommen; indem sie sich nämlich auf den Bauch legen und mit ihren grossen Füssen sich fortstossen, gleiten sie mit grosser Schnelligkeit über den Schnee hinweg, wobei sie sich mit den finnenartigen Flügeln auf der dem stossenden Fusse entgegengesetzten Seite stützen. Mr. Oakley und Mr. Abernethy waren am glücklichsten auf dieser Jagd, so wie auch bei dem Fange der Robben, die wir in nicht grosser Anzahl fanden. Sie waren von dreierlei Art: die grösste ist von bedeutender Länge und misst fast zwölf Fuss vom Kopf bis zum Hintertheile und sechs Fuss im Umfang, ist aber nach ihrer Fettigkeit von sehr verschiedener Schwere; die schwerste, welche wir fingen, wog 850 Pfd. und lieferte über sechszehn Gallonen Thran. Im Magen einer andern fanden wir achtundzwanzig Pfd. Fische. Mit Ausnahme eines einzigen Exemplares der Sphyraena gehörten sie alle zu einer Species der neuen auf der Kergueleninsel entdeckten Gattung, die Dr. Richardson Notothenia genannt hat. Wir fanden sie in verschiedenen Graden der Fäulniss; einige wenige, die eben erst verschlungen zu sein schienen, eigneten sich zur Aufbewahrung, und Dr. Hooker entwarf sorgfältige Zeichnungen von ihnen. Die Durchschnittslänge dieses wegen der höhern Breite seines Aufenthaltsorts so interessanten Fisches ist 6½ Zoll und sein Gewicht 2½ Unze; in dem Magen der Robbe mussten daher ungefähr zweihundert Individuen vorhanden sein. Da er sich als eine andere Art als die auf der Kergueleninsel gefundene erwies, so erhielt er nach den Umständen, unter denen er zuerst gefunden worden, den Namen Notothenia Phocae.

Sie vertreten die Stelle des Merlangus Polaris und des Ophydium Parryi der Nordpolarmeere, und haben mit letzterem viel Verwandtes; gleich diesen verbergen sie sich vor den Verfolgungen ihrer Feinde in den Spalten und Löchern des Packeises und kommen hervor, wenn das Schiff beim Vorbeifahren an die sie beschützenden Schollen stösst. Die Robben und Sturmvögel sind ihre Hauptfeinde, während sie selbst von kleinen Krebsen und Weichschnecken leben. So sehen wir in diesen Regionen, wo das Pflanzenreich, in milden Klimaten das hauptsächlichste Ernährungsmittel der Thiere, keinen Repräsentanten hat, eine Kette von animalischen Wesen, jedes erhalten durch Verzehren der unter ihm stehenden Ordnung, und alle zuletzt genährt von den mikroskopischen Geschöpfen, welche den Ocean mit einer unbegreiflichen Menge der kleinsten Formen des organischen Lebens erfüllen.

In der Färbung der drei Arten Robben herrscht eine grosse Verschiedenheit vom Dunkelgrau mit schönen Flecken und Streifen von beinahe schwarzer Farbe bis zum fast reinen Weiss, was jedenfalls hauptsächlich vom Alter des Individuums abhängt.

Die grösste Robbe ist weniger zahlreich als die kleinern Arten und mit gewaltigen Hauern bewaffnet, die eben so gross und stark sind wie die des Eisbärs, dem sie auch in der Gestalt des Kopfes sehr ähnelt. Man darf sie nur mit Vorsicht angreifen; denn obgleich sie sich nur plump und ungeschickt auf dem Eise bewegt, besitzt sie doch Neigung und Mittel ihrem Gegner gefährliche Wunden beizubringen.

Die mittelgrosse Robbe, oder der Seeleopard, und die weisse, antarktische Robbe lassen sich ohne die geringste Leibesgefahr leicht mit dem Knüppel erschlagen; nach den langen und tiefen Wunden, die wir an einigen Männchen bemerkten und die zum Theil noch bluteten, zu urtheilen, müssen sie um diese Zeit des Jahres wüthende Kämpfe miteinander bestehen.

Sie sind jedoch nicht in genügender Menge vorhanden, um den Robbenfang in dieser Gegend einträglich zu machen; wir hätten allerdings 20–30 jeden Tag erlegen können, da aber die grössten im Durchschnitt nur sechszehn, die mittlern zehn, die kleinsten fünf Gallonen Thran liefern, und auch ihr Fett von nur geringem Werth ist, so wäre es eine ziemlich schlechte Speculation, man müsste denn einen Platz entdecken, wo sie viel zahlreicher zu finden sind. Die Wallfische, welche wir sahen, waren zwar gross, aber bei weitem nicht so häufig wie in andern Theilen des antarktischen Meeres.

Da Vormittags der Wind immer schwächer und die Lache in der wir fuhren so klein wurde, dass wir nicht länger darin herumsegeln konnten, ankerten wir wieder die Schiffe an einer grossen zwischen uns liegenden Eisscholle fest. Der Wind kam von Süden und die ganze Masse des Packeises trieb nordwärts, wie wir an den grossen Eisbergen, auf die der Wind weniger Eindruck machte und die sich daher langsamer bewegten, leicht bemerken konnten. Von Vögeln sahen wir nur Captauben und weisse Sturmvögel, mit Ausnahme eines Zuges Seeschwalben, die südwestlich flogen.

Früh Morgens (12. Jan.) öffnete sich das Eis, so dass wir unsere Scholle verliessen und mit einem schwachen Wind aus Südosten südwestlich steuerten, in welcher Richtung sich zu unsrer Freude der Himmel viel dunkler zeigte, als wir ihn bis jetzt gesehen hatten, unserm Dafürhalten nach die sichere Anzeige einer grossen Strecke offenen Meeres. Unsere Breite war Mittags 65° 54' südl., die Länge 156° 30' westl. Die Boote bugsirten uns durch die Oeffnungen im Eise und verhinderten die Schiffe gegen die schweren Eismassen zu stossen, da wir nicht genug Wind hatten um ohne ihre Hülfe hindurch zu kommen. Gegen Abend nahm der Wind zu und sprang nach Nordost um, wodurch diese mühsame Arbeit unnöthig wurde, und wir steuerten wieder auf die dunkle Stelle am Himmel zu, in der Hoffnung auf diese Weise aus dem langweiligen Packeis heraus zu kommen, in welchem wir jetzt vier Wochen, der in diesen Regionen so kostbaren und kurzen Sommerzeit eingeschlossen gewesen waren. Die Stürme des vergangenen Jahres hatten uns mehr genützt als die schwachen östlichen Winde und das verhältnissmässig schöne Wetter des heurigen; wir hörten daher nicht selten den ungewöhnlichen Wunsch nach einem Sturm aussprechen, der allein das dichtzusammengedrängte Packeis auseinandertreiben und uns befreien konnte.

Wir arbeiteten uns die Nacht hindurch mit allen Segeln durch das Packeis und waren zu Mittag fast zwanzig Meilen südwärts vorgedrungen; aber wieder versperrte uns jetzt das sich dichter schliessende Eis den Weg, und wir benutzten einen kleinen offenen Raum, um die Schiffe eisfrei zu halten und die erste Gelegenheit zum Weiterfahren zu benutzen. Um durch einen dazwischenliegenden Streifen Eis zu kommen, mussten wir mehrere Stunden lang mit Stangen und Bugsirtauen auf das angestrengteste arbeiten, und kaum waren wir damit fertig, so erhob sich ein starker Ostwind, der die Oeffnung beträchtlich vergrösserte, sodass wir unter wenigen Segeln darin hin und her fahren und die Wirkungen der Brise auf das uns umschliessende Packeis abwarten konnten.

Den ganzen übrigen Tag blieben wir in dieser Lache eingeschlossen, ohne die geringste Veränderung im Eise, die uns erlaubt hätte nach Süden vorzudringen, zu bemerken; es bewegte sich sehr stark und an den Eisbergen konnten wir sehen, dass die ganze Masse nordwärts trieb. Die schon früher erwähnten Vögel flogen an uns vorüber, und ausser diesen sahen wir einen St. Petersvogel und drei dunkle Sturmvögel, so wie ein ganz weisses Exemplar des weissen Riesensturmvogels, den wir anfangs irrthümlich für eine neue Species hielten.

Da die erste Lache, in der wir eingeschlossen waren, zu klein für unsere Schiffe wurde, um ohne Gefahr des Zusammenstossens darin unter Segel zu bleiben, sahen wir uns gezwungen, die Schiffe an einer grossen Eisscholle festzuankern; unsere Mannschaften beschäftigten wir den Tag über mit Einfüllen von Eis in die Wasserbehälter und andern nützlichen Arbeiten.

Auch den folgenden Tag (16. Jan.) blieb das Packeis in jeder Richtung geschlossen und nicht die kleinste freie Stelle war zu bemerken; aber immer noch zeigte sich in Süden ermuthigend die dunkle Stelle am Himmel. Da der Wind aus Süden wehte, wurden wir mit dem Eis nordwärts getrieben, und Mittags befanden wir uns unter 65° 48' südl. Br. und 157° 36' westl. L. Abends begab ich mich auf das Eis um magnetische Beobachtungen anzustellen, hauptsächlich aber in der Absicht zu untersuchen, ob die bei den auf dem Schiff vorgenommenen Beobachtungen angewendeten Correctionen noch richtig seien, und sie im entgegengesetzten Fall zu berichtigen.

Eine schwache Deining von Westen bewegte die Instrumente, aber nicht stark genug, um die Beobachtungen im Mindesten zu beirren, und da bald eine vollkommene Windstille eintrat, erlangten wir eine lange und befriedigende Reihe von Observationen, die eben so befriedigende Resultate ergab. Die Inclination der Magnetnadel war 79° 39,5' südlich, die Declination 25° 15' östlich.

Während der Nacht wurde die westliche Deining um vieles stärker, und da das Packeis ganz dicht zusammengeschoben und schwer war, hatten die Schiffe oft sehr heftige Stösse auszuhalten, während das schnellfallende Barometer einen nahen Sturm verkündete.

Gegen Abend hatten wir so hohen Seegang, dass unsere acht Zoll dicken Halsen, mit denen wir uns an der Eisscholle befestigt hatten, nicht aushielten; eins nach dem andern riss so schnell, dass wir kaum Zeit hatten sie mit stärkeren Tauen zu ersetzen. Der Wind war zu einem nordöstlichen Sturme geworden und wehte die Nacht und den nächsten Vormittag hindurch heftig; er bewirkte aber wenigstens, dass sich die westliche Deining legte und wir weiter nach dem offenen Meere in Südwesten getrieben wurden.

Am 18. Januar war starker Nebel, und der dichtfallende Schnee verwandelte sich durch eine Temperatur, die Nachmittags auf 34° stieg, in Regen. Um 5½ Uhr Nachmittags hatte sich der Wind bedeutend gemässigt, als wir einen grossen Eisberg dicht an unserer Leeseite erblickten. Beide Schiffe setzten sogleich alle Segel bei, und wir entgingen auf das knappste der Gefahr des Scheiterns, denn die Raa des Treibsegels des Erebus stiess an den Eisberg, als wir an seiner Westspitze vorbeischossen; die See brach sich an seinen senkrechten Seiten mit solcher Wuth, dass der Schaum bis auf unser Verdeck spritzte.

Damit die Schiffe während des Nebels nicht auseinander kämen, mussten wir an der grossen Eisscholle, die wir als Schutz zwischen uns hatten, befestigt bleiben, und arbeiteten uns mit verminderten Segeln durch das Packeis. Wie wir auf diese neue Weise nach Südwesten vordrangen, wurde das Eis allmälig offen, und da mit den um Mitternacht sich einstellenden Nordwestwinden die westliche Deining wieder zunahm und alle unsere Halsen rissen, konnten wir nicht länger an der Scholle befestigt bleiben. Wir setzten alle Segel bei und blieben durch Hülfe von Kanonenschüssen und andern Signalen beieinander. Unter dem Schutz eines Eisberges von fast einer Meile im Durchmesser lavirten wir den ganzen übrigen Tag (19. Januar) in Erwartung helleren Wetters, um dann den besten Ausweg durch das immer lockerer werdende Packeis zu suchen; aber um 9 Uhr Abends erhob sich plötzlich ein heftiger Sturm aus Norden, der uns nöthigte, alle Segel bis auf das dichtgereffte grosse Marssegel und die Sturmstagsegel einzuziehen. Die See ging furchtbar hoch und brach sich über die höchsten Berge, so dass es uns nicht länger möglich war, auf unserm Platz zu bleiben, und wir in das dichtgedrängte Packeis leewärts getrieben wurden. Bald nach Mitternacht befanden sich die Schiffe in einem Meere rollender Eismassen, hart, wie schwimmende Granitfelsen, welche, von den Wellen getrieben, mit solcher Gewalt gegen uns anprallten, dass die Masten zitterten, als wollten sie bei jedem neuen Schlage herabstürzen; die Vernichtung der Schiffe schien wegen der gewaltigen Stösse, die sie erhielten, unvermeidlich. Durch Backlegen und Füllen der Segel suchten wir den Zusammenstoss mit den grösseren Massen zu vermeiden, aber dies war nicht immer möglich; schon zu Anfang des Sturmes wurde das Ruder des Erebus so beschädigt, dass es nicht länger zu gebrauchen war, und nicht lange darauf signalisirte uns auch der Terror, dass das seinige ganz zerschmettert und fast ganz vom Hintersteven weggerissen sei. Wir hofften tiefer im Packeis aus dem Bereich des Sturmes zu sein; aber darin irrten wir uns. Eine Stunde nach der andern verging ohne die mindeste Besserung unserer grauenhaften Lage. So häufig und gewaltig wurden die Stösse, dass wir kaum hoffen durften, unsere Schiffe würden noch viel länger zusammenhalten. Das laute Krachen der Balken und Verdecke, wenn das Schiff gegen die schweren Eismassen rannte, was die grösste Thätigkeit und Anstrengung der Mannschaft nicht verhüten konnte, war fähig, das muthigste Herz, das nicht unterstützt war durch Vertrauen in den Lenker aller Dinge, mit Furcht und Verzweiflung zu erfüllen, und ich würde ungerecht gegen meine Gefährten sein, wenn ich hier nicht meine Bewunderung über ihr ausgezeichnetes Benehmen bei dieser Gelegenheit ausspräche; 28 Stunden lang, wo wir fast keinen Augenblick die Hoffnung hegen durften, am nächsten Tage noch am Leben zu sein, waren die Kaltblütigkeit, der ruhige Gehorsam und die unermüdliche Ausdauer jedes Einzelnen über alles Lob erhaben.

Der Sturm erreicht seinen Höhepunkt um 2 Uhr Nachts, wo das Barometer auf 28,40 stand und darauf zu steigen anfing. Obgleich wir viele Meilen tiefer in das Packeis gedrängt worden, liess sich doch keine Abnahme der Deining bemerken und unsere Schiffe rollten und krachten mitten unter den schweren Massen zermalmender Berge, über welche das Meer mit seinen gigantischen Wellen toste, eine grosse Masse über die andere thürmte und sie dann wieder tief unter seine schäumenden Wogen begrub, mit fürchterlicher Gewalt sie an einander schmetternd und zermalmend. Die schauerliche Erhabenheit einer solchen Scene kann weder gedacht noch beschrieben werden, noch viel weniger lassen sich die Empfindungen der Zuschauenden nachfühlen. Jeder hielt sich auf dem Verdecke fest und erwartete sein Schicksal mit Ergebung in den Willen des Höchsten, der allein uns erhalten und aus dieser Gefahr retten konnte. Mit athemloser, angstvoller Erwartung beobachteten wir die Wirkung jedes neuen Stosses und die zitternden Bewegungen der schwankenden Maste, jeden Augenblick erwartend, sie niederfallen zu sehen.

Obgleich um 4 Uhr Nachmittags die Gewalt des Sturmes etwas nachgelassen hatte, so bliesen doch die Böen mit unverminderter Heftigkeit, legten das Schiff ganz auf die Seite und drohten die Sturmsegel ganz in Stücke zu reissen; zum Glück waren sie ganz neu, sonst hätten sie so schrecklichen Stössen nicht widerstehen können. Um diese Zeit war uns der Terror so nahe, dass, wenn er sich auf dem Gipfel der einen Welle erhob, der Erebus sich auf der Spitze der nächsten unter seinem Lee befand; der Abgrund zwischen ihnen war mit rollenden Eismassen angefüllt, und wenn die Schiffe in die Tiefe zwischen den Wellen hinabschossen, war von dem Deck des einen die Raa des grossen Marssegels des andern über dem Kamm der sich dazwischen erhebenden Welle gerade noch sichtbar; daraus kann man sich eine Vorstellung von der Höhe der Wellen und von der gefährlichen Lage unsrer Schiffe machen. Die Nacht stellte sich jetzt ein und breitete ihren dunkeln Schleier über die schauererregende Scene, wodurch unsere Lage, wenn es überhaupt möglich war, nur noch hülf- und hoffnungsloser wurde; aber um Mitternacht hörte der Schnee auf, der seit mehreren Stunden dicht gefallen war, der Wind sprang nach Westen um und die Deining legte sich; und obgleich die Stösse, welche unsere Schiffe auszuhalten hatten, immer noch von der Art waren, dass sie jedes andere Fahrzeug in fünf Minuten vernichtet hätten, so waren sie doch schwach im Vergleich mit denen, welchen wir bis jetzt ausgesetzt gewesen, und wir konnten uns etwas beruhigter fühlen.

Während der Finsterniss waren wir durch eine Kette von Eisbergen gekommen, die wir des Morgens (21. Januar) ziemlich weit windwärts erblickten und welche uns vor dem schweren Andrang des Packeises schützten, so dass das Meer viel offener war und ich in einem Boote nach dem Terror fahren konnte, dessen Zustand uns viel Sorge machte, denn ich wusste, dass er, trotz der Gewandtheit und Seemannserfahrenheit seines Führers, viel ärger beschädigt war, als der Erebus.

Auf dem Terror angekommen, fand ich das Steuerruder desselben ganz zerschmettert und die eisernen Bänder, mit denen es am Hintersteven befestigt war, so verdreht und ausgedehnt, dass es schwer, wenn nicht unmöglich fallen musste, das Reserveruder, mit welchem wir zum Glück versehen waren, unter andern als sehr günstigen Umständen einzusetzen. Die andern Beschädigungen, welche das Schiff erlitten, waren von weniger Bedeutung; und der Umstand, dass nach so vielen Stunden der heftigsten Erschütterung beide Schiffe fast so dicht waren, wie vor dem Sturm, war für uns eine Ursache der Befriedigung und des Erstaunens. Wir konnten dies nur der bewundernswerthen Weise zuschreiben, in der sie zu diesem Dienste zugerichtet worden, so wie dem Umstand, dass wir ihren Raum so gestaut hatten, dass er eine einzige solide Masse bildete.

Es freute mich vom Commandeur Crozier zu erfahren, dass das Benehmen der Offiziere und der Mannschaft bewundernswerth gewesen war; und gewiss lassen sich kaum Verhältnisse denken, wo Ruhe und Festigkeit notwendiger waren oder, wie ich glaube, allgemeiner an den Tag gelegt wurden.

Es wehte jetzt eine frische Brise aus Südwesten bei klarem Wetter und die hochgehende See beruhigte sich mehr und mehr. Bei meiner Rückkehr nach dem Erebus setzten wir mehr Segel bei und arbeiteten uns so tief wir konnten in den dichtesten Theil des Packeises, wo das Meer natürlich ruhiger war; Nachmittags fanden wir eine grosse Scholle, die wir zwischen unsern arg beschädigten Schiffen befestigten, denn ohne die Hülfe der Ruder waren sie zu unlenksam, um einen Versuch zu gestatten, nach dem offenen Wasser zu fahren, während das Eis, an welches wir sie befestigt hatten, Gelegenheit gab, sie zu untersuchen und auszubessern, was nur in ruhigem Wasser möglich war.

Alle, die den Zimmerleuten beistehen konnten, mussten jetzt arbeiten, während diejenigen, welche nicht unumgänglich nöthig waren, hinabgeschickt wurden, um zu schlafen, damit sie wenigstens einige frische Kräfte bekämen, um bei vorkommender Gelegenheit verwendet zu werden. Wie wir von Eisschollen umgeben in dem jetzt fast ganz bewegungslosen Packeis lagen, boten unsere Verdecke einen ungewöhnlichen Anblick dar. Das zerschmetterte Ruder war an Bord gebracht, die Zimmerleute und ihre Gehülfen waren beschäftigt es einzurichten, die Splitter wegzuhauen und die weggerissenen Theile zu ersetzen, während die Schmiede Bolzen und Bänder verfertigten, und durch die unermüdlichen Anstrengungen der Offiziere und Handwerker war vor Mitternacht das Ruder des Erebus fertig, um eingehängt zu werden.

Wie ich schon früher sagte, war das Ruder des Terror so vollkommen zu Grunde gerichtet, dass wir unsere Zuflucht zum Reserveruder nehmen mussten, welches in weniger als einer Stunde zusammengesetzt war; aber das Eis hatte sich so dicht um uns zusammengedrängt, dass wir nicht sehen konnten, in wie weit die Zapfen beschädigt waren, wodurch es leicht sehr schwer werden konnte, das Ruder so tüchtig als nöthig war zu befestigen. Auch während des ganzen folgenden Tages verhinderte uns der Andrang des Eises das bereit gehaltene Ruder einzuhängen, und wir beschäftigten deshalb die Handwerker beider Schiffe mit dem Anfertigen eines zweiten Reserveruders für den Terror.

Während dieser ganzen Zeit wehte der Wind aus Südsüdwesten und trieb uns mit dem Packeis nach Norden. Zu Mittag befanden wir uns unter 66° 39' südl. Br. und 156° 42' westl. L., so dass wir fünf Wochen der besten Jahreszeit dieser Regionen mit dem, wie es jetzt fast schien, hoffnungslosen Versuche zugebracht hatten, durch diesen Gürtel Packeis zu dringen, und uns fast wieder auf derselben Stelle befanden wie vor drei Wochen. Bei der kurzen Zeit, die uns noch übrig blieb, der starken Beschädigung unsrer Schiffe und der Ungewissheit über die Tüchtigkeit unsrer noch unversuchten Ruder waren unsere Ansichten keineswegs sehr aufheiternd; dennoch hatten wir Grund dafür dankbar zu sein, dass wir noch im Stande waren, die Ausführung der uns übergebenen wichtigen Pflichten weiter zu verfolgen.

Am Abend des 23. Januar war bei einem mässigen Nordostwind das Eis in so weit loser um das Schiff geworden, dass wir einen Versuch wagen durften das Ruder einzusetzen, was uns auch ohne grosse Schwierigkeit gelang; und obgleich die Umstände noch nicht günstig genug waren, um etwas mit dem Steuer des Terror vorzunehmen, so hatten wir doch den Trost, dass eines der Schiffe im Stande war, nöthigenfalls seinem beschädigten Gefährten zu helfen.

Die Leeseite des Erebus, die am meisten vom Stossen und Scheuern der Eismasse gelitten, wurde zuerst besorgt. Die Splitter wurden weggeschnitten, die Aussenseite so tief, als wir durch Ueberlegen des Schiffes langen konnten, geglättet und die schützenden Metallplatten, welche weggerissen worden, durch neue ersetzt. Im Ganzen setzte uns die geringe Ausdehnung der Schäden in Erstaunen.

Nach vielen fruchtlosen Versuchen und häufigen Veränderungen gelang es uns, am Abend desselben Tages das Ruder des Terror gehörig am Hintersteven zu befestigen. Der Wind wehte frisch aus Nordosten, und als wir wieder südwestlich getrieben wurden, fühlten wir die Einwirkung einer westlichen Deining, welche das dichtzusammengeschobene Packeis, das uns umgab, in eine wellenförmige Bewegung versetzte. Da unsere Ausbesserungen fast beendigt und beide Schiffe wieder seetüchtig waren, so setzten wir Abends alle Segel auf, um vor dem frischen Nordwinde weiter nach Süden vorzudringen, hielten aber immer noch an der uns schützenden Eismasse fest.

Mit mässigem Winde trat am frühesten Morgen des 25. ein dichter Nebel mit feinem Regen ein, der uns höchstens zwei oder drei Meilen weit zu sehen gestattete. Das Packeis war so dicht, dass wir, obgleich wir mit allen Segeln fuhren, in einer Stunde blos um zwei Schiffslängen vorwärts kamen; aber die ganze Eismasse trieb natürlich nach Süden, und nach der Schnelligkeit, mit der die Eisberge an uns vorüberschwammen, zu urtheilen, gewannen wir auf diese Weise in 24 Stunden 12 bis 15 Meilen. Nach der Berechnung unsers Laufes befanden wir uns zu Mittag unter 66° 51' südl. Br. und 157° 13' westl. L., denn wir hatten seit mehreren Tagen keine Beobachtungen anstellen können und hatten überhaupt während unsrer langen Gefangenschaft in diesem ausgedehnten Packeis die Sonne nur selten gesehen.


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