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Hohe südliche Breite. – Dichtes Packeis. – Berg Melbourne. – Wir nähern uns dem magnetischen Pole. – Wir landen auf der Franklin-Insel. – Entdeckung eines noch thätigen Vulcanes. – Parry-Gebirge. – Cap Crozier. – Cap Bird. – Grosse Eismauer. – Entdeckung einer Bank. – Aeusserster südlicher Punkt. – Die grossen Pinguine. – Wir nähern uns dem Eiswall. – Untersuchung des Packeises. – Kette von Eisbergen. – Farbiges Eis. – Ausbrüche des Vulcans Erebus. – Südlicher magnetischer Pol. – Albert-Gebirge. – Victoria-Land. – Fahrt durch frisches Eis. – Wir steuern nördlich. – Untersuchung der Nordküste. – Berg Elliot. – Eismauer am Nordcap. – Grosse Veränderung der Declination. – Nordcap. – Fahrt nach Norden. – Letzter Anblick des Victoria-Landes. – Südlicht.
Um 4 Uhr früh (22. Januar) hatten wir wieder südlichen Wind; wir lavirten mit allen Segeln windwärts und brachten so zum Theil wieder ein, was wir in den letzten Tagen verloren; aber Mittags waren wir immer noch 4 Meilen nördlich von unsrer gestrigen Breite. Wie die Brise stärker wurde und die Bewegung des Schiffes sich vermehrte, wurden die Compasse sehr unsicher; aber die Luft war vollkommen klar und die Sonne schien in vollem Glanze, und obgleich das Barometer sich schon über den mittlern Druck der Atmosphäre in dieser Breite erhoben hatte, stieg es doch immer noch (das zweite Beispiel dieser Art, welches wir beobachteten), wie der Wind gegen Mitternacht zu einem massigen Sturme wurde, der, von ungestümen Windstössen und fortwährendem Schneegestöber begleitet, den ganzen nächsten Tag fortdauerte. Nach unsrer Rechnung hatten wir einige Fortschritte nach Süden gemacht und befanden uns Mittags unter 74° 20' südl. Breite; und da wir guten Grund hatten zu glauben, eine höhere südliche Breite als unser unternehmender Landsmann Weddell und also auch als unsere Vorgänger erreicht zu haben, erhielt die Schiffsmannschaft um 7 Uhr Abends eine Extra-Ration Grog; und da es Sonnabend war, wurde der Lieblingstoast des Seemanns, Liebsten und Weiber, bei der allgemeinen Freude nicht vergessen.
Der Sturm, der während der Nacht etwas stärker wurde, lief mehr nach Osten um; wir wendeten daher und steuerten nach dem Lande zu; aber wegen des Nebels und des Schneewetters, das den ganzen Sonntag herrschte, erblickten wir es erst den 24. Januar Abends um 7 Uhr, wo es sich gerade vor dem Schiff undeutlich zeigte. Um Mitternacht zeigten unsere Beobachtungen 74° 29' südl. Breite. Wir fuhren mit allen Segeln, und da Wind und See sich etwas gelegt hatten, näherten wir uns schnell dem Lande; das Barometer, das während des Sturmes gestiegen war, erreichte am nächsten Morgen um 4 Uhr die ungewöhnliche Höhe von 29, 33; die Küste war deutlich sichtbar, aber in grosser Entfernung; eine dichte Masse Packeis dehnte sich wenigstens 40 oder 50 Meilen vor dem Ufer aus und wir wagten uns so weit in das lose Eis, als es ohne Gefahr des Sitzenbleibens geschehen konnte; dies wollte ich nicht wagen, da es bedeutenden Zeitverlust ohne entsprechenden Vortheil veranlasst hätte und uns in dieser Jahreszeit jede Stunde von Wichtigkeit war. Wir hätten gewiss noch einige Meilen tiefer eindringen können und wir hätten sicher auch einen Versuch gemacht, wenn nicht das Land unserm Vordringen nach dem magnetischen Pol, den wir immer noch auf einem Umwege zu erreichen hofften, eine unübersteigliche Schranke entgegengesetzt hätte. Zu Mittag fanden wir 74° 44' südl. Breite, 169° 30' östl. Länge, die Inclination 87° 54' südlich, die Declination 67° 13', woraus wir für den magnetischen Pol eine Entfernung von 249 Meilen berechneten. Halb neun Uhr Abends waren wir so weit im Packeis vorgedrungen, als die Beschaffenheit desselben zuliess; wir wendeten und fanden durch neue Beobachtung, dass wir dem Pol um so viel näher gekommen waren, dass sich die Inclination auf 88° 10' vermehrt hatte. Von den Bergen Melbourne und Monteagle hatten wir hier eine sehr gute Ansicht; der grosse Krater des erstern und der spitze Gipfel des andern stiegen hoch über die Nachbarberge empor; sie bilden zwei der merkwürdigsten Punkte dieser schönen vulcanischen Gebirgsmassen.
Während wir uns durch das Packeis arbeiteten, bemerkten wir, dass es, von Wind und Strömung bewegt, schnell nach Norden trieb, was uns einigermaassen in der Hoffnung bestärkte, dass wir, sollte unser Versuch die südliche Spitze zu umfahren misslingen, in einer spätern Zeit des Jahres, wo noch mehr von dem Landeis weggeschwemmt wäre, Gelegenheit finden würden, nach dem Ufer vorzudringen und eine Stelle zum Ueberwintern zu finden. Seit mehrern Tagen hatten wir sehr wenig Wallfische gesehen, was um so merkwürdiger war, als wir höchstens 60 oder 70 Meilen weiter nördlich sie in so grosser Anzahl bemerkt hatten. Jedenfalls muss ihr Nichtvorkommen in dieser Gegend einen Grund haben, den vielleicht spätere Beobachtungen an den Tag bringen werden.
Als wir das freie Wasser erreichten, fanden wir einen kurzen unregelmässigen Wellenschlag, in welchem die Schiffe unter den wenigen Segeln, die wir führten, heftig stampften, was eine Veränderung in der Fluth auf der Windseite anzudeuten schien. Als wir den Saum des Eises entlang nach Süden fuhren, erblickten wir sehr viele weisse Sturmvögel und einige Pinguine. Die Temperatur der Luft sank während der 24 Stunden nur um einen Grad, von 25 auf 26, was niedrig genug war, um den Schaum der Wellen, der auf das Schiff fiel, in Eis zu verwandeln, wodurch sich eine solche Masse um die beiden Buge anhäufte, dass die Wache fortwährend zu thun hatte es wegzuräumen und von dem laufenden Tauwerk loszuschlagen. Um Mittag (26. Januar) hatte sich die Inclination auf 88° 33' vermehrt, so dass der magnetische Pol nur noch 174 Meilen West bei Süd entfernt war.
Als wir uns Nachmittags mehr von dem Packeis entfernten, legten sich die unregelmässigen Wellen ein wenig und der Wind wendete sich mehr nach Westen, so dass wir gerade nach der östlichen Spitze des Landschimmers vor uns steuern konnten. Auf leichte veränderliche Winde, welche zwei oder drei Stunden lang herrschten, folgte eine massige östliche Brise; alle Segel, welche das Schiff tragen konnte, wurden sogleich beigesetzt, und obgleich Nebel und Regen die Luft so dick machten, dass wir blos eine halbe Meile weit sehen konnten, fuhren wir doch mit Leesegeln auf beiden Seiten in südwestlicher Richtung bis gegen 9 Uhr, wo wir plötzlich Gegenwind bekamen. Wie sich das Wetter aufklärte, sahen wir, dass wir uns in einer tiefen Bucht der Hauptmasse des festen Eises befanden, das sich von dem äussersten Punkte des festen Landes nach einer Insel südlich von uns ununterbrochen hinstreckte und uns verhinderte, hier weiter nach Westen vorzudringen. Nachdem wir es sorgfältig untersucht und keine Oeffnung bemerkt hatten, richteten wir unsern Lauf südlich, um wo möglich auf der Insel zu landen.
Um 3 Uhr Nachmittags (27. Januar) fanden wir etwa 12 Meilen nördlich von der Insel mit 200 Faden Grund von feinem schwarzem Sand und schwarzen Steinchen. Um 5 Uhr, als wir noch 2 oder 3 Meilen von ihr entfernt waren, verliess ich in Begleitung mehrerer Offiziere das Schiff; bald darauf folgte uns Commandeur Crozier vom Terror und wir ruderten nach dem Lande. So ungestüm brachen sich die Wellen an den Klippen und über der einzigen kleinen Strecke Gestade, die wir auf der Insel entdecken konnten, dass zu landen fast unmöglich schien. Da das Wallfischboot des Terror besser als der schwere Kutter des Erebus geeignet war, eine so schwere Brandung auszuhalten, bestieg ich das erstere, und durch die grosse Gewandtheit der Offiziere und der Mannschaft gelang es mir, indem ich die Gelegenheit abwartete, wo das Boot auf der Spitze der Wellen schwebte, ans Land zu springen. Durch Hülfe eines Taues gelangten einige Offiziere etwas leichter ans Land, aber nicht ohne durch und durch nass zu werden; und da einer derselben dabei fast das Leben verloren hätte, sah ich mich zu ihrem grossen Missvergnügen genöthigt, weitere Versuche dieser Art zu verbieten. Das Thermometer zeigte 22° und jeder von den Wellen bespülte Theil der Felsen war mit Eis überzogen, so dass dieser Mann, wie er auf der Klippe Fuss fasste, wieder abglitt und zwischen dem Stern des Bootes und dem fast senkrechten Felsen ins Wasser fiel. Nur die Schnelligkeit, mit der die Matrosen zurückruderten, rettete ihn von dem gewissen Tode, denn er wäre unfehlbar zwischen dem Boot und dem Felsen zerquetscht worden. Glücklicherweise geschah es anders und er wurde wieder ins Boot gehoben, ohne Schaden gelitten zu haben. Wir nahmen die Insel in gehöriger Form in Besitz und ich nannte sie nach dem Capitain Sir John Franklin die Franklin-Insel. Nachdem wir zahlreiche geologische Fragmente auf der Insel gesammelt hatten, beschleunigten wir unsere Abfahrt und gelangten ohne weitere Unfälle in die Boote; um 9 Uhr erreichten wir das Schiff, Alle bis auf die Haut durchnässt und halb erfroren.
Die Franklin-Insel liegt unter 76° 8' südl. Breite und 168° 12' östl. Länge. Sie ist etwa 12 Meilen lang und 6 breit und besteht ganz aus vulcanischen Felsen; an der Nordseite bildet das Ufer einen Wall von dunkeln steil abfallenden Klippen von 5 – 600 Fuss Höhe, und man bemerkt hier in dem Gestein breite weisse Streifen von mehrern Fuss Dicke, wahrscheinlich Alaun; zwei oder drei derselben hatten die Farbe von rothem Ocker und gaben den Klippen ein höchst seltsames Ansehen. Nicht die mindeste Spur von Vegetation war zu bemerken, nicht einmal eine Flechte oder ein Seegras wuchs auf den Felsen, und bei der gänzlichen Abwesenheit von Vegetation an beiden Orten, wo wir landeten, bezweifle ich nicht, dass das Pflanzenreich in den antarktischen Regionen keinen Vertreter hat. Auf den Absätzen der Klippen bemerkten wir Nester des weissen Sturmvogels und der Skuamöve; auch einige Robben sahen wir, und es ist leicht möglich, dass das Gestade, an dem wir zu landen versuchten, in der günstigen Jahreszeit einer ihrer Lieblingsaufenthaltsorte ist.
Mit gutem Winde und bei klarem Wetter steuerten wir südlich nach einem Lande, welches wir seit gestern Mittag in Sicht hatten und dem wir den Namen die hohe Insel beilegten; es erwies sich aber als ein Berg von 12,400 Fuss Höhe, welcher Rauch und Feuer spie; zuerst sah der Rauch wie eine Schneewolke aus, aber wie wir näher kamen, zeigte sich bald sein wahrer Charakter.
Die Entdeckung eines thätigen Vulcanes unter so südlicher Breite ist gewiss von hoher geologischer Bedeutsamkeit und Interesse und kann auf die physische Beschaffenheit unseres Planeten einiges Licht werfen. Ich nannte ihn Erebus und ein erloschener Vulcan östlich von demselben, der 10,900 Fuss hoch war, erhielt den Namen Terror.
Um vier Uhr Nachmittags (28. Januar) befanden wir uns unter 76° 6' südl. Breite und 168° 11' östl. Länge. Die Inclination der Magnetnadel war 88° 27' südlich und die Declination 95° 31' östlich; demnach befanden wir uns schon sehr weit südlich vom magnetischen Pol, ohne dass sich eine Möglichkeit zeigte sich ihm zu nähern, denn das Landeis vereinigte sich nicht weit von uns im Westen mit der Westspitze der vermeinten hohen Insel, die sich später als ein Theil des festen Landes auswies. Als wir uns mit allen Leesegeln dem Lande näherten, bemerkten wir eine niedrige weisse Linie, die sich von seiner äussersten östlichen Spitze, so weit das Auge sehen konnte, nach Osten erstreckte. Sie wurde allmälig höher; wie wir näher kamen, erwies sie sich als eine senkrechte Eismauer von 150–200 Fuss Meereshöhe, oben vollkommen eben und nach der Seeseite ohne Spalte oder Vorsprung. Was dahinter war, war uns unmöglich zu entdecken; denn da dieser Wall viel höher war als unsere Mastspitze, konnten wir nichts sehen als die Gipfel einer hohen Bergkette, die sich bis zum 79. Breitengrad nach Süden erstreckte. Dieses Gebirge, das südlichste bis jetzt von mir entdeckte Land, nannte ich nach dem Capitain Sir William Edward Parry, in dankbarer Erinnerung der mir erwiesenen Ehre, dass er dem nördlichsten bekannten Lande meinen Namen beilegte, und noch mehr in Anerkennung der Aufmunterung, des Beistandes und der Freundschaft, die er mir während der vielen Jahre, wo ich unter diesem Manne gedient habe, erwiesen hat. Ob das Parry-Gebirge sich wieder ostwärts wendet und die Basis bildet, an welcher diese merkwürdige Eismasse festhängt, muss spätern Seefahrern zu bestimmen überlassen bleiben. Wenn sich weiter im Süden Land befindet, so muss es sehr entfernt sein oder eine viel geringere Höhe haben als die übrigen Theile der Küste, sonst hätte es sich über dem Walle zeigen müssen.
Ein solches Hinderniss zu finden war für uns eine sehr verdriessliche Täuschung, denn wir hatten bereits im Geiste den 80sten Grad weit hinter uns und sogar für den Fall zufälliger Trennung dort ein Rendezvous verabredet. Das Hinderniss war jedoch der Art, dass uns über den einzuschlagenden Weg keine Wahl übrig blieb, denn man könnte mit ebensoviel Aussicht auf Erfolg versuchen, durch die Klippen von Dover zu segeln, wie durch diese Eismasse. Als wir noch 4 oder 5 Meilen davon entfernt waren, wendeten wir uns östlich, um ihre Ausdehnung zu ermitteln, nicht ohne einige Hoffnung, noch weiter südlich vorzudringen. Von dem äussersten Punkte im Westen bildete die ganze Küste eine senkrechte Eisklippe von 2-300 Fuss Höhe. Das östliche Cap am Fusse des Terrorberges nannte ich nach meinem Freund und Collegen Cap Crozier, und das westliche Vorgebirge, den Ausläufer des Erebus, nach meinem ersten Lieutenant Cap Bird. Diese beiden Vorgebirge bilden die einzigen auffälligen Spitzen der Küste, da die Bucht zwischen ihnen von unbeträchtlicher Tiefe ist. Um 4 Uhr Nachmittags warf der Vulcan Erebus ungewöhnlich viel Rauch und Feuer aus und bot einen höchst grossartigen Anblick dar. Bei jedem Ausbruch wurde eine dichte Rauchwolke mit grosser Gewalt emporgetrieben, und stieg als eine Säule von 1500-2000 Fuss über dem Krater in die Höhe, wo sich ihr oberer Theil zuerst condensirte und als Nebel oder Schnee herabfiel. Allmälig verschwand sie, um nach einer halben Stunde von einer neuen Rauchsäule ersetzt zu werden. Der Durchmesser der Rauchsäule war unserer Schätzung nach 2-300 Fuss; so oft der Rauch sich entfernte, war die rothe Gluth, welche die Mündung des Kraters ausfüllte, deutlich zu erblicken; einige Offiziere glaubten Lavaströme zu sehen, die am Abhange des Berges herabflossen, bis sie sich unter dem Schnee, welcher ein Paar Hundert Fuss unter dem Krater anfing, verloren. Der Vulcan Terror war viel freier von Schnee, vorzüglich auf seiner Ostseite, wo sich viele kleine, kegelförmige, kraterähnliche Hügel befanden, die jedenfalls alle zu ihrer Zeit thätige Vulcane gewesen waren; zwei sehr auffällige Spitzen dieser Art bemerkten wir in der Nähe von Cap Crozier. Das Land zwischen Cap Crozier und Cap Bird, über dem sich die beiden Vulcane Erebus und Terror erhoben, erschien uns von unserer gegenwärtigen Stelle aus als eine Insel; aber das feste Eis, das uns nicht erlaubte westlich von Cap Bird vorzudringen, gestattete uns vor der Hand nicht, die Wahrheit unseres Dafürhaltens zu untersuchen.
Das Wetter war ausgezeichnet schön, und begünstigt von einer frischen nordwestlichen Brise machten wir beträchtliche Fortschritte in ostsüdöstlicher Richtung, dicht an den senkrechten Klippen des Eiswalles entlang. Man kann sich keine fester aussehende Eismasse denken; nicht die kleinste Spur eines Risses war hier zu entdecken und der glänzend klare Himmel hinter ihr verrieth nur zu deutlich, wie weit sie nach Süden hinabreiche. Am Fusse der Klippen lagen viele kleinere Stücke losgebrochen von der Gewalt der Wellen, die sich mit grossem Ungestüm an der festen Schranke brachen.
Nachdem wir über 100 Meilen in ganz freiem Wasser an diesem merkwürdigen Eiswalle hingefahren waren, entdeckten wir zu Mittag (29. Januar), dass er sich immer noch weiter, als das Auge sehen konnte, nach Ostsüdosten erstreckte. Wir befanden uns jetzt unter 77º 47' südl. Breite und 176º 43' östl. Länge. Die Inclination der Magnetnadel hatte sich auf 87° 22' südlich vermindert, die Declination war 104° 25' östlich. Kurz vor Mittag legte sich der Wind; aber wir konnten glücklicherweise von dem Eiswall abkommen, ehe er ganz still wurde; denn die von Norden kommenden Wellen, obgleich von geringer Höhe, trieben uns allmälig darauf zu, ohne dass wir etwas zur Vermeidung der gefährlichen Folgen thun konnten, die im Falle des Scheiterns entstehen mussten. Wir befanden uns in einer Entfernung von 12 oder 14 Meilen von der Mauer, und da dem Terror Wasser zu mangeln anfing, gab ich dem Commandeur Crozier ein Signal, mehrere von den zahlreichen Eisstücken, die um uns schwammen, zu sammeln, während wir auf dem Erebus Beobachtungen über die Tiefe und die Temperatur des Meeres anstellten. In 410 Faden fanden wir Grund; das Senkblei war volle 2 Fuss in einen weichen grünen Schlamm versunken, der noch in beträchtlicher Menge daran hing. Die Temperatur in 300 Faden Tiefe war 34°,2, in 150 Faden 33°, auf der Oberfläche 31° und in der Luft 28º. Eine so grosse Tiefe schien die Vermuthung zu widerlegen, dass diese grosse Eismasse auf einer Felsenbank ruhe, und zu zeigen, dass jedenfalls ihr äusserer Rand keine feste Unterlage habe.
Während der Windstille waren wir ihr wieder mehrere Meilen näher gekommen, aber alle unsere Besorgnisse in dieser Hinsicht verschwanden, als sich ein südöstlicher Wind erhob. Ich machte diesen Nachmittag einen Besuch auf dem Terror, um mich mit Commandeur Crozier zu berathen und unsere Chronometer und Barometer zu vergleichen; bei meiner Rückkehr um halb 4 Uhr setzten wir alle Segel bei, um unsere Fahrt nach Osten fortzusetzen; es gelang uns aber nicht, neben dem Eiswall zu bleiben, und da bald ein Schneenebel eintrat, verloren wir ihn vor 9 Uhr Abends aus dem Gesicht. Verschiedene Riesensturmvögel wurden gesehen und einer derselben, schwer verwundet von Mr. Abernethy, fiel ins Meer, wo er sogleich von zwei andern derselben Art angefallen und in Stücken gerissen wurde. Auch sahen wir viele weisse Sturmvögel, kleine Pinguine und einige Skuamöven. Der Wind wurde stärker und lief mehr nach Osten um. In den Zwischenräumen der häufigen Schneegestöber erblickten wir zuweilen den Wall; und da wir nur langsam vorwärts kamen, konnten wir seine ununterbrochene Fortsetzung leicht erkennen. Um Mitternacht waren wir unter 78° südl. Breite und 180° östl. Länge. Der Wind wehte jetzt frisch von Ostsüdost mit sehr hochgehender See, die unsere Schiffe sehr stampfen machte und unsere Fahrt sehr verzögerte; aber sie war uns zugleich ein frohes Zeichen, dass in dieser Richtung das Meer noch weithin offen sei.
Am 30. Januar hatten Wind und Seegang so zugenommen, dass unsere schlechtsegelnden Schiffe durch Laviren gegen den Wind nicht mehr vorwärts kommen konnten. Ich hielt es daher für das Beste, unter allen Segeln einen langen Schlag nach Nordosten zu machen, um während der Dauer des widrigen Windes eine so grosse Strecke des unbekannten Meeres als möglich war zu durchfahren und bei günstigerem Wetter die Untersuchung des Eiswalles an der Stelle, wo wir ihn verlassen mussten, wieder aufzunehmen. Das ganze Aussehen des Himmels zeigte einen sehr ungewissen Zustand der Atmosphäre an, während uns häufig dichte Wolken von Schnee umhüllten und unsern Augen Alles ringsum verbargen. Ich hielt es deshalb für rathsam, mich weiter von der Eismauer zu entfernen, damit eine Veränderung des Windes sie nicht zu einem Leewall der gefährlichsten Art mache. Das helle Wetter zwischen den Schneegestöbern gab uns hinreichende Gelegenheit unsern Weg zu sehen, so dass wir nicht zu fürchten brauchten, blindlings einer Gefahr entgegenzufahren. Wir kamen an vielen grossen Eisschollen vorbei, offenbar Bruchstücken des Walles oder Theilen von zerfallenen Eisbergen, und es war uns sehr auffällig, dass wir auf einer Fahrt von 160 Meilen längs des Walles kein einziges Stück gesehen hatten, während sich doch manchmal solche davon ablösen müssen. Aber ein wenig Nachdenken brachte uns bald darüber ins Klare. Im Sommer weichen die Temperaturen der Atmosphäre und des Oceans selten um mehr als 3 oder 4° von einander ab, die Luft ist gewöhnlich kälter, aber nie um mehr als 8 oder 10º, und da die ganze Masse von so gleichmässiger Temperatur ist, so ist es wahrscheinlich sehr selten, dass in dieser Jahreszeit eine Ablösung in grosser Masse stattfindet. Aber im Winter, wo die Luft wahrscheinlich 40 oder 50° unter 0 ist und die See 28-30° darüber, muss die ungleichmässige Ausdehnung derjenigen Theile des Eises, die einer so grossen Verschiedenheit der Temperatur ausgesetzt sind, das Abtrennen von grossen Stücken zur Folge haben. Getrieben von den herrschenden Winden schwimmen diese nach Norden, sobald der Winter vorüber ist, und man findet sie sehr häufig in den tieferen Breiten, wo sie schnell thauen und in Stücke zerfallen. In den Nordpolargegenden sind wir oft Zeuge gewesen von den staunenerregenden Wirkungen einer plötzlichen Temperaturveränderung der Winde, wo sie oft meilenlange Risse und Spalten verursachten. Hauptsächlich auf den Süsswasserseen jener Regionen, wo das vollkommen durchsichtige Eis die Wirkungen besser wahrnehmen lässt, veranlasst das Sinken des Thermometers um 30 oder 40° sogleich grosse und breite Sprünge, die den ganzen See in allen Richtungen durchkreuzen und von häufigen und lauten Explosionen begleitet sind. In jenen Gegenden waren wir auch Zeuge der fast magischen Gewalt des Meeres im Vernichten von Landeis oder grossen Schollen von 20 oder 30 Fuss Dicke, die wenige Minuten, nachdem die Deining sie erreicht, von der Gewalt der Wellen in kleine Bruchstücke gebrochen waren.
Aber dieser merkwürdige Eiswall von einer Höhe von wahrscheinlich mehr als 1000 Fuss wirft die anbrandenden Wellen zurück und spottet ihrer Wuth; es ist ein gewaltiges und wunderbares Phänomen und übertrifft Alles was man sich denken oder träumen könnte.
Bei nebligem Wetter, mit heftigen Windstössen und beständigem Schnee fuhren wir den ganzen Tag in ostnordöstlicher Richtung ohne bis 8 Uhr Abends Land oder Eis zu erblicken. Um diese Zeit hellte es sich auf und wir konnten auf den Schiffen am Himmel den starken Schimmer der Eismauer bemerken. Kurz darauf erblickten wir einige Eisberge gerade vor uns; sie waren meistens oben ganz flach, fielen nach allen Seiten steil ab und waren 150-200 Fuss hoch: offenbar waren sie Theile des Eiswalles gewesen und aus dem Umstände, dass sie in dieser Jahreszeit dem Orte ihrer Entstehung so nahe geblieben waren, glaubte ich mit Sicherheit schliessen zu dürfen, dass sie auf dem Boden fest sassen. Die Lothleinen wurden sogleich zurecht gemacht, und als wir sie um 3 Uhr früh (31. Januar) erreichten, legten wir bei und fanden Grund in 260 Faden mit steifem grünem Schlamm, was uns nicht länger bezweifeln liess, dass alle um uns liegenden Eisberge, nachdem sie sich von dem Walle abgelöst hatten,, auf dieser merkwürdigen Bank sitzen geblieben waren, die durch ihre Entfernung von 200 Meilen vom Cap Crozier, dem nächsten bekannten Lande, und von 60 Meilen von dem Rande des Eiswalles schon an und für sich eine höchst interessante Entdeckung war.
Wir setzten unsere Fahrt nach Osten zwischen grossen Eisbergen und vielem losen Eise fort. Auch sahen wir wieder einige Wallfische, aber nicht in grosser Anzahl; die weissen Sturmvögel waren sehr häufig und ein Königspinguin von ungewöhnlicher Grösse liess sich auf einer Eisscholle sehen. Um 1 Uhr Nachmittags fanden wir in 300 Faden Grund; aber selbst von der Mastspitze waren hier keine Eisberge zu erblicken. Ein starker Eisschimmer in Osten liess uns hoffen, den Wall in jener Richtung zu finden, aber er stellte sich als der Reflex einer grossen Masse Packeis heraus, welches wir halb 5 Uhr erreichten und in das wir 12 oder 14 Meilen tief eindrangen, wo seine zunehmende Dichtigkeit uns verhinderte weiter zu fahren. Wir befanden uns um diese Zeit unter 192° östl. Länge und wendeten, um wieder in das offne Meer zu gelangen; dies war jedoch nicht so leicht, denn seitdem wir in dem Packeis waren, hatte sich das Eis so zusammengeschoben, dass wir erst nach vielen schweren Stössen und nachdem unsere Kupferböden mehrfach beschädigt worden, offenes Meer erreichten. An jeder geschützten Stelle auf der Leeseite der grössern Eisstücke bildete sich Eis, und die Temperatur der Luft war 19°. Der Südwind blieb zu heftig, um uns Hoffnung zu lassen, durch Laviren vorwärts zu kommen; wir richteten uns daher während der Nacht wieder westlich und verfolgten fast denselben Weg wie heute am Tage, nur in entgegengesetzter Richtung.
Auf eine dreistündige Windstille folgte um 9 Uhr Vormittags (1. Februar) eine leichte Brise aus Nordwesten, welche uns abermals gestattete, dem Eiswalle entgegen zu segeln. Mittags unter 77° 5' südl. Breite und 188° 27' östl. Länge fanden wir in 250 Faden Grund mit weichem grünem Schlamm und kleinen Steinchen. Die Temperatur des Meeres in dieser Tiefe war 33° 2', in 150 Faden 33º, die der Oberfläche 32°; die Strömung lief mit einer Schnelligkeit von dreiviertel Meile die Stunde nördlich und jedenfalls war sie stärker über dieser seichten Stelle als im tiefen Wasser. Abends, während wir mit allen Leesegeln fuhren, sprang der Wind plötzlich nach Südosten um, und da der Terror 2 oder 3 Meilen hinter uns zurück war, zogen wir die Segel ein, um auf ihn zu warten.
Während eines Schneegestöbers von 4 oder 5-stündiger Dauer und veränderlichen Winden und Böen konnten wir blos dadurch zusammenbleiben, dass wir jede Viertelstunde Flintenschüsse abfeuerten, denn obgleich die Schiffe nur 1/8 Meile von einander entfernt waren, konnten sie sich doch wegen des dichten Nebels und Schnees nicht sehen. Das Wetter wurde heller um 5 Uhr früh (2. Februar), aber der ganze Morgen ging durch abwechselnde Windstillen und leichte veränderliche Winde verloren. Um Mittag war der oberste Rand des Eiswalles vom Deck aus dicht über dem Horizont deutlich zu erblicken. Bei einem leichten Nordostwind setzten wir jetzt alle Segel bei; die Eisschollen wurden immer dichter, je weiter südlich wir kamen, und um nach 9 Uhr konnten wir nicht weiter. Wir waren noch 10 oder 12 Meilen von dem Walle entfernt, aber der ganze Zwischenraum war mit grossen übereinandergehäuften Eisschollen angefüllt; wir wendeten daher, legten bei und fanden Grund mit 260 Faden. Durch Signale rief ich den Capitain Crozier an Bord, und da er ebenfalls der Meinung war, es sei unmöglich, diese dichte Masse von Packeis zu durchdringen, so beschloss ich, den Eiswall noch einige Tage in östlicher Richtung zu verfolgen; denn obgleich wir nicht hoffen konnten, in so später Jahreszeit weiter nach Süden vorzudringen, so wussten wir doch, dass das Landeis sich immer noch an der Stelle vom Ufer ablösen müsse, wo wir wahrscheinlich dem magnetischen Pol am nächsten kommen könnten. Wir befanden uns jetzt unter 78° 4' südl. Breite, der höchsten, die wir bis jetzt erreicht hatten; der Saum des Eiswalles lag unter 78 ¼°; er war über 160 Fuss hoch und reichte, so weit das Auge sehen konnte, nach Osten und nach Westen und bildete vom Cap Crozier 250 Meilen weit eine ununterbrochene Linie.
Um 10 Uhr Abends fuhren wir mit allen Segeln nach Nordwesten, um vom Eise frei zu werden, und hatten um Mitternacht das offene Meer erreicht. Am 3. Februar schien das Sinken des Barometers schlechtes Wetter zu verkündigen. Der Wind sprang Nachmittags nach Südosten und spät Abends nach Süden um, aber das Wetter blieb gegen unsere Erwartung hell, und da der Wind wieder stärker wurde und wir das Packeis hinter uns hatten, so wendeten wir uns wieder nach Osten. Wir fuhren durch mehrere Streifen von Eisschollen und sahen viele kleine Wallfische, von denen mehrere grosse weisse Flecke hatten. Abends unter 77° südl. Breite und 187° 24' östl. Länge warfen wir ein Fass mit einem kurzen Reisebericht und mit einer Bitte an den Finder, das Papier an den Admiralitätssecretair zu befördern, über Bord. Fast jeden Tag warf ich eine Flasche mit einem Zettel, worauf unsere Breite und Länge bemerkt war, ins Meer, um Experimente über die vereinigten Wirkungen der in dieser Gegend herrschenden Strömungen und Winde anzustellen; aber ich fürchte, dass unter dem Eise und in einem so stürmischen Meere nur wenige werden aufgefunden werden, um zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes mitzuwirken.
Den nächsten Tag (4. Februar) hatten wir eine starke Brise von Süden und drängten uns durch Eisschollen und zahlreiche Eisberge nach Osten durch. Mittags unter 77° südl. Breite und 192° 52' östl. Länge wurde das Eis offener und das Wasser ruhiger, und wir fingen an in südlicher Richtung zu laviren, um dem Eiswalle näher zu kommen; auf dem Eise sahen wir viele Robben und Pinguine. Um 8 Uhr Abends fanden wir das Eis in jeder Richtung so undurchdringlich, dass wir nicht weiter kommen konnten und in einer offenen Stelle von 2 oder 3 Meilen Durchmesser auf besseres Wetter warten mussten. Um 4 Uhr am nächsten Morgen fanden wir in 270 Faden auf schlammigem Boden Grund. Das Eis war nach Osten und Süden so dicht über einander geschoben, dass wir in diesen beiden Richtungen nicht weiter kommen konnten, und wir mussten in dem kleinen freien Raume, in welchem uns das Eis eingeschlossen hatte, hin und her laviren. Wir erblickten mehrere grosse Pinguine und drei derselben wurden an Bord gebracht; es waren sehr starke Vögel und wir hatten einige Mühe, um sie zu tödten. Von den beiden grössern wog jeder 66 Pfund, der kleinste 57; ihr Fleisch ist sehr dunkelfarbig und von thranigem Geschmack. Abends befestigten wir das Schiff an eine grosse Eisscholle und die ganze Mannschaft war beschäftigt Eis zur Ergänzung unsrer Wasservorräthe zu sammeln, die jetzt etwas knapp wurden. Zwei Robben, die wir fingen, versorgten uns mit Oel für den Winter. Um 10 Uhr Abends hatten wir Eis genug eingenommen und gingen durch eine schmale Oeffnung, die sich im Wasser gebildet hatte, wieder unter Segel. Wir fuhren durch vieles dichtes Packeis, um das offene Meer zu erreichen, das wir zeitig am Morgen von der Mastspitze erblickten und auch wirklich am Mittag des 6ten unter 77° 1' südl. Breite und 188° 26' östl. Länge erreichten; den Rest des Tages brauchten wir, um südwestlich zu laviren und von dem Rande des Packeises loszukommen, auf welches der Wind zu wehte.
Am nächsten Morgen legte sich der Wind etwas, und da er nach Westen umsprang, erlaubte er uns durch loses Eis mehr südlich zu steuern. Wir trafen nur wenige Eisberge und mussten zuweilen durch einen Strich neugebildetes Eis fahren; um Mitternacht trat eine Windstille von mehrstündiger Dauer ein.
Um 8 Uhr am nächsten Morgen gestattete uns ein guter Nordwind alle Segel beizusetzen und den Saum des Packeises entlang in offenem Wasser vor dem Winde nach Süden zu steuern, so dass wir schon um 5 Uhr Nachmittags den Eiswall gerade vor uns sahen. Da die Hauptmasse des Packeises sich jetzt mehr nach Südosten wendete, folgten wir dieser Richtung, um zwischen ihrem Saume und dem Eiswall hinzufahren. Um Mitternacht waren wir noch 7 Meilen von der Eismauer und fanden mit 275 Faden Grund.
Die niedrige Temperatur der Luft und das ruhige Wasser begünstigten beide die schnelle Bildung des jungen Eises, das uns sehr aufhielt und die Erreichung unseres Zweckes ungewöhnlich schwer machte. Obgleich das dichte Packeis nördlich von uns sich schnell dem Walle näherte, war es dennoch immer noch 14–15 Meilen von uns entfernt, und von einem guten Winde begünstigt steuerten wir zwischen dem Packeise und dem Walle auf eine merkwürdige Bucht zu, den einzigen Einschnitt, den wir bis jetzt in dieser Eismasse gefunden hatten; da wir unmittelbar an ihrem Fusse noch freies Wasser erblickten, wollte ich diese günstige Gelegenheit ihr ganz nahe zu kommen nicht versäumen, obgleich ich gestehen muss, dass die Gefahr grösser war, als ich sie hätte wagen sollen. Um 5 Uhr 40 Minuten früh war ich noch ¼ Meile von der Eiswand und liess wenden, nachdem ich mit 330 Faden auf grünem Schlamm Grund gefunden hatte. Wir konnten jetzt die Höhe dieser senkrechten Mauer besser messen, die uns hier niedriger erschien als an allen andern Stellen, wo wir uns ihr genähert hatten. Unsere Winkelmessungen ergaben eine Höhe von 150 Fuss. Die Bucht, in der wir uns befanden, entstand durch eine Eishalbinsel, deren äusserste Spitze ein Cap von 170 Fuss Höhe bildete; aber an der schmalen Zunge, die es mit der Eismauer verband, war es blos 150 Fuss hoch, und hier hatten wir zum ersten Male Gelegenheit von der Mastspitze die obere Fläche zu erblicken, die ganz glatt war und an eine unermessliche Ebene von gefrorenem Silber erinnerte. Riesenhafte Eiszapfen hingen von jedem vorspringenden Punkte der senkrechten Klippen herab, ein Beweis, dass das Eis manchmal thaut, was wir sonst nicht geglaubt hätten; denn in dieser, dem August in England entsprechenden Jahreszeit stand das Thermometer auf 12° und stieg zu Mittag nicht über 14°. Diese strengere Temperatur ist auch merkwürdig im Vergleich mit der Temperatur der Nordpolarmeere, wo von jedem Eisberg, dem man während des Sommers begegnet, Wasserbäche niederströmen.
Das junge Eis bildete sich in dieser geschützten Lage so schnell und der ganze Raum zwischen der Eismauer und der Hauptmasse des Packeises, welches auf uns zu trieb, füllte sieh so sehr mit Pfannkucheneis an, dass wir uns bald in einer sehr schwierigen Lage befanden. So dicht wurde das Eis übereinander geschichtet, dass wir mehrere Stunden lang in Zweifel waren, ob wir im Stande sein würden nach dem offenen Meere zu gelangen, das wir nicht einmal von der Mastspitze aus sehen konnten; glücklicherweise aber blieb der Wind stark genug, um uns, unterstützt von den grossen Anstrengungen der Schiffsmannschaft, die das Eis vor dem Schiffe aufhackten, in Stand zu setzen, eisfreies Wasser zu gewinnen; und jetzt, wo wir seiner Hülfe nicht länger bedurften, setzte der Wind uns gerade entgegen nach Westen um, so dass wir, hätten wir noch länger in der Nähe des Eiswalles verweilt oder hätte der Wind sich eine halbe Stunde früher gewendet, gewiss in einer höchst gefährlichen Lage zwischen dem Walle und dem Packeis eingefroren wären; und selbst wenn wir die gefährlicheren Folgen vermieden hätten, verloren wir dann doch ein paar von den wenigen Tagen, wo das Meer noch schiffbar war. Ein dichter Nebel von mehrstündiger Dauer vermehrte noch unsere Verlegenheit und machte des Zusammenbleiben der Schiffe noch schwieriger, da wir wegen der vielen Eisberge und schweren Eisschollen nur wenig Segel führen durften.
Nachmittags um 4 Uhr hellte sich der Nebel auf und wir konnten wieder mit allen Segeln in westlicher Richtung dicht an dem Rande des Hauptpackeises hinfahren; der immer stärker werdende Nordwind trieb uns schnell nach dem Wall zu und bald war der Canal, durch den wir entschlüpft waren, von schweren, dicht übereinandergehäuften Eisschollen angefüllt, so dass auch nicht das kleinste Fleckchen Wasser sichtbar blieb. Ich wünschte sehr, die Eismauer so weit als nur möglich ostwärts zu verfolgen, damit mir nächstes Jahr weniger zu thun übrig bleibe; aber die zur Schifffahrt günstige Jahreszeit nahte schnell ihrem Ende und der jetzige Zustand des Eises machte jeden Versuch es zu durchdringen fruchtlos. Ich beschloss jedoch zwei oder drei Tage auf Nachforschungen nach einer Durchfahrt in nördlicher Richtung zu verwenden, und so verstrich der ganze 9., 10. und 11. mit Untersuchungen des Packeisrandes, ohne dass wir so weit östlich wie am 4. und 5. hätten gelangen können.
Mittags (11. Febr.) waren wir in 76° 11' südl. Br. und 187° 53' östl. L. und wurden sehr durch das neugebildete Eis aufgehalten, welches so dick war und sich von dem Saume des Packeises so weit ins Meer erstreckte, dass unsere Bemühungen, es zu untersuchen, ganz fruchtlos blieben und wir nur mit grosser Mühe und Anstrengung vorwärts dringen konnten. Aber immer noch in der Hoffnung, eine offene Stelle zu finden, fuhren wir an seinem westlichen Rande hin; aber die strenge Kälte der letzten paar Tage hatte Alles zusammengefroren und die dicke Schneedecke hatte es dem Anscheine nach zu einer festen ununterbrochenen Masse vereinigt; obgleich wir recht gut wussten, dass es ganz aus losen Schollen bestand, durch welche wir vor wenigen Tagen über 50 Meilen weit gefahren waren, so konnten wir doch jetzt keine Stelle finden, wo wir nur eine Schiffslänge weit hätten hineindringen können.
Die Nähe des Winters verrieth sich auch durch die Masse des jungen Eises am Packeisrande, wo es oft 3 – 4 Zoll stark war und die Oberfläche des Meeres rings um uns viele Meilen weit bedeckte; hätte uns nicht ein sehr starker Wind von unsicherer Dauer begünstigt, mit dessen Hülfe wir durchbrachen, so wären wir gewiss eingefroren; und ich konnte mir nicht verhehlen, dass das, was wir zu erreichen suchten, nicht bedeutend genug war, um die Gefahr, die Erreichung wichtigerer Zwecke zu opfern, zu rechtfertigen.
Während wir Nachmittags vor diesem günstigen Winde segelten, wurde die Hauptmasse des Packeises überall ausser gerade vor uns gesehen und wir fanden bald, dass wir während des Nebels in eine tiefe Bucht eingelaufen waren. Wir brachten die Schilfe sogleich dicht an den Wind, und kaum waren wir aus unsrer gefährlichen Lage erlöst, als der Wind zu einem heftigen Sturme wurde, der uns vor Mitternacht auf ein dichtgerefftes grosses Marssegel und Sturmstagsegel beschränkte. Mit grosser Mühe gelang es uns von einer grossen Anzahl sehr grosser Eisberge, die sich auf unserer Leeseite zusammengedrängt hatten und wahrscheinlich auf dem Boden festsassen, abzukommen. Jedenfalls hatte diese Kette von Eisbergen das Hauptpackeis in seiner nördlichen Richtung aufgehalten und es so weit nach Westen hingedrängt; einer derselben war fast 4 Meilen lang, obgleich nicht mehr als 450 Fuss hoch, Mehrere Stunden lang schwebten wir in der grössten Besorgniss, da wir nicht wussten, wie weit nach Westen diese Kette sich erstreckte, und das dichte Schneegestöber unsern Gesichtskreis sehr beschränkte; die sich über dem Schiffe brechenden Wellen gefroren wie sie auf das Verdeck und das Tauwerk fielen und bedeckten unsere Kleider mit einer dichten Eiskruste, so dass unsere Leute während des Sturmes sehr litten. Während des nächsten Vormittags (13. Febr.) kamen wir an vielen Eisbergen und schwimmenden Schollen vorbei und mussten ihretwegen unsern Curs oft ändern. Nachmittags legte sich der Sturm etwas, und als sich das Wetter auf kurze Zeit aufhellte, befanden wir uns in offener See.
Ich war jetzt von der Notwendigkeit überzeugt, jeden Versuch, weiter nach Osten vorzudringen, sogleich aufzugeben und die fernere Untersuchung des Eiswalles für den nächsten Sommer aufzusparen; und da der Wind nach Osten umgesetzt hatte, gingen wir mit demselben unter Segel, um einen zweiten Versuch zu machen, den magnetischen Pol zu erreichen und in seiner Nähe einen zum Ueberwintern passenden Hafen zu suchen.
Dicker Nebel und beständiger Schnee, die diesen und den grössten Theil des folgenden Tages über herrschten, nöthigten uns mit wenigen Segeln zu fahren, damit die Schiffe sich nicht trennten und jede sich plötzlich zeigende Gefahr leicht vermeiden könnten; wir befanden uns jedoch jetzt in ganz offenem Meere, denn wir sahen während der ganzen Zeit kein einziges Stück Eis und die Temperatur der Luft war bis zum Gefrierpunkt gestiegen.
Die heutigen Mittagsbeobachtungen (14. Febr.) ergaben 76° 22' südl. Breite und 178° 16' östl. Länge; die Inclination der Magnetnadel hatte sich auf 87° gesteigert, da wir uns dem Pol, von dem wir noch 360 Meilen entfernt waren, näherten, und da die Declination 91° war, mussten wir fast genau in seiner Breite sein: wir fuhren daher fort gerade südlich zu steuern. Das milde Wetter war trotz des beständigen Schnees eine grosse Erquickung für uns, da es uns gestattete die Luken zu öffnen, die während des letzten dreitägigen Sturmes fest geschlossen geblieben waren. So stark war der Niederschlag von Dunst zwischen den Decken gewesen, dass das Wasser in kleinen Bächen an den Seiten des Schiffes niedergeträufelt war. Ich liess daher sogleich den warmen Luftofen in Wirksamkeit treten, der bald alle Feuchtigkeit entfernte, die Dünste durch die Luken trieb und an ihrer Stelle eine trockene und reine Luft circuliren liess.
Gegen Abend hatte die Deining sehr abgenommen, aber der Wind wehte noch sehr heftig und der Schnee fiel so dicht, dass wir selten weiter als eine Meile sehen konnten. Unter solchen Umständen auf ein leewärts liegendes Land loszusteuern war eine etwas gefährliche Sache, aber das Barometer stieg, besseres Wetter verkündend, und bei den wenigen Tagen, die mir von der guten Jahreszeit noch übrig waren, hielt ich es für meine Pflicht, den günstigen Wind selbst bei einiger Gefahr zu benutzen.
Am 15. Febr. um 11 Uhr Vormittags erblickten wir die Franklin-Insel in einer Entfernung von 7 Seemeilen gerade vor uns. Als wir um 3 Uhr Nachmittags an ihr vorbei gefahren waren, bemerkten wir einige Eisstrecken, wegen deren wir uns südlicher wenden mussten, und als wir uns dem festen Lande näherten, stiessen wir auf blasiges Eis (brash-ice) von bräunlich-gelber Farbe, von dem wir einige Stücke mit einem starken Mikroskope untersuchten, ohne die wahre Ursache dieser eigenthümlichen Färbung entdecken zu können; die Meisten von uns vermutheten, sie rühre von der feinen Asche des blos 80 Meilen von uns entfernten Vulcans Erebus her Nach Dr. Ehrenberg's Untersuchung bestand der färbende Stoff aus mikroskopischen Thierchen. Die Details darüber sind in den Verhandlungen der Berliner Akademie, Mai 1844, nachzulesen..
Der Wind war so schwach und veränderlich und das Schlamm- und Pfannkuchen-Eis so dick, dass wir mit den Schiffen kaum durchdringen konnten. Den Berg Erebus bekamen wir um 2½ Uhr früh (16. Febr.) zu Gesicht, und da das Wetter sehr hell wurde, hatten wir eine schöne Aussicht auf die ganze Küstenlinie, die, was wir früher nicht vermuthet hatten, mit dem festen Lande in Verbindung zu stehen schien. Hinter dem Cap Bird ging eine Bucht in südwestlicher Richtung tief ins Land hinein, und im Hintergrund war ein niedriger Streifen desselben zu sehen, aber zu undeutlich, um nicht eine nähere Untersuchung wünschenswerth zu machen; und da der schwach aus Westen wehende Wind uns hinderte, durch das neue das Meer auf allen Seiten bedeckende Eis in dieser Richtung weiter vorzudringen, so beschloss ich nach der Bucht zu steuern und ihre Verbindung mit dem Hauptlande näher zu erforschen. Mittags fanden wir durch Sonnenbeobachtungen 76° 32' südl. Br., 166° 12' östl. L.: die Inclination der Magnetnadel war 88° 24', die Declination 107° 18' östlich.
Nachmittags trat fast vollständige Windstille ein, und wir waren Zeugen mehrerer prächtiger Ausbrüche des Erebus, wobei Flammen und Rauch sehr hoch emporstiegen; Lava sahen wir jedoch nicht, wie früher, aus dem Krater strömen, obgleich die heutigen Ausbrüche in viel grossartigerem Maassstabe waren.
Viele Wallfische von zwei verschiedenen Arten zeigten sich, die grössere mit einer sehr grossen, aufrechtstehenden Rückenfinne, während die der kleinern Art kaum erkennbar war. Die Skuamöve, der weisse Sturmvogel, Pinguine und Robben waren ebenfalls sehr häufig.
Bald nach Mitternacht erhob sich ein frischer Ostwind, und wir fuhren mit allen Segeln bis gegen 4 Uhr früh nach Süden, obgleich wir schon vor einer Stunde das Ufer der ganzen Bucht, die den Erebus mit dem festen Lande verband, hatten verfolgen können. Ich nannte die Bucht M'Murdo nach dem ältesten Lieutenant des Terror. Da der Wind sich wieder südlich gewendet hatte, konnten wir unsere Bemühungen den magnetischen Pol zu erreichen wieder fortsetzen, und wir steuerten daher von Neuem nordwestlich durch Massen von zähem neugebildetem Eis, das über und über mit der vorhin erwähnten farbigen Substanz bedeckt war. Das aufgethaute Eis, durch Löschpapier filtrirt, liess einen sehr dünnen Bodensatz zurück, der durch Trocknen ein sehr feines Pulver wurde, welches unsere Meinung von seinem vulcanischen Ursprung zu bestätigen schien.
Um 2 Uhr Nachmittags (17. Febr.) hatten wir uns dem niedrigen Küstenstreif bis auf 10-12 Meilen genähert, aber jetzt hemmte dicht übereinandergeschobenes Eis weiteres Vordringen. Nordwestlich von uns bemerkten wir eine niedrige Landspitze mit einer kleinen Insel davor, wo wir einen Winterhafen zu finden hofften, und wir gaben uns alle Mühe ihn durch das dichte Eis zu erreichen. Aber um 4 Uhr war die gänzliche Hoffnungslosigkeit dieses Unternehmens Allen klar geworden, indem die Strecke von 15-16 Meilen, welche die Schiffe noch vom Lande trennte, sich von einer dichten Masse Landeis angefüllt zeigte. Wir wendeten daher und legten bei, damit Capitain Crozier an Bord kommen könne, und da er mit mir ganz übereinstimmte, dass es unmöglich sei sich dem Pole mehr zu nähern, so beschloss ich den Versuch sogleich aufzugeben, da bei so später Jahreszeit weiteres Aufgehen des Landeises nicht zu erwarten war. Das Cap mit dem davor liegenden Eiland benannte ich nach Professor Gauss, dem grossen deutschen Mathematiker, der mehr als jeder andere Physiker für die Förderung der Wissenschaft des Erdmagnetismus gethan hat.
Wir befanden uns unter 76° 12 ' südl. Br., 164° östl. L.; die Inclination der Magnetnadel war 88° 40' und die Declination 109° 24' östl. Wir waren daher nur 160 Meilen vom Pol entfernt.
Wäre es möglich gewesen, im Angesichte des schönen Vulcans und in so kleiner Entfernung vom magnetischen Pol einen sichern Winterhafen zu finden, so hätten sich diese beiden interessanten Punkte im nächsten Frühling leicht durch Abstecher besuchen lassen; aber alle unsere Bemühungen zur Erreichung dieses Zweckes blieben erfolglos, und obgleich sich unsere Hoffnung ihn ganz zu erreichen nicht verwirklichte, so tröstete uns doch einigermaassen das Bewusstsein, dem Pole mehrere hundert Meilen näher als unsere Vorgänger gekommen zu sein; durch die zahlreichen Beobachtungen, die in verschiedenen Richtungen von demselben angestellt worden sind, kann seine Lage fast so genau bestimmt werden, als ob wir selbst an Ort und Stelle gewesen wären.
Demungeachtet war es höchst peinlich, in einer unter andern Umständen leicht zugänglichen Entfernung die Bergreihe zu erblicken, in welcher der Pol liegt, und zu fühlen, wie nahe wir der Erreichung des Hauptzieles unsrer Unternehmung gestanden hatten; nur Wenige werden den tiefen Schmerz begreifen, mit dem ich mich zuletzt gezwungen sah, die vielleicht zu ehrgeizige und lange gehegte Hoffnung aufzugeben, die Flagge meines Vaterlandes über beiden magnetischen Polen unserer Erde aufzupflanzen; aber die Hindernisse, weiche sich was entgegenstemmten, waren von unübersteiglicher Art, dass wir uns wenigstens selbst keine Vorwürfe zu machen hatten. Einige von uns hegten noch eine schwache Hoffnung, dass westlich von dem Admiralitätsgebirge, das, wie wir wussten, sich plötzlich westlich wendete, die Küste vielleicht eine südliche Richtung nehme, wo wir dann dem Pol näher kommen könnten; aber wir konnten uns nicht verbergen, dass die späte Jahreszeit und der frühe Eintritt des Winters diese Hoffnung höchst unwahrscheinlich machte.
Die Bergreihe im äussersten Westen, die, wenn sie eine gleiche Höhe wie der Vulcan Erebus hatte, nicht weniger als 50 Seemeilen entfernt und daher jedenfalls der Sitz, des magnetischen Poles war, wurde nach Sr. königl. Hoheit dem Prinzen Albert genannt Das ganze von uns entdeckte südliche Land, dessen Küste wir vom 70. bis zum 79. Breitengrad verfolgt hatten, erhielt den Namen unsrer gnädigsten Königin Victoria, als die erste südliche Entdeckung seit Ihrer Majestät Thronbesteigung.
Nach Beendigung der nöthigen Beobachtungen an dieser interessanten Stelle begann für uns die mühsame Arbeit, wieder den Rückweg durch das Packeis zu suchen; aber das junge Eis hatte so an Dicke zugenommen, dass dies ein sehr schwieriges Beginnen war, und lange Zeit zweifelten wir an dem Gelingen desselben und fürchteten, trotz unsrer Anstrengungen, zuletzt fest zu frieren; denn als wir aus dem Packeis heraus waren, stellte sich die ganze Oberfläche des Meeres unsern Augen als eine ununterbrochene Eisebene dar, in der wir zwar, als der Wind etwas frischer wurde, ein wenig vorwärts kamen, aber zu einer Strecke von wenigen Schritten oft mehr als eine Stunde brauchten. Zuletzt liessen wir die Boote auf das Eis nieder und rollten sie, das beste Mittel, das junge Eis zu brechen; denn obgleich es stark genug war unsere Schiffe aufzuhalten, so war es doch nicht so fest, um das Gewicht einer Partie Leute zu tragen, die es hätten durchsägen können. Die ganze Nacht verging mit dieser anstrengenden Arbeit, und erst um 10 Uhr am nächsten Morgen erreichten wir freies Wasser und konnten wieder nach Norden steuern.
Die Furcht im Eise fest sitzen zu bleiben und das ungünstige Wetter verhinderten uns dem Lande zwischen Cap Gauss und einem schönen Vorgebirge, südlich vom Melbourne-Berg, welches ich Cap Washington nannte, nahe genug zu kommen, um es deutlich zu sehen. Die ununterbrochene Fortsetzung der Küstenlinie und ihr Charakter wurden jedoch festgestellt; sie ist von geringerer Höhe als alle andern Theile des Victoria-Landes und die Bergketten schienen sich viel weiter von der Küste zu entfernen. Eine Insel oder ein grosser Eisberg mit viel Erde und Felsen, auf den wir Nachmittags stiessen, ist auf der Karte als zweifelhafte Insel bezeichnet, da es ganz unmöglich war die wahre Beschaffenheit dieser Entdeckung zu untersuchen. Gegen Mitternacht sahen wir einige Sterne, die erstens seit unserm Eintritt in das Packeis und ein warnendes Vorzeichen; der Nähe des Winters.
Den Erebus behielten wir bis 3½ Uhr früh in einer Entfernung von 50 Seemeilen in Sicht und wahrscheinlich hätten wir ihn noch viel länger gesehen, wenn ihn nicht gerade einige Wolken verhüllt hätten.
Mittags (19. Febr.) befanden wir uns unter 75° 3' südl. Breite und 168° 40' östl. Länge. Wir befanden uns jetzt wieder an der Küste, die wir zum Theil schon bei unsrer Fahrt südwärts untersucht hatten, und sahen den Berg Melbourne in nordwestlicher Richtung vor uns. Nachmittags entdeckten wir eine tiefe Bucht zwischen diesem und den Ausläufern des Monteagle-Berges, die wir Woodsbay nannten. Spät Abends zwang uns das sich vom festen Lande nach dem Cap Anne der Coulmans-Insel erstreckende Landeis wieder in nordöstlicher Richtung zu steuern, und bald nach Mitternacht wurde die Brise zu einem Sturme, der uns bis zum nächsten Mittag an der Coulmans-Insel vorbei und bis unter 73° 10' südl. Breite und 171° 26' östl. Länge führte, wo wir wieder ein hohes Cap, den vorspringenden Fuss des Lubbock-Berges bemerkten, welches ich Cap Jones nannte. Der Nebel verbarg uns Nachmittags die Spitzen der Berge, aber die Linie der Küste, die uns bei unsrer beschwerlichen Fahrt südwärts so bekannt geworden war, sahen wir deutlich.
Ich wünschte noch einen Versuch zu machen, in der Nähe des Cap Adair zu landen, aber nachdem wir durch mehrere Streifen loses Eis gefahren waren, stiessen wir zuletzt auf ein festes Packeis, das sich 8 oder 9 Meilen weit in das Meer erstreckte und von dem letzten Frost so zusammengefroren war, dass wir jeden Versuch es zu durchdringen aufgeben mussten und deshalb wieder nach Nordwesten steuerten. Wie hielten uns der Küste so nahe als das Packeis nur gestattete und gelangten bis zu einem Cap, dem wir den Namen Davis beilegten und hinter dem sich die äusserste Nordspitze des Landes zeigte; wir nannten diese das Nordcap. Ein niedriges Vorgebirge mit drei spitzigen Berggipfeln wurde weit hinter dem Nordcap sichtbar, wo sich das Land wieder südwestlich wendet; aber eine dichte Eismasse trennte uns von diesem Punkte und hinderte uns der Küste weiter zu folgen; da die Nacht sehr dunkel wurde und zahlreiche Eisschollen uns umgaben, so wendeten wir um 9 Uhr Abends und steuerten östlich, um das Tageslicht abzuwarten und unsere Versuche zu erneuern.
Mit dem frühesten Morgen des nächsten Tages (22. Febr.) wendeten wir wieder und fuhren nach dem Lande, um genauer zu untersuchen, oh wir hier weiter nach Westen vordringen könnten. Es war mir auch sehr viel daran gelegen, einen sichern Platz für die Schiffe zu finden, wo wir Beobachtungen für den nächsten Termintag anstellen und den Winter zubringen könnten; denn obgleich das Ueberwintern in einer so niedrigen Breite von keinem besondern Vortheil für unsere nächste Reise sein konnte, so mussten doch die meteorologischen, magnetischen und andern Beobachtungen in einer solchen Lage von grossem Werth und Interesse sein. Aber hier an der östlichen Küste des Victoria-Landes waren die Einschnitte derselben ganz mit festem Eis von mehreren hundert Fuss Dicke angefüllt. Zwei tiefe Buchten, Smith Inlet und Yule-Bucht von uns genannt, erschienen von weitem viel versprechender, aber als wir näher kamen, zeigten sie sich eben so unzugänglich als andere Stellen. Die Küste bestand hier aus senkrechten Eisklippen von 2–500 Fuss Höhe, und eine Kette auf dem Grund sitzender Eisberge erstreckte sich mehrere Meilen weit in das Meer hinaus; sie waren alle tafelförmig und von jeder Grösse, von 1 bis 9 und 10 Meilen im Umkreis.
Bald nach 6 Uhr Abends, als wir nur ½ Meile von dieser Eisbergkette entfernt waren, wurde der Nebel so dick, während der Wind sich ganz legte, dass Lieutenant Bird, dem ich die Führung des Schiffes übergeben hatte, da ich wegen übermässiger Müdigkeit nicht länger auf dem Deck bleiben konnte, es für das Beste hielt, bis zum Eintritt günstigerer Witterung seewärts zu halten; zum Glück geschah dies und wir hatten 6 oder 7 Meilen Seeraum, als vollkommene Windstille eintrat und die Schiffe ganz der Gewalt eines hohen Seegangs aus Südosten überlassen waren.
Mittags befanden wir uns unter 70 ° 27' südl. Breite und 167° 32' östl. Länge und um diese Zeit hörte es zwei Stunden lang auf zu schneien, so dass eine schöne Bergkette sichtbar wurde, deren Gipfel wir vorher nicht gesehen hatten. Die höchste Spitze nannten wir Berg Elliot.
Ein nordöstlicher Wind gestattete uns Abends aus einer tiefen Bucht des Packeises zu segeln, in welche uns die Strömung getrieben hatte; und da das Barometer auf 28,5 stand, mussten wir einen Sturm und schlechtes Wetter erwarten, weshalb ich froh war, vor seinem Eintritt eine Strecke nach Südosten zu gelangen. Mittags sprang der Wind nach Osten um und wir standen die Nacht über nach Nordnordost in Erwartung eines Sturmes aus der Gegend, wo sich der Wind jetzt festgesetzt zu haben schien, was uns noch wünschenswerther machte, uns so weit als möglich von den Eisbergen und dem Packeis zu entfernen; aber gegen alle Erwartung legte sich der Wind wieder, nachdem er einige Stunden lang scharf geweht hatte, und gegen Mitternacht traten Nebel und Schneewetter ein, was unsere Fahrt zwischen den Eisbergen und grossen Eisschollen etwas mühevoll und gefährlich machte und die grösste Wachsamkeit der Offiziere und Mannschaften in Anspruch nahm.
Der ungewisse Zustand des Wetters, die leichten und veränderlichen Winde und das dichte Schneegestöber verhinderten mich die Küsten weiter zu untersuchen, und wir mussten den ganzen Tag in östlicher Richtung seewärts fahren, obgleich wir zuweilen zwischen den Schneeschauern etwas vom Lande erblickten.
Gegen Mittag (23. Febr.) trat vollkommene Windstille ein; glücklicherweise befanden wir uns an einer Stelle, die eisfreier als gewöhnlich war. Commandeur Crozier benutzte die Gelegenheit, um seinen Wasservorrath dadurch zu vermehren, dass er Bruchstücke von den nahen Eisbergen sammeln liess, was bei der hochgehenden See nicht ohne grosse Gefahr für die Boote, obgleich ohne ernstlichen Unfall vor sich ging. Wir fanden in 180 Faden Grund mit grünlichem Schlamm und Corallen, und schlossen aus der Seichtigkeit des Wassers, dass alle Eisberge, die wir sahen, auf dem Grunde sitzen müssten, da keiner von ihnen weniger als 160 Fuss hoch war.
Den ganzen 24. Febr. waren wir bei einem starken Wind bemüht dem Lande näher zu kommen. Nachmittags, als wir auf die Leeseite eines grossen Eisberges zu gelangen hofften, entdeckten wir, dass derselbe einen Theil einer Eismasse bildete, die sich aus der Nähe der Berggipfel bis mehrere Meilen weit in das Meer hinein senkte und in hohe steilabstürzende Klippen ausging; in diesen merkwürdigen Klippen war eine tiefe Bucht, umgeben von eben so steilen Eismassen. Wir wollten hineinfahren, aber es entstand ein Sturm, als wir noch eine Meile von dem südlichen Vorgebirge der Bucht waren, und da wir ohnedies sahen, dass wir hier keinen Hafen finden würden, so wendeten wir wieder und verliessen die gefährliche Küste für die Nacht.
Als wir uns ganz in der Nähe dieser Eisklippen befanden, hatten wir eine gute Ansicht vom Nordcap und bemerkten, dass ein grosser Eiswall von ähnlicher Beschaffenheit wie der, welcher sich vom Cap Crozier in östlicher Richtung erstreckt und jedes Vordringen nach Süden wehrt, westwärts vom Cap, soweit das Auge reichen konnte, sich ausdehnte und wahrscheinlich eine Küstenlinie von grosser Länge bildete; den ganzen Raum nördlich und westlich nahm eine dichte, feste und undurchdringliche Eismasse ein.
Der nächste Tag wurde wieder mit vergeblichen Bemühungen, durch das Packeis weiter nach Westen vorzudringen, zugebracht; aber Nachmittags hatten wir eine gute Ansicht der ganzen Küste. Die ganze Strecke war frei von Dunst oder Nebel und die hohe Bergreihe hob sich in scharfen Umrissen von dem klaren Himmel ab; obgleich das ganze Land vom reinsten Weiss war ohne die kleinste nackte Klippe, so brachten doch die Unregelmässigkeiten der Oberfläche, die zahlreichen konischen Hügel und geringeren Erhebungen und die tiefeingeschnittenen Thäler Abwechselungen in Licht und Schatten hervor, welche die ermüdende Eintönigkeit einer blendend weissen Fläche aufhoben, die sich aber weder durch Wort noch durch Farbe leicht darstellen lassen. Es war für uns ein sehr interessanter Anblick und gewiss die beste Ansicht, die wir von der Nordküste des Victoria-Lands gehabt hatten.
Es konnte mir jetzt kein Zweifel mehr über die Notwendigkeit übrig bleiben, von weiteren Versuchen, nach Westen vorzudringen, abzustehen, und ich beschloss wieder nach Norden zu fahren und die noch unbekannte Gegend zwischen dem Nordcap des Victoria-Lands und den Balleny-Inseln zu untersuchen, da es von grosser Wichtigkeit war zu erfahren, ob sie verbunden wären und wie weit der Raum zwischen ihnen schiffbar sei.
Demzufolge steuerte ich mit allen Segeln nordwestlich den Rand des Packeises entlang bis spät Abends, wo der Wind nach Süden umsprang und so rasch an Heftigkeit zunahm, dass vor Mitternacht ein starker Sturm wehte. Um Nachts an keinem Lande vorbeizusegeln, so wie wegen der grossen Gefahr bei einem Sturme vor dem Winde zu fahren, drehten wir unter dichtgerefften Marssegeln bei. Der Sturm dauerte jedoch nur einige Stunden, aber bei Tagesanbruch machten Nebel und Schnee die Luft so dick, dass wir nicht über eine Meile weit sehen konnten, was uns mit den sehr schwachen und veränderlichen Winden ziemlich auf unserm Platze festhielt, vorzüglich da der Tag mit einer vollständigen Windstille schloss; die hochgehende See und das beständige Schneegestöber machten die Dunkelheit der Nacht nur noch verwirrender und unsere Lage um so gefährlicher, als wir in keiner Minute wissen konnten, was in der nächsten geschehen werde.
Als der Wind sich nach Osten wendete, hörte auch der Schnee auf und mit Tagesanbruch, den 27. Febr., steuerten wir wieder nördlich. Mittags befanden wir uns in 67° 27' südl. Breite und 167° 49' östl. Länge und suchten vergebens mit 210 Faden Grund zu finden; auf die schwachen Ostwinde, die seit einigen Stunden geherrscht hatten, folgte eine starke Brise aus Westnordwest, die vor Dunkelwerden zur Kühlte wurde und mit grosser Stärke die ganze Nacht hindurch wehte. Diese plötzliche Veränderung des Windes und häufige Abwechselungen von Stürmen und Windstillen machen die Schifffahrt in dieser Breite in so später Jahreszeit zu einer Ursache beständiger Besorgniss, denn da sie stets von starkem Nebel, beständigem Schneegestöber und hochgehender See begleitet sind, so ist es schwer zu sagen, ob die Stürme oder die Windstillen dem Seefahrer mehr Verlegenheit und Gefahr bereiten. Allerdings stösst man während der Windstillen wahrscheinlicherweise auf weniger Gefahren, da man während ihrer Dauer eine geringere Strecke zurückgelegt, aber wenn man auf das Packeis oder Eisberge zugetrieben wird, ist man ganz der Gnade der Wellen überlassen, da die hochgehende See meistens das Aussetzen der Boote und das Abbugsiren durch dieselben nicht gestattet und jeden Versuch, ein leichtes Lüftchen, das in ruhigem Wasser noch wirksam sein könnte, zu benutzen, vereitelt; diese sehr hohlgehende See macht die Schifffahrt in den Südpolarmeeren viel gefährlicher als in den Nordpolargegenden.
Mit Tagesanbruch (28. Febr.) wendeten wir und steuerten nach dem Packeis; um 6 Uhr 20 Minuten wurde Land entdeckt und zwar dieselbe westliche Spitze, die wir schon vorher gesehen hatten, und bald darauf zeigte sich das Packeis. Mittags erreichten wir seinen Rand unter 69° 57' südl. Breite und 167° 5' östl. Länge. Es erschien jetzt als eine ununterbrochene Eisfläche, untermischt mit vielen Eisbergen und durch die letzte grosse Kälte (das Thermometer war während der Nacht auf 14° gesunken und war zu Mittag nur auf 22° gestiegen) so fest geworden, dass nicht die kleinste Wasserpfütze bemerkt werden konnte. Wir wendeten daher wieder und steuerten nördlich; als wir dicht am Rande des Packeises hinfuhren, passirten wir mehrere breite Streifen junges Eis, welche, da die hochgehende See sie gelockert hatte, unsere Fahrt wenig hinderten; zahlreiche Wallfische kamen unter dem Eis hervor, um zu blasen, und zogen sich dann wieder darunter zurück, um Schutz oder Nahrung zu suchen. Um 6 Uhr Abends sahen wir das Victoria-Land zum letzten Male; der Berg Elliot war in einer Entfernung von 70 Meilen undeutlich durch den Nebel sichtbar; es wehte ein sehr heftiger Wind, aber wir setzten unsere Fahrt bis Mitternacht fort, da wir vor Dunkelwerden unsern Weg weit genug überblickt hatten, um vor Gefahr gesichert zu sein. Um 11½ Uhr Nachts sahen wir das erste Südpolarlicht westwärts von uns. Es bestand aus zwei Segmenten eines gebrochenen Bogens in einer Höhe von 15°, von dem aus helle Strahlen bis zu einer Höhe von 60° schossen. Die senkrechten Strahlen zeigten eine starke Seitenbewegung und verschwanden häufig zu wiederholten Malen in wenigen Secunden. Farbige Strahlen bemerkten wir nicht.