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Schlußwort.

Drei Wochen waren vergangen seit den zuletzt geschilderten Ereignissen.

In dem kleinen freundlichen Häuschen, das Lars Bergh mit seiner Familie bewohnte, kniete Frau Sigrid, umgeben von einem Berg von Kleidungsstücken und Wäsche, am Boden und packte die Koffer zu der Reise, die sie am folgenden Tage schon mit ihrem Gatten antreten wollte. Auf Verwendung des Untersuchungsrichters, der alle Angaben, die Lars Bergh in seiner Erzählung über das Verbrechen in der Lindströmschen Villa gemacht, bestätigt gefunden, hatte man letzterem die Prämie von 1000 Kronen ausgezahlt, die ursprünglich auf die Ergreifung Larkas gesetzt worden war. Auch über die verschiedenen Nebenumstände, die Lars nicht aufzuklären vermocht hatte, war inzwischen volles Licht verbreitet worden. In einem Wandschrank, zu dem nur Jonsson den Schlüssel besaß und der in seinem Turmzimmer stand, hatte man, in ein Bündel zusammengerollt, den falschen Bart und die ganze Strolchausrüstung gefunden, mit deren Hilfe er sich Larka gegenüber unkenntlich gemacht. In dem Futter seines Sommerrockes aber steckte das Messer, das er seiner Tante in die Brust gestoßen. Er hatte es sicherlich gleich, nachdem er die Tat vollbracht, durch den Schlitz gleiten lassen, den er zu diesem Zweck gemacht. Wahrscheinlich hatten ihn diese Vorbereitungen sämtlich länger aufgehalten als er angenommen, denn andernfalls würde Larka noch nicht in die Wohnung eingestiegen sein, während Jonsson noch vor dem Bett seines Opfers stand, erwägend, ob er dasselbe auch wirklich getötet hätte. Vielleicht hatten die wenigen Minuten, die Larka gegenüber des Leutnants Berechnung zu früh erschienen war, Fräulein Lindström das Leben gerettet.

Im übrigen war man bei allen diesen Dingen auf Wahrscheinlichkeitsschlüsse angewiesen, denn der Leutnant Olaf Jonsson konnte kein Geständnis mehr ablegen, weil er nunmehr schon seit achtzehn Tagen in der kühlen Erde ruhte. Am fünften Tage nach seinem Verschwinden hatten Fischer seine Leiche aus dem Mälarsee gezogen.

Die Furcht, daß seine Tante doch vielleicht aussagen könnte, wer ihr das Messer in die Brust gestoßen, hatte ihn am selben Tage, an dem er vernahm, daß sie zum Bewußtsein zurückgekehrt sei und wahrscheinlich am Leben bleiben würde, zur Flucht aus ihrem Hause getrieben und das Bewußtsein, daß die Polizei auf seinen Fersen war, hatte ihn dem Tode in die Arme gejagt. Wohin hätte er sich auch wenden sollen, um, ohne zu arbeiten, das Wohlleben weiter zu führen, an das er gewöhnt war? Nach Amerika? Woher sollte er das Geld zur Überfahrt nehmen? Und auch in Amerika mußte man arbeiten, wenn man keine Mittel besaß. Da war es besser, aus dem Leben zu scheiden, als den Schwierigkeiten zu trotzen, die er, wie er doch wußte, auf keinen Fall würde besiegen können.

Fräulein Lindström aber hatte, um die letzten Zweifel an ihres Neffen Schuld schwinden zu lassen, noch vor ihrer Genesung die Aussage gemacht, daß sie in jener Schreckensnacht darüber erwacht war, daß ihr jemand einen Knebel in den Mund preßte. Die Augen aufschlagend, erkannte sie zu ihrem namenlosen Entsetzen ihren Neffen, der vor ihr stand. Unfähig zu schreien, fühlte sie etwas Kaltes auf ihrer Schulter und dann schwand ihr die Besinnung. Die furchtbare Erkenntnis von der Schlechtigkeit des jungen Menschen, den sie dereinst wie ihren Sohn geliebt, würde sie noch tiefer gebeugt haben, wenn sie sich nicht innerlich schon längst von ihm losgesagt hätte. Wenige Tage vor dem Verbrechen hatte sie ihm angekündigt, daß er demnächst ihr Haus verlassen müßte, und daß er von ihrer Güte nichts zu erwarten hätte als eine lebenslängliche Rente, gerade nur groß genug, um ihn vor Hunger zu schützen. Seit vierzehn Tagen weilte Ellida, in deren Ergebenheit und Zärtlichkeit sie Trost suchte, wieder bei ihr, aber sobald Larka seine Strafe abgebüßt haben würde, sollte sie auch diese verlieren. Denn nichts konnte Ellida von dem Entschluß abbringen, Larkas Weib zu werden. Man hoffte, daß ihm in Anbetracht der vielen mildernden Umstände, die für ihn sprachen, das geringstmögliche Strafmaß zuerkannt werden würde. Fräulein Lindström aber hatte Ellida eine bedeutende Summe geschenkt, die hinreichte, um ihrem spätern Gatten noch ein längeres Studium zu ermöglichen und beider Existenz auf lange Jahre zu sichern. Im Angedenken daran, daß Larka durch seine Dazwischenkunft in jener furchtbaren Nacht und durch den Schlag, den er Jonsson versetzte, ihr vielleicht das Leben gerettet, wollte sie ihm die Mittel gewähren, um ungefährdet durch Nahrungssorgen unter Ellidas mildem Einfluß ein neues Dasein zu beginnen.

Für Lars Bergh hatte seine private Detektivtätigkeit noch eine weitere Folge gehabt. Der Chef der Stockholmer Kriminalpolizei hatte ihn zu sich rufen lassen und ihn gefragt, ob er gesonnen sei, in den Polizeidienst zu treten, der ihm bei seiner fast genialen Begabung auf dem Gebiet des Detektivwesens die besten Aussichten eröffnete. Als Lars lebhaft bejahte, hatte er ihm gesagt, daß er ihm die Möglichkeit gewähren wollte, sich eine gründliche geeignete Ausbildung zu verschaffen. Wenn er in der Folge seine Ansichten über den Gegenstand nicht änderte, so würde man ihn je nach Gelegenheit und Befähigung als Polizeiagent im In- wie Auslande beschäftigen, sollte Lars aber sein Vorsatz, sich ganz dem Polizeidienst zu widmen, gereuen, so hätte er bei seiner fachmäßigen Ausbildung Erfahrungen gewonnen, die ihm als Verfasser von Kriminalromanen nur von Nutzen sein konnten. Daß er pekuniär auch selbst bei einer ziemlich vergeblichen Ausbildungszeit nicht in Verlegenheit kommen konnte, sollte verhindert werden. Lars Bergh jedoch war überglücklich beim Gedanken an die Karriere, die sich vor ihm auftat. Das war eine Beschäftigung mehr nach seinem Sinn als die Schriftstellerei, zu der er keinen Beruf fühlte.

Alle diese Dinge gingen der kleinen Frau Sigrid durch den Kopf, als sie die Koffer für die ersehnte Reise nach Norwegen packte. Norwegen hatte man als Ziel gewählt, weil es verhältnismäßig nahe und Reisegeld immerhin knapp war. Da öffnete sich die Tür und ihr Gatte trat ein.

»Nun, Schatz,« sagte er, »bist Du fertig? Ich soll Dir noch von Ellida Bagge unbekannterweise Grüße bringen. Ich war eben bei Fräulein Lindström, um mich von den beiden Damen zu verabschieden.«

»Die arme Ellida!« seufzte Sigrid. »Welch einem Lose geht sie entgegen an der Seite dieses Menschen!«

Lars machte ein ernstes Gesicht. »Wer weiß, Liebling, ob wir uns nicht täuschen. Es ist in diesem Larka manch edle Eigenschaft verborgen trotz seiner Verkommenheit. Kannst Du Dir z. B. vorstellen, warum er vor dem Untersuchungsrichter beharrlich aussagte, daß er und sein Verführer über den Zaun gestiegen wären, während sie doch den Weg durch das Gartenhaus genommen haben? Denk' mal, der Schurke, der Jonsson hat's ihn schwören lassen, daß das Gartenhaus aus dem Spiel bliebe – wahrscheinlich doch, weil er fürchtete, daß eine Besichtigung des Gartenhauses allerhand ihn verdächtigende Momente zu Tage fördern würde. Ein Mensch aber, der sich in Larkas Lage noch an solchen Schwur gebunden hält, kann doch kein ganz unnobler Charakter sein. Jetzt, da Jonsson tot ist und man ihm auf den Kopf zusagte, wie sich's verhalten hat, gab er's endlich zu.«

Sigrid wiegte nachdenklich das Köpfchen hin und her. »Wenn etwas den Menschen auf den rechten Weg bringen kann, so meine ich doch, es dürfte eher die Liebe sein,« bemerkte sie. »Und lieben tut er doch Ellida – was?«

»Wie ich Dich,« sagte Lars und küßte seine Frau auf den roten Mund. »Und da auch Ellida ihn ebenso liebt und man nicht glauben kann, daß ein Mädchen wie sie ihr Herz einem Manne zu schenken vermag, in dem keine guten Keime ruhen, so können wir für die Zukunft des Paares immerhin Hoffnungen hegen! Möge sein Leben hinfort ein glückliches sein!«

»Das wünsche ich auch, aber unser Leben ist doch noch glücklicher – Gott sei Dank!« rief die kleine Frau und fiel ihrem Mann um den Hals.

 

– Ende. –


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