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Lars Bergh wollte es um jeden Preis durchsetzen, bei der Beweisaufnahme durch den Stockholmer Kriminalkommissar gegenwärtig zu sein und daher mochte er sich nicht zu weit von dem Schauplatz des Verbrechens entfernen, um nicht die Ankunft der Stockholmer Herren zu versäumen.
Gedankenvoll umschritt er den Zaun des Grundstücks, es von allen Seiten betrachtend. Die Villa war im Grunde, wenn auch dem äußern Umfange nach sehr groß, doch nur einstöckig, mit Ausnahme des linken turmartigen Anbaus. Der ganze rechte Flügel, in dem auch das Schlafzimmer Fräulein Lindströms lag, hatte über seinem einzigen Stockwerk nur das Dach, unter dem sich, wie aus den kleinen, runden Fenstern erkennbar war, keine Wohnräume, sondern nur der Dachboden oder ähnliches befinden konnte. Der Turmanbau, in dem der Leutnant geschlafen hatte, enthielt jedoch über dem Parterre noch zwei Zimmer übereinander. Daß sein Bewohner von hier aus einen Hilfeschrei seiner Tante hätte vernehmen können, den die im selben Stockwerk mit ihr Schlafenden nicht hörten, war undenkbar.
Während der Garten die Villa an der Front und an der rechten Schmalseite derselben nur durch einen schmalen Streifen von der Straße abschloß, erstreckte er sich nach hinten, wie zur Linken des Hauses, weit hinaus bis zu einem Stück ziemlich dürftigen Wiesenlandes. Ein Weg führte auf diesem nicht zu dem Grundstück. Lars ließ sich dadurch jedoch nicht abhalten, den Zaun auch dort zu umschreiten. Daß ein Flurschütz oder sonst eine aufsichtsführende Person ihn an dem Betreten des kümmerlichen und gänzlich vernachlässigten Wiesenlandes hindern würde, brauchte er kaum zu fürchten, denn Spaziergänger wie Arbeiter verirrten sich wohl nur selten bis hierher, da die Landschaft in dieser Gegend weder Naturschönheiten aufwies, noch auch nur bebaut war. Diese war eben der Anfang eines allmählich in Felsen übergehenden Terrains, das sich weithin bis zur Baggensfjärden-Bucht erstreckte.
Wie große Mühe er sich aber auch gab, so fand er es doch unmöglich in den Garten zu sehen. Bäume und dichtverwachsenes Gebüsch begleiteten im Innern den Zaun und schufen eine undurchdringliche Mauer. Nur an einer Stelle blickte ein braunes Holzdach zwischen dem Laubgrün hervor. Wie es sich bei näherer Besichtigung zeigte, gehörte es zu einem Gartenhause, das sich mit der Hinterseite hart an den Zaun lehnte. Lars bog das Gebüsch zurück und nun entdeckte er, daß hier eine Tür aus dem Häuschen direkt ins Freie führte; der Zaun reichte beiderseitig nur genau bis zu dieser, da alles dick mit Gesträuch bedeckt war, so bemerkte man dies für gewöhnlich nur nicht.
»Man könnte sich wahrhaftig einbilden, daß der Mörder von hier aus ins Grundstück gedrungen ist,« dachte er.
Aufmerksam betrachtete er das Gartenhaus. Es schien nicht gerade verfallen, doch machte es dadurch, daß die Fenster von innen mit Brettern verstellt waren, einen unheimlichen, verlassenen Eindruck. An einem der Fenster war eine Scheibe geplatzt und ein kleines, dreieckiges Stück Glas herausgefallen. Durch das so entstandene Loch steckte Lars sein Taschenmesser und schob mit dem dicken Griff desselben das eine der dahinter befindlichen Bretter ein wenig zurück. Der Spalt war nicht breit, aber immerhin genügend, wenn er das Gesicht daran drückte, einen Einblick ins Innere des Häuschens zu gewinnen.
Da gab es nun freilich nichts Besonderes zu sehen. Die Einrichtung war sehr zierlich im nordischen Bauernstil gehalten, merkwürdig war es höchstens, daß sie im Gegensatz zu dem unwohnlichen Äußeren des Hauses den Eindruck machte, als ob sie noch vor kurzem benutzt gewesen wäre. Auch die Staubschicht, die auf den geschnitzten, mit buntdurchwirktem Wollstoff bezogenen Möbeln lag, erschien nur ganz dünn, als ob sie erst aus allerletzter Zeit herrührte.
Plötzlich aber stutzte Lars. Sein Auge war auf einen Gegenstand gefallen, so seltsam und fast unheimlich in seiner Art, wie ihm kaum je etwas begegnet war.
Dieser Gegenstand war ein Bild – das einzige, das sich in dem Häuschen befand – und zwar keineswegs ein ungewöhnliches, sondern das allbekannte Bild der Mona Lisa von Lionardo da Vinci in photographischer Wiedergabe, aber diese Mona Lisa zeichnete sich vor allen anderen Reproduktionen dadurch aus, daß sie die Hände, diese berühmt schönen Hände, nicht übereinandergelegt, vielmehr die Rechte mit erhobenem Arm weit von sich gestreckt hatte.
Lars glaubte zuerst zu träumen. Er kannte die Mona Lisa genau, denn in seinem elterlichen Hause hatte ein Stahlstich von ihr im Wohnzimmer gehangen und seitdem war ihm das Bild so lieb, daß er allemal, wenn er's an einem Schaufenster sah, davor stehen blieb und es betrachtete. Jede Linie davon war fest in seiner Erinnerung eingeprägt. Von einem Irrtum seinerseits bezüglich der Haltung der lieblichen Frau konnte demnach keine Rede sein. Aber wie, in des Himmels Namen, konnte es geschehen sein, daß diese Mona Lisa ihren Arm weit von sich gestreckt hielt? Fast sah's aus, als ob sie jemand fluchte.
Er war nicht abergläubisch, aber bei diesem Anblick überlief ihn ein kalter Schauer. Die Geschichte war ja wahrhaftig wie ein toller Spuk.
Förmlich mit Gewalt riß er sich von der Betrachtung des Bildes los und wandte seine Aufmerksamkeit wiederum der Örtlichkeit zu. Er mußte die Stunde nützen, da das Haus in der Folge doch wahrscheinlich von der Kriminalpolizei bewacht werden würde.
Wenn der Mörder nun wirklich durch das Gartenhaus in das Grundstück getreten wäre – überlegte er – von wo konnte er dann aber gekommen sein?
Etwa zwanzig Schritt von dem Zaun entfernt lief parallel mit diesem ein Graben durch die Wiese. An einer Stelle war ein Brett darüber gelegt, häufig benutzt aber konnte es nicht sein, da es infolge seiner brüchigen, dünnen Beschaffenheit sonst längst zersplittert worden wäre. Offenbar war es, um dem augenblicklichen Bedarf zu genügen, nur so lose über den Graben geworfen.
Und er, der Einbrecher, der Mörder, ist doch durch das Gartenhaus eingedrungen, dachte Lars Bergh, dessen kriminalistische Phantasie fieberhaft aufgeregt war.
Und nun begann er, zitternd vor Spannung, am Boden zu suchen, ob da nicht irgend etwas Verdächtiges zu finden sei. In den Kriminalgeschichten, die er gelesen und die er selbst verfaßte, verloren die Leute am Tatort oder auf dem Weg dahin meist irgend etwas. Im Gras lag nichts, nicht einmal ein Knopf, geschweige denn etwas Wichtigeres. Aber im Graben, wer konnte wissen, ob da nicht – – – Er brach sich von den Bäumen, die ihre Kronen über den Zaun neigten, einen Zweig ab und fing damit in dem Graben zu fischen an.
Er enthielt mehr Schlamm als Wasser und mit dem grünen Blätterbusch ließ er sich wie mit einem Besen beiseite schieben. Auf dem Boden lagen Steinchen, halbverfaulte Pflanzen, allerhand Scherben und einige lange Holzsplitter. Lars betrachtete sie aufmerksam und dachte, daß sie ganz gut von einem Brett herrühren konnten, das früher einmal über den Graben geführt hatte. Er nahm einen der Splitter und maß ihn, und siehe da, die Länge stimmte. Wahrscheinlich war jemand hastig darüber gegangen und damit eingebrochen. Aber wo hatte er dann in der Eile gleich das andere Brett hergenommen, um es über den Graben zu legen? Hier weit und breit gab es doch keine Bretter, ausgenommen die hinter den Fenstern des Gartenhauses stehenden, und von denen fehlte keines. Lars Bergh sagte sich, daß diese ganze Geschichte mit dem durchgetretenen, im Graben liegenden Brett und dem jetzt darüber befindlichen sicher ganz und gar nichts mit der Mordtat zu schaffen hätte, aber seine Phantasie, die sich nun einmal dieses Punktes bemächtigt hatte, ließ ihn nicht mehr los. Sicherlich würde er noch lange über die Sache nachgedacht haben, wenn nicht in dem Augenblick vor der Front der Villa Wagengerassel und Pferdegetrappel ertönt wären. Vermutlich waren das die Herren aus Stockholm. So legte er denn mit einem Seufzer des Bedauerns die Holzsplitter wieder in den Graben zurück und eilte unverweilt am Gartenzaun entlang nach dem vordern Eingang des Grundstückes.
Er kam gerade rechtzeitig, um den Staatsanwalt und den Kriminalkommissar Eknäs in Begleitung eines Protokollführers aussteigen zu sehen. Wenige Augenblicke später stand er wieder in der Diele unter der gaffenden Menge.
Was der Gendarm nicht fertig gebracht hatte, gelang dem Staatsanwalt in der ersten Minute – die Zuschauer zogen sich zwar murrend, aber widerspruchslos auf Geheiß der Stockholmer Herren zurück. Nur Lars Bergh blieb auf seinem Platz.
»Haben Sie nicht gehört, daß der Herr Staatsanwalt befohlen hat, alle Unbeteiligten sollten das Haus verlassen?« herrschte der Gendarm ihn an.
Lars neigte mit ausnehmender Höflichkeit das Haupt. »O gewiß, aber wenn ich dem Herrn Kriminalkommissar vielleicht einige Auskünfte geben könnte,« sagte er keck. »Ich war doch unter den ersten, die von der Straße her nach Entdeckung der Mordtat das Haus betraten,« fügte er hinzu, allerdings nicht ganz der Wahrheit gemäß.
Der Gendarm blickte fragend den Staatsanwalt und dieser den Kriminalkommissar an. Der letztere entschied nach kurzem Überlegen, daß Lars bleiben dürfte. Dieser triumphierte; so hatte er denn tatsächlich seinen Willen durchgesetzt.
Von einer umständlichen Durchsuchung des Schlafzimmers Fräulein Lindströms und der anstoßenden Räume mußte wegen der Anwesenheit der Todkranken daselbst fürs erste Abstand genommen werden. Man begnügte sich daher damit, den im Schlafzimmer befindlichen feuerfesten Geldschrank durch einen Kunstschlosser, den man zu dem Zwecke gleich aus Stockholm mitgebracht hatte, öffnen zu lassen und seinen ganzen Inhalt an Papieren, Bargeld und Kleinodien herauszunehmen. Soweit es sich bei flüchtiger Durchsicht dieser Dinge an der Hand des ebenfalls im Schrank verwahrten, von Fräulein Lindström angefertigten Verzeichnisses beurteilen ließ, schien nichts entwendet zu sein. Dann durchschritten die Herren die Nebenräume, wo sie wahrnahmen, daß das Fenster im Badezimmer geöffnet war.
»Seit wann steht das Fenster offen?« fragte der Kriminalkommissar die alte Hanna.
»Das ist, außer bei Gewitter, den ganzen Sommer über offen. Fräulein Lindström hält auf gute Luft, und da sie fürchtete, eine Erkältung davonzutragen, wenn sie bei offenem Fenster schliefe, so wurde in der Nacht wenigstens die Tür nach dem Badezimmer aufgemacht, in dem das Fenster nie geschlossen wurde,« gab die Kammerfrau zur Antwort.
Nunmehr begab man sich nach dem »Försaal«, wo die Hausgenossen der Überfallenen verhört werden sollten.
Zuerst wurde die Aussage des Arztes zu Protokoll genommen. Er äußerte sich dahin, daß Fräulein Lindström einen Stich mit einem Messer oder Dolch in die linke Lunge erhalten hätte. »Für den Augenblick bin ich noch nicht imstande, etwas Näheres über die Verwundung anzugeben, da eine sorgfältige Untersuchung jetzt unmöglich ist. Vielleicht, daß ich sie gegen Abend vornehmen kann. Ich hoffe es sogar – sofern nämlich der Tod bis dahin nicht eingetreten ist, was ich aber kaum glaube.« Und nun folgte eine längere gelehrte Auseinandersetzung, welche dartun sollte, daß eine sorgfältige Untersuchung der Todkranken augenblicklich nicht anginge. »Vorher,« schloß Dr. Laurin, »darf die Kranke auch nicht gerührt werden.«
»Ist das gänzlich ausgeschlossen?« fragte der Staatsanwalt verdrießlich. »Solange die Kranke sich in ihrem bisherigen Zimmer befindet, kann dasselbe nicht durchsucht werden, was zum Zwecke der Ergreifung des Täters doch äußerst wünschenswert wäre.«
Dr. Laurin zuckte die Achseln. »Ich bedauere, aber ich darf es zur Zeit nicht gestatten, daß Fräulein Lindström von hier fortgeschafft wird. Es könnte ihren augenblicklichen Tod zur Folge haben. Die Erfahrung lehrt, daß dergleichen, zumal in den Jahren der Patientin, äußerst gefährlich ist. Ich kann die Verantwortung nicht auf mich nehmen. Aber, wie gesagt, wenn die Kranke in sechs bis acht Stunden noch lebt, so hoffe ich, daß ich eine Untersuchung werde vornehmen können. Bis dahin muß alles bleiben, wie es ist. Der Leutnant Jonsson dagegen kann sofort nach einem andern Zimmer überführt werden.«
Damit mußte der Staatsanwalt sich zufrieden geben.
Das nun folgende Verhör fand in dem Försaal statt. Es förderte wenig zu Tage, was Lars Bergh zum mindesten nicht schon vorher gewußt hatte.
Zuerst wurden die sämtlichen Dienstboten vernommen, deren Aussagen fast sämtlich übereinstimmten. Besonders häufig wandte der Kriminalkommissar, der die Fragen stellte, sich an die alte Hanna, die Kammerfrau, weil er annahm, daß diese als Fräulein Lindströms Vertraute am meisten um sie gewesen wäre. Die Hanna aber erklärte, daß ihre Herrin ihr niemals irgend etwas von Belang anvertraut habe und daß ihre Gesellschafterin, Ellida Bagge, ihr unendlich viel näher gestanden hätte als jemand von der Dienerschaft. Daraufhin wurde Ellida, die sich inzwischen bei ihrer Herrin aufgehalten hatte, herbeigerufen. Trotzdem sie mittlerweile sicherlich ausreichend Zeit gehabt hatte, sich zu fassen, sah sie fast noch blasser aus als zuvor.
Wie liebreizend sie war, erkannte Lars Bergh jedoch erst jetzt so recht. Ihre Gestalt war etwas über mittelgroß und von elfenhafter Zartheit, und ihr von flachsblondem Haar umrahmtes Gesicht vereinte die strenge Regelmäßigkeit der Antike mit einer unendlichen Weichheit und Süßigkeit des Ausdrucks. In dem zierlich gefertigten weißen Morgenkleide, das sie trug, machte sie eher den Eindruck einer jungen Prinzessin als den einer bezahlten Gesellschafterin. Sie beantwortete die an sie gerichteten Fragen mit leiser Stimme, aber durchaus sachgemäß, und bekundete, daß sie in Wisby geboren sei, als die Tochter eines dort wohnenden Landschaftsmalers, daß ihre Eltern aber schon seit acht Jahren tot wären und daß sie, nachdem sie danach zuerst bei Verwandten gelebt habe, vor nunmehr drei Jahren als Gesellschafterin Fräulein Lindströms in deren Haus gekommen sei. Fräulein Lindström, sagte sie, wäre ihr stets eine gütige Herrin gewesen, die sie fast wie ihre Tochter behandelt habe, und das furchtbare Unglück, welches sie betroffen, bereite ihr daher den tiefsten Kummer.
Als sie von der Güte ihrer Herrin gegen sie sprach, zuckte es seltsam um den Mund des jungen Zimmermädchens, mit dem Lars Bergh zuvor gesprochen hatte. Der Kriminalkommissar bemerkte es und unterbrach Ellida Bagges Worte mit der Frage an jene, ob sie anderer Ansicht wäre.
»Ich meine bloß, daß das gnädige Fräulein das Fräulein Ellida immerfort schikaniert hat, wie ich's mir wohl nicht gefallen gelassen hätte,« sagte das Mädchen.
»Hm! Und was meinen Sie dazu?« wandte Eknäs sich an die Gesellschafterin.
»Fräulein Lindström war eine in mancher Hinsicht etwas eigentümliche Dame,« gab diese ruhig zurück, »und vor allem sehr verbittert. Da geschah es denn leicht, daß sie auch denen gegenüber, denen sie wohlwollte, in eine verdrießliche Stimmung geriet. Da ich aber wußte, daß sie es gut mit mir meinte, so habe ich mich nie darüber gekränkt.«
Der Kriminalkommissar stand eine Weile schweigend, bald den einen, bald den andern der Anwesenden musternd. Dann plötzlich, ganz unvermittelt, richtete er an Ellida die Frage, ob ihres Wissens Fräulein Lindström ein Testament gemacht habe.
»Genau kann ich das nicht sagen, aber ich glaube, nein,« erwiderte sie. »Zum mindesten sprach sie öfters davon, daß sie eins machen würde, das aber würde sie doch nicht gesagt haben, wenn es schon geschehen wäre,« erwiderte das junge Mädchen.
»Hat sie auch gesagt, wen sie zu ihrem Erben einsetzen würde?« forschte Eknäs weiter.
»Ich denke, der Herr Leutnant Jonsson ist in jedem Fall ihr Erbe,« sagte Ellida.
Der Kriminalkommissar trat einen Augenblick ans Fenster und trommelte, hinaussehend, gegen die Scheiben. Dann drehte er sich um und fragte: »War das Verhältnis Fräulein Lindströms zu ihrem Neffen ein gutes?«
»Sie hat ihn immer wie ihren Sohn geliebt,« lautete die Antwort der Gesellschafterin.
Im Hintergrunde erklang ein leises, respektloses Lachen. Wieder war es das Zimmermädchen Karin, die es ausstieß.
»Was soll das heißen?« fuhr der Kriminalkommissar sie an.
»Ich erinnere mich bloß daran, daß das gnädige Fräulein mit dem Herrn Leutnant in letzter Zeit immerfort gezankt hat,« platzte das Mädchen heraus. »Manchmal war so'n Spektakel, daß man denken konnte, die beiden wollten sich an den Kragen. Wenn das ein gutes Verhältnis zwischen denen war, dann weiß ich wahrhaftig nicht, was ein schlechtes ist.«
»Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie später Ihre Aussage unter Ihrem Eide zu wiederholen haben werden, also nehmen Sie sich in acht, daß dann nicht Ihre spätere und Ihre jetzige sich widersprechen. Das könnte unangenehme Folgen für Sie haben,« sagte der Kriminalkommissar ernst.
»Ich sag' doch man bloß, was wahr ist und was alle wissen,« brummte die Karin.
Eknäs würdigte sie keines Blickes, sondern verhörte jetzt Lars Bergh. Dieser war in Wahrheit ja erst ins Haus gekommen, als bereits eine Menge von Menschen dort versammelt war, aber wenn er auch nichts Besonderes auszusagen hatte, so machte er seine Angaben doch so präzise, wie kein anderer es getan, weshalb der Kriminalkommissar denn auch nicht bedauerte, seinem Wunsch, dableiben zu dürfen, Folge gegeben zu haben.
Die Uhr war schon eins vorbei, als der Schriftsteller sich entfernen durfte. Über vier Stunden hatte er auf dem Schauplatze des Verbrechens zugebracht.
Seine hübsche kleine Frau begrüßte ihn denn auch mit vorwurfsvoller Miene. »Wo, in des Himmels Namen, bist Du denn gewesen?« rief sie ihm aufgeregt entgegen. »Erst willst Du morgens arbeiten und dann läufst Du mit einemmal fort und bleibst so lange aus, daß man meinen sollte, Du würdest überhaupt nicht wiederkommen.«
Lars erzählte ihr von dem Geschehenen, wobei er aber die Nachforschungen nicht erwähnte, die er auf eigene Hand angestellt hatte. »Wenn ich Glück habe,« schloß er, »dann – kommst Du vielleicht doch noch zu Deiner Reise. Wenn auch nicht jetzt, so am Ende über ein paar Monate.«
Sie sah ihn groß an. »Was hat denn Fräulein Lindströms Ermordung mit unserer Reise zu tun?« fragte sie.
»Je nun! Ich könnte ja über den Fall einen Roman schreiben, der so interessant wird, daß sie mir das doppelte Honorar zahlen.«
Sigrid zog verachtungsvoll die Schultern empor. »Mach' doch nicht solche dummen Witze,« schmollte sie.
Lars aber hob sein Töchterchen Tilla auf den Arm und schwenkte es in der Luft umher. »Möchtest Du eine Puppe haben, die sprechen kann, Maus?« fragte er das Kind. »Ja? Na, dann paß' auf, ich glaube, Du kriegst eine.«