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17.

Als das erste Abenddunkel den fürstlichen Wald schattete, ertönten Jagdhörner. Es war aber kein fröhliches Jagen, sondern ein ernster Gruß der Jäger für den toten Jägersmann und seine fürstliche Braut. In der schlichten, uralten Kapelle, die von den Kameraden mit Tannengrün und Stechpalmen geschmückt war, standen die Särge. Die Beeren des Ilex leuchteten blutrot, und der Fürst dachte an das junge Blut, das sich ihm geopfert hatte. Die Söhne hatten die sieche Mutter in ihrem schweren, bequemen Stuhl den Berg hinauf gefahren. Droben angekommen, hielt sie an jeder Hand einen Sohn, den ältesten und den jüngsten, und dachte mit nie gestillter Muttersehnsucht an den ernsten, geliebten zweiten. Auch die beiden offenen Gräber waren mit Tannen und Ilex ausgeschlagen. In hohen Trägern standen Fackeln und beleuchteten die ernsten Gesichter der Menschen ringsum. Der Pfarrer des Dorfes sprach nur ein kurzes Gebet. Er hatte den Wildrich von seinem Taufgang an bis zur Konfirmation immer liebgehabt. Die Stimme des Geistlichen versagte beinahe den Dienst. Er sah, wie der Fürst seinen Arm in den des alten Barons geschoben hatte, der sich nur schwer aufrecht erhielt. Als nun die beiden Särge hintereinander von je sechs Jägern aus der Kapelle getragen wurden, bliesen Fanfaren eine ernste Weise. Dankwart hatte Elisabeth an seine Seite gezogen, die Väter der beiden Toten standen zusammen, und die kranke Mutter bildete mit Illo die dritte Gruppe. Gräfin Wartberg hatte sich zu Hermine Eulenried gesellt. Nur das Englein stand ganz allein, lehnte sich an das halbverfallene Kapellchen und fand sich unsäglich verlassen. Sie hatte ihr Konfirmationskleid angetan, und ihr schönes, helles Gesicht hob sich lieblich von dem tiefen Schwarz ab. Angela sah, wie Illo von seiner Mutter festgehalten wurde, da nahm sie sich ein Herz und schritt auf ihn zu. Er war ja der einzige, den sie als Beschützer ansprechen konnte, vor dem Fürsten und dem alten Baron fürchtete sie sich unsäglich. Illo wurde sehr blaß, als das Englein vor allen Leuten plötzlich seine Hand nahm und an sich drückte. Aber dann ging ein gutes Lächeln über sein Gesicht. Er nahm das arbeitsfeste Händchen, wechselte den Platz und legte es in die Hand der Mutter. Dann stellte er sich an Engleins linke Seite und sah, wie seiner Mutter Hand die des Mädchens fest umschloß.

Es war niemand, dem dieser kleine Zwischenfall entgangen wäre. In dem Gesicht des alten Barons wetterleuchtete es gefährlich, aber das Englein stand ruhig und geborgen unter der Eulenriedsippe und sah mit großen, bangen Kinderaugen auf die Särge, die nun herabgelassen wurden in ihr letztes Bett. Der Fürst trat herzu, er stützte den Vater Wildrichs, und beide warfen je eine Handvoll Erde hinab. Dankwart und sein junges Weib folgten. Dankwart nahm die zweite Handvoll und rief vernehmlich: »Für die Mutter!« Und dann ging Illo Hand in Hand mit dem Englein an die Gruft, und so sahen alle Leute, daß sie zusammengehörten.

Nach dem Segen des Pfarrers über der noch offenen Gruft verabschiedete sich der Fürst ehrerbietig von den Frauen des Hauses Eulenried. Sein gütiger Blick streifte lächelnd das schöne Mädchen an Illos Seite, und es antwortete mit einer vortrefflich geschulten Verneigung, wie die Gräfin Wartberg beifällig bemerkte. Dann schritt er mit dem alten Baron zum Wagen des Fürsten, und die beiden Herren fuhren zur Burg hinauf. Sie sprachen nicht während der Fahrt, nur vor dem Burgtor, als Baron Eulenried von dem alten Hausmeister in Empfang genommen wurde, faßte der Fürst seine Hand. »Sie haben noch zwei prächtige Söhne und – zwei gesunde, schöne Schwiegertöchter, Baron, – mir ist nichts geblieben.« Dankwart und Illo fuhren die Mutter heim wie vorher. Elisabeth und Angela folgten schweigend. Die Gräfin ging Arm in Arm mit Tante Hermine. Gemeinsames Leid hatte sie zusammengeschlossen.

»Dies Fleckchen Erde wird uns nun oft sehen, dünkt mich«, sagte Tante Hermine bewegt, »und es wird immer eine gute Predigt für uns haben, nicht wahr, Gräfin?«

»Jawohl. Und ich habe heute mehr an geistigen Werten profitiert als sonst in zwölf Sonntagen eines Jahres.«

»Oh, ich meine, unser guter Pastor vermag uns doch allerhand zu geben«, verteidigte Tante Hermine ihren alten Seelsorger.«

»So? Vermag er?« spottete die Gräfin. »Dann ist er geizig, oder ich habe nie aufgepaßt.«

»Das letztere wird es sein«, stimmte Tante Hermine ruhig bei, und das verdroß die Gräfin.

»Aber heute hab' ich aufgepaßt, meine Gute«, rief sie triumphierend. »Die jungen Eulenrieds geben ihrem Erzeuger manche Nuß zu knacken. Wetter nochmal! Erst die Bauerntochter und nun pfuscht noch das Handwerk in die stolze Sippe ... sahen Sie das Gesicht Ihres Bruders, als das hübsche Bürgerkind sich den Illo kaperte?«

»Ich sah es.« Tante Hermine war sehr ruhig. »Die Nüsse werden meinem Bruder gut bekommen. Er hat noch leidlich feste Zähne, und Rohkost ist besser als zuviel Fleisch.

»Haha«, lachte die Gräfin laut, als käme sie von einer Hochzeit und nicht von einer Beerdigung, »ich habe ja das Maidli selbst auf die feudale Burg gebracht, weil der Dankwart ja versorgt war, aber ich glaubte nicht, daß der schöne Illo hinterherlaufen würde.«

»Gräfin, Sie sind boshaft. Und trotz Ihrer Klugheit nicht fortgeschritten. Ich bin der Meinung, daß unserm alten Geschlecht diese Blutauffrischung sehr wohltun wird.«

»Hermine Eulenried, ich bewundere Sie«, sagte die Gräfin aufrichtig. »And wir sollten öfters zusammenkommen – – meinen Sie nicht? ›Einschichtige‹ Ansichten können oft wertvoller sein als verheiratete.«

Tante Hermine schlug in die Hand ein. »Ich profitiere gern von einem Original«, meinte sie fein. »Und unser Wildrich hatte Sie lieb, ich weiß es.«

»Hatte er wirklich? Guter Gott, bei mir kommt immer alles zu spät. Warum mußte der Wildrich noch in der Wiege liegen, als ich schon aus dem Schneider war!«

Die Gräfin ging nachdenklich dem »Friedenshause« zu, ihr Falbelkleid erschwerte sehr den Waldweg. »Die Hermine ist hundertmal mehr wert als ich«, dachte sie in schmerzlicher Selbsterkenntnis. »Da habe ich doch weiß Gott bis heutigen Tags dem vermorschten Eulenried nachgetrauert, und sie hätte einmal einen Reichsunmittelbaren haben können und hat ihn abgelehnt, weil er unsauber war ... Wartberg, schäm dich!«

Auf der Burg herrschte Gewitterstimmung. Und die Söhne hatten mit ihrer Mutter doch so sehr gehofft, die wenigen Stunden von Illos Urlaub so recht in stiller Eintracht zu verbringen. Angela Distelfink ging ganz auf im Betreuen der gütigen Baronin. Illos Mutter! Einmal auch ihre Mutter! Das Englein war so sicher im Besitz des Geliebten, und alles, was sie in Eulenried umgab und erfuhr, machte sie reifer und reicher. Die Gelegenheit zum Jähzorn und »Wüsttun« war ihr gänzlich genommen. Aller guten Vorsätze voll erfüllte sie ihre Pflichten, und die Mutter meinte, ihre Schmerzen würden linder, wenn die starken und doch zarten Hände des lieblichen Kindes sie bedienten. Freilich fürchtete sie noch das Strafgericht ihres Mannes, wenn er den Illo zu Gesicht bekäme. Das blieb nicht aus. Gleich nach dem späten Nachtmahl wurde der Sohn in das Herrenzimmer gerufen. Das Gewitter brach los, kaum daß Illo die Tür hinter sich geschlossen hatte.

»Was ist das für eine Komödie? Soll hier Schindluder mit mir gespielt werden? Die kranke Mutter schiebst du vor, um dein Handwerkerliebchen hier ins warme Nest einzuschmuggeln?«

»Du vergißt dich, Vater. Das Nest des Meisters Distelfink ist wärmer als die verfallene Burg Eulenried!«

»So? Und warum bliebst du nicht dort? Samt dem kleinen berückenden Teufel?«

»Ich kam auf Einladung des Fürsten und dringenden Ruf der Mutter zur Beisetzung meines Bruders. Das Englein hat die Gräfin Wartberg hergeholt. – Es war ein Opfer des verwöhnten Kindes, – sie hat es wohl meinetwegen gebracht.«

»Wie gütig! Und was weiter?«

»Angela und ich sind einig. Ich werde sie heiraten, wenn ich Meister bin.«

»Und ich werde dich enterben!« schrie der Baron.

»Das kannst du nicht. Denn es gibt nichts zu erben von dir. Und von den Verpflichtungen, unser verkommenes Heim und verlottertes Gut wieder aufzubauen, lasse ich mich niemals entbinden, Vater... Du hast ja auch Elisabeth Kreihorst in Gnaden aufgenommen ...«

»Erinnere mich nicht dran. Aber sie ist reines Bauernblut. Seit vierhundert Jahren sitzen sie auf eigener Scholle.«

»Das tun die Distelfinks auch. Vater, sei doch gut! Man sagt mir eine große Zukunft voraus. Viel zu spät habe ich entdeckt, daß ich ein geborener Uhrmacher bin. Sonst wäre ich jetzt weiter.«

»So! Und was wird werden, wenn du am weitesten bist?«

»Dann will ich meine Meisterwerkstatt in den Eulenried bauen und eine Uhrmacherschule einrichten. Ganz Ilmenbach, unser verarmtes Dorf, will ich zur Blüte bringen, so wahr mir Gott helfe.«

»Du bist wahnsinnig!« keuchte der alte Baron. »Und wer hat dir den ganzen Schwindel von Uranfang in den Kopf gesetzt, du verlorener Sohn?«

»Das wird wohl ein Ahn gewesen sein. Es muß sich unter unseren Vorfahren ein genialer Uhrmacher befunden haben, nicht nur laut Urkunde nur tapfere Offiziere, Raubritter und Schnapphähne ...«

Die Augen traten dem alten Baron aus dem Kopfe. »Hinaus!« schrie er, sinnlos vor Zorn. »Ich hab' dich schon einmal zum Teufel gejagt ...«

»Jawohl, Vater, – und ich will nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, – ich lasse dir das Englein hier. Sei ritterlich zu ihm.«

Ganz leise schloß er die Tür. Und bat Dankwart, der draußen mit Sorge in das todblasse Gesicht des Bruders blickte, nach dem Vater zu sehen, der wohl krank sei. –

Illo ging zu seiner Mutter. Sie war ganz Sorge um ihn, man hatte die Stimme des aufgeregten Vaters bis in das Zimmer der Leidenden schallen hören. Aber ihr Herz war stark und zuversichtlich. Illo würde sich niemals eine Unziemlichkeit gegen den Vater erlauben. Angela und Tante Hermine saßen stumm daneben. Fräulein von Eulenried nicht ganz so stumm, denn sie hatte eben mit erleichtertem Seufzer gesagt: »Wie bin ich doch froh, daß ich nicht geheiratet habe!«

»Und ich denke es mir so schön l« rief das Englein gerade, als Illo hereintrat.

Alle sahen erschreckt auf sein düsteres Gesicht.

»Mutterle, – ich bitte dich, segne uns beide, meine junge Braut und mich. Sie soll nicht in schiefer Stellung bei uns sein, – das bin ich dem Meister schuldig. Gelle, Englein, unserem Großvater?«

»Um Gott, Illo!« rief seine Mutter, hast du mit Vater darüber gesprochen? Was sagt er?«

»Er hat mich zum Teufel gejagt, Mutter, – zum zweitenmal.«

»Dann gehe ich auch!« rief das Englein jähzornig, »ich will lieber beim Teufel sein als bei deinem Vater!«

»Angela!!!« Ein Ruf aus drei Kehlen.

Das Mädchen bebte vor Aufregung.

»Komm her, Zornnickel, du!« Tante Hermine führte es ganz nahe an den Krankenstuhl. »Meinst, Illos Mutter könnte euch ihren Segen geben, wenn du zum ›Hörnermann‹ strebst?«

»Ich strebe nicht, – er hat ihn hingejagt, meinen Illo ...«

»Will dir was sagen, Maidli, du hast selbst den Teufel im Leibe; hat dir das noch niemand gesagt?«

»Doch. Der Großvater, und Muhme Konkordia, und der Kaspar Gärisch, und zwei Lehrer ...«

»Das genügt für ein Schaltjahr«, seufzte Tante Hermine.

Aber Illo umfaßte sein streitbares Mädchen und kniete mit ihr ganz selbstverständlich und ganz altmodisch vor dem Liegestuhl nieder, denn sie waren beide hochgewachsene, gesunde Menschenkinder, und die Mutter lag klein und gekrümmt vor ihnen und war doch größer als alle beide. – Auf die blonden, schönen Köpfe legten sich die Mutterhände.

»Ich habe euch beide lieb, und dein Mädchen ist mir recht«, sagte sie schlicht, und das war wahrlich ein guter Segen.

Angela küßte die Hand der Mutter. »Ich will gut werden«, sagte sie ernst. »Es ist schön, eine Mutter zu haben, besser als eine Base Konkordia.«

»Oh, – ›Konkordia‹ ist immer schön«, meinte Tante Hermine. »Und ich bin auch nicht von Pappe. Gute Muhmen sind überhaupt immer ein Segen in der Familie, daß du's weißt, du Dummerjan.« »Gib ihn her, den Segen!« rief Illo fröhlich. »Tantchen, was wären wir ohne dich!?«

Da nahm sie beide an ihr Herz.

»Vater geht es nicht gut«, sagte Dankwart im Hereintreten, »ich fürchte, er hat wieder mal zu gach seinen schweren Rotwein getrunken. Ich habe ihn zu Bett gebracht. Es soll ihn niemand stören.

»Komm, Englein, wenn es die Mutter erlaubt, zeige ich dir die ganze Burg einmal richtig. Vierzehnhundertundzehn ist sie erbaut und fünfzehnhundertsechsunddreißig haben wir Eulenrieds sie erobert.«

»Du hast mich erobert«, sagte Englein.

»Jawohl, so ähnlich. Aber dann bist du mir im Walde entgegengekommen und hast dich freiwillig ergeben. Sieh' unser schönes Burgtor. Seinen tapferen Spruch kennst du ja. Und immer wenn du einen guten Vorsatz gefaßt hast, dann sage: › Nun Quam retrorsum‹.«

»Du bist mein guter Vorsatz, Illo. Und ich sage: ‹ Nun Quam retrorsum‹.«

Er lachte: »Närrchen, du hast Humor. Und wenn man sich einen ganz armen Schatz erkiest, dann braucht man Humor.«

»Ich möchte noch fragen, warum du solch hohen Namen und eine Burg hast und doch arm bist?«

Er sah sie erstaunt und ernst an. Aber er fand es wunderschön, daß sie so weltfremd war. Wie konnte er ihr auch sagen, daß in seiner großen Sippe sich immer ein Lüderjan, ein Trinker oder Verschwender befunden habe, der zugrunde richtete, was er hätte stützen oder neu aufbauen sollen. »Du wirst noch manch Trauriges von mir hören, kleines Lieb, wenn wir erst Mann und Frau sind. Aber jetzt, gelle, jetzt wollen wir fröhlich sein. Bis morgen sind auch nur noch wenig Stunden, denn ich muß in aller Herrgottsfrühe fort.«

»Ja, und ich möchte mit. Ich habe solche Angst vor deinem Vater, – dann habe ich deine Mutter so lieb und möchte bei ihr bleiben. Ob sie wirklich erlaubt, daß ich sie Mutter nenne? Denk' nur, ich habe ja das Wort noch nie gesagt. Es ist wie das schönste Hochzeitsgeschenk!«

Er küßte den roten Plaudermund, und dann schritten sie in das zweite und dritte Stockwerk hinauf durch hallende Säle mit prachtvollen Barock- und Renaissancemöbeln, deren Überzüge verschlissen und verblichen waren.

»Oh, Illo, es ist alles kaputt, – warum habt ihr 's nicht ganzmachen lassen? Muhme Konkordia kann gut polstern, sie hilft unserem Sattler, wenn bei uns ein Sofa hilfsbedürftig ist. Wenn wir verheiratet sind, muß sie her.«

Zuletzt öffnete Illo noch ein riesiges, mit flämischen Möbeln ausgestattetes Herrenzimmer; er besann sich nicht, jemals darin gewesen zu sein, obgleich es seinem Vater gehört hatte. Die Wände waren von kleinen Kugeln durchlöchert, auch die kostbare Einrichtung hatte als Zielscheibe unzähliger Geschosse gedient.

»War dies eine Schießbude?« fragte Englein entsetzt. »Ich habe auch gern geschossen auf dem Jahrmarkt, aber nie in einem so schönen Saal. Oh, da würde Base Konkordia aber schimpfen. War denn niemand da, der die Kerle ausschalt?«

Illo dachte an seine Mutter, die schon in jungen Jahren von dieser schweren Gicht befallen wurde, und an ihre Sanftmut und Güte dem wilden, unbotmäßigen Gatten gegenüber.

»Wirst du auch mit deinen Freunden schießen, wenn wir erst hier wohnen?« fragte das Mädchen lebhaft.

»Wo denkst du hin? Wir werden dann mit lauter ehrsamen Handwerkern verkehren.«

»Ach sooo!« Sie war nicht sehr erbaut. »Diese Schützengilde muß lustig gewesen sein. Vielleicht könnte man ihnen auch einige Möbel vorsetzen, die bereits zerschossen sind.«

Illo wechselte das Thema, das seiner Braut zu behagen schien. Ein kostbarer riesengroßer Schreibtisch fesselte seine Aufmerksamkeit. Der hatte seinem Vater gehört, und alle wichtigen Papiere mußten darin verschlossen sein. Das Schloß am Schreibtisch war ein altertümliches Kunstschloß, welches kein Unbefugter, kein Nichtkenner öffnen konnte. Der Schlüssel hatte acht Zuhaltungen. Außerdem war noch ein Mechanismus angeschlossen, – es durfte beim Aufschließen nur einhalbmal herumgedreht werden. Illo hatte diese Seltsamkeit, die ein Schmiedemeister auf Wunsch des alten Barons gefertigt, immer mit Bewunderung betrachtet und war auch von seinem Vater eingehend darüber belehrt worden. Auch dieser Tisch trug Schußwunden, aber Illo wollte die Mutter bitten, daß er das schöne Stück zum Geschenk erhalten könne. Der Vater benutzte Zimmer und Schreibtisch ja doch nicht mehr.

Das Paar ging noch zum Kreihof, wo Illo seine Braut vorstellte. Wie gut seine Geschwister zu ihr waren! Das Englein vergaß schier die baldige Trennung von ihrem Liebsten in dem Gedanken, wirklich eine zweite Heimat gefunden zu haben. Sie wollte die Mutter bitten, daß auch der Großvater hierherkommen dürfe, – vielleicht an den schönen Herbsttagen des Oktobers, wenn die Laubwälder sich verfärbten und die gelben Birkenblätter auf dem Moosboden lagen, daß es beim Scheine der Wagenlaternen aussah, als fahre man durch die »Stadt der goldenen Gassen«.

»Man weiß nicht, wenn Englein schöner ist: wenn sie sinnend dasitzt, oder wenn sie mit den blauen Augen funkt, ohne zu wissen, daß sie es tut?« And diese Frage warf nicht etwa Dankwart oder Illo auf, sondern der alte Bauer Kreihorst. »Ich danke Ihnen, Illo, daß Sie uns dies Gotteswunder gezeigt haben. Schöne Bilder müssen nicht in dunkeln Stuben hängen, sondern gezeigt werden. Man geht noch einmal so frisch an die Arbeit, wenn ein junges, schönes Maidli den Morgengruß sagt. Ein Jäger trifft nichts, wenn ihm ein altes Weib begegnet.«


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