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I.
An eine unbekannte Dame
München, 20. September 1928. Sehr geehrtes gnädiges Fräulein! Entschuldigen Sie, bitte, gütigst, wenn ich Sie mit einer Anfrage belästige. Es hat sich bei mir X X als Jungfer gemeldet. Sie war von ... bis ... bei Ihnen in Stellung. Ich wäre sehr dankbar für eine kurze Auskunft, ob das Mädchen für die genannte Stellung zu empfehlen ist. Im voraus für die gütige Bemühung bestens dankend bin ich Ihre ergebene N. N. |
Antwort
Leipzig, 25. September 1928 Sehr geehrte gnädige Frau! Gerne gebe ich Ihnen Aufschluß über X X. Ich kann sie als durchaus verständig, zuverlässig ... nur aufs wärmste empfehlen. Es würde mich freuen, wenn meine Auskunft diesem tüchtigen Mädchen zu einer guten Stelle verhelfen sollte. Ihre ergebene N. N. |
II.
Bestellung an ein Geschäft.
..., den ...
Firma X
Bitte, schicken Sie mir eine Kiste Orangen laut Ihrer Preisliste und zwar 100 Stück Valenciaorangen zu 9 Mk – neun Mark – Frau X. |
III.
Brief an einen Herrn.
..., den ... Sehr geehrter Herr X. Besten Dank für Ihre freundliche Auskunft! Ich werde der Sache nach meiner Rückkehr nähertreten. Hochachtungsvoll X. X. |
IV.
Beileidsbrief (an jemand Höhergestellten).
Sehr verehrte Exzellenz! In der Zeitung las ich von dem schweren Schicksalsschlag, der Sie und Ihre Familie traf, und möchte Sie mit diesen wenigen Zeilen meiner aufrichtigsten Anteilnahme versichern. Mit dem Ausdruck meines tiefgefühlten Beileids verbleibe ich, sehr verehrte Exzellenz, Ihre ganz ergebene X. X. |
a) Verheirateter mit Frau
Max Schulze
München Annastraße 5 |
b) Verheiratete Dame
Marie Schulze
München Annastraße 5 |
c) unverheiratete Dame
Marie Müller u. A. z. n Annastraße 5 |
mit schriftlich ausgeführtem Vermerk u. A. z. n. = »um Abschied zu nehmen«.
Bemerkung: Wie bereits oben ersichtlich, sind die Größen der Visitenkarten verschieden; man kann da nach eigenem Geschmack wählen. Nehmen Sie nur weiße, nie bunte Karten, auch nicht mit Goldrand oder sonstigen Verzierungen! Bei Trauer nimmt man Visitenkarten mit Trauerrand.
Ich hoffe, im Vorstehenden die hauptsächlichsten Fragen besprochen zu haben. Sollte einiges nicht berührt sein, so frage man gute Bekannte um Rat oder sehe zu, wie die andern es machen.
Wenn in der einen oder anderen Stadt gewisse Sitten und Gebräuche herrschen sollten, die vielleicht von dem sonst Herkömmlichen etwas abweichen, dann füge man sich dem Gesellschaftskreis, in dem man gerade verkehrt, und denke nicht etwa daran diesen ummodeln zu wollen; man würde nur Anstoß erregen und nichts erreichen.
Zum Schlusse, meine sehr verehrte Leserin, möchte ich nochmals betonen, daß es mir gänzlich fern gelegen hat hier eine für jede Dame passende Norm zu geben; aber ich denke doch, daß vielleicht dieser oder jener Wink Ihnen nicht ganz unwillkommen war.
Jedenfalls seien Sie überzeugt, daß ich immer tief durchdrungen bin und durchdrungen sein werde von den schönen Versen in Goethes Tasso:
»Willst du genau erfahren, was sich ziemt,
So frage nur bei edlen Frauen an!«
Trachten Sie durch Wort und Beispiel darnach, meine verehrten Damen, daß dieses Dichterwort stets Wahrheit bleiben möge!