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Vorwort

Als mein Buch »Der vornehme Herr« kaum einige Wochen erschienen war, erhielt ich zahlreiche Anfragen, ob ich nicht auch ein ähnliches über die Dame schreiben könnte. Ich habe mich erst dagegen gesträubt; aber als ich auch von berufenster Seite darum gebeten wurde, glaubte ich doch den Bitten nachgeben zu müssen.

Mein erstes Bedenken war zunächst, ob ein Herr überhaupt in der Lage sei, ein richtiges Urteil über den vornehmen Ton der Dame abzugeben. Ich glaube es jedoch unbedingt bejahen zu müssen; denn gerade bei der Ehrfurcht, die wir vor dem schönen Geschlecht haben, fallen uns vielleicht gesellschaftliche Fehler, die geeignet sind das schöne Bild zu trüben, mehr auf als den Damen selbst, und weshalb sollen wir Herren da nicht auch beurteilen können, wie diese zu vermeiden sind?

Selbstverständlich mußte ich mir bei Einzelheiten, z. B. bei den Toilettenfragen der Damen, öfters deren Rat erholen. Dieser wurde mir stets bereitwilligst erteilt.

Weit schwerer wog das Bedenken: Für welchen Kreis unserer Damen soll ich das Buch schreiben? Früher war das entschieden sehr viel einfacher. Die meisten Damen lebten ihr Leben als Tochter des Hauses oder als Hausfrau; nur Ausnahmen waren es, wenn ein Beruf ergriffen wurde. Heute hat sich das alles verschoben, da ein sehr großer Teil – auch aus den besten Kreisen – gezwungen ist, sich einem Beruf zu widmen, der früher nur den Männern offen stand. Wie diese Damen – in fraglos richtiger Weise – versuchen, es da den Männern gleichzutun, so versuchen sie leider auch häufig außerhalb des Berufes ihnen in Sitten und Gewohnheiten ähnlich zu werden. Für solche ist das nachstehende Buch nicht geschrieben. Sie sind ein neuer, in der guten Gesellschaft eigentlich noch nicht recht verstandener Typ, und wenn sie sich darin ausbilden wollen, dann mögen sie mein Buch »Der vornehme Herr« lesen, in dem sie alles Wissenswerte finden werden. Aber, meine sehr verehrten Damen, wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, so seien Sie getrost in dem schaffenden Beruf dem Manne so ähnlich wie nur möglich, streifen Sie jedoch außerhalb desselben diese Eigenschaft ab; denn Sie begeben sich sonst der schönsten Reize der Frau. Im allgemeinen gefällt doch immer noch am besten die Dame in ihrer von uns Herren stets so hochverehrten und geachteten vornehmen Weiblichkeit, und gerade sie soll in erster Linie nicht nur selbst Trägerin der guten Sitte sein, sondern dieselbe auch dem Kreise aufprägen, der sie umgibt.

An alle, die sich mit mir in diesem Gedanken eins wissen, sind daher die nachfolgenden Zeilen gerichtet.

Bevor ich an meine eigentliche Aufgabe herantrete, sei erst noch die Frage erläutert: »Gibt es überhaupt eine feste Norm für das Benehmen der vornehmen Dame?« Diese Frage stellen heißt eigentlich schon sie verneinen, und das tue ich auch unbedingt.

Der Herr ist mit seinem Benehmen in der guten Gesellschaft immer an ein gewisses Schema gebunden. Bei den meisten gesellschaftlichen Fragen steht es für ihn fest, wie sie zu erledigen sind, und jede Abweichung davon wird als falsch empfunden.

Anders verhält es sich bei der Dame. Ihr ist es viel mehr gestattet sich individuell auszuwirken.

Nie trifft das Wort: »Eines schickt sich nicht für alle« besser zu als bei den Damen. Bei einem jungen Mädchen wird manches schön und anmutig wirken, was bei einer älteren Dame geradezu grotesk aussähe; andererseits kann eine ältere Dame sich manches erlauben, wodurch ein junges Mädchen direkt Anstoß erregt. Es ließen sich hiefür verschiedene Beispiele anführen, aber dieser kurze Hinweis mag genügen.

Das ist es aber gerade, was es so schwer macht über das Wesen der vornehmen Dame zu schreiben, weil es sich so verschieden auswirkt.

Deshalb bitte ich also die verehrte Leserin gleich zu Anfang um Entschuldigung, wenn sie mit dem einen oder anderen, was ich sage, nicht ganz einverstanden ist.

Es sollen hier nicht feste Normen, sondern mehr allgemeine Richtlinien und Fingerzeige gegeben werden. Mag jede Dame sich dann heraussuchen, was sie für ihre Persönlichkeit am besten erachtet.

Gelegentlich eines Gespräches hörte ich einmal den Einwand: »Wer die guten Manieren nicht gewissermaßen mit der Muttermilch eingesogen hat, dem nützt auch das beste Buch nichts.« Ich halte diese Äußerung entschieden für verfehlt. Es ist sicherlich richtig, daß jemandem, der von Haus aus gar keinen Sinn für gutes Benehmen hat, dieses nicht durch ein Buch beigebracht werden kann; aber es gibt so vieles, was der älteren Generation noch als selbstverständlich erscheint, und was von der Jugend nicht mehr beachtet wird, da sie vielfach unter dem Zwang der Verhältnisse ganz anders aufgewachsen ist. Für sie in erster Linie sollen meine Worte als Hinweis dienen.

Ich glaube auch sicherlich, daß es mancher vornehmen Dame ganz angenehm sein wird, wenn sie im Nachfolgenden das bestätigt liest, was ihr von Jugend auf stets Richtschnur war; und vielleicht findet sie doch den einen oder anderen Punkt heraus, auf den sie ihre Tochter aufmerksam machen wird, der ihr sonst entgangen wäre. Und wenn ich mir aus jedem Buch, das ich lese, auch nur ein Körnchen für die Zukunft heraussuche, so ist es sicherlich nicht vergeblich geschrieben.

Zum Schlusse sei noch bemerkt, daß ein größerer Teil der nachfolgenden Zeilen aus dem Eingangs erwähnte Buch – »Der vornehme Herr« – entnommen ist, da naturgemäß vieles im Rahmen meiner Ausführungen für Herren und Damen die gleiche Geltung hat.

Regensburg,
im Februar 1929.


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