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Verehrte Leserin, glauben Sie nur nicht etwa, daß ich Ihnen hier eine lange Abhandlung über Toiletten halten werde; denn wie Sie sich zu kleiden haben, das wissen Sie schon selbst am besten, und es wäre von einem Herrn vermessen, Ihnen da einen Rat geben zu wollen.
Jede Dame ist richtig angezogen, wenn das, was sie anzieht, auch nach dem richtigen Geschmack gewählt ist; und daran fehlt es Ihnen sicherlich nicht.
Auch die Frage der Schneiderin will ich hier nicht zu lange erörtern. Wenn eine Dame eine besonders schöne Toilette trägt und von bewundernden oder neidischen Leuten gefragt wird: »Von wem stammt denn diese prachtvolle Toilette?« so hört man oft den Namen einer bekannten teueren Schneiderin aus der Großstadt nennen. Ich muß wirklich sagen: das hat mir eigentlich nie so sehr imponiert; denn sich eine bedeutende Schneiderin zu leisten, ist mehr oder weniger eine Frage des Geldbeutels. Wenn aber jemand antwortet: »Das Kleid hat eine ganz kleine, unbekannte Schneiderin gemacht,« oder »ich habe es fertig und sehr billig gekauft,« dann sage ich mir immer: »Hut ab, meine Gnädigste; ob Sie viel Geld haben oder nicht, ahne ich nicht, aber jedenfalls haben Sie einen vorzüglichen Geschmack.«
Sich mit Hilfe eines ersten Ateliers der Großstadt hervorragend zu kleiden ist keine Kunst, wohl aber gehört viel dazu, bei einer einfachen Schneiderin oder für billiges Geld das Richtige zu treffen. Deshalb grämen Sie sich nicht, meine Damen, wenn Ihr Toilettengeld nur knapp bemessen ist! Es ist damit noch lange nicht gesagt, daß Ihre Kleider dadurch unvorteilhaft von denen Ihrer mehr begüterten Mitschwestern abstechen müssen.
Daß eine korpulente Dame sich nicht gerade Kleider machen läßt, die diese Eigenschaft besonders betonen, daß eine Dame mit blassem Gesicht nicht gerade eine Farbe wählt, wodurch die Blässe noch mehr hervorgehoben wird, daß eine Dame mit dunklem Haar etwas anderes wählen wird als eine mit hellem, ist eine solche Selbstverständlichkeit, daß darüber gar nicht weiter zu reden ist.
Die Toiletten der Damen sind stets so der Mode unterworfen, daß es unmöglich ist auch nur annähernd eine Norm dafür anzugeben. Was in diesem Jahr höchst modern ist, können Sie vielleicht im nächsten Jahr überhaupt nicht mehr tragen.
Deshalb möchte ich hier nur kurz einige Richtlinien angeben, bei welcher Gelegenheit die einzelnen Toiletten zu tragen sind.
Vormittags wird meist ein einfaches Kleid gewählt, es muß aber immer nett und adrett sein. Eine Dame darf nie unordentlich daherkommen.
Bei offiziellen Besuchen trägt man ein elegantes Straßenkleid mit Hut (der Mantel wird im Vorplatz abgelegt) und helle Lederhandschuhe, während man zum Tee ein Kleid aus Seide oder seidenartigem Gewebe vorzieht und ebenfalls Hut und helle Handschuhe trägt.
Es gibt so viele Abarten der Stoffe, die wieder sehr der rasch wechselnden Mode unterworfen sind, daß es unmöglich ist etwas Bestimmtes anzugeben.
Das eine ist sicher, daß man stets das Teekleid auch zu einer Mittagseinladung tragen kann.
Gewöhnlich kommt die Dame, wenn sie zum Mittagessen eingeladen ist, mit Hut, aber diese Sitte unterliegt der Mode, ist vielleicht auch nach Gegenden verschieden. Nie aber wird die Dame bei Gesellschaften im eigenen Heim einen Hut aufsetzen.
Die Gesellschaftstoilette für den Abend ist immer dekolletiert.
Eine Dame braucht naturgemäß mehr Abendkleider als der Herr Anzüge, aber dafür ist sie ja auch so geschickt durch verschiedene Blumen und kleine Abänderungen jedem Kleide eine andere, mehr persönliche Note zu geben. Nur empfehle ich Ihnen, wenn Sie nicht über eine recht große Börse verfügen, nicht zu grelle, ins Auge fallende Farben zu wählen. Ziehen Sie ein solches Kleid mehrmals an, so wird es so leicht bei »guten« Freundinnen heißen: »Hat denn die ihr altes Kleid schon wieder an?« Bei ruhigen Farben wird man das gar nicht so sehr bemerken, besonders nicht, wenn die oben erwähnten kleinen Änderungen dazu kommen.
Jedenfalls rate ich unbedingt, lieber wenige und geschmackvolle als viele und geschmacklose Toiletten zu besitzen.
Der Mode ist natürlich Rechnung zu tragen, aber nie in einer Form, daß der Anstand dadurch verletzt wird. Eine Dame muß sich viel zu gut dafür dünken. Jegliche falsche Prüderie ist allerdings auch unangebracht.
Gerade in diesem heiklen Punkt offenbart sich die wirklich vornehme Dame in ihrem richtigen Taktgefühl.
Zu Abendgesellschaften kann man getrost in seinem Tagesmantel gehen, wenn auch ein eigentlicher »Abendmantel« oder »Kape« eleganter ist.
Eine Pelzboa, einen Schal oder eine Echarpe über dem Abendkleid zu tragen ist sowohl eine Frage der Mode als auch der Empfindlichkeit gegen Zugluft und Kälte, womit man doch manchmal rechnen muß.
Die Mode der Fächer hat sich teilweise überlebt, scheint aber auch schon wieder aufzutauchen. Art und Größe der Fächer wechselt ebenfalls sehr mit der Mode.
Zu Abendgesellschaften wird man stets weiße Glacé- oder schwedische lange Handschuhe tragen. Beim Ball wird man sie, abgesehen vom Souper, stets anhaben; bei Einladungen zum Essen behält man sie an, bis man zu Tisch geht und streift sie vorher ab, um sie eventuell vor dem Weggehen wieder anzuziehen.
Im Theater und Konzert wird sich die Toilette nach dem Platz richten, den man einnimmt. Auf den besten Plätzen wird aber wohl mindestens ein Teekleid angezogen. Es ist dies auch ortsweise verschieden.
In vornehmen Hotels und Restaurants wird Abends häufig Gesellschaftstoilette (mit dazu passendem Hut) getragen.
Schuhe und Strümpfe sind der Kleidung anzupassen, aber darin wechselt die Mode und man muß das Gebräuchliche tun.
Zu Beerdigungen gehen die Damen in Schwarz mit schwarzen Handschuhen, schwarzen Strümpfen und schwarzen Schuhen. Die Leidtragenden nehmen außerdem noch einen Kreppschleier.
Bei Trauer unterscheidet man zwischen Krepptrauer, tiefer und Halbtrauer.
Krepptrauer trägt man nur für Eltern, Großeltern, Gatten, Kinder und Geschwister.
Jede Art von Pelzwerk, auch farbig, ist bei Trauer gestattet.
Die früher streng gehandhabte Norm für Trauerzeit war beim Tode von Eltern, Kindern oder Gatten ein Jahr, Großeltern und Geschwistern ein halbes Jahr, Onkel bezw. Tanten ein viertel Jahr, Vettern bezw. Cousinen sechs Wochen, davon die erste Hälfte der Zeit tiefe, die zweite Halbtrauer, bei Vettern bezw. Cousinen nur Halbtrauer.
Neuerdings nimmt man es häufig nicht mehr so streng. Es kommen da auch zu viel Gefühlsmomente in Frage, deren Beurteilung jedem einzelnen überlassen bleiben muß. Häufig wird auch die pekuniäre Seite mitzusprechen haben.
Wenn Sie irgend einen Sport betreiben, so wird die entsprechende Kleidung sich selbstverständlich ganz nach der Art des Sportes, der Jahreszeit und Gegend richten. Dringend empfehle ich Ihnen aber sich nur wirklich Zweckmäßiges anzuschaffen und nicht auf Kosten der Mode sich Unbequemlichkeiten aufzuerlegen. Also kein zu dünnes Schuhwerk beim Bergsteigen, kein zu enges Kleid bei Bewegungsspielen und dergleichen! Sie könnten Ihre Eitelkeit sonst bitter büßen müssen.