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Meine kleine Karawane verließ am Abend des 21. Dezember Magommeri und ging nach dem eine Stunde südwestlich davon gelegenen Ort Bumbum, wo durch die Fürsorge des Alamino uns das Nachtlager bereitet war.
Vor dem Aufbruch hatte ich noch eine rührende Szene erlebt. Wie sich der Leser erinnern wird, führte mein Diener Hammed einen etwa acht Jahre alten Negerknaben mit sich, den er in Uandala vom Sultan geschenkt erhielt. In Magommeri bestimmte ich nun, er solle den Knaben gegen eine entsprechende Geldentschädigung an Mohammed Gatroni abtreten, damit ihn dieser mit nach Fesan nähme. Die beiden waren auch mit meiner Anordnung einverstanden. Als aber dem kleinen Edris – so hatte ich das Kind genannt – bedeutet wurde, daß er von Hammed getrennt werden sollte, fing er jämmerlich an zu weinen; er hatte sich an seinen Herrn, obgleich er ihm erst wenige Monate zugehörte, bereits aufs innigste attachiert und wollte durchaus nicht von ihm lassen, ja, er mußte bei unserem Abzug eingesperrt werden, und noch weithin vernahmen wir sein markdurchdringendes Geschrei. Zwei Jahre nachher traf ich in Tripolis wieder mit dem alten Gatroner zusammen; ich fragte ihn sogleich, was aus Edris geworden sei, und erfuhr zu meiner Genugtuung, der Knabe lebe und gedeihe bei ihm in Fesan, wo er von seiner Frau wie ein eigenes Kind gehalten werde.
Am anderen Morgen wurde um halb acht Uhr abmarschiert. Eine Stunde lang hielten wir westsüdwestliche, von da an beständig südwestliche Richtung. Das Aneroid zeigte eine allmähliche, sanfte Steigung des Bodens. Trotz der schon vorgerückten trockenen Jahreszeit standen hier rechts und links am Weg große Wassertümpel, in denen sich viele Wildschweine wälzten; auch anderes Wild zeigte sich in ziemlicher Menge. Hier und da prangte noch eine Pflanze in so saftigem Grün wie zur Regenzeit. Mächtige Adansonien traten auf; die Basis eines Baumes hatte siebzehn Meter Umfang, und in seinem hohlen Stamm konnte ich mich liegend bequem nach allen Seiten hin ausstrecken. Um halb zwei Uhr kehrten wir in dem etwas links vom Weg liegenden Ort Lamboa ein, der schon zur Provinz Karagga-Uora gehört. Dort blieben wir über Nacht.
In den Morgenstunden des folgenden Tages verdunkelten Höhenrauch und Wüstenstaub im Verein den Himmel, so daß die Sonne, als sie endlich sichtbar wurde, wie eine dunkelrote Kugel erschien. Wir legten an diesem Tag sieben Stunden zurück. Über leichtgewelltes Terrain kamen wir nach der ersten Stunde auf einen ebenen, mit vielen leeren Strohhütten besetzten Platz. Es ist der Marktplatz für den Ort Karagga-Uora, den wir um halb zehn Uhr erreichten; jeden Freitag verwandeln sich die leeren Hütten in Verkaufsbuden. Der hübsch gelegene Ort gehört zur einen Hälfte dem Alamino, zur anderen dem Katschella blall. Am Eingang desselben fiel mir ein Feigenbaum wegen seiner erstaunlichen Dimensionen auf, welche die unserer stärksten Eichen übertrafen. Die Früchte, die gerade reif waren, unterscheiden sich äußerlich nicht von den Feigen des südlichen Europa, sind aber bei weitem nicht so süß von Geschmack. Gleich hinter den Ackerfeldern dieses Dorfes beginnt ein dichter Wald, durch den mein hochbeiniges und hochbuckeliges Meheri sich mühsam den Weg bahnen mußte. Die Kolossalität des Kuka-Baumes erschien mir hier um so auffallender, da er mit seinem Riesenhaupt noch aus der Umgebung anderer großer Bäume so hoch herausragte. Ich möchte ihn den Elefanten der Baumwelt nennen; denn da, wo der Baum sich ungehemmt entwickeln kann, entspricht der Höhe und Dicke des Stammes auch die breite Ausdehnung seiner Äste und Zweige. In der Nähe bewohnter Ortschaften wird freilich dieses natürliche Verhältnis zerstört; die jungen Blätter der Adansonie dienen den Eingeborenen als beliebtes Gemüse, kaum entfaltet, werden sie samt allen Trieben und Schößlingen abgerissen. Wir passierten Kanigi und lagerten in Dabole. Beide Orte liegen, nur von wenigen bebauten Feldern umgeben, mitten im Wald. Die Nachtruhe wurde mir von dreist über mich weglaufenden Feldmäusen geraubt, die es hier in erschreckender Menge gab. Mein Diener Hammed erkrankte von neuem und war so schwach, daß er keinerlei Dienste zu leisten vermochte.
Durch dichten Wald, dessen Einsamkeit hier und da ein Dorf unterbricht, zogen wir am folgenden Tag südwestwärts. Das Terrain bleibt eben oder kaum merkbar gewellt, doch befinden wir uns jetzt schon ziemlich hoch über dem Tschad-See und folglich in einer etwas gemäßigteren Temperatur. Weil nun auch in geringer Tiefe unter der Erde hier überall Wasser vorhanden ist, hielt sich das Laub auf den Bäumen noch frisch und grün. Hingegen war ebenso wie in den Niederungen gleich nach dem Aufhören der Regenzeit alles Gras abgebrannt worden und der Waldboden in ein schwarzgraues Aschenfeld verwandelt. Hätten die Bäume in Zentralafrika weniger saftreiche Stämme oder wären sie so voll Harz wie fast alle Bäume in der Berberei, dann müßten sie von dem Brand des hohen Grases mit ergriffen und verzehrt werden. Hier im tropischen Afrika aber scheint das Abbrennen des Grasbodens dem Hochwald keinen Schaden anzutun, ich fand nur am Fuß der Bäume die Rinde vom Feuer geschwärzt. Die zurückbleibende Asche dient allerdings als vorzügliches Düngemittel, und sobald in der Regenzeit der Boden wieder befeuchtet wird, sproßt neues Grün in üppiger Fülle aus ihm hervor. Außerdem werden Millionen schädlicher Insekten und Würmer, Heuschrecken, Schnecken, Ameisen, Schlangen usw. durch die Feuergluten vertilgt. Um elf Uhr traten wir in den Distrikt Uassaram ein und kurz darauf in den gleichnamigen Hauptort selbst. Das recht stark bevölkerte Gebiet gehört dem Alamino, der durch einen vorausgeschickten Intendanten uns beim Billa-ma des Ortes angemeldet und den Einwohnern vorgeschrieben hatte, wie sie uns einquartieren und verpflegen sollten. Wir fanden daher das Quartier schon in Bereitschaft gesetzt, und sobald wir abgestiegen waren, schickte mir der Billa-ma nicht nur Schüsseln voll Milch und gekochter Speisen, sondern auch ein Dutzend Hühner, fünfzig Pfund Butter, fünfundzwanzig Pfund Honig und eine Last Getreide. Es war der 24. Dezember, Weihnachten! Um so mehr freute ich mich der reichen Gaben, denn ich konnte nun andere beschenken und damit Festfreude um mich her verbreiten.
Den ersten Weihnachtsfeiertag ruhte ich in Uassaram, zumal auch mein Kamel einen Rast- und Weidetag nötig hatte. Das Wetter war verhältnismäßig kühl genug – in den heißesten Tagesstunden stieg das Thermometer nicht über +28 Grad –, um an Weihnachten zu gemahnen; Rauch und Wüstenstaub verfinsterten den Himmel dermaßen, daß erst um Mittag die Sonne den dichten Nebel zu durchbrechen vermochte. Nachdem es heller geworden war, unternahm ich einen Spazierritt in die Umgebung des Dorfes. Gut angebaute Getreidefelder wechselten hier mit Indigo-Pflanzungen, die gleichfalls gut zu gedeihen schienen. Auf den Bäumen war das Laub noch grün, die Digdiggi-Pflanze, die sich lustig an den Hütten emporrankte, trieb sogar frische Blüten. Wieder vor meiner Wohnung eingetroffen, wurde ich von einem Fellata – sie selbst nennen sich Pullo und von den Arabern werden sie Fulan genannt – angeredet, der mich bat, ihn nach seiner Heimat Koringa (Gombe) mitzunehmen, indem er zur Unterstützung seiner Bitte geltend machte, die Pullo seien ja keine Neger, sondern auch weiße Männer. Die Ethnologen mögen untersuchen und entscheiden, ob die rothäutigen Pullo wirklich der weißen Rasse oder welcher anderen sie beizuzählen sind. Ich nahm den neuen Vetter gern in meine Begleitung auf, denn da er fertig Kanuri sprach, rechnete ich darauf, daß er mir in seinem Land als Dolmetscher werde dienen können.
Abends wurden wir ebenso reichlich wie am vorigen Tag mit Speisen und Lebensmitteln versorgt, alles auf Rechnung des Alamino, welcher den Leuten aus ihren Abgaben den Wert des Gelieferten zurückvergütet. Nach dem Essen streckte ich mich behaglich, eine Tasse Kaffee schlürfend, vor das lodernde Feuer. Auch ein Glas Bordeauxwein hätte mir nicht gefehlt, wenn die Kiste, die in Tripolis gütigst an mich abgesandt wurde, an ihre Adresse gelangt wäre; sie war aber leider von den Tebu, welche sie mit der großen Karawane nach Kuka bringen sollten, aus Nachlässigkeit, vielleicht auch mit Absicht, in Kauar zurückgelassen worden, und wer weiß, in welche unberufene Kehle der mir bestimmt gewesene kostbare Rebensaft geflossen sein mag. Ich gedachte der verschiedenen Weihnachten, die ich wie diesmal fern von den Meinigen, allein unter andersgearteten, andersdenkenden und empfindenden Menschen verlebt und war über dem Sinnen allmählich eingeschlummert. Da weckte mich Hammed mit dem Ruf: »Herr, der Braten ist fertig!« Meine Leute hatten mich nämlich gebeten, als sie von mir hörten, daß bei den Christen dieser Tag ein hoher Festtag sei, zur Feier desselben ihnen ein Lamm zum besten zu geben; dieses war nun geschlachtet und am Spieß gebraten worden, und ungeachtet der Masse von Speisen, die sie an dem Abend bereits zu sich genommen hatten, wurde es noch um Mitternacht verzehrt.
Am 26. Dezember verließen wir um sieben Uhr morgens Uassaram. Von den sieben Stunden, die wir an dem Tag zurücklegten, liefen die ersten vier in gerader westlicher, die letzten drei in südwestlicher Richtung, ehe wir an das Reiseziel dieses Tages, nach Mogodom, den ersten Ort im Distrikt Gudjba, gelangten. Merkwürdig, daß hier im äußersten Südwesten von Bornu ein ganz gleichlautender Name vorkommt wie der des ehemaligen Teda-Ortes in Kauar, nach welchem das dortige Mogodom-Gebirge benannt wurde. Unser Mogodom ist ein recht ansehnlicher Ort, der früher wahrscheinlich mit Wällen umgeben war, wenigstens sind noch Spuren eines Wallgrabens vorhanden. Die Bewohner treiben die Kultur der Baumwollpflanze in einer Ausdehnung, wie ich sie bis dahin noch nirgends angetroffen hatte.
Sobald wir am folgenden Morgen die Baumwollfelder um Mogodom hinter uns gelassen hatten, nahm uns ein dichtes Waldrevier auf. Nach dreistündigem Marsch kamen wir mitten im Wald an einen schönen großen See, wohl eine Stunde im Umfang, der mit einer grün bewachsenen Insel darin und dem frischen Laub, das seine Ufer umkränzte, einen wirklich reizenden Anblick darbot. Die trockene Jahreszeit verlor hier gänzlich ihre ausdörrende Macht. Tausende von Wasservögeln belebten den Spiegel des Sees, und unfern von uns löschten Gazellen ihren Durst in der süßen Flut, während eine Herde Affen, als sie unser gewahr wurden, mit ängstlichem Geschrei ins Dickicht zurückfloh. Niedergetretenes Gras und abgebrochene Baumzweige bezeichneten den Pfad, auf dem die Elefanten sich zur Tränke heranbewegten. Einen besonderen Namen scheint der See nicht zu haben, denn die Wörter »kulugu« und »ngalajim«, die man mir nannte, heißen nur überhaupt: Stehendes Wasser. Weitere drei Viertelstunden brachten uns an das Bett eines Flüßchens, das einzige Rinnsal auf dem Weg von Kuka bis hierher; es hatte zwar noch Wasser, aber ein so schwaches Gefälle, daß ich die Richtung seines Laufs nicht zu erkennen vermochte.
Mittags zogen wir in die Stadt Gudjba ein und hielten vor dem Haus des Katschella Abdallahi-uld-Ali-Margi, des derzeitigen Statthalters. Man geleitete uns in ein passendes Quartier, wohin alsbald der Katschella ein Schaf und mehrere Schüsseln voll Speisen schickte. Ich übersandte ihm darauf mein Gegengeschenk zugleich mit einem Schreiben des Sultans von Bornu, in welchem er von diesem angewiesen wurde, mir die erforderliche Schutz- und Begleitmannschaft nach Koringa zu stellen. Am folgenden Tag begrüßte ich ihn in seiner Wohnung, einem Komplex mit verschiedenen Höfen umschlossener Hütten und Veranden aus geflochtenen Matten. Alsdann machte ich einen Gang durch die Stadt. Gudjba hat in seinen baufälligen Mauern eine große Anzahl Hütten wie Häuser aus Ton und zählt etwa zwanzigtausend Einwohner, die teils Bekenner des Islams, teils Heiden sind. Früher von einem eigenen Sultan regiert, der zwar noch seinen Titel, aber keinen Einfluß mehr besitzt, steht der Distrikt jetzt unter der Botmäßigkeit des Sultans von Bornu.
Wir verließen am 29. Dezember Gudjba und gingen fünf Stunden lang südwestlich, dann bis Mute südsüdwestlich. Da die dazwischenliegenden Orte Koreram und Dora zerstört und nicht mehr bewohnt sind, nahmen wir den kürzeren Weg durch den Wald, obwohl derselbe durch räuberische Ngussum unsicher gemacht wird, weshalb wir fortwährend unsere Doppelflinten und Revolver in Bereitschaft hielten. Ehe wir in den Wald eintraten, sahen wir – die Atmosphäre war an dem Tag ausnahmsweise rein – auf zirka zehn Stunden Entfernung den Berg Figa oder Fika in Westsüdwest sich erheben. Nachmittags erreichten wir ohne Unfall den kleinen befestigten Ort Mute. Er präsentiert sich von außen recht malerisch, denn aus den vielen Bäumen, mit denen er wie alle Kanuri-Dörfer bepflanzt ist, ragen einzelne Dattel- und Dum-Palmen empor, und die Palme macht stets einen angenehmeren, ästhetischeren Eindruck in der Umgebung von anderen Bäumen als in einem einförmigen Palmenwald. Da die Region der Dum-Palme schon einen Tagesmarsch südlich von Kuka ihre Grenze hat, so mußten die Exemplare hier eigens angepflanzt sein und sorgfältig gepflegt werden. Wir zogen durch eins der beiden engen Tore in Mute ein und blieben daselbst zur Nacht. Die Bevölkerung ist ebenfalls aus Mohammedanern und Heiden gemischt. Ihr ehemals unabhängiger Sultan ist jetzt dem Katschella von Gudjba unterstellt.
Noch ermüdet von dem am vorigen Tag zurückgelegten starken Marsch, gingen wir am 30. um sieben Uhr morgens weiter. Die Richtung blieb diesen ganzen Tag hindurch Südsüdwest. Gleich hinter Mute kamen wir an einem großen, von zahlreichen Ibissen und einigen Störchen bevölkerten Kulugu (Teich) vorüber, dann an einem Flüßchen namens Dindeli, das vom Fika herabkommt und, nachdem es sich mit anderen ebenfalls von Westen kommenden Rinnsalen vereinigt hat, dem Gongola zufließt. Nun folgte wieder dichtbestandener Wald. Um elf Uhr passierten wir das trockene Flußbett des Gunguru, mit so steilem Ufer, daß mein Kamel beim Hinabsteigen das Gepäck verlor, und um zwölf Uhr das des Konokane; beide Flüßchen gehören zu denen, die mit dem Dindeli vereint in den Gongola münden.
Um ein Uhr war unser Tagesziel, die von Wällen umschlossene Stadt Gebe, erreicht. Wir fanden ihre Bewohner in sehr kriegerischer Stimmung, selbst die kleinen Knaben übten sich eifrig im Schießen mit Pfeil und Bogen, denn die Stadt hatte kurz vorher eine Belagerung auszuhalten gehabt. Von altersher mußte nämlich Gebe einen jährlichen Tribut von zwei Sklaven an das benachbarte Gombe entrichten; weil aber ersteres in neuerer Zeit an Bornu gefallen war, verweigerte es seit drei Jahren diesen Tribut. Nun rückte der Sultan von Gombe, Mohammed Koringa, vor die Stadt, um sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit zu zwingen. Die Belagerten hielten indes tapfer stand, und als der Feind vernahm, daß aus Kuka ein Heer zum Entsatz herangeführt wurde, hob er die Belagerung auf und ging eiligst über die Grenze zurück. Trotz dieser Sachlage entschied Sultan Omar von Bornu, Gebe müsse den rückständigen Tribut bezahlen.
Überhaupt sind die Grenzorte dieser Negerländer in übler Lage, selten finden sie genügend Schutz vor feindlichen Überfällen. So hatte erst kürzlich der Katschella von Gudjba einen Einfall in das Fellata-Gebiet gemacht und aus einem Ort, der weder zu Bornu noch zu Sokoto gerechnet wird, eine Anzahl Gefangener fortgeschleppt, um sie als Sklaven zu verkaufen oder nur gegen hohes Lösegeld freizugeben. Besonders wird dem Sultan Omar in dieser Beziehung wohl mit Recht Mangel an Energie vorgeworfen. Er hat sich von Uadai wie von Sokoto Beleidigungen ruhig gefallen lassen, und als während meines Aufenthalts in Kuka die räuberischen Uled Sliman aus Kanem neuntausend Stück Rinder von Ngigmi forttrieben, schickte er keine Soldaten zu ihrer Verfolgung und Bestrafung aus. Sollte er sich vorgenommen haben, in den letzten Jahren seiner Regierung in Frieden mit seinen Nachbarn zu leben, so könnte ihm solche Schlaffheit unter den Verhältnissen, wie sie in Bornu bestehen, leicht Thron und Leben kosten. Noch gibt es viele Anhänger der alten Sefua-Dynastie. Im Interesse der europäischen Reisenden wäre es jedenfalls sehr zu beklagen, wenn ein so wohlwollender Herrscher wie Sultan Omar beseitigt werden und vielleicht ein Wüterich vom Schlag des früheren Sultans von Uadai den Thron des Bornu-Reiches einnehmen sollte.
Morgens um halb acht Uhr am Neujahrstag 1867 waren wir von dem Grenzort Gebe aufgebrochen. Bis elf Uhr blieb unsere Marschrichtung westsüdwest, dann wendete sie sich nach Südwest bis zum Fluß Gongola, an dessen Ufer wir eine Stunde gerade gegen Süden gingen, um von da noch eine Stunde wieder südwestwärts vorzuschreiten. Die Gegend charakterisiert sich durch Hügel und Wald. Je mehr wir uns dem Fluß nähern, desto reicher wird die Vegetation; die Bäume auf dem durchfeuchteten Boden sind mit frischgrünem Laubwerk geschmückt wie mitten in der Regenzeit, ja, ein Gürtel von fruchttragenden Palmen erfreut das Auge. Desgleichen verkünden ausgetretene Spuren von Elefanten, Löwen, Panthern und vielen anderen Vierfüßlern die Nähe fließenden Wassers. Der Gongola breitet seine Hinterwässer hier am linken Ufer weit im Land aus; der Strom selbst war in der Furt, durch die wir hinüberpassierten, zwar nur zwei Kilometer breit, aber reißend und tief genug, daß er unseren Pferden bis an den Bauch ging. Sein klares Wasser fand ich von vorzüglichem Geschmack und von belebender Wirkung auf meinen durch Fieber geschwächten Körper. Der Grund ist mit Kies und einer Schicht groben Sandes bedeckt. Eine Stunde unterhalb von hier biegt der bis dahin direkt südwärts gerichtete Lauf des Flusses nach Südosten um.
Um halb zwei Uhr kehrten wir in dem ersten Pullo-Dorf ein; es heißt gleich dem südlich davon sich hinziehenden Gebirge ebenfalls Gongola.
Das Reich der Pullo besteht, wie das der Kanuri, aus einer Menge kleinerer und größerer Sultanate, die alle dem Sultan von Sokoto untertan sind. Sokoto ist die gegenwärtige Hauptstadt, deshalb wird jetzt häufig das ganze Reich so genannt; die Residenz kann aber leicht einmal anderswohin verlegt werden, und dann würde auch der Name des Landes sich wieder ändern. Und nicht bloß nach dem Namen der Hauptstadt, auch nach dem Namen des regierenden Fürsten pflegen die Neger ein Land zu benennen; so hörte ich Kalam immer Koringa nennen, weil dessen Sultan Mohammed Koringa heißt. Erst einige Tage vor meiner Ankunft in Gongola war Sultan Hamedo von Sokoto gestorben und sein Neffe Alio, der Sohn seines verstorbenen Bruders Bello, zur Regierung gelangt. Alle Sultane des Landes, sagte man mir, begeben sich nun nach Sokoto, um dem neuen Herrscher zu huldigen, und ich würde daher wahrscheinlich Mohammed Koringa nicht in Gombe antreffen.
Ich war in Kuka darauf vorbereitet worden, daß im Reich der Pullo auf Gastfreundschaft nicht zu rechnen, aber der Bedarf an Lebensmitteln in jedem Ort billig zu haben ist, und in der Tat kamen, sobald wir uns gelagert, Weiber mit Körben und Schüsseln auf dem Kopf herbei, die Ngafoli, Moro, Bohnen und Koltsche zum Kauf anboten. Gegen Muscheln, welche hier die einzige Geldmünze sind, erhandelte ich von ihnen Mehl, Gemüse und einige Hühner. Zugleich mit uns und unter dem Schutz unserer Flinten war eine Karawane, die Salz und Rinder zum Verkauf brachte, über die Grenze hierhergekommen. Sie lagerte dicht neben uns, damit man glauben sollte, sie gehöre zu meinem Reisegefolge, und so ihre Ware zollfrei passieren ließe. Sonst wird für die von Bornu ins Land kommenden Produkte ein Eingangszoll erhoben, für ein Pferd oder Rind zwanzig Muscheln, für ein Schaf oder eine Ziege zehn Muscheln, von jeder Kopflast Salz ein gewisses Quantum in natura. Der Import von Vieh und Salz aus Bornu ist bedeutend, da die Pullo wenig Viehzucht treiben, namentlich Pferde fast gar nicht züchten, und das Salz, welches sie aus der Asche des Runo-Baumes gewinnen, dem, das in Nordbornu aus der Suak-Asche gekocht wird, an Güte bei weitem nachsteht.
Die Bevölkerung von Gongola, etwa zwölfhundert Seelen stark, gehört dem Pullo-Stamm an und redet auch die Pullo-Sprache, ist aber infolge der Vermischung mit den angrenzenden Kanuri wie mit den Ureinwohnern des Landes, den Haussa, äußerlich kaum mehr von den Negern zu unterscheiden: eine Wandlung, die sich beim größten Teil der Fellata vollzieht, da sie fast nirgends unvermischt beisammen wohnen, sondern über sehr weite Gebiete verteilt sind.
Nach einer im Freien verbrachten kalten Nacht – vor Sonnenaufgang fiel das Thermometer bis auf +5 Grad – setzten wir uns morgens um sieben Uhr wieder in Marsch. Vom rechten Ufer des Gongola an steigt das Terrain ziemlich rasch an, und von allen Seiten erheben sich schön bewaldete Berge aus Sandstein, mitunter auch aus Kalk. Um halb zehn Uhr an den Ausgang eines Engpasses gelangt, der mit einem Tor und einem starken Steinwall verschlossen wird, sahen wir in einem Talkessel die hochummauerte Stadt Bege vor uns liegen. Ihre Hütten, aus der Ferne nicht sichtbar, sind durch einen Wald von Palmen überragt, so daß man glauben konnte, einen Ksor in der Sahara vor sich zu haben, zeigte nicht ein Blick auf die dazwischenstehenden Gunda-Bäume und auf die grünbewachsenen Berge ringsum, daß man sich in der Tropenzone des waldigen Afrika befindet. Nur nach Südwesten schweift der Blick über das Tal hinaus, bis die Aussicht fern am Horizont durch die Hochebene von Birri begrenzt wird. Wir zogen ohne Aufenthalt zwischen Tabak- und Baumwollpflanzungen an der Stadt vorbei. Nach einem weiteren Marsch von zweieinhalb Stunden erreichten wir die untere Stadt Birri, ebenfalls in einem Talkessel gelegen, und blieben daselbst zur Nacht. Man gewährte uns gegen Bezahlung in Muscheln Quartier und gute Verpflegung. Die Einwohner, deren Zahl sich auf fünfzehnhundert belaufen mag, Mohammedaner, doch frei von Fanatismus, sind Fellata, aber stark mit Negerblut vermischt und daher meist von schwarzer Hautfarbe. Ich erfuhr hier, daß Mohammed Koringa seine Hauptstadt Gombe verlassen habe, um weiter südlich eine Razzia auf Sklaven auszuführen.
Anderentags wurde um sieben Uhr aufgebrochen. Wir stiegen erst durch einen Engpaß zur oberen Stadt Birri hinauf, die zweimal so groß ist wie die untere, gingen deren äußere Mauer entlang und kamen durch einen etwas breiteren Paß auf die in südwestlicher Richtung sanft ansteigende Hochebene. Der Rücken des Plateaus ist mit außerordentlich dichtverwachsenem Wald bedeckt. Um meinem Kamel einen Durchweg zu öffnen, mußten oft Äste, ja Bäume abgehauen und beseitigt werden; seine Ladung zerriß an den Dornen der Akazien- und Lotos-Bäume, und uns Reitern schlug das hohe Gras über den Köpfen zusammen. So brauchten wir sieben Stunden bis zu unserem nicht mehr als fünf Kamelstunden entfernten Lagerort, dem ärmlichen Walddorf Uaua. Dort angekommen, ward mir gesagt, Mohammed Koringa lagere in dem Örtchen Tape, das ungefähr zehn Stunden südlich von Uaua liege. Auf diese Nachricht schickte ich Hammed dahin ab, mit dem Auftrag, dem Sultan meinen Gruß zu entbieten und die Geschenke, die ich für ihn bestimmt hatte, zu überreichen, sodann auf dem kürzesten Weg nach Uaua zurückzukehren, wo wir bis zu seiner Wiederkunft bleiben würden.
Die Dorfbewohner verkauften mir gegen Muscheln Getreide, Gunda-Früchte und Holz, das beim Verbrennen einen angenehmen Duft entwickelte. Fleisch verschafften wir uns durch Schießen einiger Waldtauben. Meine Hütte gewährte am Tag Schutz gegen die Sonnenstrahlen, welche jetzt noch nachmittags die Luft bis auf +30 Grad im Schatten erwärmten, und in der Nacht vertrieb ein tüchtiges Feuer die Kälte der Hochebene.
Am dritten Tag, am 5. Januar, gegen Mittag kehrte Hammed von Tape zurück. Der Sultan Koringa hatte meine Botschaft freundlich aufgenommen und ließ mir sagen, ich möchte ihn in seiner Hauptstadt Gombe erwarten, wo er nach acht Tagen einzutreffen gedenke. Im Lager bei ihm befand sich sein Verbündeter, der Sultan von Messauda; diesem gab er einen Teil meiner Geschenke, unter anderem eine Harmonika. Die beiden Fürsten waren gemeinschaftlich auf den Menschenraub ausgezogen und hatten zunächst vor, den Ort Katunga, einen Tagesmarsch südlich von Tape, zu überfallen und auszuplündern. Als Hammed sich verabschiedete, befahl Mohammed Koringa einem Mann aus seinem Gefolge, er solle mitreiten, Getreide für uns requirieren und dieses in die Hauptstadt bringen lassen.
Am 6. Januar ging es wieder vorwärts. Immer noch war der Wald so dicht, daß er unserem Durchkommen große Schwierigkeiten entgegensetzte. Schon eine Stunde hinter Uaua überschritten wir den höchsten Punkt der Hochebene von Birri; die Abdachung ist jedoch eine sehr sanfte, so daß ich sie nur mittels des Barometers wahrnahm. Jetzt zeigte sich am nordwestlichen Horizont der niedrige Rücken des Kalam-Gebirges, und bald darauf zogen wir in den von hohen Litha-Bäumen beschatteten Ort Tinda ein. Wieder hatten wir in sieben Stunden nur fünf Wegstunden zurückgelegt.
Tinda war der erste Pullo-Ort, wo man uns gut bewirtete. Die Einwohner brachten unaufgefordert Schüsseln voll Milch, Yams, Koltsche, Morobrei nebst Hühnern und anderen Lebensmitteln ins Lager; ich erfreute sie dagegen durch Gaben von Salz und einigen Taschentüchern. Gastfreundschaft ist bei den Pullo nicht vorgeschriebene Sitte wie bei den mohammedanischen Völkern, aber sie erweisen sich darum nicht minder, vielmehr in besonders anzuerkennendem Maß, gefällig und hilfreich gegen Fremde. Nirgends auch genießt das Eigentum der Reisenden so vollkommene Sicherheit; vor einem von Pullo bewohnten Dorf kann man die Pferde und Kamele samt allem Gepäck unbeaufsichtigt im Freien lassen, ohne besorgen zu müssen, daß etwas davon entwendet wird. Und wie gegen Fremde achten sie im Verkehr unter sich, in ihrem Familien- und Gemeindeleben, die Grundsätze gegenseitiger Billigkeit und Verträglichkeit, daher das sogenannte Sokoto-Reich zu den friedlichsten und wohlgeordnetsten Innerafrikas gehört.
Die Fragen über Abstammung, Herkunft und Verwandtschaft der Pullo (oder Fullo, Fullan, Fellata) sind noch ungelöst, da sie selbst keine geschichtlichen Dokumente besitzen und diejenigen anderer afrikanischer Völker, welche die Pullo erwähnen, nicht die geringste Auskunft darüber geben. Es ist ebenso gut möglich, daß sie vom Westen oder von Nordosten aus dem Niltal eingewandert, als daß sie, wie Barth meint, von Osten her ins Innere gekommen sind. Nur eine tiefere vergleichende Durchforschung ihrer reichen, wohlklingenden und biegsamen Sprache, des Fulfulde, dürfte imstande sein, auf die Spur ihrer Verwandtschaft mit anderen Völkerrassen zu führen.
Das Gebiet, auf welchem heutzutage die Pullo ihre Wohnsitze haben, ist ein sehr weit ausgedehntes. Wo sie sich unvermischt erhalten haben, da ist ihre Hautfarbe gelb wie matte Bronze, der Körperbau wohlproportioniert und die Gesichtsbildung der der kaukasischen Rasse entschieden sehr nahestehend: etwas niedere Stirn, mitunter breite, doch nie platte Nase, schmale, nicht wulstige Lippen, keine hervortretenden Backenknochen, ausdrucksvolle schwarze Augen, dazu starker Bart und glänzend schwarzes, zwar krauses, doch langes Haar. Jedenfalls sind sie bei weitem der schönste Menschenschlag von Zentralafrika. Die Männer tragen ein weißes, oben vielgefälteltes Kattunhemd mit langen weiten Ärmeln; die Frauen winden ein Stück Baumwollzeug, aus Streifen zusammengenäht, um die Hüfte, so daß der Oberkörper vom Nabel an unbedeckt bleibt; die jungen Leute gehen bis auf einen Schurz vor der Scham ganz nackt.
Höchstwahrscheinlich waren die Pullo ursprünglich ein viehzüchtendes Nomadenvolk und lernten erst von den Haussa Getreide und Gemüse anzubauen, sie haben aber darin, wie in anderen Arbeiten, ihre Lehrmeister übertroffen. Neben dem Landbau treiben sie auch jetzt noch etwas Rindviehzucht, die weiter nach Süden ganz aufhört. Sie bereiten gleich den Negern gute Butter, haben es aber nicht bis zur Käsebereitung gebracht, wie überhaupt in ganz Afrika nur die Araber, Berber und Abyssinier Käse zu bereiten verstehen. Die Hütten der Pullo und der Haussa bestehen wie die im südlichen Bornu aus Tonwänden und einem bienenkorbförmigen Dach, und obwohl die Wände hier viel dünner sind, leisten doch ihre Hütten infolge des besseren Materials und der dauerhafteren Arbeit stärkeren Widerstand gegen die Einflüsse der Witterung als die Wohnungen der Kanuri. Ihre Wasserkrüge, Eßtöpfe, Matten und sonstige Geräte zeugen von der Geschicklichkeit und dem Farbensinn der Verfertiger; ich sah Matten in Mannshöhe von zierlichem Geflecht und geschmackvoller Zusammenstellung der Farben, die mit vier- bis fünftausend Muscheln oder einem Mariatheresientaler bezahlt werden.
Wir verließen das gastliche Tinda am 7. Januar früh um sieben Uhr in der Richtung von 280 Grad und wandten uns nach einer Stunde gerade westwärts. Durch dichten Wald und an mehreren kleinen Ortschaften vorbei gelangten wir um neun Uhr zu dem Dorf Baluru. Die Luft war wieder durch Wüstenstaub so verfinstert, daß man nicht imstande war, Gegenstände in einiger Entfernung zu unterscheiden. Hart am Weg erheben sich rechts und links niedrige Hügel, und wie ich aus meinem Aneroid ersah, neigte sich die Straße immer noch langsam abwärts. Um elf Uhr ritten wir in die auf Kalkboden liegende, von Ringmauern und doppelten Gräben umschlossene Stadt Duku ein. Sie übertrifft Kuka an Umfang, zählt aber schwerlich mehr als fünfzehntausend Einwohner, denn innerhalb der Mauern befinden sich große Gärten und unbebaute Plätze. Auf einem der letzteren wurde gerade Markt abgehalten, der indes nicht von Bedeutung zu sein scheint. Der von Mohammed Koringa mitgesandte Reiter hatte hier das Frühstück für uns bestellt; da ich aber noch beizeiten Gombe erreichen wollte, stieg ich nicht vom Pferd, sondern ließ den Marsch ohne Aufenthalt fortsetzen.
Hinter Duku fängt der Wald an, lichter zu werden; die stacheligen Mimosen und Korna-Bäume verschwinden mehr und mehr, und der prächtige Runo-Baum tritt an ihre Stelle. Nach einer Stunde überschritten wir das Rinnsal des Alhadi, und wieder nach einer Stunde das trockene Bett des Gana, die beide von Südwest nach Nordost dem Gombe-Fluß zufließen. Nun öffnete sich eine weite, blühende, mit zahlreichen Dörfern und Weilern geschmückte Landschaft, in der die Hauptstadt von Kalam malerisch zwischen Hügeln und Bergen vor uns lag. Eine letzte Marschstunde brachte uns an das Ziel. Wir zogen vor die Wohnung des Sultans und wurden von dessen Bruder in das für uns bestimmte Quartier gewiesen, das aus vier Hütten bestand. In diesem Quartier fand ich zum erstenmal sogenannte Feuerbetten, lange, hohle Kasten von Ton, die in den Wintermonaten des Nachts mit Holz oder Kohlen wie ein Backofen geheizt und, mit einer Matte überdeckt, von den fröstelnden Negern als Schlafstätte benutzt werden. Gombe, eine große, mit gut unterhaltenen Mauern und Gräben umgebene Hüttenstadt – ich bemerkte kein einziges Haus – mag wohl zwanzigtausend Einwohner haben, von denen die Mehrzahl Pullo, die übrigen Kanuri- und Haussa-Neger sind.
Das Getreide, das für uns geliefert werden sollte, war nicht angekommen, auf dem Markt von Gombe aber gab es des Rhamadan-Festes wegen weder Getreide noch sonst etwas zu kaufen. Deshalb beschloß ich, die Zurückkunft Mohammed Koringas in seiner Residenz nicht abzuwarten, sondern schon am nächsten Tag weiterzugehen. Der Bruder des Sultans suchte zwar meine Abreise zu verhindern, indem er den Eingeborenen, die ich mieten wollte, das Mitgehen bei Strafe verbot, allein ich ließ mich dadurch in dem einmal gefaßten Entschluß nicht wankend machen. Morgens am 9. Januar wurde unser Kamel beladen, und da Hammed wieder so am Fieber litt, daß er nicht zu Fuß gehen konnte, übernahm ich selbst das Amt des Treibers und gab dem kleinen Noël mein Pferd.
So zogen wir aus dem Tor von Gombe. Draußen boten mir zwei Kanuri ihre Dienste an, der eine als Führer, der andere als Kameltreiber. Beide verstanden sowohl die Pullo- als auch die Haussa- und die Bolo-Bolo-Sprache, Sprachen, die in den südwestlichen Ländern, die ich nun zu passieren hatte, die vorherrschenden sind. Gern bewilligte ich deshalb ihre Forderungen: sechstausend Muscheln an den Führer, welche sein ihn begleitender Vater sofort in Empfang nahm, und nur fünfzehnhundert Muscheln, in Jacoba auszuzahlen, an den Treiber, obwohl diesem eigentlich das schwerste Geschäft zufiel.
Dank dem Segen des immer fließenden Stromes glich die ganze Gegend einem anmutigen Park, dessen grüner Rasenteppich nirgends daran erinnerte, daß die Regenzeit schon seit Monaten vorüber war. Scharen von Vögeln nisteten in den belaubten Bäumen, und gravitätisch stolzierte der Rinderhüter, der sich zur Regenzeit auch in Kuka häufig sehen läßt, hinter den grasenden Kühen einher. Begreiflicherweise haben auf dem immer durchtränkten, fruchtbaren Boden die Menschen sich ebenfalls in Menge angesiedelt. Am rechten Ufer des Flusses folgen dicht nacheinander Dörfer, und das linke ist gewiß nicht minder stark bewohnt, nur konnte man wegen der großen Ausdehnung der Hinterwässer dieses nicht so weit übersehen, zumal Waldrauch und Wüstenstaub die Fernsicht verdunkelten. Mehrere Kanus von ausgehöhlten Baumstämmen bezeugten, daß selbst bei hohem Wasserstand der Verkehr zwischen beiden Ufern nie ganz unterbrochen sein mag.