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Maynz –
Ungeachtet der ansehnlichen Reduktionen, welche der jetztregierende Kurfürst in seinem Civiletat vorgenommen, ist derselbe doch noch unmäßig zahlreich und kostbar. Er hat seine wohlbezahlten Minister, seine Staatsräthe und gegen 80 bis 90 geheime Hof= Kammer= Revisions= Kanzley= und Hofgerichtsräthe. Der Aufwand für diesen Etat ist nach dem Verhältniß der Einkünfte des Hofes ungeheuer. Der zahlreiche Adel, welcher wenigstens des Titels halber sich um Staatsbedienungen bewirbt, die ihm der Hof nicht wohl versagen kann, der Mangel an einfachen Verwaltungsgrundsätzen, und der Stolz der ehemaligen Kurfürsten ehemaligen Kurfürsten – von einer Aufhebung der Kurfürstenwürde vor 1806 ist nichts bekannt, die ihre Grösse bloß in ein zahlreiches Gefolge setzten, sind die Ursachen der unmäßigen Civilliste. Eine nothwendige Folge davon ist, daß die Hof= und Staatsgeschäfte bloß auf dem kleinen Theil der Bedienten liegen, der Thätigkeit und Geschicklichkeit genug besitzt; und daß der grosse Schwarm der übrigen sich vom Mark des Landes in Müßiggang mästet.
Auch das Militäre des hiesigen Hofes scheint mehr zur eiteln Pracht und zur Versorgung eines Theils des Adels, als zum wahren Nutzen des Landes eingerichtet zu seyn. Die sämtlichen Truppen machen kaum 2.200 Köpfe aus, und doch hatten sie beym Regierungsantritt des jetzigen Kurfürsten nicht weniger dann 6 Generäle. Nach ihrem ersten Plan und der Steueranlage sollten sie 8.000 Mann betragen; allein in den jetzigen Umständen sind diese 2.000 noch zu viel, und ich wüßte zwanzig Dinge, worauf der Sold derselben, besonders jener der so unmäßig zahlreichen Officiers nützlicher verwendet werden könnte. Die Armee des Erzbischofs besteht aus einer deutschen Garde von 50 Mann und 25 Pferd, einer Schweitzergarde, einer Schwadron Husaren von 130 Mann, welches seine brauchbarsten Truppen sind, indem sie die Strassen des Landes von Räubern und Mördern säubern, einem Artilleriekorps von 104 Mann, 3 Infanterieregimentern, jedes zu 600 Mann, und einigen zu den oberrheinischen und fränkischen Kreistruppen gehörigen Kompagnien.
Mit den hiesigen Vestungswerken verhält es sich beynahe eben so. Nebst Luxenburg wäre Maynz der wichtigste Gränzplatz des Reiches gegen Frankreich, wenn seine Werke so gut ausgeführt und unterhalten würden, als vortreflich ihr Plan ist. Die Natur des Bodens erlaubt zwar keinen regelmäßigen Plan; in Rücksicht auf einzle Theile sah ich aber noch keinen Platz von ähnlicher Beschaffenheit, wo man das Terrein zur Anlage der verschiedenen Werke besser benutzt hätte, als hier. Man erstaunt über die Kühnheit und Grösse derselben. Allein, obschon der oberrheinische Kreis und sogar auch das gesamte Reich schon grosse Summen zum Bau dieser Vestung bewilligt hat, so ist doch ein grosser Theil derselben noch unvollendet, und einige der besten Werke fangen an zu zerfallen. Ihre Weitläufigkeit erfordert auch eine zahlreiche Armee zu ihrer Vertheidigung, und sowohl diese als auch die planmäßige Ausführung und Unterhaltung der Werke übersteigt platterdings die Kräfte des hiesigen Hofes, und würde auch dem gesammten oberrheinischen Kreis zu beschwerlich fallen. In dieser Lage der Sachen dient auch diese Vestung mehr zum Pracht, als zu einem wahren Nutzen.
Während daß die grössern Höfe Deutschlands ihre Wirthschaft und Verwaltung so viel als möglich zu vereinfachen, und in ihren Staaten die strengste Oekonomie einzuführen suchen, herrscht unter den kleinern noch eine Verschwendung, Pracht und Scheinliebe, die alle Schranken, und beynahe auch allen Glauben übersteigt. Diese Höfe haben viel Aehnlichkeit mit dem kostbaren Marionettentheater des Fürsten Esterhazy, welches ein vortrefliches Orchester, die schönsten Dekorationen, seinen Maschinenmeister, Dichter u. s. w. hat, aber immer doch nur ein Puppentheater ist. In Ermanglung wahrer innerer Grösse suchen sie durch prächtig aufgestutzte Kleinigkeiten und äussern Schein groß zu werden, wodurch sie freylich nichts als ein Gelächter verdienten, wenn es ohne einen harten Druck ihrer Unterthanen geschähe. Allein in diesem Fall ist die Sache zu ernstlich, als daß der Menschenfreund darüber lachen könnte.
Dieser Vorwurf trifft den itztregierenden hiesigen Erzbischof nicht. Vielleicht ist er unter den Fürsten seiner Klasse in Deutschland der einzige, der seine Verwaltung und seinen Hofstaat, in so weit es ihm die Umstände erlauben, mehr zu zweckmäßigem Vortheil als zu eitelm Schein einzurichten sucht; allein in der benachbarten Pfalz, die ich seit 14 Tagen durchwanderte, steigt dieser Greul bis zum Schauern.
Als ich die bunten Schwärme von Bedienten, die Kastraten, die unzäligen Tänzer und Sänger, die prächtigen Gärten, und die vielen unnützen Generäle des Hofes zu München sah, setzte ich den größten Theil davon der ehemaligen Landesregierung auf die Rechnung, und glaubte, der itzige Kurfürst habe beym Antritt seiner Regierung von Bayern keine grosse Reduktionen vornehmen wollen, um sich nicht verhaßt zu machen, um so mehr, da durch die Akquisition von Bayern Akquisition von Bayern – nach dem Aussterben der bayrischen Wittelsbacher 1777 erbte Karl Theodor Bayern und verlegte die Residenz nach München, s. a, Zwölfter Brief. seine Finanzen in eine ganz andre Lage gesetzt worden. Allein, wie erstaunte ich, als ich erfuhr, daß er schon zu Mannheim, wo seine Revenüen nicht den dritten Theil von seinen itzigen Einkünften betrugen, den nämlichen Aufwand für Pracht, Wollust und eiteln Schein machte!
Glaubst du wohl, Bruder, daß der Hof von Mannheim, der nicht über 3.200.000 rheinische Gulden Einkünfte hatte, bloß für seine Oper und Musik jährlich 200.000 Gulden verwendete? Glaubst du wohl, daß bloß die Unterhaltung des Gartens von Schwetzingen, der jenem von Versailles wenig nachgiebt, so groß auch der Abstand zwischen unserm Monarchen und einem Kurfürsten von der Pfalz ist, jährlich 40.000, und die Unterhaltung der Schlösser von Mannheim und Schwetzingen jährlich gegen 60.000 Gulden gekostet hat, und noch wirklich kostet? Daß der Artikel von Jagden jährlich gegen 80.000 und der vom Hofstall gegen 100.000 Gulden betrug? Daß dieser Hof 11 Regimenter Soldaten nebst eben so vielen Generälen hatte, die zusammen nicht über 5.500 Mann ausmachten, und die Hofbedienten doch beym Anlaß der Streitigkeiten zwischen ihrem Kurfürsten, den Grafen von Leiningen und der Stadt Aachen, von 40.000 Mann sprachen, die sie gegen den Kaiser, der mit Exekution drohte, wollten anrücken lassen, und noch von 15.000 Mann, die sie nach öffentlichen, gedruckten Nachrichten gegen die Reichsstadt Aachen zu beordern willens waren? Daß der pfälzische Hof, um das Marionettentheater vollkommen zu machen, zu 2 bis 3 Rheinjagdschiffen auch einen Großadmiral hält, hab ich dir schon zu München gesagt.
Gewiß ist der gute Kurfürst größtentheils an dieser elenden Wirthschaft unschuldig. Seine Bedienten bringen ihm falsche Begriffe von Grösse bey, und schmeicheln seinen Schwachheiten, um sicher den Raub des Landes unter sich theilen zu können.
Man nennt die Pfalz das Paradies von Deutschland. Von ihrer Fruchtbarkeit kannst du dir daraus einen Begriff machen, daß sie in manchen Jahren gegen 30.000 Malter Korn, das Malter zu 170 Pfund, nach Frankreich verkauft, und noch eine grosse Menge Getraide ins Maynzische, Trierische und auch in die Schweitz ausgeführt hat. Nebst dem Getraide gewinnt man auch eine grosse Menge Wein, Tobak und Grapp, Grapp – Färberkrapp, eine Pflanze, deren Wurzelsaft zum Erzeugen roter oder gelber Farbe verwendet wird welcher von vorzüglicher Güte ist. Allein, nichts hat mir einen so hohen Begrif von der Ergiebigkeit des Landes gegeben, als die Liste eines kurfürstlichen Einnehmers von den Abgaben der Unterthanen im Vergleich mit ihrem Wohlstand. Für mich wenigstens wäre es ein unauflösliches Problem, eine Rubrik von Auflagen zu erfinden, die nicht auf dieser Liste stünde; es müßte denn eine Akziß von der Luft seyn, die man auf pfälzischem Grund und Boden einathmet. Einige Kontributionen, z. B. für einen Kanal von Frankenthal, Kanal von Frankenthal – ein 1781 fertiggestellter Kanal zum Rhein, 1955 zugeschüttet Rheindämme u. dgl. m. sind sogar beständige Auflagen geworden, da sie doch bey ihrer Entstehung nur zur Bestreitung augenblicklicher Bedürfnisse bestimmt waren, und von selbst wieder wegfallen sollten, da nun die Bedürfnisse, wenn ein ganz überflüßiger und fast unbrauchbarer Kanal diesen Namen verdient, gehoben sind. Aeusserst merkwürdig für einen Politiker sind die pfälzischen Zölle. Bloß um sie zu vermehren, hat man die kurfürstlichen Aemter oder Vogteyen so eingetheilt, daß fast jeder Ort an einer Hauptstrasse zu einer andern Vogtey gehört, und also an jedem Ort auch ein neuer Zoll von den durchgehenden Gütern entrichtet werden muß. So schädlich diese Einrichtung auch für die innere Staatsverwaltung ist, indem ein Dorf öfters dreymal weiter von dem Sitz seines Amtmanns oder Landschreibers entfernt ist, als es seyn würde, wenn man mehr die Natur und das Wohl der Unterthanen als jenes des Fürsten und seiner Bedienten zu Rath gezogen hätte, so ist in diesem Lande, das durchaus von seinen eignen Bedienten geplündert wird, das Privatinteresse der Räuber doch zu überwiegend, und alles Fünkchen von Vaterlandsliebe zu sehr erstickt, als daß sich hierin eine Aenderung hoffen liesse. An manchen Orten ist die Zollstätte an der Strasse nur mit einem Stock bezeichnet, und die Fuhrleute, Viehtreiber u. s. w., wenn sie auch Landesprodukte ausführen, sind gezwungen, eine Stunde und noch weiter von der Strasse wegzulaufen, um in einem entfernten Dorf den Zoll zu entrichten. Ist zwischen der Art des alten deutschen Adels, der noch unter Kaiser Maximilian Kaiser Maximilian – Maximilian I. von Habsburg, genannt »der letzte Ritter«, † 1519 die Kaufleute auf offener Strasse beraubte, oder gewaltthätig Transitgelder von ihnen erpreßte, und der pfälzischen Zollverfassung ein andrer Unterschied, als daß der alte Adel auf Gefahr seiner Haut that, was die pfälzische Regierung ohne alle Gefahr und ohne alle Ahndung thut?
Um den Geist der pfälzischen Staatswirthschaft noch besser fassen zu können, mußt du wissen, daß man für die Stadt Mannheim und die Gegend auf einige Meilen in die Runde umher sogar ein Brennholzmonopolium errichtet hat; aber nicht von der Art des Monopoliums von Berlin, welches den Bauern den Verkauf ihres Holzes eher begünstigt als hemmt. Ein natürlicher natürlich – außerehelich Sohn des Kurfürsten, den er in den Grafenstand erhob, machte ein Komplot mit einigen Projekteurs, und wußte sich ein Patent zu diesem Monopolium zu verschaffen, kraft dessen er auf Kosten der Einwohner von Mannheim und der Bauern des benachbarten Landes prächtig leben kann.
Die Regierung dieses Landes ist so, daß es mir wirklich eckelt, mehrere Züge zu deiner Erbauung aufzusuchen. Hier muß man besonders Gebrauch von der Regel eines unsrer bekanntesten Schriftsteller machen: »Laßt uns einen Vorhang vorziehn!« Vorhang vorziehn – ein Ausspruch des französischen Dichters Francois Rabelais († 1553) auf dem Sterbebett Alles, was je nur eine Regierung von Pfaffen, Mätressen, natürlichen Fürstensöhnen, Parvenus, Projekteurs, Kastraten, Bankrutiers u. dgl. m. ausgezeichnet hat, findet man in der Pfalz wie in einem Kompendium beysammen. Ich sprach mit mehrern Bedienten dieses in jedem Betracht so merkwürdigen Landes, die gar kein Geheimnis daraus machen, daß sie ihre Stellen erkauft haben. Man hat häufige Beyspiele, daß die Stellen in der Antichambre Antichambre – Vorzimmer einer Mätresse unter den Kandidaten öffentlich gesteigert wurden. Eine Folge davon sind die himmelschreyenden Bedrückungen und Ungerechtigkeiten, welche die sogenannten Landschreiber oder Landvögte begehen, die ächte türkische Paschas sind, und von den Unterthanen ihrer Bezirke durchaus als brandschatzende Feinde angesehen werden. Ich hatte die Ehre, in einer sehr grossen und glänzenden Gesellschaft bey einem dieser Paschas zu speisen. Er und seine zahlreiche Familie schimmerten von kostbaren Ringen, Uhren, Borden und allem Zugehör des ausschweifendsten Luxus. Wir hatten 24 Gerichte auf der Tafel, worunter auch junge Pfauen waren. Das Desert entsprach vollkommen der Pracht der Tafel. Alles war im größten Ton. Der Mann hat seinen hübschen Stall, seine prächtige Equipage und seine Jäger, und doch betragen seine ordentliche Gefälle nicht über 2.000 Gulden. Wie er mit dieser Revenue seinen ungeheuern Aufwand bestreiten könne, kann man von jedem armen Bauern seines Gebietes erfahren, wenn man ihn nur ein wenig vertraut macht. So treiben es fast alle pfälzischen Landschreiber. Ich lernte bey diesem Anlaß auch einen kennen, der von einem andern Stand des heiligen römischen Reiches als ein treuloser Bedienter und als infam des Landes verwiesen wurde, und sich durch die gewöhnlichen krummen Wege und heimlichen Treppen eine ansehnliche Stelle in der Pfalz erschlichen hat, wo er gegen die Anklagen über Malversationen und gegen die Infamie sicher ist. In keinem deutschen Lande können die Avanturiers von jeder Art so leicht ihr Glück machen, als in der Pfalz, und so lange sie ihre Beute treulich mit der fürstlichen Kasse theilen, sind sie gegen alle Angriffe sicher. Das Lotto di Genua, Lotto di Genua – das im 15. Jahrhundert erstmals in Genua praktizierte Lotto mit 5 aus 90 Zahlen welches mit dem gelindesten Namen belegt, doch immer ein Pharaotisch Pharao – Pharo, ein Glücksspiel mit Skatkarten ist, wo der Landesfürst seine Unterthanen einladet, ihr Geld an ihn zu verspielen, hat sich auch nirgends in Deutschland so wohl befunden, als in Mannheim. Es harmonirte mit dem übrigen Finanzsistem des Hofes zu schön, als daß es nicht an demselben sein Glück hätte machen sollen. In einem sogenannten Lottokalender wird mit Privilegium des Kurfürsten und unter seinem Wappen gesagt, »das Lottospiel wäre der kürzeste, sicherste und anständigste Weg für jedermann, sein Glück zu machen.« Nun ist längst schon bekannt, daß alle Vortheile dieses Spieles bloß in der Hand des Reichen sind und daß die Spieler, welche Kreuzer und Batzenweis einsetzen, der Lottokasse die angenehmsten seyn müssen. Welche Begriffe muß man sich von einem Hof machen, der alle Beredsamkeit und alle Charlatanskünste gebraucht, um seine Unterthanen zu einem Spiel zu reitzen, bey welchem sie, im Ganzen, notwendig verlieren müssen, und bey dem er, wie sehr leicht zu berechnen ist, wenigstens 100 pro Cent gewinnen muß! Es ist wahr, fast jeder deutsche Hof hat ein solches Lotto; keiner aber hat so viele Marktschreyerey angewendet, um seine eignen Unterthanen zum Spiel zu reitzen, als der pfälzische.
Alle diese Sultanismen kommen noch in keinen Vergleich mit den Religionsbedrückungen, welche die Protestanten des Landes vom Hofe ausstehn müssen. Die herrschende Religion des Landes sollte nach verschiedenen Verträgen und Friedensschlüssen eigentlich die reformirte seyn. Durch unerhörte Gewaltthätigkeiten sind aber die Katholiken, die den Traktaten gemäß nur tolerirt waren, nicht nur herrschend sondern auch mächtig genug geworden, um die Reformirten verfolgen und unterdrücken zu können. Man nahm in den Städten und Dörfern des Landes das verworfenste Gesindel, Zigeuner, Landesverwiesene und die verächtlichsten Konvertiten, auf, bloß um die Zahl der Katholiken zu vermehren. Man schloß die Reformirten nicht nur von allen erledigten Stellen aus, sondern nahm auch den wenigen, die schon bey der Staatsverwaltung angestellt waren, ihre Dienste. Man machte den Schweinhirten eines Dorfes zum Schulzen, weil sonst kein katholischer Einwohner da war. Man begnadigte Diebe und Missethäter von jeder Art, wenn sie zur Hofkirche übergiengen, und bey allen Gerichten herrschte eine Partheylichkeit gegen die Protestanten, welche öfters die ausschweifendsten Ungerechtigkeiten veranlaßte. Und der nämliche Hof, Fußnote im Original: Es versteht sich von selbst, daß der Herr Verfasser nach Art der Franzosen überhaupt unter dem Hof nicht den Fürsten, sondern die Administration versteht. Auch in Frankreich sind itzt die Gesinnungen des Königs von jenen seiner Bedienten sehr verschieden. Linguet ist ein Beweis davon der den grössern und bessern Theil seiner Unterthanen so unmenschlich zu unterdrücken sucht, ward von in= und ausländischen Schriftstellern bis zum Himmel erhoben. Die gedrückten Protestanten hatten kein anderes Rettungsmittel mehr, als ihr Vaterland zu verlassen. Sie wanderten so häufig nach Amerika aus, daß die Engländer in ihrer Sprache alle fremden Kolonisten Pfälzer nennen. So wenig lächerlich diese Grausamkeiten sind, so sehr sind es die Anstalten des Hofes zur Beförderung der Industrie im Abstich mit denselben. Während daß man den vermögendsten und fleißigsten Theil der Unterthanen aus dem Lande vertreibt, legt man zu Lautern eine sogenannte Kameralschule an, wo die vortreflichsten Theorien von Bevölkerung und dem Anbau eines Landes, von Industrie, vom Finanzwesen u. s. w. gelehrt werden, und lokt unzählige Projekteurs nach Frankenthal, um Fabriken anzulegen. So weit ist die Praxis von der Theorie verschieden!
Ohne Zweifel trägt die starke Auswanderung viel dazu bey, daß sich die Bauern in der Pfalz bey all den Bedrückungen der Landschreiber und den ungeheuern Auflagen doch noch ziemlich wohl befinden. Die sehr einträglichen Güter werden dadurch unter ihren natürlichen Werth herunter gesetzt, und der Ertrag derselben über den Ankaufpreis erhöht.
Soviel Geschrey man auch von den Manufakturen der Pfalz macht, so beruht ihr Werth im ganzen doch auch gleich den übrigen Attributen und Modifikationen des pfälzischen Hofes, mehr auf dem Namen als auf der Sache. Alle Fabriken von Frankenthal, dem Hauptsitz der pfälzischen Industrie, der aber kaum 2.000 Einwohner zählt, sind lange nicht soviel werth, als eine einzige der ansehnlichern Manufakturen von Sachsen, Preussen, Oesterreich, der Schweitz und vielen andern Ländern. Ausser der Porzelänfabrik ist nicht Eine da, die nur 10 Menschen beschäftigte, oder deren Kapital 100.000 Gulden betrüge. Man nennt eine Oblatenbeckerey; wo 3 Menschen, den Jungen mit gezählt, arbeiten, eine Fabrik. In dem Verstand sind alle Werkstätten der Schuster, Schneider u. s. w. in der Pfalz Fabriken und Manufakturen. Nicht einmahl die ersten Materien, welche das Land selbst liefert, weiß man nur in hinlänglicher Menge für die Innere Konsumtion zu verarbeiten. Der pfälzische Tobak wird in ganzen Schifsladungen roh nach Holland geführt, und guten Theils wieder zurück gebracht, wenn er zubereitet ist.
Die ökonomische Grundsätze der pfälzischen Regierung kannst du am genausten dadurch abwiegen, daß sie einem Theil ihrer Unterthanen die Ausfuhr der Landesprodukten auf alle Art zu erschweren sucht. Die Stadt Maynz lebte bisher bloß von pfälzischem Brod. Der Hof von Mannheim suchte den von Maynz zu schikaniren, wie denn alle benachbarten Reichsstände in einer ewigen Fehde mit einander begriffen sind, und das Faustrecht trotz allen Landfrieden immer noch, nur mit veränderten Nebenumständen, gegen einander ausüben, und wollte die Bürger von Maynz zwingen, ihr nöthiges Getraide auf pfälzischem Grund und Boden aufzukaufen. Ehedem brachten es die Bauern auf die Märkte der Stadt. In dieser Absicht legte der Hof von Mannheim zu Oppenheim und an andern auf der Grenze vom Maynzischen gelegenen Orten Wochenmärkte an. Ein Vortheil für die Pfälzer wäre es immer gewesen, daß die fremden Käufer auf ihren Märkten etwas Geld verzehrt hätten, und sie die Marktpreise besser hätten machen können, als zu Maynz, wenn diese Stadt und das benachbarte Rheingau so ganz und gar in Rücksicht des Brodes von der Pfalz abgehangen hätte, daß sie gar keine andre Zufuhr hätte bekommen können. Allein dieser Zwang, wodurch für die Maynzer der Preis des Getraides etwas erhöht ward, indem sie es nicht so wohlfeil in die Stadt transportiren konnten, als die pfälzischen Bauern mit ihrem eignen Vieh, setzte einen Theil der wetterauischen Bauern, in der so getraidereichen Gegend von Usingen und Friedberg in den Stand mit den pfälzischen Bauern im Verkauf des Korns zu Maynz zu konkurriren, und diese waren nun gezwungen, einen Theil des Getraides, welches sie sonst der Stadt Maynz lieferten, mit mehr Beschwerde und weniger Gewinn nach Frankreich und der Schweitz zu führen, und so mußten sie eine Grille des Hofes büssen, der immerfort mit seinem eignen Interesse und der guten Sache überhaupt im Streit liegt. Da alle pfälzischen Projekte keinen Bestand haben, so werden seit einigen Jahren die Wochenmärkte von Maynz wieder wie ehedem von den Pfälzern besucht – Auch die Zölle, von denen ich dir oben gesagt, erschweren den Absatz der pfälzischen Landesprodukten ungemein.
Mannheim ist eine ganz regelmäßig gebaute und hübsche Stadt, von ohngefähr 25.000 Einwohnern. Seitdem der Hof zu München residirt, soll sie gegen 2.000 Menschen verloren haben. Die Mannheimer thaten dem Kurfürsten den seltsamen Vorschlag, bey ihnen zu bleiben, und Bayern, welches wenigstens fünfmal so groß ist, als die Pfalz, durch einen Statthalter regieren zu lassen. Sie können jezt noch nicht begreifen, wie ihr Landesfürst München vorziehen könne. Sie sind von den Schönheiten ihrer Hauptstadt so sehr eingenommen, daß sie dich unter die Nase auslachen, wenn du ihnen sagst, es gebe noch schönere Städte in der Welt, als Mannheim. Und doch erweist man dieser Stadt noch zu viel Ehre, wenn man sie ein Miniaturgemäldchen von Turin, Berlin und andern Städten nennt. Die in die Länge sehr ennuyante ennyant – ennuyant: langweilig, lästig Regelmäßigkeit abgerechnet, ist München selbst eine viel schönere Stadt als Mannheim, welches ausser dem kurfürstlichen Schloß und der Jesuitenkirche kein einziges nur sehenswürdiges Gebäude hat. Alles übrige, was sie hier groß und schön nennen, fällt so sehr ins Kleinichte und Verkünstelte, daß es das Auge des Kenners anekeln muß. Ueberhaupt sind die Mannheimer das eitelste Völkchen unter der Sonne. Sie haben einen so hohen Begrif von der Macht und dem Reichthum ihres Landes, daß sie ihren Fürsten mit den größten Monarchen parallel setzen. Sie versichern dich in vollem Ernst, daß, wenn derselbe nicht zu sehr den Frieden geliebt und die Vergiessung des Menschenblutes nicht zu sehr verabscheut hätte, es ihm ein leichtes gewesen wäre, sich gegen die Ansprüche des Hauses Oestreich mit Gewalt in Besitz von Bayern zu setzen. Dieser lächerliche Begrif ist ohne Zweifel daher entstanden, daß die Pfalz mit noch kleinern Ländern umgeben, und ihr Fürst also unter den kleinsten der größte ist. Sie sind durchaus das Gepräge ihres Hofes, und ihre Devise ist: Viel Lärmen um nichts. Auch die Wohllust ist durch das Beyspiel der Grossen bis in die Winkel der geringsten Bürger ausgebreitet worden. Es wimmelt da von Mätressen, und eine Bürgersfrau hält es für unartig, ihrem Mann getreu zu seyn. Mit der durchaus herrschenden tiefen Armuth sticht die Wohllust und der Hang zur Kleiderpracht seltsam genug ab. Das Frauenzimmer dieser Stadt ist übrigens sehr schön, artig und reizend.
Die Verfassung der Pfalz ist eine der despotischesten in Deutschland. Sie hat keine Landesstände, und die Privilegien der verschiedenen Gemeinden sind ein Spiel des Hofes. Allein hier wird man mehr als an irgend einem andern Ort in der Welt überzeugt, daß der uneingeschränkteste Regent der abhängigste unter allen ist. Er hängt, als Regent, von seinem niedrigsten Bedienten ab, und ist Dupe Dupe – von französisch düpieren: zum Narren halten, prellen, betrügen von allen, die ihn umgeben. Jeder Untergeordnete spielt die nämliche Despotie, in so weit sein Wirkungskreis reicht, und wenn der Regent nicht Muth und Kräfte genug hat, die Regierungsgeschäfte hie und da auch im Detail selbst auf sich zu nehmen, oder wenigstens seine Bedienten streng zu prüfen, so stehn dieselbe unter einander in einem stillschweigenden Komplot gegen ihn und das Land, und niemand ist da, ihm die Wahrheit zu sagen und für die gute Sache das Wort zu nehmen. Der Kurfürst kann keinen Stein zu einem Gebäude bewegen lassen, ohne auf die schrecklichste Art betrogen zu werden – »Ziehen wir den Vorhang vor!« –