Franziska Gräfin zu Reventlow
Der Geldkomplex
Franziska Gräfin zu Reventlow

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Monte Carlo

Zwei Briefe von Dir habe ich hier bekommen – sei nicht böse, daß ich nicht schrieb, aber ich denke, Du wirst wenigstens einige Funktelegramme erhalten haben.

Wir sind nicht, wie zu erwarten stand, mit Mann und Maus untergegangen, sondern tatsächlich eines Tages in Barcelona angekommen, und die Kühe wurden noch in unserer Gegenwart gelöscht. Das ganze Schiff, und wir mit, interessierte sich zuletzt ausschließlich für ihr Befinden, so daß es fast zu einem neuen Komplex wurde.

Dann aber haben wir alle weiteren Reisegedanken buchstäblich über Bord geworfen, in Barcelona nur gefrühstückt, und sind mit dem nächsten Zug nach Monte gefahren. Es war wie eine plötzliche Erleuchtung, daß wir dahin müßten. Und die Fahrt ging ohne jeden Zwischenfall vor sich. Nichts streikte, kein Zug entgleiste, kein Hotel ging in Flammen auf.

Hier bin ich vollkommen und wunschlos glücklich, Maria, mir ist, als hätte ich die Heimat gefunden und alles, was dazugehört. Man wohnt nicht, man ist im Hotel, und am Spieltisch gibt es keine Vergangenheit, keine Zukunft und keine Gegenwart mehr, keine Spannungen und keine Gedanken. Denn ich muß bemerken, das Jeu hat für mich nichts Aufregendes, es wirkt im Gegenteil beruhigend, man sieht nur Geld, hört nur Geld, fühlt nur Geld, und das ist gerade das, was mir not tat. Einmal gehört es mir, einmal nicht, es rollt fort, schiebt sich wieder vor mich hin – es muß sich passiv verhalten, kann sich keine eigenen Launen mehr leisten, sondern muß sich denen des Roulette fügen. Und ich tyrannisiere es, denn ob ich spiele, und wie hoch, oder wieder aufhöre, steht in meiner Macht.

Übrigens spielen nur Henry und ich. Gottfried darf nicht ins Kasino, weil er noch nicht mündig ist, und Baumann geht von Tisch zu Tisch und sammelt Material, um eine Abhandlung über Geldkomplexe zu schreiben. Meiner, behauptet er, sei jetzt erst auf dem Höhepunkt angelangt. Aber das interessiert mich nicht mehr.

 

Morgen schreibe ich weiter, ich habe vor, einen Tag auszusetzen. Die anderen wollen einen Ausflug machen, und um des lieben Friedens willen gehe ich mit. Wozu eigentlich? Landschaft und dergleichen gibt es überall. Ich will hier nur Geldluft atmen.

Und dann muß ich mich endlich einmal um Gottfrieds Paletot kümmern, er behauptet, allein könne er solche Einkäufe nicht machen. Man hat ihn neulich schon für einen Selbstmörder gehalten, weil er frierend in den Anlagen herumschlich.

Vorige Woche haben wir enorm gewonnen, aber die letzten Tage ebenso arg wieder verloren, und ich habe sicherheitshalber an den melancholischen Bankdirektor telegraphiert. Er muß mir jetzt auch endlich die Abrechnung über die eingetroffenen Gelder schicken.


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