Franziska Gräfin zu Reventlow
Der Geldkomplex
Franziska Gräfin zu Reventlow

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

21

Seit ich von unterwegs den letzten etwas flüchtigen und durchgerüttelten Gruß an Dich abschickte, ist mehr als eine Woche vergangen. Wir sind immer noch an Bord. Durchschnittlich jeden anderen Tag legen wir in irgendeinem Hafennest an, um zu löschen, oder weil die Kühe einen Ruhetag brauchen. Diese Tiere können nämlich an der Seekrankheit sterben, und das Wetter ist andauernd stürmisch. Ich habe dem Kapitän verschiedentlich angeboten, alle zwanzig zu kaufen und sie dann an der nächsten Landungsstelle auszusetzen, damit wir nun einmal vom Fleck kommen – nicht meinetwegen, denn von mir aus könnte die Reise ewig dauern, aber die anderen sind so ungeduldig. Er wollte jedoch nicht darauf eingehen.

Ob wir jemals ankommen oder am Ende noch mit dieser Baracke untergehen?

Es ist ja klar, daß das Geld mich immer noch foppen will. Seit es mir nicht mehr entrinnen kann, kommt immer wieder eine Situation zustande, die ein intensives Ausgeben unmöglich macht. Entweder war keine Zeit mehr wie in Genua oder keine Gelegenheit wie jetzt. Und ich habe doch so sehr das Gefühl, es müßte endlich einmal ein Exempel statuiert werden, damit es mich als Herrin anerkennt. Die Taschen meiner Begleiter und meine eigenen – ich habe einen Reisemantel mit vielen und geräumigen Taschen – platzen vor Geldscheinen, und sie werden nicht weniger, es ist manchmal, als ob sie mich höhnisch angrinsten: «Gib uns doch aus, wenn du kannst.»

Diese Art zu reisen ist hoffnungslos billig, und, wie schon erwähnt, ich kann nicht einmal die Kühe kaufen, weil der Kapitän so halsstarrig ist.

Wir haben alles versucht, um einen protzigen Ton einzuführen, es gelingt nur halb. Zu Tisch machen wir Toilette, die Herren im Smoking – aber das kostet nichts und ist einigermaßen deplaciert. Die Leute halten uns für mehr als übergeschnappt, schon weil wir überhaupt mit ihnen gefahren sind. Sie haben sonst nie Passagiere erster Klasse, und es ist ihnen nur lästig, weil sie lieber Eßvorräte in den Kabinen aufbewahren. Das Leben ist doch verdreht – kaum ist man aus dem Sanatorium heraus, so halten einen alle für verrückt.

Dabei müssen wir uns dem Bordkomment fügen, um zehn Uhr früh zu Mittag essen und um fünf zu Abend. Extramahlzeiten werden nicht serviert. Es geht uns also ähnlich wie dem hungernden Araber, der einen Sack Perlen in der Wüste fand... Der beklagenswerte Gottfried hat zum Beispiel immer noch keinen Mantel, weil sich damals in der Eile nichts Passendes fand, und muß elend frieren oder sich an Deck in eine Wolldecke einwickeln.

Nach dem Souper telegraphieren wir. Der Funkapparat ist der einzige Luxusgegenstand auf unserem Dampfer.


 << zurück weiter >>