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Schlimme Nachrichten, Maria. Meine neulichen Abendbetrachtungen waren Vorahnung. Wie ich dieses zweite Gesicht verwünsche, aber ich habe es nun einmal.
Also zuerst, was mich selbst betrifft. Ich weiß nicht, ob ich Dir erzählte, daß der Miterbe schon einmal verheiratet war. Daß er mit dieser ersten Frau denselben Kontrakt auf Erbteilung gemacht hat wie mit mir, wußte ich allerdings nicht. Sie hat sich dann schlecht bewährt, und er ließ sich von ihr scheiden. Jetzt aber, nach dem Tode des alten Herrn, ist sie wieder aus der Versenkung aufgetaucht, will ihre Ansprüche geltend machen und droht durch ihren Anwalt die Erbschaft mit Beschlag belegen zu lassen. Im besten Falle gibt es also wieder eine Verzögerung, im minder günstigen... aber ich ziehe es vor, diesen Gedanken vorläufig noch zu verdrängen. Lukas ist jetzt ganz kleinlaut und meint, daß wirklich von seiten des Schicksals rätselhafte Dinge gegen mich vorliegen müssen.
Er, der Miterbe, gedenkt nächstens zurückzukommen und will mich dann hier aufsuchen. Einstweilen hat er immer noch Formalitäten zu erfüllen.
Wenn das alles wäre, aber auch um die Petroleumsache sind wir in schweren Sorgen. Balailoff gerät immer mehr unter den Einfluß des schwarzen Idioten (der sich übrigens in letzter Zeit lauter weiße Anzüge angeschafft hat – wir waren schon unschlüssig, ob man ihn nicht umtaufen müsse) und sprach schon davon, ihn auf eine Inspektionsreise nach Rußland zu schicken, da letzthin ungünstige Berichte von dort einliefen. Es hieß, das Gebiet sei doch nicht so ergiebig, wie man anfangs angenommen und so weiter. Henry behauptet auf Grund seiner gewiß vielfältigen Erfahrungen, das passiere bei jedem derartigen Unternehmen, und man brauche einstweilen kein Gewicht darauf zu legen. Das Konsortium pflege einmal dieses und einmal jenes Gerücht auszusprengen, um Stimmung zu machen, oder was weiß ich – ich konnte seinen Auseinandersetzungen nicht recht folgen, und Balailoff versteht es sicher noch weniger als ich. Der Idiot aber will jetzt plötzlich auch über Petroleumgewinnung besser Bescheid wissen als alle anderen, nachdem er vorher nur in Heiratspapieren kompetent war. Bei jedem anderen Gespräch verstummte er und klappte ratlos mit den Kinnladen.
Einstweilen ist er hier noch unentbehrlich, denn die Heiratsangelegenheit scheint trotz all seiner Bemühungen nicht vom Fleck zu rücken. Balailoff ist manchmal sehr nervös und klagt darüber, daß die Beamtenbestechung unwahrscheinliche Summen verschlinge.
Wir anderen trauen dem schwarzen Kerl nicht über den Weg. Bei Tisch setzt er sich nach wie vor zu uns, ist auf keine Weise loszuwerden, sondern sitzt da, starrt uns an und erzählt, wenn man ihn überhaupt zu Wort kommen läßt, von seinem angeblich bewegten Leben. Anfangs brachte man ihn rasch zum Schweigen, aber wir lassen ihn jetzt manchmal gewähren, um gelegentlich eine Handhabe gegen ihn zu gewinnen. Bis jetzt haben wir aber nur festgestellt, daß er unerhört lügt und höchstens in Balailoffs Gegenwart seine Erzählungen etwas glaubhafter hält. Von uns nimmt er wohl an, daß wir alles glauben, da wir immer schweigend zuhören und nie den leisesten Zweifel äußern.
... Es scheint beinah, daß wir unserem Ziel näher kommen und eine wichtige Entdeckung gemacht haben, mittels derer wir ihn vielleicht stürzen können. Neulich abends waren wir alle in Henrys Zimmer – der Pavillon der Braut liegt nahe an unserem Separatflügel, und man hört sie allabendlich Klavier spielen, war aber so daran gewöhnt, daß man nicht weiter darauf achtete. Balailoff ist um diese Zeit nie vorhanden, sondern treibt sich allein in der Stadt herum.
An diesem Abend nun unterhielten wir uns ganz friedlich. Henry hatte Wein aus dem Bureau heraufgeschafft, und Baumann, der einen ziemlichen Schwips hatte, sagte auf einmal nachdenklich: «Hört nur, das ist wirklich merkwürdig... sie spielt ja vierhändig.» Wir schwiegen und hatten so unsere Gedanken dabei, während Baumanns Freundin ihn im tiefen Ernst zu überzeugen versuchte, daß es unmöglich sei, allein vierhändig zu spielen. Natürlich wollten wir in ihrer Gegenwart unseren Verdacht nicht äußern, aber als sie fort war, machten wir das Licht aus und warteten gespannt am Fenster, bis das Klavierspiel verstummte. Kurz nachher sahen wir denn auch den Privatsekretär vorsichtig durch den Garten schleichen.
Aber was nun? Darüber wurde lang hin und her beraten. Man kann die beiden doch nicht einfach verklatschen... es ist schließlich ihre Privatsache. Andererseits ist Balailoff, wenn er sich auch neuerdings schlecht benimmt, sozusagen unser Freund, während wir die Braut nicht ausstehen können und den Idioten los sein möchten. Sollte einer von den Männern den Ahnungslosen aufklären, was da vor sich geht... es nimmt sich eventuell doch schlecht aus, und die beiden würden zweifellos leugnen. Gott weiß, ob sie nicht auch wirklich nur zusammen Klavier spielen. Und doch, meinte Henry, wäre es beinahe Christenpflicht, ihn aufmerksam zu machen, denn wenn der Idiot ihm mit seiner Braut Hörner aufsetzt, wird er ihm auch mit dem Petroleum Hörner aufsetzen, sobald es ihm gelingt, seine Pfoten dahinein zu bekommen... und die ganze Geschichte geht für uns zum Teufel.
Zunächst haben wir also nur versucht, den Schwarzen aufs Glatteis zu führen. Ich fragte ihn gleich am nächsten Morgen in aller Harmlosigkeit, ob es bei starker musikalischer Begabung möglich sei, alleine vierhändig zu spielen. Balailoff schlug ein schallendes Gelächter an... er ahnt also nichts von den nächtlichen Konzerten... die Braut verfärbte sich... sie hat jedenfalls ein schlechtes Gewissen. Der Idiot aber behielt seine Fassung und hielt mir einen längeren Vortrag über Klaviertechnik sowie über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten.
Es war ein ausgesprochener Mißgriff, denn nun sind sie gewarnt und spielen nicht mehr zusammen.
Darauf versuchten Henry und Baumann – der Privatdozent gab sich nicht dazu her –, der Braut auf Tod und Leben die Cour zu machen, um den Idioten auszustechen. Sie reagierte in keiner Weise, und man erreichte nur, daß Balailoff noch verstimmter auf uns ist.
Nun haben wir noch einen Plan im Hinterhalt... wir wunderten uns nämlich schon lange darüber, daß weder Balailoff noch die Braut auf den Gedanken gekommen sind, die Ehe in England zu schließen. Er selbst weiß am Ende gar nichts von dieser segensreichen Einrichtung... bei einem Russen mit Spleen wäre das gar nicht so unmöglich, und sein Faktotum wird sich hüten, ihn auf den Gedanken zu bringen, da die Angelegenheit dadurch zu einem rascheren Abschluß käme. Das liegt selbstverständlich nicht in seinem Interesse.
Uns selbst geht es, offen gesagt, ebenso. Wir konnten uns nie besonders für die Heirat erwärmen und hofften immer, daß sie noch möglichst hinausgezogen würde, bis das Petroleum... Denn daran sind wir alle aufs lebhafteste interessiert und wollen mit «hineingehen», sobald eine gewisse Garantie gegeben ist. Lukas hat trotz seiner nationalökonomischen Weisheit Blut – respektive Petroleum – geleckt und möchte sein bescheidenes Kapital vermehren, Baumann mit fast gar nichts eines gewinnen und ich – nun, wenn irgend möglich – das Unglück mit dem Pflichtteil wieder gutmachen. –
Wäre nur Henry für einen Gründer nicht viel zu anständig, ich begreife allmählich, daß es eben das ist, was ihn immer wieder um den Erfolg bringt. Wie oft hätte er mit mehr Schwindel schon etwas erreichen können, aber er will nicht. Er schlägt statt dessen auf den Tisch und sagt: «Teufel, es muß auch so gehen!» Glaubst Du, er wäre auch nur imstande, einen Wechsel zu fälschen?... Aber man versteht es ja auch... Es hat etwas gegen sich, und man will nicht aus seiner Sphäre herausfallen.
So steht es nun auch wieder im Fall Idiot-Balailoff. Henry hält es für unfair, sich direkt einzumischen, und will abwarten, bis der Idiot auf Grund der göttlichen Gerechtigkeit in seine eigene Grube fällt. Ich dagegen bin überzeugt, daß das gerade diesem Typus niemals passieren wird.
Die Braut ist sehr vorsichtig geworden. Es hat den Anschein, als sei der Flirt zwischen den beiden ganz abgebrochen, sie begegnen sich nur noch mit kühler Höflichkeit. Aber es liegt auf der Hand, daß sie gegen uns intrigieren, denn Balailoff wird immer unliebenswürdiger. – – –