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Ein König von Gottes-Gnaden!

(Fortsetzung aus Band IV.)

Der Sozialdemokrat ging etwas gedrückt neben der energischen Schönen her, denn er hatte das Mädchen wirklich lieb und hätte sie gerne zu seiner ehrlichen Frau gemacht, wenn er nur die Mittel zu einem Haushalt hätte auftreiben können und sie eingewilligt hätte, ihre Freiheit und Sorgenfreiheit daran zu geben. So hoffte er, daß die »Association« gelingen und ihr bessere Einsicht beibringen werde. Manches hatte er freilich schon gelernt, das mit den Lehren der neuen Agitation nicht recht klappen wollte, aber die Theorie bleibt ja immer so verlockend!

Die drei Paare waren zu dem Hause in der Nähe der Kaserne des Gardisten gekommen, in dem so verschiedene soziale Szenen dieses Buchs gespielt haben, und wo bei der Vermieterin des Chambregarni im zweiten Stock des Vorderhauses der Meier Söllenhofer der Nähe der Kaserne wegen Wohnung genommen und auch der junge Volontär von den Gardeschützen eine bescheidene Stube gefunden hatte. Am 1. Oktober war die junge Schneiderin mit ihrer gelähmten Pflegemutter und der armen Friederike mit ihrem Kinde in die kleine Hofwohnung hinter dem zweiten Laden eingezogen, da diese in der Mitte der Stadt trotz der höheren Miete für ihre neue Beschäftigung weit vorteilhafter sich zeigte, als die ihr ohnehin durch die frühere Recherche verleidete Wohnung auf dem Köpenicker Felde. Dies und die Spekulation des angehenden, jungen Zigarrenfabrikanten auf die freiwerdenden günstigen Lokalitäten war auch die Ursache, daß die drei Paare sich zusammengefunden und die Illumination am Einzugstag gemeinschaftlich besichtigt hatten.

Auch die Vorderfront des Hauses war glänzend erleuchtet, und einer der damals in Aufnahme kommenden Gassterne brannte als Merkzeichen des Wirtsverkehrs über dem Torweg, als die kleine Gesellschaft über den Hof zum Biersaal schritt und einige Augenblicke verweilte.

»Wollten Sie nicht Ihrer Freundin die Nachricht von der Amnestie bringen, die des Königs Gnade heute auch für die Armee bewilligt hat?« fragte der junge Volontär die Schneiderin. »Ich werde hier auf Sie warten, während die Herren vorangehen und uns einen Tisch suchen.«

Das Arrangement war rasch getroffen. Henriette mit ihrer Freundin und der jungen Colone gingen in die kleine Wohnung, der armen jungen Mutter die Hoffnung zu verkünden, indes der Gardist und der Arbeiter das Bierlokal aufsuchten, wo bereits ihre Freunde zu sein schienen.

Der alte Colone hatte allein an einem Tische Platz genommen und empfing seinen Sohn mit einem Kopfnicken.

Er hatte sich sehr verändert seit den Frühjahrsmonden. Seine Haltung war noch immer so steif und fest wie damals, das schmale Gesicht so ernst und verschlossen wie früher, aber auf der sonst noch so glatten Stirn unter dem schlichten Blondhaar lagerten jetzt strenge Falten ärgerlichen Nachdenkens und um die blauen starren Augen ein Zug ärgerlicher Zweifel an sich selbst, die er noch nicht zu lösen vermocht hatte, um zur alten Klarheit zu kommen.

Der Gardist nahm auf seinen Wink neben ihm Platz, der Zigarrenarbeiter aber war nach einem achtungsvollen Gruß an den Colonen, um ihre Unterredung nicht zu stören, zu einem andern Tisch gegangen, wo fünf seiner Kameraden in heftigem Disput saßen und zu seinem offenbaren Ärger der Schuster Armbusen neben ihnen Platz genommen hatte.

»Nun, Fritz, warum bringst Du die Klörke nicht mit, oder ist sie bereits nach unserer Wohnung hinaufgegangen? Wie hats ihr gefallen und wie weit bist Du mit ihr? – Ich wollte, die Engel und Wilm hätten auch die Herrlichkeiten heute mit ansehen können. Man war doch stolz, ein Preuße zu sein!«

»Vater,« antwortete der Gardist, »wünschtest Du nicht noch einen anderen herbei?«

»Was soll's damit?« meinte der Meier barsch. »Ich fragte Dich, ob Du mit der Klörke einig geworden bist und sie der Vernunft und aller Sitte Gehör gibt? Sonst nichts.«

»Einig sind wir, Vater,« antwortete der junge Mann fest und entschlossen, »um es Dir zu sagen am heutigen Tage, bin ich ihr vorangegangen. Die Klörke gehört nach Gottes Recht dem Bruder Hindrik und ich unserm König und Herrn, wenn Du nichts dawider hast.«

Der alte Colone sah ihn fragend an.

»Ich habe mich entschlossen, Soldat zu bleiben und so mitzudienen für unsern wackern Jüngsten. So üb' ich unsere Pflicht gegen das Vaterland und folge meiner Neigung, die für den Soldatenstand ist. Gebt Eure Einwilligung, daß ich kapituliere, wenn meine drei Jahre um sind, und Euren Segen dazu!«

»Aber der Brüninghof?«

»Bleibt der Klörke; und sie wird ihn schon mit Deiner Hilfe verwalten, bis der Hindrik andern Sinnes wird oder ich nicht mehr dienen kann und ihn den beiden abpachte. Es wird nicht immer Frieden bleiben für des Königs Armee.«

Der harte Mann sah nachdenkend vor sich hin. Dann sagte er ernst, aber doch nicht unfreundlich: »Und das ist Dein fester Entschluß, Fritz, nicht der eines Augenblicks um das Flennen eines törichten Mädchens?«

»Er ist es, Vater!«

»So sei's denn! Ich seh, es ist eine andere Zeit, und ein anderes Geschlecht um mich her erstanden, – ob ein besseres? Gott allein weiß es. So bleibt der alten Zeit und der alten Sachsensitte nur noch der Wilm, und ich muß es auf andere Weise versuchen, mit mir und der Zeit ins Reine zu kommen. Nur das eine sag' ich Dir: bleib Deinem König getreu, getreuer als der Sitte Deiner Väter, sonst hast Du meinen Fluch, statt meines Segens. Und nun – wo ist der Mann, der mit Dir kam, und dem ich ein Versprechen geleistet, ihm zu helfen nach seiner Art und seinen Gedanken? Ich wills versuchen mit ihm, was festhält – die alte Zeit oder die neue und ihr Evangelium.«

»Herr Frisch ist dort hinübergegangen zu seinen Kameraden.«

»So rufe ihn; es sind manche darunter, die mir weniger gefallen wollen, als er. Indes der Schein trügt, und man kann keinem ins Herz sehen. Hier setz Dich, Klörke! Kein Wort weiter, ich bin einig mit meinem zweiten. Seien Sie gegrüßt und nehmen Sie Platz.«

Der Gruß galt den beiden andern Mädchen und dem Gardeschützen. Der Meier zeigte sich ganz in seiner ernsten einfachen Weise, doch als höflicher, fast galanter Mann gegen die Frauen, und sprach mit ihnen freundlich über die Pracht des königlichen Einzugs und die Illumination, bis der Gardist mit dem jungen Arbeiter herbeikam, und er sich sofort steif und kühl erhob.

»Sie haben befohlen, Herr Söllenhofer?«

»Ich habe nichts zu befehlen, Herr, die Zeit des Befehlens, wie die des Gehorsams hat aufgehört im Preußenlande. Ich möchte mit Ihnen nur ausführlich sprechen über das, wovon wir gestern hier redeten. Ist hier ein Ort, wo wir ungestört uns unterhalten und vereinigen können? Ich habe das Geld bei mir – heute vom Wechsler geholt.«

Ein Blitz der Freude unerwarteter Erfüllung seiner Wünsche flog über das Gesicht des jungen Arbeiters, und sein Auge begegnete, wie stolz darüber, einen Moment lang denen seines aufhorchenden Mädchens.

»Wenn es Ihnen gefällig wäre, Herr Söllenhofer – dort hinten im Nebensaal, wo gewöhnlich die Versammlungen sind, ist es leerer und wir sind ungestört. Ist es Ihnen genehm, wenn ich meine Kameraden, die mit mir in Assoziation treten wollen, mit zu unserer Unterredung ziehe? Da wir einen gemeinsamen Verein bilden werden, ist es in der Ordnung, daß kein Geschäftsgeheimnis zwischen uns besteht. So ist es sozial richtig.«

»Meinetwegen – es beweist wenigstens, daß Sie es ehrlich mit der Sache meinen. Kommen Sie, und bringen Sie Feder und Tinte mit, und wen Sie wollen.«

Der Meier nahm sein Seidel und ging voran, den andern Mitgliedern seiner Gesellschaft winkend, zurückzubleiben.

Ehe der Zigarrenarbeiter mit seinen Genossen ihm folgte, hatte die Schneidermamsell noch einmal dessen Arm gefaßt.

»Ik sage Dich, sei kein Esel, Friedrich, und halt Dich das Gesindel vom Leibe, Du hast Deine Zukunft unverdient in die Hand. Wat ich Dir sagen wollte, der fatale Doktor, der Lasalle, ist eben, als wir kamen in die Weinkneipe nebenan jegangen!«

Sie sah ihm besorgt nach und setzte sich zu ihrer Gesellschaft. Das praktische, wenn auch leichtfertige und gerade in der Moral nicht sonderlich feste Mädchen, das ihr Los sich doch durch Fleiß und Verstand selbst geschaffen, hatte wenig Vertrauen zu all' dem politischen Schwindel und Treiben und hielt sich an das Praktische. Bei letzterem war sie augenblicklich mit der Speisekarte und einem Seidel. »Jedes nach Belieben, Herr Söllenhofer, und bezahlt vor sich allein. Hier – was wünschen Sie – Sauerbraten jibts und Casseler Rippspeer? Er is gewöhnlich sehr gut bei Kulekens! Die Friederike wollte partoutement nich mitjehn und bei ihrem Wurm bleiben, so sehr wir sie auch zuredeten. He, Nettchen,« sie sagte es flüsternd, um von dem adligen Volontär nicht gehört zu werden, »ik jlobe gar, da drüben sitzt Deine Schwester mit ihrem Jeliebten; wie kommt die hierher, ik dachte, sie verkehrten nur unten in dem Bums? Daß nur Dein Leutnant nischt merkt, ik jlobe, et könnte ihm doch nich sehr anjenehm sind, die Jesellschaft.«

Aber das wackere Mädchen war bereits aufgestanden, als es von der Anwesenheit ihrer brutalen Schwester und von deren Geliebten hörte, der noch immer sehr krank und abgezehrt aussah von der schweren Wundkrankheit, die er überstanden hatte.

Sie war hinübergegangen und reichte beiden die Hand. »Wie geht es Ihnen, Herr Wilhelm,« sie kannte nicht einmal seinen andern Namen, »hoffentlich besser? Sie waren lange sehr krank, die schlimme Tat hat Sie sehr heruntergebracht.«

»Ja, dreizehn Wochen hat er gelegen,« schrie die Witwe, »und kein Mensch hat sich um ihn gekümmert, außer wenn uns das Gericht kujonierte, um ihn zum Reden zu bringen gegen den schlechten Kerl. Dafür hab ichs wenigstens getan und 's ihm angehängt, daß er fünf Jahre Zuchthaus gekriegt hat. Nach Brandenburg kam er und säße dort feste, wenn ihn die dummen Kerle nich hätten entspringen lassen unterwegs. Nu kann er andere Leute stechen, der tückische, böhmische Hund, ich wünschte, er täts ihnen selber! 'S ist das erste Mal, daß ich ihn hier heraufbringen konnte, 's taugt ihm nichts unten bei Nowak, die Jesellschaft is nich besser als der Böhme war, und er braucht doch Luft und Stärkung, damit er wieder zu Kräften kommt und ans Verdienen; der Doktor sagte freilich, als er zuletzt kam, der Wilm würde nie wieder der alte werden!«

Der Steinträger hatte ihr die Hand gereicht. »Trotz Deiner treuen Pflege, Marie,« sagte er traurig, »muß ich mich also nach einer andern Beschäftigung umsehen, obgleich der Verdienst der Kameraden jetzt sehr gut sein soll.«

»Und Dir, Marie,« fragte das junge Mädchen, »wie geht es Dir? Sei mir nicht böse, daß ich nicht öfter zu Dir komme, aber ich habe jetzt wirklich gar so viel zu tun von morgens früh bis zum Schlafengehen!«

»Glaubs wohl, bist jetzt obenauf, und gehst nur mit feinen Leuten um, da fragt man nach so geringem Pack nicht, wie wir! Ich sage Dir nur, nehm Dich in acht, daß Dirs nich geht wie der Friederike, welche die Martini auch ni mehr zu kennen scheint und noch nicht ein einziges Mal bei mir gewesen ist, seit sie wieder hier im Hause wohnt, aber freilich nich mehr im Keller, der ihr damals gut genug war, als sie im Elend stak, sondern jetzt vornehm im Parterre. Aber ich wills ihr und Dir nicht neiden, bist ja doch meine Schwester, und ich habe verflucht wenig an Dir tun können, als Du noch eine Krabbe warst; deshalb ists brav von Dir, daß Du zur ehemaligen Pflegemutter jetzt hältst und lieber vor ihr arbeitest, als daß sie in den Alten-Weiberspittel an der Jannowitz-Brücke kommt. Aber was ich sagen wollte – da Du jetzt zu so vielen reichen Leuten kommst, kannst Du nicht hinhorchen, obs nicht einmal so eine passende Stelle gäbe für den Wilm – so als Portier oder Hausdiener, was er noch leisten kann? Bewaschen wollt ich ihn schon gern und auch sonst manchmal für 'ne Stärkung sorgen. Sein Appetit nimmt jetzt gut zu.«

So brutal und rücksichtslos die Frau auch sonst war, davon sprach sie kein Wort, daß sie fast sechs Monate lang mit ihrer Hände saurer Arbeit den Kranken unterhalten und gepflegt hatte, ihr dies gewiß nicht leicht geworden war und deshalb noch manches Stück von ihrem ehemaligen Wohlstand hatte zum Leihhaus oder zum Altkrämer wandern müssen.

Bittend sah der früher so rohe Steinträger zu dem Mädchen auf. »Plage Deine Schwester nicht,« sagte er bescheiden, »sie wird gewiß an einen armen aber ehrlichen Kerl denken, wenn sich die Gelegenheit findet, hat ja selbst ihr bisken Not, und es geht ja täglich besser. Es hat auch hier nicht an guten Menschen gefehlt im Hause, der alte Franzose hat alle Medizin für mich bezahlt und seine Frau und das Geheimrats-Fräulein hat mir oft genug kräftige Suppen gekocht und nach mir umgesehn, wenn die Marie fort mußte von wegen ihr Geschäft. Selbst die Kuleken hat mit Essen für mich gesorgt und manches andere. Glauben Sie auch nicht, Mamsellchen, daß ich ihr hier das Geld verschlemme; sie hat mich gezwungen mit hier herauf und – es ist doch heut meines Königs Ehrentag, daß ich hier mein Seidel trinke und die Zigarre rauche, mit der mich Herr Frisch versehen hat, seit ich das Labsal mir wieder antun darf.«

»Das ist ein guter Gedanke,« sagte rasch die Näherin, »vielleicht kann er Ihnen noch anderes bieten, eine passende Stelle, bei der Sie Marie gar nicht zu verlassen brauchen. Ein Arbeiter hilft gern dem andern, und, wie ich gehört habe, hat er Aussichten, statt der Spinnerei, die nach Rummelsburg verlegt wird, hier oben eine andere Fabrik in seinem Metier zu gründen.«

»Was Du nicht sagst, Kind!« rief die Wäscherin, »der Frisch – am Ende gar eine Zigarrenfabrik? Ich wollt's ihm gönnen. Da sollte er mich nur zur Aufseherin machen über die Mächens, ich wollte die faulen Schlumpen auf die Beine bringen. Vergiß ja nicht, Nette, mit Herrn Frisch darüber zu sprechen, und da darauf, Wilm, müssen wir heute noch einen Seidel trinken!« Und sie winkte der Biermamsell.

»Aber Sie erlauben, daß ich es bezahle,« sagte die Schneiderin, »und verlaß Dich darauf, Marie, daß ich und Pauline mit ihm darüber sprechen!«

Damit entschlüpfte sie wieder zu ihrer Gesellschaft.


Der Zigarrenarbeiter war mit seinen Kameraden dem Kolonen nach dem hinteren Saal gefolgt, und sie hatten hier Platz um einen Tisch genommen, wobei der junge Mann zu seinem Verdruß bemerkte, daß auch der Schuster Armbusen sich ihnen angeschlossen hatte. Aber ein ernster Wink wies diesen an einen andern Tisch.

»Diese Herren,« sagte der Meier, »sind also Ihre Freunde und Genossen, mit denen Sie gemeinschaftlich das Unternehmen beginnen wollen?«

»Es sind Sozialdemokraten, wie ich,« erwiderte der junge Mann, »wir arbeiteten zusammen in derselben Fabrik und machten zu gleicher Zeit Streik, weil der Besitzer unsern Verdienst nicht erhöhen wollte und sogar eine andere Fabrikordnung eingeführt hatte, die uns jede eines freien Mannes würdige Selbständigkeit raubte. Dies sind die Herren Vorknecht, Wende, Becker, Hochstedt und Schweiger

»Nach dieser neuen Fabrikordnung, Herr,« sagte Vorknecht, »hätten wir nicht einmal Zeit gehabt, über unser geknechtetes Dasein und unsere Menschenrechte gehörig nachzudenken. Nur eine halbe Stunde zum Frühstück, eine halbe zur Vesper und zwei lumpige Stunden zum Mittag von den zwölfen!«

»Keinen blauen Montag,« meinte Schweiger, »und wer eine halbe Stunde zu spät kommt zur Arbeit, sollte Strafgelder bezahlen.«

»Keine Besuche annehmen in der Fabrik!«

»Nicht einmal einstecken sollte man sich von den Zigarren den Abendbedarf, eine schändliche Tyrannei!«

Der Meier hatte ruhig Platz genommen, es den anderen überlassend, ob sie folgen wollten oder nicht.

»Darf ich fragen – was verdienten Sie bei dieser Behandlung?«

»Ein Lumpengeld, Herr, nach der Stückzahl, das ist es ja eben! Man konnte sich abstrapazieren, daß einem der Schweiß von der Stirn rannte, wenn man lumpige anderthalb Taler im Tage verdienen wollte. Rechnen Sie selbst: Wohnung, Kost, Garderobe – was bleibt da zur Erholung, der Fabrikherr steckt allen Vorteil in die Tasche! Nennen Sie das ein menschenwürdiges Dasein?!«

»Von meinen Arbeitern,« sagte der Meier ruhig, »verdient der Mann außer gesunder und nahrhafter Kost in der Erntezeit von früh 4 Uhr bis Abends 7 Uhr sechs Silbergroschen.«

»Ja, Herr,« rief der Zigarrenarbeiter Hochstedt – »das ist auf dem Lande, Bauernvolk, das ist es nicht besser gewohnt – aber Doktor Lasalle sagt, das muß auch dort anders werden! Ländliche Genossenschaften mit sozialem Grundeigentum, der Staat muß das Kapital zur Aussaat und zum Betrieb stellen.«

»Hm! Das wird jedenfalls unsern Arbeitern sehr angenehm sein, namentlich, wenn es nächstens im Amtsblatt und von der Kanzel publiziert wird.«

Der Sozialist Becker stieß den Vorredner an. »Dummkopf!« sagte er leise, »siehst Du nicht, daß der Protz noch nicht so weit vorgeschritten ist?«

Der Meier hatte sich an den jungen Mann gewandt.

»Sie sagten mir gestern, daß Sie hier eine Produktiv-Genossenschaft bilden wollen, das heißt, wenn ich recht verstanden habe, eine Genossenschaft von Arbeitern für eine bestimmte Produktion, die zugleich die Verwertung ihrer Produkte in direkter Weise ohne Vermittelung von Zwischenhändlern oder Eigentümern dieser Produkte übernimmt, und so den Arbeitern selbst den Gewinn zuwenden will, den sonst das Kapital oder der Fabrikherr bezieht.«

»Ja, Herr Söllenhofer,« sagte schon etwas verlegen der junge Mann, »Sie haben den Grundgedanken ganz richtig aufgefaßt, obgleich hiermit die Idee des Sozialismus keineswegs erschöpft ist. Wir verlangen vollkommene bürgerliche Gleichstellung, Aufhebung der Beschränkung der freien Arbeitskraft durch Militärpflicht, Freiheit jeder Anschauung in religiöser Beziehung, gleichen Unterricht, freie Ehe durch bloße gesetzliche Verpflichtung, also Zivilehe, und zur Erreichung der Gesetzgebung durch das Volk das allgemeine Wahlrecht.«

»Bleiben wir vorerst bei dem Recht der Arbeit stehen, mit anderem Wort, der gemeinsamen Produktion und der gemeinsamen Verwertung. Dieser Gedanke wäre so übel nicht.«

»Ja, Herr, aber dazu fehlt uns eben das Kapital. Das soll der Staat geben, weil es ihm durch die Steuern verzinst wird!«

»Keine Steuern mehr!« schrie Vorknecht.

»Gut! Sie halten also doch den Gedanken fest, daß das Kapital gleichfalls Anspruch auf Verwertung hat, sei es durch die Steuer, sei es durch Verzinsung.«

»Ich leugne das nicht, nur darf dieses Verzinsungsrecht kein die Arbeit erdrückendes sein.«

»Sagen wir also nur ein zu vereinbarender Anteil am Erwerb!«

Der junge Mann wurde immer befangener. »Sagen Sie mir, welchen Zins verlangen Sie, wenn Sie uns das Kapital zu unserer Genossenschaft geben wollen, Herr Söllenhofer?«

»Das sollen Sie selbst bestimmen, nicht ich! Ich will Ihnen offen sagen, ich habe mir die Buße auferlegt – Ihnen kann es gleich sein, wofür – eine Summe Geldes, die ich mir selbst erworben durch Arbeit und Sparen, zur Erprobung einer der Ideen der Neuzeit zu opfern, die uns alten schlichten Leuten nicht so leicht in den Kopf gehen wollen. Ich will dies als verständiger Mann tun, und deshalb habe ich mich nach Ihnen erkundigt, ob Sie ein redlicher und tätiger Mensch sind. Beides hat mir der alte französische Herr gesagt, der Sie durch einen Arbeiter kennt, der hier unten in der Schlosserei beschäftigt war und jetzt zu seiner weiteren Ausbildung in der Fremde ist.«

»Gewiß der Wehrmann?«

»Mag sein! Der alte Franzose würde Ihnen vielleicht selbst das Geld gegeben haben, wenn Sie ihn darum angesprochen hätten. Jetzt will ich es tun. Wieviel brauchen Sie, um in bescheidener Weise die Genossenschaftsproduktion anzufangen in diesen Lokalitäten, die Sie mir selbst gerühmt haben. Verstehen Sie mich recht: ich gebe Ihnen persönlich das Kapital – Sie wählen Ihre Genossen.«

Der Zigarrenmacher rechnete auf seiner Notiztafel. Von einer Seite flüsterte sein Kamerad Vorknecht: »Nicht zu wenig, Frisch!«, von der anderen Becker: »Sei gescheut, Friedrich, wir müssen gleich im Großen anfangen, Wenns lohnen soll!«

»Mädchen zum Wickeln können wir genug haben,« meinte der dritte, »die Arbeitslöhne sind niedrig – für vier Silberjroschens den Tag schaffe ich sie uns schockweise!«

Frisch war fertig mit seinem Rechenexempel. »Nein,« sagte er entschlossen, »dieser Herr verfährt ehrlich und großmütig mit uns, und, wenn wir verdienen wollen, dürfen auch die armen Arbeiterinnen nicht gedrückt werden! Herr Montmartin hat Ihnen vielleicht gesagt, daß ich eine Maschine zum Wickeln erfunden habe, deren Idee mein Freund, der junge Maschinenbauer sehr lobt, und die er auf meine schlechte Zeichnung hin eben anzufertigen im Begriff steht. Aber wir brauchen noch andere Geräte, die Miete muß, da wir unbemittelt sind, pränumerando auf ein Quartal gezahlt werden, vor allem, wenn wir reell fabrizieren und vorwärts kommen wollen, müssen wir gutes Material haben aus direktem Bezug; ich fürchte – zwölfhundert Taler, Herr, wird Ihnen wohl zu viel sein, und dennoch wäre dies nötig!«

Der andere Zigarrenarbeiter hatte ihn vergeblich unterm Tisch angestoßen, jetzt wandte er sich ärgerlich von dem ehrlicheren Kameraden ab und brummte fast vernehmlich: »Dummkopf!«

»Wir würden es Ihnen redlich mit fünf Prozent verzinsen,« fuhr der junge Arbeiter entschuldigend fort. »Auch wäre es nicht gleich auf einmal nötig. Bedenken Sie, daß wir erst Kundschaft erwerben und eine Reise nach Bremen und der Pfalz machen müssen.«

»Es ist die Summe,« sagte der Meier aufstehend, »die ich mir zu dem Versuch vorgesetzt, und Sie sollen das Geld haben auf Ihr ehrliches Gesicht hin. In zwei Jahren will ich erst Rechenschaft darüber verlangen, bis dahin mögen Sie der Verwalter sein und Ihren Plan realisieren. Ich gehe, das Geld von meinem Zimmer zu holen, da ich es natürlich im heutigen Gewühl nicht bei mir führen wollte. Was Ihre andern sozialen Gedanken und Pläne betrifft, so habe ich nichts damit zu tun.« – Er verließ den Saal.

»Hurrah!« schrie Wende, »das nenn ich einen Glücksstern. Ich weiß eine prächtige Gelegenheit, wo wir ihn heute abend noch feiern können – guten Wein, famose Küche und schöne Mädchen!«

»Der Kerl scheint enorm reich oder dumm,« meinte Vorknecht, »das Doppelte hättest Du mindestens fordern müssen!«

»Das Gescheuteste ist, wir teilen heute abend und jeder gibt dann bei der Einrichtung seinen Betrag – jeder hat das gleiche Recht!«

»Wir wollen später über das Geschäft sprechen, wer soll die Kasse führen?«

»Ich werde die Stadtkundschaft übernehmen.« »Und ich die Aufsicht im Arbeitersaal! Zehn Taler Vorschuß muß ich heute abend noch haben!«

»Meine Alte wird sich freuen, da sie doch bei unserem Strike die letzte Zeit sehr krumm gelegen hat!«

»Sie werden doch einen armen Kerl nicht vergessen, Herr Frisch, und mir Anteil nehmen lassen,« schrie der Schuster, der eilig an den Tisch getreten war und das Seidel des Colonen sich zu Gemüte geführt hatte. »Ik werde sehn, ob ik ihn nich ooch anpumpen kann! Et lebe die Sozial-Demokratie!«

Der junge Mann war blitzenden Auges aufgestanden und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser klirrten.

»Hört mich an, Kameraden, und täuscht Euch nicht über meinen Entschluß, und Sie, liederlicher Schuster, packen Sie sich fort und lassen jenen Herrn in Ruhe, oder ich will Ihnen, wie ich Ihnen versprochen, das Fell gerben für den Diebstahl an Ihrer Familie, daß es grün und blau davon sein soll. Nicht einen Pfennig von dem Gelde kriegt einer, ehe es mit Fleiß und Arbeit verdient ist. Zur Genossenschaft gibt es ein Ehrenmann, und redlich soll es dazu verwendet werden, dafür bürge ich. Die Kasse führe ich, und, wer nicht arbeiten will, mag aus der Genossenschaft bleiben, das ist mein letztes Wort!«

»Das wäre Anmaßung, die ich bestreiten muß! Du hast kein besseres Anrecht wie wir!«

»Sollen wir etwa wie die Hunde uns schinden, wenn wir Geld haben? Am besten, wir teilen und machen dann gemeinsame Kasse! überdies hast Du's selbst gehört, daß der Mensch sich einen Ultra-Reaktionär genannt hat. Was er hergibt, ist also nur, um was er den Arbeiterstand vorher geschröpft hat!«

»Ja teilen, teilen! Die Majorität hat Dich überstimmt!«

»Du wirst doch Deine Kameraden nicht tyrannisieren wollen, – da hätten wir ebenso gut in der Fabrik bleiben können!«

»Du möchtest uns wohl um unser Eigentum prellen?«

»Wir sind so gut wie Du! Kommandieren laß ik mir nicht! Das sind keine sozialdemokratischen Grundsätze! Ich werde mich bei dem Präsidenten unseres Vereins darüber beschweren.«

Frisch stand ihnen gegenüber, die Arme gekreuzt. »Ich sah ihn vorhin drüben in die Weinwirtschaft gehen, also kannst Du's in der Nähe haben – geh und rufe ihn einer. Vorläufig kennt Ihr mich, und das Geld bekommt Ihr nicht in die Hände. Wir sind keine Kommunisten, und daß das Kapital zu unserm richtigen Zweck verwendet und nicht verschleudert wird, dafür werde ich Sorge tragen, indem ich Herrn Söllenhofer bitte, es irgendwo bei einem zuverlässigen Mann zu deponieren, wo es in Raten auf meine und zweier andern Mitglieder unserer Genossenschaft Unterschrift gehoben werden kann.«

»Das ist eine Sache Ihrer inneren Genossenschaftseinrichtung,« sagte die ruhige Stimme des plötzlich unter den Streitenden stehenden Colonen mit einer gewissen Ironie. »Ich halte das allerdings für das Richtige, mische mich aber nicht ein und wünsche von Ihnen allein, Herr Frisch, Quittung für das bei Ihnen deponierte Geld, da ich Sie als einen redlichen Mann erkenne. Heute über zwei Jahre also werde ich wieder an dieser Stelle sein, um zu erfahren, welchen Ausgang das Unternehmen gehabt hat. Wollen Sie dies – oder wollen Sie diese Bedingung nicht eingehen? Im ersteren Fall ist hier das Geld.«

»Aber wir können Unglück haben. Bei aller Vorsicht kann das Kapital verloren gehen,« sagte bedenklich der junge Arbeiter.

»Das kann jedem andern Unternehmer, jedem Kapital auch geschehen. Der Landmann ist ebenso gut den Mißernten und Krankheiten ausgesetzt, die er nicht abwenden kann, und die Gottes Schickung sind. In diesem Fall werden Sie mich sicher nicht unbillig finden, mir kommt es nur darauf an, zu ersehen, ob der soziale Gedanke, der Sie bewegt, an seiner innern Unausführbarkeit oder an dem törichten Gebühren und Unglauben der Menschen selbst scheitern muß. Ohne Arbeit, Aufrichtigkeit und Gottvertrauen ist keine menschliche Einrichtung von Wert. Also – entscheiden Sie sich!«

»Nehmen Sie lieber das Geld, Frisch,« sagte eine scharfe Stimme außerhalb des Kreises. »Ich werde dem Herrn, der es jedenfalls gut mit den Arbeitern zu meinen scheint, meine Ideen über die Berechtigung der Sozial-Demokratie und die Prinzipien meiner Produktiv-Genossenschaften sofort auseinandersetzen und ihn hoffentlich veranlassen, auch unter der ländlichen Bevölkerung gleiche Versuche zu machen. Sie können die zwölfhundert Taler in der Kasse meines allgemeinen Berliner Arbeitervereins auf das Vorteilhafteste und unseren großen Prinzipien entsprechend niederlegen! Ich danke Ihnen einstweilen im Namen der Arbeiter, Herr!«

Der Meier hatte sich ruhig zu dem neuen Apostel der Sozial-Demokratie gewendet und ihn mit kaltem Blick gemessen.

»Aber wer sind Sie, Herr?«

»Ich bin der Doktor Lassalle, der Präsident des großen Arbeiter-Vereins, der Gründer der sozialdemokratischen Produktiv-Assoziationen! Ich werde die Angelegenheit dieser Herren nach Prinzipien ordnen und Ihnen sogleich einen Vortrag …«

»Später, Herr! Sie sind also wohl der jüdische Doktor Lassalle, der einer Dame in Köln ihre Kassette stehlen ließ und in Düsseldorf wegen Aufruhr und Rebellion verurteilt wurde?« Dem Agitator fuhr es rot über die Stirn, und er wollte auffahren, aber der Meier winkte ihm ruhig zu. »Wahrscheinlich haben Sie das Kapital, das Sie von der vornehmen Dame für den Ehebruchs- und Ehescheidungsprozeß erhielten – wie man bei uns in Westfalen und am Rhein erzählt 30 000 Taler – doch auch in der Kasse des allgemeinen Arbeiter-Vereins angelegt, wie Sie diesem Herrn hier raten? Nun, Herr, jeder kann sich bessern, wenn man auch schlimme Dinge aus Ihrer frühen Jugend erzählt, wenn er nur Ehrlichkeit und Gottesglauben hat, ein aufrichtiges und hingebendes Herz zu einer guten Idee mitbringt! So, Herr Lassalle, ich bin bereit, mir jetzt Ihre Ansichten über Besserung der Arbeiterverhältnisse entwickeln zu lassen!«

Der Meier hatte wieder seinen Stuhl eingenommen und winkte dem Zigarrenarbeiter die Quittung zu schreiben, was dieser nicht ohne Lächeln tat, während der Söllenhofer unter den gierigen und neidischen Blicken der umstehenden Mitglieder der neuen Genossenschaft in preußischen Kassenanweisungen das Darlehn aufzählte.

Aber der große Agitator blieb diesmal den Vortrag schuldig. Er hatte es vorgezogen, sich mit verächtlichem Nasenrümpfen auf den Hacken umzudrehen und wieder zu seiner politisierenden Gesellschaft zurückzugehen, wo man seine Verdienste besser zu würdigen und seine Vergangenheit weniger zu kennen schien.

Nachdem der Meier die Quittung des jungen Arbeiters sorgfältig zusammengelegt und dieser zum großen Verdruß seiner künftigen Genossen, die in Gegenwart des Darleihers nicht mehr opponieren mochten, das wertvolle Päckchen in die Brusttasche geschoben und den Rock darüber zugeknöpft hatte, erhob sich der Colone, reichte seinem Schuldner die Hand und lud ihn ein, mit ihm zu der Gesellschaft der drei Mädchen und der beiden Soldaten zurückzukehren, zu der er ebenso gleichmütig und ernst zurückkam, wie er sie verlassen hatte.

Er fand die Mädchen überaus heiter, während die beiden jungen Männer sehr entrüstet schienen.

»Nun – was gibt's, worüber lachen sie, Fritz?«

»Mit Verlaub, nichts, Vater, die Klörke hat einem Unverschämten einen tüchtigen Bums gegeben, der sie, als er vorüberging, unters Kinn fassen wollte, und wie die Pauline erzählt, soll's so'n Demokrat gewesen sein.«

Die Schneiderin winkte mit lachendem Auge ihrem Bräutigam. »Der Lassalle war's, die hübsche Landmamsell schien ihm in die Augen zu stechen.«

Der Meier machte eine kurze, wegwerfende Handbewegung. »Hast recht gehabt, Mäken, sollst Dich nicht von Solchen berühren lassen. Wenn's der war, der drinnen bei uns gewesen ist, – soll ein gescheuter Mann sein, aber sein Hochmut und seine Eitelkeit stürzen ihn sicher noch einmal ins Verderben. Hüten Sie sich vor ihm, Herr Frisch; ich müßte mich sehr täuschen, oder der Mann hat kein Herz für die Arbeiter und nur eins für sich!«

Der Mann, von dem die Rede war, verließ eben mit einem andern der damaligen Klubredner, die in der Kammer erklärten, nicht ruhen zu wollen, bis »Preußen der Großmachtsdünkel vertrieben sei«, damit die wahre Freiheit desto freier im Trüben fischen könne, das Weinlokal. Eine Equipage war grade vor dem Torweg angefahren, die Geheimrätin mit ihren zwei älteren Töchtern und einer andern Dame saßen darin. Sie hatten die Illumination abgefahren. Drei Männer waren zum Schlage getreten, ihn zu öffnen.

Die Dame, die mit der Geheimrätin im Fond saß, war noch sehr jung, von schlanker und dennoch üppiger Figur, von jener durchsichtigen Blässe, die dem roten goldschimmernden vollen Haarwuchs gewöhnlich eigen ist!

»Erlauben Sie mir, meine Gnädige,« sagte mit sehr ausländischem Akzent der moldauische Bojarensohn Fürst Strabetzkoi, der mit seinem Bärenführer die romantische Trauerspieldichterin eben aus dem Wagen hob, »Ihnen einen meiner Freunde, Herrn Baron von Rackowitz aus der Walachei, vorzustellen, der uns begleitet hat, seine schöne Verlobte abzuholen, um sie wieder in die Arme ihrer Tante zurückzuführen.«

»Wie aufmerksam!« flüsterte die romantische Dichterin der Dame zu. »Wissen Sie, Helene, Sie müssen den interessanten Walachen zu unserem nächsten Leseabend mitbringen! Ich verspreche, ihn Ihnen nicht abwendig zu machen, obschon das Fremde, Steppenartige so romantisch ist. Ein walachischer Bojarensohn, was müßte der in einem Drama für eine interessante Rolle spielen, fast wie Fürst Strabetzkoi, wenn er von seiner Heimat an den Mündungen der »blauen Donau« erzählt.«

Die beiden Vertreter der Demokratie, der »sozialen« und der »nationalliberalen«, waren, wie erwähnt, stehen geblieben, und der erstere hatte die jungen Damen durch sein Augenglas mit dreistem Anstarren in Augenschein genommen.

»Oh – ein famoses Weib – die Rotblonde! Die muß ich kennen lernen! Wenn der Geist nur zum zehnten Teil dem Äußeren entspricht, würde sie mir passen. Wer ist sie? Sie grüßten ja eben, und wo kann ich die Bekanntschaft machen?«

»Glaub's schon, wäre etwas für Sie, hat auch Vermögen! Ein Fräulein von Dönniges, der Vater im bairischen Staatsdienst, die Mutter stammt aus Berlin aus einem jüdischen Bankierhause; die Bekanntschaft können Sie leicht bei Ihrem Freunde Holthoff machen – aber – sie soll bereits verlobt sein – auch würde es die Gräfin kaum zugeben!«

»Bah! Diese fängt an, mir unbequem zu werden. – Verlobt!«


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