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Sechstes Kapitel.

Johannes der Täufer. – Jesu Reise zu Johannes und sein Aufenthalt in der Wüste von Judäa. – Er nimmt von Johannes die Taufe an.

Ein außergewöhnlicher Mensch, dessen Rolle aus Mangel an Dokumenten für uns teilweise rätselhaft ist, erschien in dieser Zeit und hatte gewisse Beziehungen zu Jesu. Diese Beziehungen sollten wohl den jungen Propheten aus Nazareth von seiner Bahn ablenken, brachten ihn jedoch auf den Gedanken zu mehreren wichtigen Zuthaten seiner religiösen Einrichtung; und allenfalls lieferten sie seinen Jüngern eine sehr starke Autorität, um ihren Meister in den Augen einer bestimmten Klasse der Juden zu empfehlen.

Gegen das Jahr 28 u. Z. – im 15. Jahr der Regierung des Tiberius – verbreitete sich in ganz Palästina der Ruf eines gewissen Johanan oder Johannes, eines jungen Asketen voll Leidenschaft. Johannes stammte von einem Priestergeschlecht und wurde vermutlich in Jutta bei Hebron, oder in Hebron selbst geboren. Hebron, die berühmte Patriarchenstadt, zwei Schritte von der Wüste von Judäa und wenige Stunden von der großen arabischen Wüste gelegen, war damals, was es noch heute ist: ein Bollwerk semitischen Geistes in seiner starrsten Form. Von seiner Kindheit an war Johannes ein Nasir (Luk. I, 15.), daß heißt einer gewissen Enthaltsamkeit durch Gelübde unterworfen. Die Wüste, die ihn sozusagen umgab, zog ihn schon frühzeitig an. (Luk. I, 80.) Hier führte er das Leben eines indischen Yogis, kleidete sich mit Fellen oder Stoffen aus Kameelhaaren und nährte sich nur von Heuschrecken und wildem Honig. Eine Zahl Jünger hatten sich ihm zugesellt, sie teilten seine Lebensweise und stellten Betrachtungen an über sein strenges Wort. Man hätte sich an die Ufer des Ganges versetzt wähnen können, wenn nicht eigenartige Züge in diesem Einsiedler den letzten Abkömmling der großen Propheten Israels erwiesen hätten.

Seitdem das jüdische Volk mit einer Art Verzweiflung über sein Schicksal nachzudenken begonnen hatte, kehrte die Phantasie des Volkes gern zu den alten Propheten zurück. Aber von allen Persönlichkeiten der Vergangenheit, deren Angedenken das Volk erweckte und erregte, wie der Traum einer unruhigen Nacht, war der größte Elias. Dieser Riese unter den Propheten, der sich in den düstern Karmel zurückgezogen hatte, wo er dem wilden Tiere gleich lebte und in Felshöhlen hauste, von wo er wie ein Blitzstrahl hervorbrach, um Könige einzusetzen oder abzusetzen – war durch allmähliche Umwandlungen in der Volksmeinung zu einem übernatürlichen Wesen geworden, das bald sichtbar, bald unsichtbar wäre, und der nie den Tod gekostet hätte. Man glaubte allgemein, Elias werde kommen und Israel wieder herstellen. Meleachi III, 23, 24 (IV, 5, 6 nach der Vulgata); Prediger XLVIII, 10; Matth. XVI, 14; XVII, 10; Mark. VI, 15; VIII, 28; IX, 10; Luk. IX, 8, 19; Joh. I, 21-25. Das strenge Leben, das er führte, die fürchterlichen Erinnerungen, die er hinterlassen, deren Eindruck heute noch im Orient fühlbar ist, dieses düstere Bild, das bis auf unsere Tage zittern macht und tötet, diese ganze Mythologie voll Rache und Schrecken übten einen gewaltigen Eindruck auf die Gemüter aus und drückten gewissermaßen allen Volksschöpfungen ein Geburtszeichen auf. Wer eine große Rolle unter dem Volke spielen wollte, der mußte Elias nachahmen; und da das Einsiedlerleben ein wesentlicher Zug dieses Sehers war, so gewöhnte man sich daran, den »Mann Gottes« als einen Eremiten zu betrachten. Man bildete sich ein, daß alle heiligen Personen ihre Tage der Buße, ihr strenges Wüstenleben gehabt hätten. (Himmelfahrt des Jesaias II, 9-11.) Die Zurückgezogenheit in der Wüste war derart die Bedingung und das Präludium hoher Bestimmung.

Kein Zweifel, daß dieser Nachahmungsgedanke Johannes viel beschäftigt hat. Das Einsiedlerleben, das dem Geiste des alten jüdischen Volkes so entgegen war, und mit dem Gelübde von der Art jene den Nasir und Rechabiten nichts zu thun hatten, drang von allen Seiten in Judäa ein. Die Essäer oder Therapeuten hatten sich nahe der Heimat des Johannes, am östlichen Ufer des Toten Meeres niedergelassen. Man bildete sich ein, daß die Obern der Sekte Einsiedler sein müßten, mit ihren Regeln und besonderen Einrichtungen, so wie die Stifter religiöser Orden. Die Lehrer der jungen Leute waren zuweilen gleichfalls Anachoreten (Josephus Vita 2), ähnlich den Guru, den geistlichen Lehrern des Bramahanentums. Zeigt sich nicht wirklich hier ein gewisser Einfluß der indischen Muni? Hatten vielleicht einige buddhistische Wandermönche, die die Welt predigend durchzogen – wie später die ersten Franziskaner – und Leute, die ihre Sprache nicht verstanden, durch ihr würdiges Gehaben bekehrten, ihren Schritt nach Judäa hingelenkt, so wie sie ihn zweifellos gegen Syrien und Babylon hingelenkt hatten? Wir wissen es nicht. Babylon war seit einiger Zeit zum Herd des Buddhismus geworden. Budasp (Bodhisattwa) genoß einen Ruf als chaldäischer Weiser und als Stifter des Sabismus. Was aber war der Sabismus? Wie seine Etymologie andeutet, die Taufe selbst, Das aramäische Wort seba, der Ursprung der Bezeichnung Sabier ist gleichbedeutend mit dem griechischen βαπτίξω. das heißt, die Religion der wiederholten Taufen, der Ursprung der heute noch existierenden Sekte, die Johannischristen oder Mendaiten genannt wird, und die von den Arabern mit El-Mogtasila, die Baptisten, bezeichnet werden. In diese unbestimmten Analogien Klarheit zu bringen, ist schwer. Die zwischen Judentum, Christentum, Wiedertäufer und Sabismus schwankenden Sekten, welche im ersten Jahrhundert u.Z. in der Gegend jenseits des Jordans vorhanden waren, bieten infolge der Verwirrung in den uns überlieferten Mitteilungen, der Kritik ein schwieriges Problem. Immerhin läßt sich annehmen, daß mehrere äußere Bräuche der Johannes, der Essäer, und der damaligen jüdischen Lehrer von Hochasien aus beeinflußt wurden. Der Hauptbrauch, welcher die Sekte des Johannes charakterisiert und ihr den Namen gab, entstand in Nieder-Chaldäa und schuf hier eine Religion, die sich bis auf unsere Zeit erhalten hat.

Dieser Brauch war die Taufe, oder das völlige Untertauchen. Waschungen waren den Juden, wie allen orientalischen Religionen vertraut. Die Essäer hatten ihnen eine besondere Ausdehnung gegeben (Jos. B. J. II; VIII, 5, 7, 9, 13). Die Taufe war zu einer gewöhnlichen Ceremonie der Einführung von Proselyten im Schoß der jüdischen Religion geworden, zu einer Art Weiheakt. (Mischna Pes. VIII, 8; Talmud v. Baly. Jebam. 46, b; Kerith. 9, a; Aboda Zara 57, a; Masseket Gerim.) Johannes hatte zum Schauplatz seiner Thätigkeit jenen Teil der Wüste von Judäa gewählt, der an das Tote Meer grenzt. So oft er eine Taufe vollziehen wollte, begab er sich an die Ufer des Jordans (Luk. III, 3), nach Bethanien oder nach Bethabora, auf der Ostseite, etwa Jericho gegenüber, oder nach dem Ort der Aeaon, die Quellen, genannt wurde, wo es viel Wasser gab. Dahin kamen viele, besonders aus dem Stamme Juda, und ließen sich taufen. So wurde er denn in wenigen Monaten einer der einflußreichsten Männer Judäas, mit dem jeder rechnen mußte.

Das Volk hielt ihn für einen Propheten (Matth. XIV, 5; XXI, 26) und viele glaubten, er sei der wiedererstandene Elias (Matth. XI, 14; Mark. VI, 15; Joh. I, 21). Der Glaube an solchen Auferstehungen war sehr verbreitet. Man wähnte, Gott werde einige der alten Propheten aus ihren Gräbern erstehen lassen; um Israel als Führer zu seiner Endbestimmung zu dienen, andere wieder hielten Johannes für den Messias selbst, obgleich er solches nie behauptet hat. (Luk. III, 15; Joh. 1, 20). Die Priester und Schriftgelehrten, als Gegner der Wiedergeburt des Prophetentums, verachteten ihn. Doch die Beliebtheit des Täufers legte ihnen Zwang auf und sie wagten es nicht gegen ihn aufzutreten (Matth. XXI, 25; Luk. VII, 30). Es war dies ein Sieg des Volksgefühls über die priesterliche Aristokratie. Wenn die Oberpriester aufgefordert wurden, sich klar über diese Sache zu äußern, so gerieten sie in große Verlegenheit.

Übrigens war die Taufe für Johannes nur ein Zeichen das Eindruck machen sollte, und die Gemüter auf eine große Bewegung vorbereiten. Zweifellos war er von der messianischen Hoffnung im hohen Grade beseelt und sein Hauptwirken erfolgte in diesem Sinne. »Thut Buße,« sprach er, »denn das Himmelreich ist nahe.« (Matth. III, 2.) Er verkündete einen »großen Zorn«, das heißt, das Nahen schrecklicher Katastrophen (Matth. III, 7), und erklärte, die Axt sei schon an die Wurzel des Baumes gelegt und der Baum werde bald ins Feuer geworfen werden. Seinen Messias schilderte er, wie er, mit einer Wurfschaufel in der Hand, das Korn sammelt und die Spreu verbrennt. Buße, deren Bild die Taufe war, Almosenspenden, Besserung der Sitten waren für Johannes die großen Mittel der Vorbereitungen zu künftigen Ereignissen. Wir wissen nicht genau, wie er diese Ereignisse auffaßte. Sicher ist jedoch, daß er machtvoll gegen dieselben Gegner eiferte wie Jesus gegen reiche Priester, Pharisäer, Schriftgelehrte, mit einem Worte, gegen das offizielle Judentum und daß, sein Anhang, ebenso wie der Jesu, hauptsächlich aus der verachteten Klasse bestand. (Matth. XXI, 32; Luk. III, 12-14.) Den Titel, Kinder Abrahams, führte er auf nichts zurück und meinte, Gott könne aus den Steinen am Wege Kinder Abrahams schaffen. (Matth. III, 9.) Es will scheinen, daß er den großen Gedanken, der den Triumph Jesu bildete, auch nicht im Keime besessen habe; allein er leistete diesem Gedanken einen mächtigen Dienst, indem er die vorgeschriebenen Ceremonien, die für die Priester nötig waren, durch einen Privatritus ersetzte, so wie ungefähr die Flagellanten des Mittelalters Vorläufer der Reformation waren, indem sie dem offiziellen Klerus das Monopol der Sakramente und der Absolution nahmen. Der Ton seiner Predigten war im allgemeinen streng und kraftvoll. Die Ausdrücke, die er wider seine Gegner gebrauchte, scheinen von der heftigsten Art gewesen zu sein. (Matth. III, 7; Luk. III, 7.) Es waren grobe, fortgesetzte Schmähungen. Wahrscheinlich war ihm auch die Politik nicht fremd. Josephus, der ihn durch seinen Lehrer Banu näher kannte, giebt das verblümterweise zu erkennen Ant. XVIII, V, 2. Man darf nicht außer Acht lassen, daß Josephus, wenn er die geheimen, mehr oder minder verlockenden Lehren seiner Landsleute erklärt, alles was auf den messianischen Glauben sich bezieht, vermengt, und daß er diesen Lehren, um das Mißtrauen der Römer nicht zu erwecken, einen Anschein giebt, wonach die Häupter jüdischer Sekten den Morallehrern oder Stoikern gleichen. und die Katastrophe, die seinem Leben ein Ende machte, läßt es voraussetzen. Seine Jünger führten ein strenges Leben (Matth. IX, 14), fasteten oft und gingen trüb und traurig daher. Zuweilen sieht man bei ihnen die Gütergemeinschaft durchschimmern, den Gedanken, daß der Reiche verpflichtet sei, sein Vermögen zu teilen. Der Arme erscheint bereits als der, welcher in erster Reihe die Wohltaten des Reich Gottes genießen soll. (Luk. III, 11.)

Ob zwar der Mittelpunkt seines Wirkens Judäa war, so drang doch sein Ruf auch nach Galiläa und gelangte bis zu Jesu, der durch seine ersten Reden schon einen kleinen Kreis Zuhörer um sich gesammelt hatte. Noch gering im Ansehen, und sicherlich auch von dem Wunsche beseelt, einen Meister zu sehen, dessen Lehren so große Verwandtschaft mit seinem eigenen Ideengang hatte, verließ Jesus Judäa und begab sich mit seiner kleinen Jüngerschar zu Johannes. Matth. III, 13; Mark. I, 9; Luk. III, 21; Joh. I, 29; III, 22. – Die Synoptiker lassen Jesus zu Johannes ziehen, noch bevor er eine öffentliche Rolle spielte. Wenn ihre Behauptung richtig wäre, wonach Johannes Jesum gleich erkannt habe und ihn feierlich empfangen, so müßte man annehmen, daß Jesus damals schon ein ziemlich bekannter Lehrer war. Der vierte Evangelist läßt Jesus zweimal zu Johannes kommen: das erste Mal als er noch unbekannt war, das zweite Mal mit seiner Jüngerschar. Ohne hier die Frage über die Genauigkeit der Reiseangaben zu berühren – eine Frage, die wegen der Widersprüche in den Schriften und der geringen Sorgfalt, die die Evangelisten hier auf die Richtigkeit angewendet haben, für uns unlösbar scheint – ohne zu leugnen, daß Jesus zur Zeit, da er noch unbekannt war, die Reise zu Johannes unternehmen hätte können, entscheide ich mich für die Mitteilung des vierten Evangeliums, wonach nämlich Jesus, ehe er wie Johannes zu taufen begann, eine vollständige Schule hatte. Man darf übrigens nicht außer Acht lassen, daß die ersten Seiten des vierten Evangeliums stückweise, ohne streng chronologische Ordnung zusammengestellte Notizen sind. Die Neuangekommenen ließen sich wie alle anderen taufen. Johannes nahm diese Schar galiläischer Schüler gut auf und fand kein Arg dabei, daß sie sich von seinem Anhang absonderten. Die beiden Lehrer hatten viel gemeinschaftliche Gedanken, sie liebten sich und überboten sich in gegenseitigen Zuvorkommenheiten. Bei Johannes dem Täufer mag das auf den ersten Blick hin überraschen und man wäre geneigt diese Angaben zu bezweifeln. Demut ist nie das charakteristische Kennzeichen starker jüdischer Seelen gewesen. Es scheint als ob ein so starrer Charakter dem Zorne sehr zugeneigt gewesen sein müßte und weder eine Rivalität noch eine laue Anhängerschaft neben seiner geduldet haben mag. Doch diese Annahme beruht auf eine falsche Auffassung der Persönlichkeit Johannes. Man stellt sich da einen Greis vor, indes war er ein Altersgenosse Jesu. Luk. I, obwohl hier die Einzelheiten, namentlich was die Verwandtschaft zwischen Jesu und Johannes betrifft, Legende sind. Die beiden jungen Enthusiasten, beseelt von gleichem Hoffen und gleichem Hassen konnten wohl gemeinschaftliche Sache machen und sich gegenseitig stützen. Gewiß hätte ein alter Meister, zu dem ein Unbekannter gekommen wäre und eine selbständige Haltung eingenommen hätte, sich empört gefühlt; wir haben kein Beispiel, wo der Führer einer Schule den wohlwollend aufgenommen hätte, der bestimmt war sein Nachfolger zu werden. Aber die Jugend ist jeder Selbstverleugnung fähig und man kann annehmen, daß Johannes Jesum ohne persönlichen Hintergedanken aufnahm, nachdem er gefunden, daß dessen Geist verwandt mit seinem sei. Diese guten Beziehungen wurden dann zum Ausgangspunkt eines ganzen, von den Evangelisten entwickelten Systems, wonach das Zeugnis des Johannes die erste Grundlage der göttlichen Mission Jesu wurde. So groß war das von dem Täufer gewonnene Ansehen, daß man keinen bessern Gewährsmann in der Welt finden zu können wähnte. Doch weit entfernt, daß der Täufer gegenüber Jesu zurückgetreten wäre; Jesus erkannte während der ganzen Zeit, die er bei ihm verlebte, dessen Überlegenheit an und schüchtern nur entfaltete er sein eigenes Genie.

Es scheint wirklich, daß Jesus, trotz seiner gründlichen Ursprünglichkeit wenigstens einige Monate hindurch der Nachahmer Johannes war. Sein Weg lag noch dunkel vor ihm. Überdies gab Jesus immer der öffentlichen Meinung nach und bekannte sich zu manchem nur darum, weil es beim Volk beliebt war, trotzdem es außerhalb seiner Richtung lag und ihn wenig interessierte. Doch derlei Zuthaten schadeten seinem Hauptgedanken nicht; sie waren dem stets untergeordnet. Durch Johannes wurde die Taufe in hohe Gunst gebracht; Jesus hielt sich für verpflichtet diesem Beispiele zu folgen: er taufte und seine Jünger tauften auch. Joh. III, 22-26; IV, 1, 2. – Die Parenthese des zweiten Verses scheint eine Glosse zu sein, oder vielleicht ist sie eine spätere Verbesserung von Johannes selbst. Zweifellos begleiteten sie diesen Akt mit Predigen, ähnlich denen des Johannes. Der Jordan bedeckte sich derart von allen Seiten mit Täufern, deren Reden mehr oder minder Erfolg hatten. Der Schüler kam bald dem Meister gleich und seine Taufe wurde gesucht. Das gab Grund zu Eifersucht zwischen den Jüngern (Joh. III, 26; IV, 1). Die des Johannes beklagten sich bei ihm über den wachsenden Erfolg des jungen Galiläers, dessen Taufe, ihrer Meinung nach, bald die seinige verdrängen werde. Aber die beiden Meister blieben über solchen Kleinlichkeiten erhaben. Überdies war die Überlegenheit des Johannes zu unbestritten, als daß der damals noch unbekannte Jesus sie hätte bekämpfen können. Er wollte nur in dessen Schatten wachsen und hielt es für nötig zur Gewinnung der Menge dieselben Mittel anzuwenden, die Johannes einen so erstaunlichen Erfolg brachten. Als er nach Johannes Verhaftung wieder zu predigen begann, waren die erste Worte, die man ihm in den Mund legte, die Wiederholung der dem Täufer geläufigen Phrasen (Matth. III, 2; IV, 17). Mehrere andere Redestellen des Johannes finden sich in seinen Reden wörtlich wieder (Matth. III, 7; XII, 34; XXIII, 33). Zwischen beiden Schulen scheint lange Zeit ein gutes Einvernehmen geherrscht zu haben, und nach dem Tode Johannes war Jesus, als sein vertrauter Genosse, einer der ersten, die von dem Ereignis Nachricht erhielten (Matth. XI, 2 bis 13. XIV, 12).

Johannes wurde tatsächlich in seiner prophetischen Laufbahn bald gehindert. Wie die alten jüdischen Propheten, war auch er im höchsten Grade Feind der bestehenden Macht. (Luk. III, 19.) Die besondere Heftigkeit, mit der er sie angriff, konnte nicht verfehlen ihm Unannehmlichkeiten zu bringen. In Judäa scheint Johannes von Pilatus nicht behelligt worden zu sein; doch in Peräa, jenseits des Jordans, kam er in das Gebiet des Antipas. Diesen Tyrannen beunruhigte der schlechtverhüllte Hintergrund der Predigten Johannes. Die großen Versammlungen, die der religiöse und politische Enthusiasmus um den Täufer entstehen ließ, hatten etwas Verdächtiges. Überdies kam noch ein ganz persönlicher Groll zu diesen Staatsgründen und machte den Untergang des strengen Censors unvermeidlich. (Josephus Ant. XVIII, V, 2.)

Einer der prägnantesten Charaktere der tragischen Familie des Herodes war Herodias, Enkelin Herodes des Großen. Gewaltthätig, ehrgeizig, leidenschaftlich, verachtete sie das Judentum und mißachtete dessen Gesetze (Joseph, Ant. XVIII, V, 4). Sie war, vielleicht wider ihren Willen, mit ihrem Oheim Herodes, Sohn der Marianne, verheiratet worden, den Herodes der Große enterbt hatte, und der eine neue öffentliche Rolle gespielt. Matth. XIV, 3, griech. Text und Mark. VI, 17 behaupten, daß es Philippus war, doch das dürfte auf einen Fehler beruhen, s. Josephus Ant. XVIII; V, 1. Die Frau des Philippus war Salome, Tochter der Herodias. Die untergeordnete Stellung ihres Gattens, im Vergleich zu den anderen Personen ihrer Familie ließ sie nicht ruhen; sie wollte um jeden Preis herrschen. Antipas war das Werkzeug, dessen sie sich bediente. Dieser schwache Mensch verliebte sich in sie und versprach ihr, sie zu heiraten und seine erste Frau, die Tochter Hareths, Königs von Petra und Emirs der Peräa benachbarten Stämme, zu verstoßen. Die arabische Prinzessin bekam Kenntnis von der Sache und beschloß zu fliehen. Ihre Absicht verhehlend, schützte sie eine Reise nach Machero, das im Gebiete ihres Vaters lag, vor, und ließ sich von den Leuten des Antipas dahin bringen.

Makaur oder Macharo war eine starke, von Alexander Jannäus erbaute und von Herodes später verbesserte Festung in einem entlegenen Winkel östlich vom Toten Meere. Es war ein wildes, unheimliches Gebiet, voll wunderlicher Sagen und, wie man glaubte, von Dämonen heimgesucht. Diese Festung lag gerade an der Grenze der Länder Hareths und Antipas. Zu jener Zeit befand sie sich im Besitze Hareths Dieser, von seiner Tochter benachrichtigt, hatte alles zu ihrer Flucht vorbereitet und von Stamm zu Stamm begleitet, gelangte sie nach Peträa.

Die fast blutschänderische Verbindung von Antipas und Herodias (3. Moses XVIII, 16) wurde nun vollzogen. Die jüdischen Ehevorschriften waren stets ein Streiterreger zwischen der irreligiösen Familie des Herodes und den strenggläubigen Juden (Jos. Ant. XV, VII, 10). Die Mitglieder dieser zahlreichen und ziemlich isolierten Familie waren genötigt untereinander zu heiraten, wobei oft die im Gesetze vorgeschriebenen Hindernisse unbeachtet blieben. Johannes war das Echo der öffentlichen Meinung, indem er Antipas heftig tadelte. (Matth. XIV, 4; Mark. VI, 18; Luk. III, 19.) Das war mehr als nötig, um dessen Verdacht Folge zu geben. Er ließ den Täufer verhaften und gab Befehl ihn in der Festung Machero einzukerkern, der er sich wahrscheinlich nach der Flucht der Tochter Hareths bemächtigt hatte.

Mehr schüchtern als grausam, wollte ihn Antipas nicht töten. Gewissen Gerüchten zufolge, soll er einen Volksaufstand befürchtet haben. (Matth. XIV, 5.) Nach einer anderen Version (Mark. VI, 20) hätte er den Gefangenen mit vielem Vergnügen angehört und diese Unterredungen hätten ihn sehr unschlüssig gemacht. Fest steht indes, daß die Haft sich in die Länge zog, und daß Johannes auch von seinem Gefängnis aus einen großen Einfluß ausübte. Er wechselte Briefe mit seinen Jüngern und wir werden ihn auch zu Jesu noch einmal in Beziehung finden. Sein Glaube an den nahenden Messias befestigte sich noch mehr; aufmerksam verfolgte er jede Bewegung draußen und suchte darin die günstigen Zeichen zu entdecken, für die Erfüllung der Wünsche, mit denen er sich nährte.


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